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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 20.08.2009
Aktenzeichen: 10 A 1799/08
Rechtsgebiete: HSchG, SGB VIII


Vorschriften:

HSchG § 49
HSchG § 54 Abs. 1 Satz 1
SGB VIII § 10 Abs. 1
SGB VIII § 35a Abs. 1
SGB VIII § 36a
Zu den Voraussetzungen der Übernahme von Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 1799/08

Verkündet am 20. August 2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Jugendhilferechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens, Richter am VG Wanner (abgeordneter Richter), ehrenamtliche Richterin Denfeld und ehrenamtlichen Richter Waldeck

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2007 - 3 E 2256/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für den Besuch der Marianne Frostig-Schule in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006.

Die Eltern der Kläger hatten bei dem Beklagten wegen der Kostenübernahme einer außerschulischen Fördermaßnahme für ihre beiden im Februar 1993 geborenen Söhne nachgefragt und erhielten daraufhin von dem Beklagten unter dem 4. Juni 2004 die notwendigen Antragsunterlagen übersandt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren einigen Aufwand erfordere, um die Notwendigkeit und die Eignung einer solchen Hilfe für die Kläger prüfen zu können. Ferner wurde empfohlen, eine Fördermaßnahme erst dann zu beginnen, wenn das Entscheidungsverfahren abgeschlossen sei, da eine rückwirkende Kostenübernahme nicht möglich sei.

Mit am 24. August 2004 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben vom 15. August 2004 beantragten die Kläger durch ihre Eltern, der Beklagte möge das Schulgeld für den Besuch der Marianne Frostig-Schule in Offenbach übernehmen. Zur Begründung wurde angegeben, es sei zu befürchten, dass den Klägern ansonsten (weitere) seelische Schäden durch mangelnde soziale Integration drohten. Die Marianne Frostig-Schule sei im Umkreis die einzige Schule, die ab August 2004 für die weitere Beschulung der Kläger ab der 5. Klasse in Betracht komme. Eine nach Ausschöpfen der schulischen Fördermaßnahmen auf Empfehlung der von den Klägern besuchten Grundschule, der Ludwig Uhland-Schule in Neu-Isenburg, von Oktober 2003 bis August 2004 zweimal wöchentlich nachmittags durchgeführte und selbst finanzierte außerschulische Förderung zur Verbesserung der vorliegenden Lese-Rechtschreib-Problematik am Lerninstitut für Orthographie und Schreibtechnik in Neu-Isenburg habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Marianne Frostig-Schule, an der im Juli 2004 eine Testbeschulung der Kläger erfolgt sei, könne als örtlich nächstgelegene Schule aufgrund ihres Ganztagsangebots mit besonderer Pädagogik speziell auf die Probleme der Kläger eingehen und diese begabungsadäquat beschulen. Alternativ seien Gespräche mit der HEBO-Schule in Bonn geführt worden. Dort würde jedoch zusätzlich eine Unterbringung in einer teilstationären Einrichtung nötig werden, was auch mit erheblich höheren Kosten verbunden sei.

Dem Antrag wurden unter anderem mehrere ärztliche Stellungnahmen und für jeden der Kläger ein von ihren Eltern verfasster Entwicklungsbericht sowie eine Auskunft der von den Klägern besuchten Grundschule beigefügt.

Ausweislich der fachärztlichen Stellungnahme der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main vom 10. August 2004 wurden bei den Klägern jeweils eine Hyperkinetische Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit (ICD-10: F90.0) sowie eine Isolierte Lese- und Rechtschreibstörung (ICD-10: F81.0) diagnostiziert. Die bereits vordiagnostizierte Aufmerksamkeitsstörung und die im Verlauf der weiteren schulischen Entwicklung deutlich gewordene Teilleistungsstörung (Rechtschreibstörung, insbesondere schwer ausgeprägte Lesestörung) beeinträchtigten der Stellungnahme zufolge die schulische Leistungsfähigkeit der Kläger und auch ihre soziale Integration in erheblichem Maße. So sei es mittlerweile trotz der zwischenzeitlich eingeleiteten Therapiemaßnahmen (medikamentöse Behandlung, Lerntherapie) zu einer erheblichen relativen Leistungsschwäche und deutlichen sozialen Integrationsschwierigkeiten gekommen. Aufgrund dieser Symptomatik seien die Kläger mit dem Regelschulbesuch überfordert, und bei einer Weiterbeschulung in einer regulären Gesamtschulklasse sei zu befürchten, dass sich das beschriebene Defizit weiter verstärke und die Kläger zunehmende Verhaltensauffälligkeiten entwickelten. Die Kläger benötigten daher besondere Beschulungsbedingungen, die ihre individuellen Leistungsdefizite und ihre eingeschränkte Aufmerksamkeitsspanne bei der Unterrichtsgestaltung berücksichtigen könnten. Die Familie habe ihrerseits bereits Kontakt aufgenommen mit der Marianne Frostig-Schule, die in der Lage sei, den gegebenen Schwierigkeiten zu begegnen. Es werde sich daher dringend dafür ausgesprochen, die Familie bei der Unterbringung der Kläger in dieser Schule zu unterstützen.

Die um Erteilung einer Schulauskunft gebetene Ludwig Uhland-Schule gab hinsichtlich beider Kläger unter dem 5. Juli 2004 an, die Probleme, die durch die Kombination ADHS und Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben entstünden, wirkten sich zunehmend negativ auf die anderen Fächer aus. Das Bewusstwerden der Andersartigkeit der Kläger bei ihnen und bei ihren Mitschülern verstärke ihre jeweilige Außenseiterrolle und ermögliche es ihnen immer weniger, sich positiv in der Gruppe zu erleben. Dies wirke sich schon jetzt auf ihr Selbstwertgefühl aus. Die Frage, ob die Schulform dem Leistungsvermögen der Kläger angemessen sei, wurde bejaht. Hinzugefügt wurde, Unterricht in Kleingruppen wäre besser bzw. geeigneter, da die Kläger viel Zuwendung benötigten; beispielhaft wurde die Marianne Frostig-Schule genannt.

Im Zeugnis des 2. Halbjahres der Jahrgangsstufe 4 vom 16. Juli 2004 erhielten die Kläger im Fach Deutsch jeweils die Note "ausreichend"; in den Bemerkungen wurde die Leseleistung als mangelhaft bzw. schwächer als ausreichend bewertet.

Mit Bescheid des Kreisausschusses des Kreises Offenbach vom 27. September 2004 wurde der Antrag der Kläger abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die richtige Beschulung sei vorrangig das Staatliche Schulamt Offenbach zuständig. Daher müssten die Eltern der Kläger sich mit dem Schulamt in Verbindung setzen, um dort einen Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs zu stellen und die Bestimmung einer geeigneten Schule zu beantragen. Von dort werde dann geprüft, auf welche Art und Weise, in welcher Schulform oder an welcher konkreten Schule eine angemessene Schulbildung für die Kläger gewährleistet werden könne; die Prüfung obliege allerdings nach § 54 Hessisches Schulgesetz (HSchG) dem Staatlichen Schulamt. Der Besuch einer Privatschule statt einer staatlichen Schule sei nur dann angemessen, wenn aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles eine anderweitige Beschulungsmöglichkeit nicht gegeben sei. Zusätzlich könne den Eltern angeboten werden, sich mit der zuständigen Sozialarbeiterin in Verbindung zu setzen, um abzuklären, ob der Beklagte die Kläger eventuell mit einer ambulanten Betreuungsmaßnahme unterstützen könne. Falls die Kläger bereits die Marianne Frostig-Schule besuchten, sei hinzuzufügen, dass Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt seien, wenn sie hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen seien, weil der Jugendhilfeträger die Leistung nicht rechtzeitig erbringe oder zu Unrecht abgelehnt habe. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen, da keine rechtzeitige Antragstellung erfolgt, sondern der Antrag erst am 24. August 2004 und damit wenige Tage vor dem Schulbeginn am 30. August 2004 eingegangen sei; vor allem aber seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht gegeben, da die Zuständigkeit beim Staatlichen Schulamt liege.

Der Bescheid wurde den Eltern der Kläger am 29. September 2004 zugestellt.

Am 21. Oktober 2004 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung wurde dargelegt, einem Entwicklungsbericht der Marianne Frostig-Schule vom 6. Dezember 2004 sei unmissverständlich zu entnehmen, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf der Kläger in keiner Weise bestehe. In der Grundschulzeit hätten die Kläger - vom Fach Deutsch abgesehen - immer gute bis durchschnittliche Leistungen gezeigt; eine Klassenwiederholung oder gar ein sonderpädagogischer Förderbedarf habe nie zur Diskussion gestanden. Das Hauptdefizit der Kläger liege vielmehr im sozialkompetenten Bereich. In den Grundschulklassen seien die Kläger oft ausgegrenzt und schnell zu Außenseitern geworden; zeitweise seien sie - vor allem in den Pausen bei unzureichender Aufsicht durch eine Lehrkraft - von ihren Mitschülern körperlich bedroht und sogar mehrfach verprügelt worden. Sie, die Eltern, seien mit den Klägern seit mehr als sechs Jahren in psychologischer bzw. ergotherapeutischer Behandlung, die Kinder bekämen Medikamente und Therapien, um ihre Selbstreflexion zu verbessern und der Hyperaktivität und den Aufmerksamkeitsdefiziten gegenzusteuern, und sie als Eltern besuchten regelmäßig Elternseminare und Selbsthilfegruppen. Allerdings werde es den behandelnden Ergotherapeuten und Psychologen zufolge noch einige Jahre dauern, bis die Kläger eine altersentsprechende Selbstreflexion erworben hätten. Ob und wann sich die Hyperaktivität und die damit verbundenen Symptome legten, könne seitens der Ärzte noch nicht gesagt werden. Die Kläger benötigten daher eine besondere pädagogische Betreuung, die in einer Regelschule nicht gewährleistet werden könne. Hinzu trete die Teilleistungsschwäche Legasthenie, die den Klägern vor allem im Fach Deutsch schulischen Erfolg und Anerkennung bei den Mitschülern genommen habe. Da die Kläger mit ihren Defiziten in einem Regelschulbetrieb untergegangen wären, habe sich die Familie für die Marianne Frostig-Schule entschieden, die aufgrund der kleinen Klassenstärken und des besonderen pädagogischen Konzepts sehr von den Grundschullehrern und den Psychologen als geeignete Schule empfohlen worden sei. Nach nunmehr sechs Monaten Beschulung in der Marianne Frostig-Schule könne gemeinsam mit der Schule festgestellt werden, dass die Kläger sich in dieser Schule insgesamt sehr positiv entwickelt hätten. Infolge des gesamtheitlich pädagogischen Ansatzes der Schule sei auch das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein der Kläger schon viel stärker geworden. Sie hätten wieder Spaß am Lernen und gingen, weil sie keine Angst vor Gewalt und Beleidigungen seitens der Mitschüler haben müssten, wieder gerne zur Schule. Hinsichtlich der angeführten Kurzfristigkeit der Antragstellung sei zu bedenken, dass man sich die Entscheidung für die weitere Beschulung der Kläger nicht leicht gemacht habe und bis kurz vor Beginn des 5. Schuljahres mit mehreren Bildungseinrichtungen im Gespräch gewesen sei. Hauptsächlich aus Kostengründen habe man z.B. von der HEBO-Schule in Bonn abgesehen und sich für die räumlich nahegelegene Marianne Frostig-Schule in Offenbach entschieden. Finanziell seien sie, die Eltern, allerdings allein nicht in der Lage, die Kläger über das 5. Schuljahr hinaus dort beschulen zu lassen. Für den Fall der Antragsablehnung werde hilfsweise nun rechtzeitig und fristgerecht die Übernahme der Schulkosten der Marianne Frostig-Schule für das Schuljahr 2005/2006 beantragt.

Der Beklagte teilte den Klägern unter dem 29. März 2005 nochmals mit, dass vorrangig ein Antrag auf sonderpädagogischen Förderbedarf beim Staatlichen Schulamt gestellt werden müsse. Ob der Besuch einer bestimmten Schule einem von einer seelischen Behinderung Bedrohten eine angemessene Schulbildung vermittle, hätten weder der Träger der Jugendhilfe noch der Träger der Sozialhilfe oder gar fachärztliche Sachverständige zu beurteilen. Diese Frage sei vielmehr allein vom Staatlichen Schulamt zu beantworten. Solange das Schulamt die Sonderschulpflicht eines behinderten Kindes nicht festgestellt habe, habe dieses grundsätzlich eine allgemeine öffentliche Schule zu besuchen.

In der Folgezeit wandten sich die Eltern der Kläger an das Staatliche Schulamt für den Landkreis Offenbach und die Stadt Offenbach am Main. Dieses teilte ihnen mit Schreiben vom 22. Juni 2005 mit, ihre Anfrage bezüglich der Förderung der Kläger sei auf der Grundlage der beigefügten Zeugnisse und Berichte sowie unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Marianne-Frostig-Schule geprüft worden. Beide Kinder verfügten über eine durchschnittliche Intelligenz, das Bestehen von sonderpädagogischem Förderbedarf könne nicht vermutet werden. Bei beiden Kindern seien eine Lese-Rechtschreibstörung und ADHS diagnostiziert worden. Die verfügbaren Berichte und Zeugnisse ließen erkennen, dass ein besonderer Förderbedarf nach § 2 und § 23 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung vorliege. Bezug nehmend auf die Anfrage werde weiter mitgeteilt, dass den öffentlichen Schulen keine Stunden für Einzelmaßnahmen im Bereich der Förderung von Teilleistungsschwächen zugewiesen würden. Eine Förderung bei einer Lese-Rechtschreibstörung sei lediglich im Rahmen der Möglichkeiten einer jeden einzelnen Schule leistbar. Dies bedeute, dass die Förderung in Binnendifferenzierung während des "normalen Unterrichts" durchzuführen sei (z.B. durch veränderte Aufgabenstellung und Verlängerung der Bearbeitungszeiten).

Die Kläger legten das Schreiben des Staatlichen Schulamtes mit der darin in Bezug genommenen ergänzenden Stellungnahme der Marianne Frostig-Schule unter dem 10. August 2005 dem Beklagten vor und stellten dabei heraus, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf mithin nicht bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid des Kreisausschusses des Kreises Offenbach vom 3. November 2005 wurde der Widerspruch der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger seien bereits vor Antragstellung in der Marianne Frostig-Schule angemeldet worden, so dass das Jugendamt nicht mehr in einem angemessenen zeitlichen Rahmen über die Hilfe habe entscheiden können. Soweit die Kläger geltend machten, dass sie dem Personenkreis des § 35a SGB VIII zuzuordnen seien, sei festzustellen, dass es sich bei der Zuordnung zu diesem Personenkreis um eine verwaltungsrechtliche Entscheidung handele. Gutachten, die sich für eine bestimmte Maßnahme oder gar Schule aussprächen, seien für den Jugendhilfeträger weder bindend noch unterliege dieser einer Anordnungskompetenz eines Arztes. Zudem liege nach der Einschätzung des Staatlichen Schulamtes bei den Klägern ein besonderer Förderbedarf nach § 2 und § 23 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung vor. Diese Förderung sei grundsätzlich an öffentlichen Schulen zu erbringen. Das Schulamt habe keine Entscheidung darüber getroffen, dass der Besuch einer Regelschule für die Kläger zukünftig nicht möglich sei oder eine Zuweisung an die Marianne Frostig-Schule erfolge. Somit sei eine Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII nicht gegeben. Die Prüfung, ob zumindest eine drohende seelische Behinderung anzunehmen sei, entfalle daher.

Der Widerspruchsbescheid wurde den Eltern der Kläger am 4. November 2005 zugestellt.

Mit am Montag, den 5. Dezember 2005, bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt eingegangenem Schreiben haben die Kläger Klage erhoben und zur Begründung auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Marianne Frostig-Schule, Schule als Lebensraum e.V., Auf der Rosenhöhe 55, 63069 Offenbach am Main, zu bewilligen und dem Maßnahmeträger eine Kostenübernahmeerklärung zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Begründung der angegriffenen Bescheide Bezug genommen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2007 - 3 E 2256/05 - ist die Klage abgewiesen worden. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, einem Anspruch der Kläger auf Leistungen der Jugendhilfe nach § 35a SGB VIII stehe entgegen, dass die Eltern der Kläger ihre Kinder offenbar schon vor Antragstellung beim Jugendamt an der Marianne Frostig-Schule angemeldet hätten. Die Voraussetzungen, unter denen abweichend von dem regelmäßigen Verfahren Hilfen vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden könnten, seien nicht gegeben, da es schon an der erforderlichen Feststellung, dass für die Kläger der Besuch der Marianne Frostig-Schule für eine angemessene Schulbildung notwendig gewesen sei, fehle. Diese Feststellung sei ausschließlich dem Staatlichen Schulamt vorbehalten, liege hier jedoch nicht vor. Das Staatliche Schulamt habe in seiner Stellungnahme keine Feststellungen darüber getroffen, dass der Besuch der Regelschule durch die Kläger zukünftig nicht mehr möglich sei, und es habe die Kläger auch nicht der Privatschule zugewiesen.

Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Kläger am 22. Juni 2007 zugestellt worden.

Auf den am 13. Juli 2007 gestellten Berufungszulassungsantrag der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 19. August 2008 - 10 UZ 1479/07 - die Berufung gegen das Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugelassen. Aus der Stellungnahme des Staatlichen Schulamtes vom 22. Juni 2005 sei zu schließen, dass die öffentlichen Schulen dem speziellen Förderbedarf der Kläger nur eingeschränkt Rechnung tragen könnten. Wenn die staatlichen Schulen den Hilfebedarf des Kindes aber nur unzureichend erfüllen könnten, sei der Träger der Jugendhilfe nicht mehr berechtigt, die Hilfe unter Hinweis auf den Nachranggrundsatz abzulehnen. Hinsichtlich der Frage der rechtzeitigen Antragstellung bzw. der Selbstbeschaffung sei zu beachten, dass der förmliche Antrag mit den Auskünften der Schule und dem fachärztlichen Gutachten sowie einer eingehenden Begründung der Eltern erst am 24. August 2004 und damit kurz vor Beginn des Schuljahres bei dem Beklagten eingegangen sei. Gliedere sich eine selbstbeschaffte Maßnahme indes in mehrere Abschnitte, könne für spätere Abschnitte eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers bestehen, wenn die Maßnahme im späteren Verlauf keinen Aufschub mehr geduldet habe und es dem Kind oder Jugendlichen dann nicht mehr zuzumuten gewesen sei, den Abschluss des Rechtsmittelverfahrens abzuwarten. Vorliegend komme deshalb in Betracht, dass der Beklagte ab dem zweiten Halbjahr des Schuljahres 2004/2005 oder zumindest für das folgende Schuljahr 2005/2006 zur Leistung verpflichtet sei, weil den Klägern jedenfalls nach der Vorlage der Stellungnahme des Staatlichen Schulamtes vom 22. Juni 2005 ein weiteres Abwarten nicht mehr zuzumuten gewesen sei.

Der Senatsbeschluss ist den Bevollmächtigten der Kläger am 27. August 2008 zugestellt worden.

Am 26. September 2008 haben die Kläger die Berufung begründet und den Berufungsantrag gestellt. Zur Begründung wird vorgetragen, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 35a SGB VIII für den betreffenden Zeitraum werde offenkundig auch von dem Beklagten als gegeben angesehen. Die von ihm angeregten ambulanten Betreuungsmaßnahmen hätten ebenfalls im Rahmen des § 35a SGB VIII erbracht werden müssen. Wenn der Beklagte einräume, dass solche ambulanten Maßnahmen aus seiner Sicht in Betracht gekommen wären, müsse gefolgert werden, dass er vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 35a SGB VIII dem Grunde nach ausgegangen sei. Infolge der bei den Klägern diagnostizierten Teilleistungsstörungen in Form eines Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms sowie einer Lese-Rechtschreibstörung hätten sich bei den Klägern bereits in der Grundschulzeit erhebliche Beeinträchtigungen an einer normalen Teilhabe am Leben in der Klassengemeinschaft und einem erfolgreichen Lernen gezeigt. Insofern werde auf die fachärztliche Stellungnahme vom 10. August 2004 und die ärztlichen Bescheinigungen vom 11. Juni 2004 verwiesen.

Der Beklagte könne sich auch nicht auf einen Vorrang schulischer Maßnahmen gemäß § 10 SGB VIII berufen. Seelische Auffälligkeiten wie Schulunlust, Gehemmtheit und Versagensängste, die aus der Lese- und Rechtschreibschwäche resultierten, könnten mit einer (sonder-)pädagogischen Förderung nicht mehr aufgefangen werden. Das Staatliche Schulamt habe zudem bestätigt, dass beide Kläger über eine durchschnittliche Intelligenz verfügten, das Bestehen sonderpädagogischen Förderbedarfs somit nicht vermutet werden könne. Die Auffassung des Erstgerichts, die Eltern der Kläger müssten zunächst einen Antrag auf Zuweisung der Kinder zur Sonderschule stellen, sei daher nicht aufrechtzuerhalten. Ebenso seien sie nicht gehalten gewesen, Ansprüche auf eine sonderpädagogische Förderung an der Grundschule zu betreiben, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Förderung seien nicht erfüllt gewesen. Ein Vorrang schulischer Maßnahmen gemäß § 10 SGB VIII komme im Übrigen nur dann zum Zuge, wenn es sich bei den Maßnahmen um präsente Mittel handele. An der besuchten Grundschule seien (sonder-)pädagogische Hilfen indes nicht angeboten worden.

Die Beschulung der Kläger an der Marianne Frostig-Schule stelle aufgrund des von ihr angewandten Konzepts auch einer nachmittäglichen Betreuung und Förderung, die in enger Verzahnung zum Unterricht stattfinde, eine außerschulische Förderung dar. Für eine solche sei stets der Jugendhilfeträger zuständig.

Die Schulauskünfte vom 5. Juli 2004, die fachärztliche Stellungnahme vom 10. August 2004 und nicht zuletzt das Schreiben der Eltern der Kläger vom 15. Februar 2005 belegten, dass die staatlichen Schulen den Hilfebedarf der Kläger nicht mehr hätten abdecken können, so dass der Beklagte die begehrte Hilfe auch nicht mehr unter Hinweis auf den Nachrang der Jugendhilfe habe ablehnen dürfen.

Die Notwendigkeit einer Beschulung der Kläger an der Marianne Frostig-Schule sowie die dort erzielten Erfolge würden in den fachärztlichen Stellungnahmen vom 3. Januar 2007 und 11. Dezember 2006 bestätigt. Aufgrund der finanziellen Belastungen seien die Eltern der Kläger aber nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Söhne auch über das Schuljahr 2005/2006 hinaus diese Schule besuchen zu lassen. Daher habe zunächst wieder die Regelschule an der Brüder Grimm-Gesamtschule Neu-Isenburg besucht werden müssen. Schon nach wenigen Wochen habe sich jedoch gezeigt, dass auch dort die Beschulung nicht möglich gewesen sei. Diese Entwicklung bestätige gleichsam ex post die Notwendigkeit des Besuchs der Marianne Frostig-Schule.

Es bestehe zwar kein Anspruch auf bestmögliche Förderung, sondern nur auf eine angemessene Schulbildung. Im vorliegenden Fall stehe fest, dass eine solche Hilfe tatsächlich nicht angeboten worden sei und auch unter Zumutbarkeitserwägungen nicht rechtzeitig hätte erlangt werden können. Der Beklagte sei daher subsidiär leistungspflichtig mit der Folge, dass er ein ordentliches Hilfeplanverfahren zur Abklärung des notwendigen Hilfebedarfs hätte durchführen müssen. Dies habe der Beklagte jedoch versäumt.

Der Beklagte könne sich ferner weder für das Schuljahr 2004/2005 noch für das Schuljahr 2005/2006 auf eine unzulässige Selbstbeschaffung berufen. Die Eltern der Kläger hätten bereits mit Schreiben vom 30. Mai 2004 beim Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfe für die Kläger gestellt gehabt. Dieses Schreiben sei dem Beklagten auch offensichtlich zugegangen, da er andernfalls nicht mit Schreiben vom 4. Juni 2004 gegenüber den Eltern der Kläger reagiert hätte. In diesem Schreiben werde auch ausdrücklich auf einen Antrag der Eltern für ihre Kinder Bezug genommen. Mit dem Schreiben der Eltern vom 30. Mai 2004 sei rechtzeitig und lange vor Beginn der Beschulung im Schuljahr 2004/2005 ein formwirksamer Antrag gemäß § 35a SGB VIII gestellt worden. Es treffe somit nicht zu, dass der Antrag für das Schuljahr 2004/2005 erst am 24. August 2004 gestellt worden sei. Im Übrigen sei zu beachten, dass es nach der seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung des § 36a Abs. 3 SGB VIII ausreiche, dass der zuständige öffentliche Träger der Jugendhilfe rechtzeitig über den Bedarf in Kenntnis gesetzt werde. Von dem Erfordernis einer vorherigen Antragstellung sei im Gesetz keine Rede. Selbst wenn aber zu Beginn des Schuljahres 2004/2005 von einer unzulässigen Selbstbeschaffung auszugehen wäre, sei der Beklagte spätestens mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres bzw. ab dem Schuljahr 2005/2006 zur Leistung verpflichtet.

Auf die Verordnung des Hessischen Kultusministeriums über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen - VOLRR - vom 18. Mai 2006 (Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums 2006, 425) könne der Beklagte sich nicht berufen. Die darin vorgesehenen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und Notenschutzes bezögen sich allenfalls auf die Teilleistungsstörung als solche, nicht jedoch auf die sich aus dieser ergebende zumindest drohende seelische Behinderung. Die Schule sei selbstredend als pädagogische Einrichtung nicht in der Lage, mit Hilfe von Nachteilsausgleich und Notenschutz psychische Auffälligkeiten in den Griff zu bekommen.

Nach einer dem Senat in der mündlichen Verhandlung seitens der Kläger übergebenen Kostenaufstellung betrugen die Aufwendungen für das Schulgeld 23.550,07 EUR und für Fahrtkosten 3.432,00 EUR; hinzu kam Essensgeld in Höhe von 2.948,00 EUR.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2007 - 3 E 2256/05 - aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 zu verpflichten, den Klägern Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für die Beschulung an der Marianne Frostig-Schule, Schule als Lebensraum e.V., Auf der Rosenhöhe 55, 63069 Offenbach am Main, in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf seinen bisherigen Vortrag Bezug und weist darauf hin, dass eine formale Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII nicht getroffen worden sei. Es werde zwar nicht bestritten, dass beide Kläger auffällige Verhaltensweisen an den Tag legten; ob diese jedoch in dem Ausmaß vorlägen, dass im Ergebnis eine Zuordnung zum Personenkreis des § 35a SGB VIII vorzunehmen sei, sei nicht abschließend festgestellt worden. Diese Zuordnung sei eine verwaltungsrechtliche Entscheidung, die nicht von einem Mediziner, einer Schule oder einem Antragsteller zu treffen sei.

Die Feststellung der Schule, es sei "besser", wenn die Kinder in Kleingruppen beschult würden, entbinde die Schulen und das Schulamt grundsätzlich nicht davon, eine geeignete Beschulung bzw. Förderung anzubieten. Eine Förderung sei hingegen nicht allein an der Intelligenz festgemacht. Es könnten auch andere besondere Förderbedarfe vorliegen, die eine Förderung nach dem Hessischen Schulgesetz notwendig machten. Dazu habe sich auch das Schulamt in seinem Schreiben vom 22. Juni 2005 geäußert, indem es lediglich die "Anfrage" der Eltern habe beantworten können. Bei einer entsprechenden Antragstellung sei es vielleicht auch möglich gewesen, eine andere Maßnahme oder Hilfestellung über das Schulamt durch die Schule anzubieten. Folgerichtig sei das Schulamt in seinem Antwortschreiben von Vermutungen ausgegangen und wegen des Status der Anfrage nicht weiter in die Materie eingestiegen. Vorwürfe, die Schule habe sich in diesem Zusammenhang nicht gekümmert, führten im Übrigen nicht zu einer Leistungsverpflichtung des Jugendamtes. Soweit das Schulamt lediglich eine Binnendifferenzierung in Aussicht gestellt habe, müsse man festhalten, dass es eben gerade keine Zuweisung an eine private Schule ausgesprochen habe. Das Schulamt sei nämlich offenkundig davon ausgegangen, dass eine angemessene Schulbildung im Rahmen des staatlichen Schulsystems möglich wäre. Im Ergebnis dürfe hier nicht unbeachtet bleiben, dass das Schulamt über die geeignete Schulform zu bestimmen habe. Außerdem habe das Schulamt sehr wohl eine Förderung angeboten. Es obliege nicht den Klägern zu entscheiden, ob bestimmte Maßnahmen ausreichend seien, sondern es sei möglich und zumutbar gewesen, diese Förderung anzunehmen und begleitend ambulante Förderungen im Rahmen der Jugendhilfe zu erhalten. Diese seien im Bescheid vom 3. November 2005 angeboten worden. Die Ausgestaltung einer ambulanten Maßnahme könne durchaus auch im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 30, 31 SGB VIII erfolgen und müsse nicht zwangsläufig im Rahmen des § 35a SGB VIII erbracht werden.

Im Hinblick auf die angeführte mangelnde Abklärung des Hilfebedarfs sei anzumerken, dass das Einleiten eines Entscheidungsprozesses natürlich nur dann Sinn habe, wenn Eltern daran ein wirkliches Interesse hätten und bereit seien, offen in diesen Prozess zu gehen. Es sei jedoch häufig so, dass Eltern eine ganz bestimmte vorgefasste Meinung hätten und vom Jugendamt nur die entsprechende Maßnahme bewilligt haben wollten. Getragen würden sie dabei von Ärzten und Psychologen, die in ihren Gutachten bereits konkrete Einrichtungen bezeichneten, was nicht in deren Aufgabenbereich falle. Unter diesen Umständen sei ein weiteres Vorgehen schwierig oder gar unmöglich. In diesen Fällen sei dann meistens keine beratende Unterstützung durch das Jugendamt gewünscht, sondern es werde erwartet, dass das Jugendamt allein als Zahlstelle fungiere. Diese Haltung werde aber der Aufgabenstellung des Jugendamtes nicht gerecht.

Den Eltern der Kläger sei ferner in den angefochtenen Bescheiden ein Gesprächsangebot gemacht worden. Es sei ihnen die Möglichkeit gegeben worden, die zuständige Sozialarbeiterin zu kontaktieren, um abzuklären, welche Unterstützung durch eine ambulante Betreuungsmaßnahme durch das Jugendamt angeboten werden könnte. Dieses Angebot greife insbesondere dann, wenn die Kinder in Verbindung mit einer möglichen Teilleistungsschwäche Auffälligkeiten im sozial-emotionalen bzw. sozialkompetenten Bereich zeigten, wie sie in den Stellungnahmen der Marianne Frostig-Schule beschrieben worden seien. Dabei seien zur psychischen Stabilisierung flankierende Maßnahmen notwendig. Eine weitere Möglichkeit böten hierfür die unentgeltlichen Dienste der psychologischen Beratungsstelle des Kreises. Hier sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Jugendamt grundsätzlich seine Aufgabe erkenne und Hilfsangebote unterbreite.

Die Behauptung, der Jugendhilfeträger sei für die nachmittägliche Betreuung und Förderung zuständig, sei sehr pauschal und teilweise auch falsch. Eine entsprechende Förderung könne auch durch die Kommunen sichergestellt werden (z.B. Hortplätze). Der Jugendhilfeträger halte eine breit gefächerte Palette von Hilfemaßnahmen vor und sei grundsätzlich kein Ausfallbürge für andere Leistungsträger. Ob ein Hilfsangebot notwendig und sinnvoll sei, werde einer inhaltlichen, rechtlichen und ggf. wirtschaftlichen Prüfung unterzogen. Dafür müssten gerade auch die Eltern am Verfahren mitwirken. Ob sodann die Voraussetzungen gegeben seien, obliege der Entscheidungshoheit des Jugendamtes. Ein Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII werde den Eltern grundsätzlich zuerkannt. Gleichwohl finde dieses Recht seine Grenzen unter anderem in der Geeignetheit einer Maßnahme.

Im Übrigen müsse der Darstellung der Kläger, die Übernahme der Kosten des Besuchs der Marianne Frostig-Schule sei eine für den Beklagten kostenintensive Maßnahme, widersprochen werden. Diese Kosten betrügen für ein Kind ca. 500 EUR im Monat. Eine ambulante Maßnahme hingegen fange in dieser Kostenhöhe erst an und könne je nach Betreuung und Umfang schnell beim doppelten Betrag liegen.

Schließlich gingen die Kläger auch fehl in der Annahme, dass es für einen Jugendhilfeträger ausreichend sei, Kenntnis von einem Bedarf zu haben und sodann zu handeln. § 36a Abs. 3 SGB VIII verlange weiter, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlägen. Zu den materiellen Voraussetzungen gehöre eben auch, dass ein Antrag gestellt werden müsse, da grundsätzlich Jugendhilfe nicht gegen den Willen des Leistungsberechtigten oder dessen Sorgeberechtigten geleistet werden könne. Es müsse zumindest eine eindeutige Willensbekundung vorliegen, Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Das bedeute, dass die Antragsteller ihren Hilfebedarf dokumentieren müssten. Vorliegend seien erst am 24. August 2004 Unterlagen beigebracht worden, die eine eingehende Prüfung möglich gemacht hätten. Zwischen dem angeführten Schreiben des Beklagten vom 4. Juni 2004 bis zum 24. August 2004 sei eine lange Zeit verstrichen, was indes nicht der Beklagte zu vertreten habe. Es sei davon auszugehen, dass bereits im Sommer oder noch früher Gespräche zwischen den Eltern und der Marianne Frostig-Schule stattgefunden hätten, möglicherweise die Kinder an einem Probeunterricht teilgenommen hätten oder ein Vertrag geschlossen worden sei. Damit seien Prozesse abgelaufen, an denen das Jugendamt nicht beteiligt gewesen sei, mit denen aber deutliche Weichen, auch den Kindern gegenüber, gestellt worden seien, die auf diese Form der Beschulung hinausgelaufen seien.

Aus alledem ergebe sich, dass das Staatliche Schulamt sehr wohl der Auffassung gewesen sei, dass eine Beschulung außerhalb der privaten Schule ausreichend gewesen sei. An diese Entscheidung sei das Jugendamt gebunden, zumal die Eltern fallbezogen ihren Mitwirkungsmöglichkeiten und -pflichten nicht hinreichend nachgekommen seien. Wenn seitens der Kläger hingegen behauptet werde, es habe keine Entscheidung des Schulamtes mit Bindungswirkung gegeben, so zeige dies erneut, dass es der alleinige Wunsch der Eltern gewesen sei, die Kinder auf eine Privatschule zu schicken.

Ferner bleibe bisher unbeachtet, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der VOLRR vom 18. Mai 2006 einen eindeutigen Vorrang des Kultusbereichs vor dem Jugendhilfebereich geschaffen habe. Dies führe dazu, dass die frühere Rechtsprechung zur Frage der Leistungsfähigkeit der Kultusbürokratie nicht mehr fortgeführt werden könne. Insoweit stehe den Betroffenen eine Klagemöglichkeit gegen das Staatliche Schulamt zu, so dass es hier keiner Auseinandersetzung mit den Jugendämtern mehr bedürfe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte (1 Heft) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat mit Beschluss vom 19. August 2008 zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2007 ist auch im Übrigen zulässig. Da der Zulassungsbeschluss den Bevollmächtigten der Kläger am 27. August 2008 zugestellt und mit am 26. September 2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Berufung begründet und der Berufungsantrag gestellt worden ist, ist die Monatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO gewahrt.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat die von den Klägern erhobene Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Kreisausschusses des Kreises Offenbach vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 ist rechtmäßig und die Kläger sind dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Besuch der Marianne Frostig-Schule in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006.

Kinder oder Jugendliche haben nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (§ 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).

Die seelische Gesundheit der Kläger wich indes nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand ab.

Eine Abweichung von der seelischen Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII liegt nicht schon deshalb vor, weil bei den Klägern ausweislich der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 eine Hyperkinetische Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit (ICD-10: F90.0) sowie eine Isolierte Lese- und Rechtschreibstörung (ICD-10: F81.0) diagnostiziert wurden. Bei diesen Störungen ist eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand der seelischen Gesundheit vielmehr nur zu bejahen, wenn es als Sekundärfolge von ADHS und LRS zu einer seelischen Störung kommt, so dass deshalb die seelische Gesundheit des Kindes oder Jugendlichen länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, 478; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 12 A 1472/05 -; Hess. VGH, Urteil vom 8. September 2005 - 10 UE 1647/04 -, JAmt 2006, 37; Vondung in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 35a Rdnr. 7).

Auch bei Vorliegen einer solchen sekundären seelischen Störung kann ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zudem nur dann bestehen, wenn "daher", also infolge der sekundären seelischen Störung die Teilhabe des Kindes oder Jugendlichen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Deshalb genügt nicht das Bestehen einer jeden sekundären seelischen Störung infolge ADHS und LRS, sondern es kommt für die Frage, ob ein Kind oder Jugendlicher seelisch behindert ist, auf das Ausmaß, den Grad der seelischen Störung an. Entscheidend ist, ob die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber schon bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, die andere Kinder oder Jugendliche teilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, 105; Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, 488 f.). Gemessen hieran war im entscheidungsrelevanten Zeitraum die Fähigkeit der Kläger zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht aufgrund einer seelischen Störung beeinträchtigt und eine solche Beeinträchtigung war auch nicht zu erwarten.

Zu dieser Beurteilung gelangt der Senat auch unter Einbeziehung der Widerspruchsbebegründung in dem Schreiben der Eltern der Kläger vom 13. Februar 2005 sowie der von den Eltern verfassten Entwicklungsberichte. So ist insbesondere der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 nicht zu entnehmen, dass die bei den Klägern diagnostizierten Störungen (ADHS und LRS) bereits zu seelischen Störungen geführt hatten. In der Beurteilung wird lediglich ausgeführt, es sei bei den Klägern zu einer erheblichen relativen Leistungsschwäche sowie deutlichen sozialen Integrationsschwierigkeiten gekommen. In den insoweit in Bezug genommenen Schulberichten ist indes auch angegeben, dass der Kläger zu 2. zu einigen (wenigen) Mitschülern guten Kontakt habe, obschon er Einzelgänger und oft auch eigensinnig sei. Nach dem Entwicklungsbericht seiner Eltern nimmt der Kläger zu 2. seit März 2003 wöchentlich an einem Judo-Training teil. Dies gilt auch für den Kläger zu 1., dessen (wenige) Freunde sich dem Entwicklungsbericht der Eltern zufolge in der Parallelklasse seines Zwillingsbruders befinden. Der Schulbericht beschreibt den Kläger zu 1. als versonnenen Einzelgänger, der seine Umwelt nur bedingt registriere. In den Zeugnissen der beiden Schulhalbjahre der Jahrgangsstufe 4 wird das "Sozialverhalten" der Kläger jeweils mit der Note "befriedigend" bewertet. Im Zeugnis für das 2. Halbjahr der Jahrgangsstufe 3 heißt es zum Arbeits- und Sozialverhalten des Klägers zu 1., dieser sei ein hilfsbereiter, lernwilliger Junge, der den Kontakt zu seinen Klassenkameraden suche. Er habe Kinder, die mit ihm spielten und lernten. Ihnen gegenüber verhalte er sich in der Regel kameradschaftlich und freundlich. In den Fächern des Pflichtunterrichts hat der Kläger zu 1. im letzten Zeugnis der Grundschule mit Ausnahme des Faches "Deutsch", in dem er die Note "ausreichend" erhielt, die Note "gut" oder zumindest "befriedigend" erreicht. Der Kläger zu 2. erhielt im Zeugnis für das 2. Halbjahr der Jahrgangsstufe 4 in den Fächern "Deutsch", "Kunst" und "Einführung in eine Fremdsprache: Englisch" die Note "ausreichend", in den Fächern "Mathematik" und "Religion" die Note "befriedigend" und in den Fächern "Sachunterricht", "Musik" und "Sport" die Note "gut". Im Zeugnis für das 2. Halbjahr der Jahrgangsstufe 3 heißt es zum Arbeits- und Sozialverhalten des Klägers zu 2., dieser sei ein lernwilliger Schüler und im Umgang mit seinen Klassenkameraden freundlich und sehr hilfsbereit. Er spiele in den Pausen mit vielen Kindern meist friedlich zusammen. Die Eltern der Kläger berichten ferner, je lebendiger und praxisnäher der Unterricht in der Schule sei, desto begeisterter seien die Kläger dabei. So sei der Sachkundeunterricht (in der Grundschule) schnell zum Lieblingsfach der Kläger geworden.

Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht eine behinderungsrelevante seelische Störung bei den Klägern nicht zu erkennen. Hierbei ist auch zu vergegenwärtigen, dass in der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 eine Hyperkinetische Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit (ICD-10: F90.0) und nicht eine Hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1) diagnostiziert worden ist. Die Diagnose einer seelischen Störung in der bei Antragstellung aktuellen fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 wäre - bei Vorliegen - umso eher zu erwarten gewesen, als die Kläger bereits seit Oktober 2000 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters in der ambulanten kinderpsychiatrischen Sprechstunde betreut worden sind, mithin dort gerade die Entwicklung der seelischen Gesundheit der Kläger beurteilt werden konnte .

Nach allem war der Verlust jeden sozialen Kontakts oder eine völlige Vereinzelung der Kläger, eine weitreichende Schul- und Lernverweigerung oder eine vergleichbare Beeinträchtigung im oben dargelegten Sinne nicht zu erwarten.

Aber auch wenn man zugrunde legt, die Kläger seien von einer seelischen Behinderung zumindest bedroht gewesen, hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zu Recht unter Hinweis auf den Nachrang der Jugendhilfe abgelehnt.

Die Vermittlung einer Schulausbildung ist in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII ist demgegenüber nachrangig (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Auch das Hessische Schulgesetz hat zur Zielsetzung, den der allgemeinen Schulpflicht unterfallenden Kindern und Jugendlichen auch dann eine angemessene Schulbildung zu vermitteln, wenn diese lernbeeinträchtigt, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Zwar scheiden allein deswegen Leistungen der Eingliederungshilfe nicht von vornherein aus; sie kommen insbesondere auch ergänzend zu dem Besuch einer staatlichen Schule in Betracht, etwa für die Finanzierung eines Integrationshelfers zum Besuch einer allgemeinen Schule. Auch die Beschulung in den staatlichen Schulen ersetzende Maßnahmen sind nicht gänzlich ausgeschlossen, wie etwa die Finanzierung von Hausunterricht oder die im vorliegenden Fall in Streit stehende Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule. Da jedoch die Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII dem staatlichen Schulangebot gegenüber nur nachrangig sind, kann ein Anspruch auf Hilfegewährung und insbesondere auf Durchführung einer bestimmten Maßnahme nur dann bestehen, wenn im Rahmen des allgemeinen staatlichen Schulsystems eine angemessene Schulbildung ansonsten nicht zu erlangen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass kein Anspruch auf bestmögliche Förderung besteht, sondern nur auf eine angemessene Schulbildung, wie sich § 35a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII entnehmen lässt. Erst wenn feststeht, dass eine solche Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht auch unter Heranziehung unterstützender Maßnahmen oder dergleichen nicht zu erlangen ist, kommt im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII etwa die Übernahme von Kosten für den Besuch einer Privatschule in Betracht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 22. Februar 2005 - 10 UZ 336/04 -).

Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, denn es sind nicht alle vom Hessischen Schulgesetz hierfür bereitgehaltenen Möglichkeiten ausgeschöpft bzw. ausgelotet worden. Insbesondere ist nicht im Rahmen eines Verfahrens nach § 54 Abs. 1 Satz 1 HSchG festgestellt worden, worin ein Förderbedarf der Kläger besteht und ob und ggf. wie dieser durch besondere Maßnahmen im Rahmen des staatlichen Schulsystems gedeckt werden kann, um den Klägern eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Das Staatliche Schulamt hat sich zur Durchführung eines solchen Verfahrens auch auf die Anfrage der Eltern der Kläger vom 27. Mai 2005 nicht veranlasst gesehen, wie schon aus der seinem Schreiben vom 22. Juni 2005 zu entnehmenden Formulierung, das Bestehen von sonderpädagogischem Förderbedarf bei den Klägern könne "nicht vermutet" werden, geschlossen werden kann. Einen Anspruch auf sonderpädagogische Förderung haben nach § 49 Abs. 1 HSchG Kinder und Jugendliche, die zur Gewährleistung ihrer körperlichen, sozialen und emotionalen sowie kognitiven Entwicklung in der Schule sonderpädagogischer Hilfen bedürfen. Der Anspruch greift mithin nicht ausschließlich bei Defiziten in der intellektuellen bzw. kognitiven Entwicklung ein, wie die Eltern der Kläger möglicherweise meinen. Den sich aus dem Anspruch ergebenden Förderbedarf erfüllen die Förderschulen in ihren verschiedenen Formen oder die allgemein bildenden und beruflichen Schulen, an denen eine angemessene personelle, räumliche und sächliche Ausstattung vorhanden ist oder geschaffen werden kann (§ 49 Abs. 2 Satz 1 HSchG).

Die weiteren Ausführungen des Staatlichen Schulamtes in seinem Schreiben vom 22. Juni 2005, wonach die verfügbaren Berichte und Zeugnisse erkennen ließen, dass ein besonderer Förderbedarf nach § 2 und § 23 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung vom 22. Dezember 1998 (Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums 1999, 47) vorliege, zeigen ferner, dass das Staatliche Schulamt eine Beschulung der Kläger im öffentlichen Schulsystem gerade nicht verneint hat. Nach diesen Vorschriften können nämlich, wenn die in § 1 der Verordnung genannten pädagogischen Maßnahmen der allgemeinen Schule für eine angemessene Förderung einzelner Schülerinnen oder Schüler nicht ausreichen und die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht erforderlich ist, ambulante Fördermaßnahmen in den allgemeinen Schulen durchgeführt werden, nämlich die umfassende fachliche Beratung von Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern, die zeitlich befristete Unterstützung im Unterricht und die Beratung der allgemeinen Schule bei der Beschaffung und Herstellung geeigneter Lehr- und Lernmittel. Über die Notwendigkeit der Durchführung, den Umfang und die Dauer ambulanter Fördermaßnahmen entscheidet nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung auch hier wieder das Staatliche Schulamt. Dieses im Einvernehmen mit den Eltern auf Antrag der allgemeinen Schule erfolgende Verfahren (vgl. § 2 Abs. 1 VO) ist hier ebenfalls nicht durchgeführt bzw. eingeleitet worden. Gerade in diesen Verfahren, die von den Eltern der Kläger in Anbetracht der sich abzeichnenden Fragen im Zusammenhang mit einer weiteren Beschulung der Kläger hätten initiiert werden können, hätte ein Hilfekonzept unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Kläger und in Zusammenarbeit mit in Betracht kommenden Schulen entwickelt werden können.

Soweit das Staatliche Schulamt in seinem Schreiben weiter mitteilt, den öffentlichen Schulen würden keine Stunden für Einzelmaßnahmen im Bereich der Förderung von Teilleistungsschwächen zugewiesen und eine Förderung bei einer Lese-Rechtschreibstörung sei lediglich im Rahmen der Möglichkeiten einer jeden einzelnen Schule leistbar, wird auch damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine (weitere) Förderung der Kläger im Rahmen der öffentlichen Schulen von vornherein als aussichtslos betrachtet werde. Zum einen kann eine Förderung von Teilleistungsschwächen nicht nur im Wege von Stunden für Einzelmaßnahmen erfolgen; zum anderen ist es nachvollziehbar, dass die Fördermöglichkeiten von Schule zu Schule variieren können, ohne dass damit zugleich gesagt wäre, dass eine bedarfsgerechte Förderung von vornherein an einer öffentlichen Schule nicht geleistet werden kann.

Es fehlt auch an einer hinreichenden Darlegung auf Klägerseite, dass die Beschulungsmöglichkeiten im öffentlichen Schulsystem für die beiden Kläger ausgeschöpft waren. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als in den Berichten der von den Klägern besuchten Grundschule die Frage nach der Angemessenheit der Schulform (vgl. § 11 Abs. 3 HSchG) bei beiden Klägern ausdrücklich bejaht wurde. Der Umstand, dass außerdem angegeben wurde, ein Unterricht in Kleingruppen sei besser bzw. geeigneter, weil die Kläger viel Zuwendung benötigten, kann eine insgesamt andere Beurteilung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil kein Anspruch auf bestmögliche Förderung, sondern (nur) auf eine angemessene Schulbildung besteht. Im Übrigen dürfte auch bei schulschwachen Schülern, bei denen die Schulschwäche nicht auf eine seelische Behinderung im Sinne von § 35 a Abs. 1 SGB VIII zurückzuführen ist, mit einer Steigerung der Schulleistungen zu rechnen sein, wenn der Unterricht in kleinen Klassen durchgeführt wird und zudem ganztägig erfolgt sowie strengere Rahmenbedingungen gesetzt werden, deren Beachtung überwacht wird. Daher lässt sich auch allein aus dem geltend gemachten Umstand, dass die Aufnahme in die Marianne Frostig-Schule sich positiv auf die Entwicklung der Kläger auswirkte, nicht ableiten, dass nur der Besuch dieser Schule für die Kläger die einzig geeignete Maßnahme darstellte, ihnen eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Dies gilt entsprechend für den seitens der Kläger ferner vorgetragenen Umstand, sie hätten nach Beendigung der Beschulung an der Marianne Frostig-Schule an der Regelschule unter erheblichen schulischen Problemen leiden müssen. Derartige spätere Entwicklungen sind für die Erforderlichkeit einer Hilfemaßnahme, über die unter Beachtung der im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung vorliegenden Verhältnisse und Gegebenheiten zu urteilen ist und naturgemäß nur geurteilt werden kann, unerheblich.

Danach erscheint es zumindest als im Bereich des Möglichen liegend, dass die Kläger ohne die von ihren Eltern offenbar vorgenommene Verengung der Betrachtung auf Privatschulen wie die Marianne Frostig-Schule in Offenbach oder die HEBO-Schule in Bonn die Möglichkeit gehabt hätten, auch über das vierte Schuljahr hinaus an einer öffentlichen Schule, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme unterstützender Maßnahmen, eine angemessene Schulbildung zu erlangen.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 gerechtfertigt. Dort wird zwar ausgeführt, die Kläger seien mit dem Regelschulbesuch überfordert und bei einer Weiterbeschulung in einer regulären Gesamtschulklasse stehe zu befürchten, dass sich das bei den Klägern festgestellte Defizit weiter verstärke und sie zunehmende Verhaltensauffälligkeiten entwickelten. Hierdurch können indes die oben genannten, vom Staatlichen Schulamt durchzuführenden Verfahren, die gerade der Ermittlung von Möglichkeiten einer bedarfsgerechten Förderung im öffentlichen Schulwesen dienen, nicht obsolet gemacht werden. Dabei kommt hinzu, dass nicht erkennbar ist, ob und in welchem Umfang die die Stellungnahme abgebenden Ärzte über die Möglichkeiten des staatlichen Schulsystems zur Hilfestellung im Falle eines Förderbedarfs unterrichtet sind bzw. waren.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich schließlich zugleich, dass einem Anspruch der Kläger auf Übernahme der Schulbesuchskosten bereits ab dem Schuljahr 2004/2005, das am 1. August 2004 begann (vgl. § 57 HSchG), ferner der Gesichtspunkt der Unzulässigkeit jugendhilferechtlicher Selbstbeschaffung entgegensteht.

Nach § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans (vgl. § 36 Abs. 2 SGB VIII) unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Mit dem jugendhilferechtlichen Ziel der partnerschaftlichen Hilfe unter der Achtung familialer Autonomie und dem kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozess über jugendhilferechtliche Maßnahmen deckt es sich demnach nicht, das Jugendamt zum bloßen Kostenträger einer frei gewählten Hilfeleistung zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600; Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, 103). Vorliegend erfolgte die Aufnahme der Kläger an der Marianne Frostig-Schule indes nicht auf der Grundlage einer Entscheidung des Beklagten, sondern aufgrund der Entscheidung der Eltern der Kläger.

§ 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sieht zwar vor, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter bestimmten Voraussetzungen zur Übernahme der Kosten von selbst beschafften Hilfen verpflichtet sein kann. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aber ebenfalls nicht erfüllt. Die Regelungen zur Selbstbeschaffung von Hilfen in § 36a SGB VIII sind zwar erst mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 eingefügt worden. Aber auch zuvor war in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe bei selbst beschafften Maßnahmen nur dann zur Übernahme der Kosten verpflichtet sein konnte, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98), die den jetzt in § 36a Abs. 3 SGB VIII bestimmten Voraussetzungen entsprechen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 2008 -10 E 1836/08 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, 89; Fischer in: Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII/KJHG, 3. Aufl. 2007, § 36a Rdnr. 4).

Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).

Wie in den obigen Ausführungen dargelegt worden ist, haben die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII jedoch nicht vorgelegen.

Darüber hinaus hat der Senat erhebliche Zweifel, ob der Beklagte seitens der Kläger vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt worden ist. Dies erforderte nicht nur, dass überhaupt ein Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gestellt wurde, sondern dass er so rechtzeitig gestellt wurde, dass der Jugendhilfeträger zu pflichtgemäßer Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600; Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, 86; Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, 89). Legt man insoweit den Inhalt der beigezogenen Behördenakte zugrunde, war dies hier erst nach Beginn des Schuljahres und nach am 24. August 2004 erfolgtem Eingang des förmlichen Antrags mit der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2004 und den Auskünften der Schule vom 5. Juli 2004 sowie einer Begründung der Eltern - mithin nicht vor der Selbstbeschaffung - der Fall. Legt man hingegen die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemachten Angaben der Mutter der Kläger zugrunde, sie habe das an das Jugendamt der Stadt Neu-Isenburg adressierte Antragsschreiben vom 30. Mai 2004 mit den darin erwähnten Unterlagen am nächsten Tag auch an den Beklagten gesandt, könnte eine andere Sichtweise gerechtfertigt sein. Letztlich kann dies hier dahinstehen, da - wie dargelegt - mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen ohnehin nicht in Betracht kommt.

Ob in Anbetracht dessen, dass dann, wenn eine selbst beschaffte Maßnahme sich in mehrere Abschnitte gliedert, für spätere Abschnitte eine Leistungspflicht der Jugendhilfeträgers bestehen kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86), vorliegend eine Leistungsverpflichtung ab dem zweiten Halbjahr des Schuljahres 2004/2005 oder zumindest für das folgende Schuljahr 2005/2006 in Betracht zu ziehen wäre, kann daher gleichfalls dahinstehen; da die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII nicht vorgelegen haben, ist auch eine Leistungspflicht für diese Zeitabschnitte ausgeschlossen.

Nach allem ist die Berufung mit der sich aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen, da das Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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