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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.02.2007
Aktenzeichen: 1 UZ 1948/06
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 19 Abs. 1 S. 1
BeamtVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Versorgungszwecks einer Eheschließung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UZ 1948/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gewährung von Hinterbliebenenversorgung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 16. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 22. Juni 2006 - 1 E 763/05 (3) - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 39.461,20 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Der Senat hat - auch unter Berücksichtigung der Antragsbegründung - keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Gewährung von Witwergeld nach der am 26. Mai 2004 verstorbenen Ehefrau des Klägers zu Recht mit der Begründung abgelehnt, die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 28 BeamtVG seien nicht erfüllt, weil die gesetzliche Annahme, dass die am 7. Mai 2004 geschlossene Ehe allein oder überwiegend dem Zweck der Versorgung des Klägers gedient habe (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG), nicht widerlegt worden sei.

Der Kläger scheint die durch die gesetzliche Vermutung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG geschaffene Rechtslage in ihren prozessualen Konsequenzen zu verkennen. Wenn der Gesetzgeber als Regelfall davon ausgeht, dass eine Ehe, die im Zeitpunkt des Todes des Beamten nicht mindestens ein Jahr bestanden hat, Versorgungszwecken gedient habe, so wird damit dem hinterbliebenen Ehepartner die volle Darlegungs- und Beweislast für eine hiervon abweichende Zweckrichtung der Heirat auferlegt. Beweiserleichterungen sind nicht vorgesehen, obwohl es im Einzelfall außerordentlich schwierig sein kann, einen sog. inneren Tatbestand (Motive, Beweggründe, Absichten u. ä.) zur Überzeugung der Behörde bzw. des Gerichts nachzuweisen. Die bloße Darlegung bestimmter Tatsachen und Umstände, die als Indizien für eine nicht ausschließlich oder überwiegend der Versorgung des Ehepartners dienende Eheschließung gewertet werden sollen, genügt hierfür jedenfalls nicht. Erforderlich ist vielmehr nach feststehender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Nachweis, dass unter den Beweggründen jedenfalls eines der Eheschließenden der Zweck, dem anderen eine Versorgung zu verschaffen, keine maßgebliche Bedeutung hatte (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 1966 - II C 32.64 - BVerwGE 25, 221 = ZBR 1967, 87 sowie vom 19. Januar 1968 - VI C 56.64 - BVerwGE 29, 60 = DÖD 1968, 92; Beschluss vom 9. Juli 1971 - VI B 25.71 - Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 7; s. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 E 693/04 - in: Schütz, BeamtR ES/C II 2.3.1 Nr. 17 m. w. N.).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht in tatsächlicher Hinsicht darin, dass die verstorbene Beamtin seit April 2002 lebensbedrohlich erkrankt war, im Januar 2004 einen Rückfall erlitten hatte und sich nach mehreren Operationen seit März 2004 in stationärer Behandlung befand. Ist aber der lebensbedrohende Charakter der Erkrankung des verstorbenen Ehepartners im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt, so kommt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG in aller Regel nicht in Betracht, es sei denn, die Heirat stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Entschlusses dar (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 1. Dezember 1998 - 3 B 95.3050 - in: Schütz, BeamtR ES/C 2.3.1. Nr. 10; ähnlich im Ergebnis OVG Hamburg, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 1 Bf 189/04 - NVwZ-RR 2006, 196). Dies vermag der Senat jedoch dem gesamten Vorbringen des Klägers nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.

Danach soll eine Heiratsabsicht seit dem Einzug in eine gemeinsame Mietwohnung im März 2001 bestanden haben. Die Beweggründe, aus denen die Eheschließung nach Darstellung des Klägers immer wieder verschoben wurde, und zwar auch nach Bekanntwerden der Erkrankung der Beamtin, sind subjektiv verständlich, vermögen den Senat jedoch ebenso wenig wie das Verwaltungsgericht davon zu überzeugen, dass seit mehreren Jahren ein unbedingter Entschluss zur Eheschließung bestand, der erst im Mai 2005 verwirklicht werden konnte. Wird die Eheschließung trotz jahrelanger Bindung bis auf einen kurz vor dem Tod des Partners liegenden Zeitpunkt hinausgeschoben, oder besteht eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, deren formelle Legalisierung aber bis zu diesem Zeitpunkt unterbleibt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung; denn dabei handelt es sich nicht um besondere, objektiv erkennbare Umstände, die einen anderen als den Versorgungszweck der Eheschließung mindestens ebenso wahrscheinlich machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1971 - VI B 25.71 - a. a. O.; Bay. VGH, Beschluss vom 11. April 1983 - 3 B 81 A.2083 - Juris sowie Urteil vom 8. März 1996 - 3 B 95.648 - IÖD 1997, 58). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht seine dahin gehende Wertung mit dem Hinweis gestützt, dass im Zeitpunkt der Heirat am 7. Mai 2005 die von den Eheleuten entwickelten Pläne und Bedingungen nicht erfüllt waren.

Aus gegebenem Anlass ist hervorzuheben, dass die vom Kläger an Hand des Krankheitsverlaufs der verstorbenen Beamtin geschilderten subjektiven Gründe für ein Aufschieben der Heirat in jeder Hinsicht nachvollziehbar sind. Als innere Motivation entziehen sie sich jedoch objektiver Nachprüfung. Die gesetzliche Vermutung, in der im Übrigen keinerlei Werturteil enthalten ist, kann so nicht widerlegt werden.

Da der Antrag erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3, 54 Abs. 1, 42 Abs. 3 und 5 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2006 auf der Grundlage der vom Beklagten vorgelegten Berechnung des fiktiven Witwergeldes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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