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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: 1 UE 571/02
Rechtsgebiete: HGlG


Vorschriften:

HGlG § 16 Abs. 2
HGlG § 20 Abs. 1
HGlG § 20 Abs. 3 Satz 1
Die Erwähnung und die positive Würdigung der dienstlichen Tätigkeit als Frauenbeauftragte oder deren Stellvertreterin in einer dienstlichen Beurteilung stellen keine Benachteiligung im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 1 Hessisches Gleichbehandlungsgesetz (HGlG) dar.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

1 UE 571/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen dienstlicher Beurteilung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Kittelmann, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 3. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 1999 - 9 E 1495/97 (1) - aufgehoben, soweit der Klage teilweise stattgegeben worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen eine dienstliche Beurteilung, die ihr in ihrem Amt als Kriminalhauptkommissarin beim Landrat des Hochtaunuskreises - Polizeidirektion Bad Homburg - am 4. November 1996 erteilt worden ist. Darin wurden ihre dienstlichen Leistungen mit der Gesamtnote 3,00 und ihre Eignung und Befähigung mit 6,00 Punkten entsprechend der Bewertungsstufe "Durchschnitt" beurteilt. In einer abschließenden Würdigung hieß es u. a., ihr Engagement als Vertreterin der Frauenbeauftragten der Polizeidirektion sei anerkennenswert.

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin am 5. Juni 1997 Klage erhoben. Sie hat beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 30. April 1997 und der dienstlichen Beurteilung vom 4. November 1996 zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und neu zu beurteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Klageverfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 28. Juni 1999 - 9 E 1495/97 (1) - hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Abänderung der dienstlichen Beurteilung vom 4. November 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insoweit neu zu bescheiden, als der Antrag auf Entfernung des Hinweises auf die Vertretung der Frauenbeauftragten und des damit verbundenen Engagements gerichtet ist; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner mit Beschluss des Senats vom 20. Februar 2002 - 1 UZ 2881/99 - zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, auf die begehrte Entfernung des Hinweises bestehe kein Anspruch, insbesondere nicht auf Grund des Benachteiligungsverbotes in § 20 Abs. 3 Satz 1 HGlG. Die Frauenbeauftragte nehme ihre Aufgaben und Befugnisse als dienstliche Tätigkeit wahr und behalte ihr statusrechtliches Amt, in welchem sie dienstlich beurteilt werde. Rechtsschutz gegen befürchtete Diskriminierungen könne nicht dadurch gewährt werden, dass der Dienstherr von der gebotenen, vollständigen und ordnungsgemäßen dienstlichen Beurteilung absehe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 28. Juni 1999 aufzuheben, soweit darin der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Wahrnehmung der Aufgaben als Frauenbeauftragte unterliege nicht dem Recht des Dienstherrn auf Dokumentation und Bewertung. Im Hinblick auf dienstliche Beurteilungen sei dieses Amt nicht anders zu behandeln als dasjenige von Mitgliedern der Personalvertretungen, deren ehrenamtliche Tätigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19. August 1992 - 7 AZR 262/91 -) in einer Beurteilung nicht einmal erwähnt werden dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Personalakte über die Klägerin (Unterordner A, P-Nr. 181 834) verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss, da er sie einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Sie führt in dem durch die Zulassung bestimmten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin die Beklagte verpflichtet worden ist, den Antrag der Klägerin auf Entfernung des Hinweises auf ihre Vertretung der Frauenbeauftragten und des damit verbundenen Engagements neu zu bescheiden, und zur - vollständigen - Abweisung der Klage.

Ebenso wie bereits in der Zulassungsentscheidung lässt der Senat offen, ob das Verwaltungsgericht den auf Entfernung des Hinweises gerichteten Teil der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig hätte abweisen müssen. Die Klägerin hat auch im Berufungsrechtszug nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie trotz der positiven Würdigung ihrer Tätigkeit als Vertreterin der Frauenbeauftragten ihrer Dienststelle im Rahmen der dienstlichen Beurteilung vom 4. November 1996 hiergegen gerichtlichen Schutz in Anspruch nimmt.

Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung; denn jedenfalls besteht für den geltend gemachten Anspruch auf Entfernung des Hinweises keine Rechtsgrundlage. Der Senat hat in den Gründen seines Beschlusses gleichen Rubrums vom 20. Februar 2002 hierzu folgendes ausgeführt:

"Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus dem sog. Benachteiligungsverbot des § 20 Abs. 3 Satz 1 HGlG. Den Schutzzweck dieser Norm hat das Verwaltungsgericht zwar zutreffend dahingehend gekennzeichnet, dass Frauenbeauftragte und deren Stellvertreterinnen in ihrer Tätigkeit unabhängig und vor Maßnahmen des Dienstherrn geschützt sein sollen, die sich unmittelbar oder indirekt auf ihre weitere berufliche Entwicklung auswirken könnten. Damit ist es dem Dienstherrn von Gesetzes wegen verwehrt, aus dieser Tätigkeit negative Schlüsse zu ziehen, sei es in zukünftigen Beförderungsverfahren, sei es bei sonstigen nicht unmittelbar statusberührenden Personalmaßnehmen (vgl. auch § 20 Abs. 3 Satz 2 HGlG).

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 HGlG nimmt die Frauenbeauftragte jedoch ihre Aufgaben und Befugnisse als dienstliche Tätigkeit war; sie behält somit für die Dauer ihrer Bestellung und auch nach Ablauf der Amtszeit ihr statusrechtliches Amt (vgl. dazu bereits Beschluss des Senats vom 15. August 1995 - 1 TG 2416/95 - HessVGRspr. 1996, 35 = ZBR 1996, 278), von dessen Aufgaben sie in angemessenem Umfang zu entlasten ist (§ 20 Abs. 1 Satz 3 HGlG). Aus dieser Regelung ist ohne weiteres zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Unterschied zu der in §§ 40 Abs. 3, 4, 51 Abs. 2 HPVG geregelten Freistellung von Personalratsmitgliedern zur Ausübung eines Ehrenamts (§ 40 Abs. 1 HPVG) am dienstlichen Charakter der Tätigkeit der Frauenbeauftragten festhalten will; dies zeigt u. a. auch die ausdrückliche Vorschrift über den Ausschluss von Interessenkonflikten in § 16 Abs. 2 Satz 2 - richtig: Satz 3 - HGlG.

Für die dienstliche Beurteilung einer Frauenbeauftragten bzw. ihrer Stellvertreterin in ihrem jeweiligen statusrechtlichen Amt folgt daraus, dass der Dienstherr dem Gebot, einen vollständigen und richtigen Sachverhalt zu Grunde zu legen, nur dann genügen kann, wenn er die Übertragung dieses Amtes und ggf. die Tatsache einer Entlastung von den sonstigen dienstlichen Aufgaben ausdrücklich erwähnt. Andernfalls wäre die Beamtin in ihrem Recht auf eine faire und chancengleiche dienstliche Beurteilung verletzt; denn aus einer in dieser Hinsicht unvollständigen dienstlichen Beurteilung ginge nicht schlüssig hervor, ob sie die mit ihrem statusrechtlichen Amt verbundenen Pflichten im Sinne des § 69 Satz 1 HBG vollständig erfüllt hat. Darin läge zugleich eine nach § 20 Abs. 3 Satz 1 HGlG verbotene Benachteiligung. Nichts anderes kann für wertende Bemerkungen über die Amtsführung als Frauenbeauftragte gelten; denn unter Berücksichtigung des Zwecks einer dienstlichen Beurteilung, als Grundlage für die weitere dienstliche Verwendung der Beamtin (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2 HLVO) und für Personalauswahlentscheidungen zu dienen, gehören die Qualifizierung für Sonderaufgaben (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 3 - richtig: Satz 4 - HGlG) und die durch ihre erfolgreiche Wahrnehmung gewonnene berufliche Erfahrung zu deren notwendigem Inhalt.

Für den Senat ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, welche Nachteile einer Frauenbeauftragten auf Grund einer im dem dargestellten Sinne vollständigen dienstlichen Beurteilung entstehen könnten. Ergibt sich im Einzelfall eine diskriminierende Wirkung von Tatsachenfeststellungen oder Werturteilen des Dienstherrn, so steht der gegen dienstliche Beurteilungen bzw. gegen Beeinträchtigungen des Bewerbungsverfahrensrechts statthafte Rechtsschutz zur Verfügung."

(S. 2, 4. Abs. bis S. 3 des Abdrucks)

An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung fest. Sie steht nicht in Widerspruch zu der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine ehrenamtliche Tätigkeit nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz im Regelfall in einer dienstlichen Beurteilung nicht erwähnt werden darf (BAG, Urteil vom 9. August 1992 - 7 AZR 262/91 - BAGE 71, 100 = PersR 1993, 85 = NZA 1993, 222). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass ein personalvertretungsrechtliches Ehrenamt keinen der dienstlichen Beurteilung unterliegenden Bezug zu der vom Bediensteten geschuldeten Dienst- oder Arbeitsleistung habe und daher nicht zu den Merkmalen gehöre, nach denen entsprechend dem Inhalt des Arbeitsvertrages Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu beurteilen seien. Diese Erwägung kann für die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 HGlG als dienstliche Tätigkeit ausgestaltete Wahrnehmung des Amtes einer Frauenbeauftragten nicht gelten.

Der Inhalt des streitgegenständlichen Hinweises ist als solcher von der Klägerin nicht angegriffen worden; sie macht nicht geltend, ihre Tätigkeit als Vertreterin der örtlichen Frauenbeauftragten sei unzutreffend dargestellt oder zu Unrecht negativ gewürdigt worden. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, welchen zulässigen Inhalt wertende Bemerkungen des Dienstherrn in einer dienstlichen Beurteilung unter der Geltung des Benachteiligungsverbots in § 20 Abs. 3 Satz 1 HGlG haben können.

Ausgeschlossen ist es nach der Rechtsprechung des Senats lediglich, eine nach § 20 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 HGlG vollständig von ihren dienstlichen Aufgaben freigestellte Frauenbeauftragte allein auf Grund der Wahrnehmung ihrer diesbezüglichen Aufgaben und Befugnisse dienstlich zu beurteilen; denn dies wäre mit ihrer durch die Weisungsfreiheit gegenüber dem Dienstherrn (§ 20 Abs. 1 Satz 2 HGlG) geprägten Stellung nicht zu vereinbaren. In derartigen Fällen ist eine fiktive Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung vorzunehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2000 - 1 TG 4006/00 -). Rechtlich jedenfalls unbedenklich sind demgegenüber positiv wertende Feststellungen in einer dienstlichen Beurteilung, da darin keine Benachteiligung der Beamtin im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 1 HGlG liegen kann. Ein Verbot der Begünstigung wegen der Tätigkeit als Frauenbeauftragte nach Art des § 64 Abs. 1 HPVG (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 13. März 2002 - 1 TZ 3188/01 - NVwZ 2002, 876) enthält die Vorschrift nicht.

Im Übrigen dürften tendenziell negative Werturteile in erster Linie daran zu messen sein, ob eine gesetzwidrige Einflussnahme des Dienstherrn auf die unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben der Frauenbeauftragten ausgeschlossen werden kann.

Da die Klägerin insgesamt unterlegen ist, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich derjenigen des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG. Der Senat sieht keine Veranlassung, den im Verfahren über dienstliche Beurteilungen regelmäßig anzunehmenden sog. Auffangstreitwert im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG mit Rücksicht darauf, dass nur der stattgebende Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen ist, zu ermäßigen.

Ende der Entscheidung

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