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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 1 UZ 2400/07
Rechtsgebiete: AufenthG, AuslG, BSHG, HGO


Vorschriften:

AufenthG § 68
AuslG a. F. § 84
BSHG § 37
HGO § 121 Abs. 2 Nr. 2
HGO § 121 Abs. 3
Auch in Krankenhäusern öffentlicher Träger erfolgt die Behandlung und Versorgung nicht gesetzlich versicherter Patienten in der Regel auf der Grundlage eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages; deshalb können die angefallenen Behandlungskosten nicht hoheitlich durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden.

Die Kosten für den Betrieb des Krankenhauses wie z. B. das Bereithalten der technischen Einrichtungen und des medizinischen Personals sind keine öffentlichen Mittel zur Versorgung eines konkreten Patienten. Deshalb zählen sie auch nicht zu den erstattungsfähigen öffentlichen Mitteln für den Lebensunterhalt eines Ausländers nach § 68 Abs. 1 AufenthG.

Auch wenn der Träger des Krankenhauses und der Träger der Sozialhilfe identisch sind, kann in der Krankenhausbehandlung nicht inzident die Bewilligung von Krankenhilfe nach dem BSHG gesehen werden.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UZ 2400/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen ausländerrechtlicher Kostenhaftung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Richter am Hess.VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 20. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2007 - 8 E 2443/05 (2) - wird abgelehnt.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 1.999,32 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnte, nicht dargetan.

An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen aufgrund des Vorbringens der Beklagten keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben und den Leistungsbescheid vom 15. Oktober 2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2005 auf Zahlung der ungedeckten Behandlungskosten für die Schwiegermutter des Klägers aufgehoben. Denn weder das Klinikum A-Stadt noch die Stadt A-Stadt als Rechtsträgerin sind berechtigt, die nicht von der Krankenversicherung übernommenen Behandlungskosten im Wege des Leistungsbescheids als aufgewendete öffentliche Mittel im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 2 AuslG a. F. ( = § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) beim Kläger geltend zu machen.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass das Klinikum A-Stadt nach § 121 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 HGO i. V. m. § 1 Krankenhausbetriebsverordnung vom 20. November 1991 (GVBl. I S. 354) und dem Hessischen Eigenbetriebsgesetz vom 9. Juni 1989 (GVBl. I S. 154) nicht als eigene Rechtspersönlichkeit, sondern als Sondervermögen der Beklagten nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird. Dem entspricht es, dass gemäß § 1 des Hessischen Krankenhausgesetzes vom 6. November 2002 (GVBl. I S. 662 / HKHG) die patienten- und bedarfsgerechte stationäre Versorgung der Bevölkerung durch ein flächendeckendes System leistungsfähiger und eigenverantwortlich wirtschaftender Krankenhäuser sicherzustellen ist. Zwar bleibt gemäß § 3 HKHG die Gewährleistung der bedarfsgerechten Versorgung durch leistungsfähige Krankenhäuser eine öffentliche Aufgabe des Landes, der Landkreise und der kreisfreien Städte; die Behandlung der einzelnen Patienten erfolgt jedoch nicht hoheitlich oder im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses, sondern auf der Grundlage eines privaten Behandlungsvertrages, wie er auch im Falle der Schwiegermutter des Klägers schriftlich mit dem Klinikum A-Stadt abgeschlossen wurde (s. Bl. 3 Behördenakte). Insoweit unterscheidet sich die stationäre Krankenversorgung z. B. von der Abfallentsorgung, bei der Anschluss- und Benutzungszwang besteht. Aus dieser Organisation der Krankenhausversorgung folgt, dass die Kosten der Behandlung vom Krankenhaus nicht hoheitlich durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden können, sondern - bei Selbstzahlern wie der Schwiegermutter des Klägers - zivilrechtlich beim Patienten einzufordern sind (so schon OLG Celle, Beschluss vom 08.03.1999 - 1 W 25/98 - NVwZ-RR 2000, 119; zum zivilrechtlichen Charakter der Forderung siehe auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.11.2007, L 23 SO 119/06; ebenso VG Bayreuth, Urteil vom 14.12.2004 - B 1 K 04.20 -, VG München, Urteil vom 21.3.2001- M 31 K 00.1940 - und VG Ansbach, Urteil vom 15.4.2004 - An 5 K 03.01266 -; alle zitiert nach juris). Die vom Krankenhaus erbrachte Leistung besteht in der stationären medizinischen Versorgung, nicht aber in der Aufwendung öffentlicher Mittel, die für diese medizinische Versorgung benötigt werden. Dementsprechend kann weder das Krankenhaus noch der dahinterstehende Krankenhausträger die Behandlungskosten durch - öffentlich-rechtlichen - Verwaltungsakt geltend zu machen.

An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn - wie im Falle des Klägers - die Behandlungskosten statt beim Patienten bei einem nach § 84 AuslG/§ 68 AufenthG Erstattungsverpflichteten angefordert werden. Zwar können von dem Verpflichteten öffentliche Mittel, die konkret für den Lebensunterhalt des Ausländers aufgewandt worden sind, im Wege des Leistungsbescheides zurückgefordert werden. Zu diesen öffentlichen Mitteln zählen jedoch nicht die zivilrechtlichen Behandlungskosten, die durch den Aufenthalt im Krankenhaus entstanden sind, da diese ihren Charakter nicht dadurch ändern können, dass sie auf einer anderen rechtlichen Grundlage oder bei einer anderen Person geltend gemacht werden. Auch auf die Kosten für das bloße "Bereithalten" der technischen Einrichtung und des medizinischen Personals kann nicht abgestellt werden, da solche Kosten unabhängig vom einzelnen Patienten entstehen und nicht den Kosten des Lebensunterhaltes für einen bestimmten Ausländer zugerechnet werden können. Vielmehr werden erst dann öffentliche Mittel für die Versorgung im Krankheitsfalle und damit für den Lebensunterhalt im Sinne des § 84 Abs. 1 AuslG/68 Abs. 1 AufenthG aufgewendet, wenn sie der konkreten Versorgung einer bestimmtem Person dienen und z. B. vom Sozialamt in Form der Übernahme von Krankenkassenbeiträgen, der Sachleistung durch Ausstellung eines Behandlungsscheines oder der Bezahlung der Krankenhausrechnung für diese Person geleistet werden.

Soweit - wie hier - der Träger des Krankenhauses mit dem Träger der Sozialhilfe identisch ist, kann dieses Ergebnis auch nicht dadurch umgangen werden, dass das Krankenhaus mit dem Abschluss des Behandlungsvertrages vorsorglich einen Antrag auf Gewährung von Krankenhilfe nach dem BSHG entgegennimmt und dann in Ausübung der Funktion des Sozialamtes Krankenhilfe nach § 37 BSGH schlüssig durch die stationäre Versorgung des Patienten gewährt. Zwar mögen nach § 33 Abs. 2 SGB X Bewilligungsentscheidungen auf dem Gebiet des Sozialrechtes nicht nur schriftlich, sondern auch in anderer Weise ergehen können. Dies setzt jedoch immer eine Entscheidung der zuständigen Behörde nach Prüfung der für die Gewährung notwendigen Umstände voraus, und ein Krankenhaus - egal in welcher Trägerschaft es steht - ist unter keinem Gesichtspunkt zur Bewilligung von Sozialhilfe berechtigt. Erst recht werden von ihm vor Durchführung der Krankenhausbehandlung nicht die Voraussetzungen für den Bezug von Krankenhilfe wie insbesondere die Mittellosigkeit geprüft. Deshalb kann die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, dass durch die Behandlung der Schwiegermutter in schlüssiger Weise Sozialhilfe bewilligt wurde und damit öffentliche Mittel für den Lebensunterhalt der Schwiegermutter in Anspruch genommen worden seien, so dass der Kläger insoweit aufgrund der von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung nach § 84 Abs. 2 AuslG zur Erstattung herangezogen werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat auch nicht die spezifische Problematik der Trägeridentität zwischen Träger des Krankenhauses und Träger der Sozialhilfe verkannt. Dies wirkt sich weder zugunsten der Beklagten in der von ihr dargelegten Form der schlüssigen Bewilligung von Sozialhilfe durch das Krankenhaus aus, noch geht es umgekehrt zu ihren Lasten, weil ihr dadurch die Berufung auf die Regelung des § 121 BSHG zur Erstattung der Aufwendungen im Falle der Nothilfe verwehrt wäre. Zwar kann sie nicht im Wege eines In-sich-Prozesses (Krankenhaus gegen Sozialamt) die Kosten für eine Notfallbehandlung, die den Kriterien des § 121 BSHG entspricht, gerichtlich geltend machen; eine interne Verrechnung zwischen dem Budget für das Sozialamt einerseits und dem Sondervermögen Krankenhaus andererseits erscheint jedoch ohne Weiteres möglich. Im konkreten Fall scheitert sie nur daran, dass das Klinikum A-Stadt überhaupt nicht an das Sozialamt herangetreten ist, so dass ein Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG bereits mangels entsprechender rechtzeitiger Geltendmachung ausgeschlossen ist.

Unabhängig davon wären ohnehin allenfalls die ersten Aufenthaltstage der Schwiegermutter des Klägers im Krankenhaus als Nothilfe im Sinne der Erstattungsvorschriften des BSHG anzusehen. Denn die Patientin wurde am Samstag, den 29. März 2003 ins Krankenhaus eingeliefert, also zu einem Zeitpunkt, als keine Kontaktaufnahme mit dem Sozialamt möglich war. Sie blieb allerdings bis zum 4. April 2003, also fast eine Woche in stationärer Behandlung, wurde übers Wochenende entlassen und am 7. April erneut einbestellt, so dass für diese länger andauernden Behandlungsmaßnahmen bereits der Charakter als Notfallmaßnahme zweifelhaft erscheint. Darüber hinaus hätte im Laufe der Woche ohne Weiteres eine rechtzeitige Abstimmung mit dem Sozialamt stattfinden können. Dies hätte sich angesichts der Hinweise der Tochter auf den unklaren Umfang der Krankenversicherung gerade vor dem Hintergrund angeboten, dass mit dem Behandlungsantrag ein - vorsorglicher - Antrag auf Bewilligung von Krankenhilfe nach dem BSHG verbunden war, über den das Sozialamt selbstverständlich nur entscheiden kann, wenn es von diesem Antrag Kenntnis erhält.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Zwar sind Vorschriften aus verschiedenen Rechtsgebieten, nämlich insbesondere aus dem Kommunalrecht, dem Krankenhausrecht, dem Ausländerrecht und dem Sozialhilferecht zu beachten. Allein die Verquickung verschiedener Rechtsgebiete belegt jedoch nicht die besondere Schwierigkeit rechtlicher Art. Vielmehr müssten sich auch überdurchschnittlich schwierige Rechtsfragen stellen, die - anders als hier - im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres zu klären sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rdnr. 9 zu § 124). Die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen gehen über die Auslegung der heranzuziehenden Vorschriften und das übliche Spektrum der verwaltungsgerichtlich zu entscheidenden Streitfälle nicht hinaus (vgl. hierzu VGH Mannheim, Beschluss vom 22. April 1997 - 14 S 913/97 - NVwZ 1997, 1230).

Schließlich weist die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Denn die von der Beklagten hierzu formulierten Rechtsfragen stellen sich entweder im konkreten Fall nicht oder sind jedenfalls aus dem Gesetz heraus ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens zu klären. So kann die Frage, ob

"bei gebietskörperschaftlicher Identität von Krankenhaus- und Sozialhilfeträger auch ohne Vorliegen eines sozialhilferechtlichen Bescheides über die Gewährung von Krankenhilfe ein Ersatzanspruch der Kommune als Krankenhausträger wegen der ungedeckten Kosten der medizinischen Versorgung gegen den gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG [= § 84 AuslG a. F.] Verpflichteten",

besteht schon aufgrund der obigen Erwägungen (s. S.3 und 4 des Beschlussabdrucks) verneint werden. Dasselbe gilt für die Frage

"Handelt es sich bei den Aufwendungen für medizinische Versorgung, die einem Ausländer in einem kommunalen - d. h. als Eigenbetrieb geführten - Krankenhaus gewährt wird, um öffentliche Mittel im Sinne des § 68 Abs. 1 AufenthG [= § 84 Abs. 1 AuslG a. F.]?"

sowie für die Frage

"Kann in einer wegen eines Notfalls erbrachten Behandlungsleistung eines als Eigenbetrieb geführten kommunalen Krankenhauses (gleichzeitig) eine konkludente Sozialhilfegewährung gemäß § 48 SGB XII, § 33 Abs. 2 SGB X liegen, wenn die als Krankenhausträger fungierende Kommune gleichfalls zuständiger Sozialhilfeträger ist?"

Auch diese beiden Fragen lassen sich bereits durch die Auslegung des Gesetzestextes und die Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs hinreichend beantworten (vgl. oben S. 4 des Beschlusses).

Auf die weiterhin aufgeworfene Frage, ob

"das Tätigwerden eines kommunalen Krankenhauses als Sozialhilfeträger oder sonstiger Aufwender öffentlicher Mittel im Sinne des § 84 AuslG/68 AufenthG bereits an seiner Befugnis scheitert, in seiner Eigenschaft als Eigenbetrieb wirksam Verwaltungsakte zu erlassen, weil sich die Kommune als Rechtsträgerin durch Errichtung des Eigenbetriebes auf dem Gebiet der Krankenhausbehandlung ihrer behördlichen Handlungsmöglichkeiten gegeben hat",

kommt es für die Lösung des Rechtsstreites nicht an. Denn unabhängig von der Einkleidung der Erstattungsforderung in die Form eines Verwaltungsaktes ist der Kläger jedenfalls mangels der Aufwendung öffentlicher Mittel für die Behandlung seiner Schwiegermutter nicht zur Kostenerstattung verpflichtet.

Ebenso wenig stellt sich zur Lösung des Rechtsstreits die Frage,

"Ist die Definition der aufgewendeten öffentlichen Mittel im Sinne des § 84 AuslG/68 AufenthG ausschließlich auf Leistungen der Sozialverwaltung wie die Gewährung von Sozial-, Jugend- oder Krankenhilfe beschränkt?"

Dies ist eine abstrakte Rechtsfrage, die für den konkreten Rechtsstreit ohne Bedeutung ist, da für die Schwiegermutter des Klägers offensichtlich keine derartigen öffentlichen Mittel aufgewendet worden sind. Jedenfalls ist nicht einmal dargelegt, um welche Art von öffentlichen Mitteln es sich handeln soll und inwieweit diese Mittel der Schwiegermutter des Klägers zugute gekommen sein sollen.

Da der Antrag auf Zulassung der Berufung erfolglos bleibt, hat die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG und geht von dem geforderten Erstattungsbetrag aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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