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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.01.2001
Aktenzeichen: 10 TZ 4028/00
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 19 Abs. 1 | |
AuslG § 23 Abs. 3 |
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2000 ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 634 Nr. 1). Die zur Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG; krit. Schenke, NJW 1997, 81 [91]; undifferenziert dagegen Schmieszek, NVwZ 1996, 1151 [1153]). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung im Zulassungsverfahren zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157 [161]). Mit dieser Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung anzuknüpfen (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 [1162] m. Nachw. d. Rspr. u. der davon abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632 Nr. 25), die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler, a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt, die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess. VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus.
Gemessen daran begegnet die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller kein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 AuslG habe, keinen ernstlichen Zweifeln. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft keine zwei Jahre, sondern lediglich fünfzehn Monate im Bundesgebiet bestanden habe. Es hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht erforderlich sei, den weiteren Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte zu ermöglichen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hier nicht die seit dem 1. Juni 2000 gültige Fassung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG (Änderungsgesetz vom 25.05.2000, BGBl. I S. 742) angewendet. Der beschließende Senat teilt die Auffassung des 12. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Neufassung des § 19 Abs. 1 AuslG mangels Rückwirkung nicht für Fälle gilt, in denen die eheliche Lebensgemeinschaft vor dem Inkrafttreten der Neufassung am 1. Juni 2000 aufgehoben worden ist (Hess. VGH, Beschlüsse vom 03.08.2000 - 12 TZ 2454/00 - sowie vom 01.09.2000 - 12 UZ 2783/00 -; siehe auch Senatsbeschluss vom 11.10.2000 - 10 TZ 1214/00 -). Die davon abweichende Auffassung der Länderinnenministerien und des Bundesinnenministeriums (siehe die in der Antragsschrift zitierten Erlasse des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport und siehe weiter Erlass desselben Ministeriums vom 24. Oktober 2000) sind für die hier zu treffende Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde ohne Belang. Im Übrigen könnte der Zulassungsantrag selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die Neufassung des § 19 Abs. 1 AuslG hier Anwendung finden würde. Im Zulassungsantrag hat der Antragsteller seine bereits in der ersten Instanz vertretene Ansicht wiederholt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft noch nicht vollständig gescheitert sei. Auch müssten bei der Beurteilung der besonderen Härte seine gewachsenen Bindungen und Integrationsleistungen im Bundesgebiet berücksichtigt werden, und zwar hier der Umstand, dass er sich in das wirtschaftliche und soziale Leben im Bundesgebiet während seines Aufenthaltes seit über acht Jahren eingegliedert habe. Damit hat der Antragsteller zunächst keine außergewöhnliche Härte im Sinne der bis zum 1. Juni 2000 geltenden Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG dargetan. Als außergewöhnliche Härte sind Schwierigkeiten z.B. dann berücksichtigungsfähig, wenn dem Ehegatten in seinem Heimatland staatliche Maßnahmen oder Verfolgungen, Bedrohungen oder sonstige Nachstellungen durch die eigene Familie oder durch Verwandte des Ehepartners drohen, weil ihm Ehebruch vorgeworfen wird oder er für das Scheitern der Ehe verantwortlich gemacht wird, oder wenn er wegen der Trennung von dem Ehepartner einer allgemeinen gesellschaftlichen Ächtung oder unzumutbaren wirtschaftlichen Bedingungen ausgesetzt ist (GK-AuslR, Stand: April 1998, § 19 Rdnr. 62). Davon kann hier nicht die Rede sein. Es kann auch keine Rede davon sein, dass eine andere Entscheidung als die in der Verfügung der Stadt Bad Homburg vom 11. Mai 2000 getroffene nicht vertretbar erscheint (Hailbronner, Ausländerrecht, Ergänzungslieferung Juli 2000, § 19 AuslG, Rdnr. 15). Die im Zulassungsantrag wiederholte Ansicht des Antragstellers, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mit Frau ... noch nicht vollständig gescheitert sei, kann nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Zum einen ergibt sich aus der Behördenakte, dass der Antragsteller seit dem 13. März 2000 in Bad Homburg mit einer Frau ... zusammen wohnt (Bl. 169 d. BA). Zum anderen haben die Bevollmächtigten der Ehefrau des Antragstellers mit Schreiben vom 24. August 2000 an die Stadt Bad Homburg (Bl. 210 d. BA) die Einschätzung der Ehefrau mitgeteilt, dass es sich bei der Eheschließung nicht um eine "Liebesheirat", sondern um eine "Scheinehe" gehandelt habe. Ein Versöhnungsversuch habe nicht stattgefunden und sei von der Ehefrau auch nicht beabsichtigt.
Aber auch eine besondere Härte im Sinne der Neufassung des § 19 Abs. 1 AuslG liegt nicht vor, denn diese ist nur dann anzunehmen, wenn der ausländische Ehegatte durch die Ausreisepflicht ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer in derselben Situation (Hailbronner, a.a.O., m.w.N.; Renner, Nachtrag zur 7. Auflage des Kommentars zum Ausländerrecht, § 19 Rdnrn. 12 ff.). Gemessen daran könnte der Zulassungsantrag ebenfalls keinen Erfolg haben, zumal nicht ersichtlich ist, dass beim Antragsteller bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände eine gewachsene Bindung und Integration im Bundesgebiet vorliegt, deren mit der Ausreise erzwungener Verlust den Antragsteller ungleich härter treffen könnte als andere Ausländer in der selben Situation (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.07.1998 - 13 S 1588/97 -, DVBl. 1999, 176 ff. = EZAR 23 Nr. 15). Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg könnte die besondere Verwurzelung der Antragstellerin des Verfahrens 13 S 1588/97 im Bundesgebiet durch das langjährige aktive ehrenamtliche Sozialengagement für einen Verein für Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung verbunden mit den nach Aktenlage besonders guten Deutschkenntnissen indiziert sein. Vergleichbare Integrationsleistungen werden vom Antragsteller indes nicht vorgetragen, sie sind auch nicht ersichtlich. Auch besonders gute Deutschkenntnisse werden nicht behauptet. Vielmehr ergibt sich im Falle des Antragstellers aus der Behördenakte, dass dieser seit dem Zeitpunkt, in dem er durch die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt Wetzlar zur Ausreise aufgefordert worden ist (siehe Bescheid vom 02.04.1997, Bl. 85 d. BA), bestrebt war, durch Eheschließungen mit deutschen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu erwerben (siehe die Zusammenfassung im Anhörungsschreiben der Stadt Bad Homburg vom 22. März 2000, Bl. 177 d. BA). Im Übrigen unterscheidet sich der Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland nicht von dem seiner Landsleute, die aufgrund der Kriegssituation in ihrem Heimatland hier immer wieder Duldungen bis zu dem Zeitpunkt erhielten, wo dies nach der Erlasslage nicht mehr möglich war.
Nach alledem ist der Antrag auf Zulassung der Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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