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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: 10 UE 2497/03
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 15
BSHG § 21 Abs. 2
BSHG § 79 Abs. 1
BSHG § 84 Abs. 1
1. Zu den nach § 15 BSHG erforderlichen Kosten einer Bestattung zählen in einer großstädtisch geprägten Region nicht die Kosten für die Aufgabe einer Traueranzeige, wenn letztere dort nicht ortsüblich ist.

2. Zur Konkretisierung des Begriffs der "Zumutbarkeit" i.S.v. § 15 BSHG sind die §§ 79 ff. BSHG heranzuziehen, insbesondere § 84 Abs. 1 BSHG, nicht aber § 21 Abs. 2 BSHG.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

10 UE 2497/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Sozialhilferechts;

hier: Bestattungskosten (§ 15 BSHG)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Dr. Saenger, Richterin am Hess. VGH Hannappel, ehrenamtlichen Richter Bleißner, ehrenamtliche Richterin Bungert

ohne mündliche Verhandlung aufgrund der Beratung vom 10. Februar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 3. Januar 2002 - 7 E 1052/00 - abgeändert. Unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 18. Oktober 1999 in der Fassung seines Widerspruchsbescheids vom 28. März 2000 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin über den bereits zugestandenen Betrag von 377,00 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 304,23 € für die Beerdigung ihres Sohnes zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Verfahrensbeteiligten je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten der Verfahrensbeteiligten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 7. Juli 1925 geborene Klägerin bezog im Zeitpunkt der Antragstellung eine Rente in Höhe von 1.534,92 DM. Ihren einkommens- und vermögenslosen Sohn R. pflegte sie vor dessen Tode am 27. September 1999. Die Bestattungsformalitäten übergab sie dem Bestattungsunternehmen W. in B............., das unter dem 5. Oktober 1999 eine Rechnung in Höhe von 2.003,90 DM d.h. 4.103,90 DM abzüglich des Sterbegeldes der DAK B............. in Höhe von 2.100,00 DM, ausstellte. Darin enthalten waren ein Betrag von 260,00 DM für eine Traueranzeige in der HNA sowie ein Betrag von 330,00 DM für "Blumendekoration zur Trauerfeier".

Unter dem 7. Oktober 1999 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung einer Beihilfe für Bestattungskosten.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 gewährte der Beklagte eine Beihilfe zu den Bestattungskosten in Höhe von 737,48 DM. Für den Blumenschmuck anerkannte der Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 50,00 DM, die Aufgabe einer Traueranzeige in der HNA sah er nicht als erforderlich an. Zu berücksichtigen seien lediglich die Kosten eines würde- und pietätvollen Begräbnisses, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben und nach Art und Umfang angemessen seien. Die Bedarfsberechnung sei nach den Maßstäben der Hilfe zum Lebensunterhalt erfolgt. Es werde der Einsatz des überschießenden Einkommens im Bestattungsmonat und in den drei folgenden Monaten verlangt. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Klägerin errechne sich eine Bedarfssatzüberschreitung in Höhe von monatlich 181,53 DM. Diese sei mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 726,12 DM auf die Bestattungskosten anzurechnen, so dass sich insgesamt eine Beihilfe in Höhe von 737,48 DM ergebe.

In ihrem am 1. November 1999 beim Beklagten eingegangenen Widerspruchsschreiben wies die Klägerin darauf hin, dass sie Schulden machen müsse, wenn sie die restliche Summe von 1.265,42 DM begleichen müsse. Sie wisse nicht, wie sie das mit ihrer Rente abzahlen solle. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach Prüfung der Angelegenheit könne dem Widerspruch nicht abgeholfen werden. Auf Grund des Einkommens der Klägerin könne nur eine teilweise Kostenübernahme rechtmäßig sein. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis sei, desto höher sei in der Regel der Einkommens- und Vermögenseinsatz, der zugemutet werden könne. Im Falle der Klägerin errechne sich auf Grund ihres Einkommens eine monatliche Bedarfssatzüberschreitung in Höhe von 181,53 DM. Gemäß § 21 Abs. 2 BSHG sei bei der Gewährung von einmaligen Beihilfen an Personen, die nicht laufende Hilfe erhielten, die Anrechnung des überschreitenden Einkommens bis zu sieben Monate möglich. Im Falle der Übernahme von Bestattungskosten habe er einen Anrechnungsfaktor von vier Monaten festgesetzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2000 wies der Beklagte den Widerspruch vom 1. November 1999 mit der Begründung zurück, auf Grund eines Beschlusses des Kreisausschusses des Landkreises Kassel sei bei der Übernahme der Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln die Bedarfssatzüberschreitung in vierfacher Höhe anzurechnen. Unter Berücksichtigung dieser Bedarfssatzüberschreitung errechne sich noch ein beihilfefähiger Betrag in Höhe von 737,48 DM. Nach dem Wortlaut des Gesetzes komme es allein darauf an, ob dem Verpflichteten die Kostentragung zugemutet werden könne.

Die Klägerin hat am 14. April 2000 beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, auf Grund ihres Renteneinkommens sei sie nicht in der Lage, einen Betrag zur Beerdigung ihres Sohnes beizusteuern. Bei der Auslegung des Begriffes der Zumutbarkeit könne die Düsseldorfer Tabelle herangezogen werden. Danach habe der zum Unterhalt Verpflichtete gegenüber dem volljährigen Kind einen Selbstbehalt von 1.800,00 DM monatlich. Ihr Renteneinkommen liege gut 250,00 DM unter diesem Betrag.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2000 ihr die gesamten Bestattungskosten für den verstorbenen Sohn R. in Höhe von noch 1.266,42 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte u. a. ausgeführt, die Zumutbarkeitsfrage richte sich hier nach den allgemeinen Sozialhilfegrundsätzen, vor allem nach § 3 sowie den Vorschriften des 4. Abschnitts des BSHG (§§ 76 ff.). Besonders enge verwandtschaftliche oder persönliche Beziehungen hätten einen gesteigert zumutbaren Einkommens- und Vermögenseinsatz zur Folge. Zutreffend sei ein den Bedarfssatz nach § 79 BSHG übersteigender Betrag von 181,53 DM errechnet worden. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG könne das Einkommen berücksichtigt werden, das die betreffende Person innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats, in dem über die Hilfe entschieden worden sei, erwerbe. Laut eines Beschlusses des Kreisausschusses gelte der Anrechnungsfaktor von vier Monaten für die Übernahme von Bestattungskosten. Danach sei hier die Berechnung vorgenommen worden. Auf die Düsseldorfer Tabelle könne sich die Klägerin nicht berufen.

Mit Urteil vom 3. Januar 2002 hat das Verwaltungsgericht unter entsprechender teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 18. Oktober 1999 und vom 28. März 2000 den Beklagten verpflichtet, an die Klägerin einen weiteren Zuschuss zu den Beerdigungskosten in Höhe von 461,77 € zu zahlen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Nach § 15 BSHG seien die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen. Das Maß des Erforderlichen bestimme sich nach den ortsüblichen Aufwendungen für eine einfache, aber würdige Bestattung. Es solle verhindert werden, dass die Durchführung der Bestattung bereits ihrem äußeren Erscheinungsbild nach den Verstorbenen bzw. seine nahen Angehörigen als bedürftig erkennen lasse. Der Eindruck eines Armenbegräbnisses müsse vermieden werden. Insoweit habe der Beklagte bereits Kosten von der Erstattung ausgeschlossen, die als ortsüblich hätten ersetzt werden müssen. So habe der Beklagte verkannt, dass ein Betrag von 50,00 DM für den Blumenschmuck nicht ausreiche, um einen würdigen "letzten Gruß" zu bezahlen. Das Gericht halte einen Mindestbetrag von 100,00 DM für angemessen. Auch sei es unzulässig gewesen, die Erstattung der Kosten für die Todesanzeige vollständig abzulehnen. Erstattungsfähig seien auch die Kosten für eine bescheidene Todesanzeige in einer örtlichen Zeitung. Es sei in Deutschland üblich, die Verwandten und Freunde vom Tode eines Menschen durch ein Inserat in der Zeitung zu unterrichten. Andernfalls würde der Eindruck eines Armenbegräbnisses entstehen. Doch müssten lediglich die Kosten einer kleinen Todesanzeige erstattet werden, wobei von einer Größe von 5 x 9 cm als Mindestgröße auszugehen sei. Dies sei nach Auskunft der HNA auch die kleinste Todesanzeige, die üblicherweise aufgegeben werde. Sie koste 217,80 DM (111,36 €). Auch dieser Betrag sei zu erstatten. Von dem nach Abzug des Sterbegeldes verbleibenden Betrag in Höhe von 1.731,40 DM sei ein Eigenanteil der Klägerin abzuziehen. Zur Konkretisierung des Begriffs der Zumutbarkeit im Sinne von § 15 BSHG ziehe die Rechtsprechung zu Recht die Grundsätze der §§ 79 ff. BSHG heran. Für deren analoge Anwendung spreche, dass der Anspruch nach § 15 BSHG am ehesten mit den Hilfen in besonderen Lebenslagen vergleichbar sei. Dagegen sei die Düsseldorfer Tabelle ein ungeeignetes Instrument zur Auslegung des Begriffs der Zumutbarkeit, da diese den Selbstbehalt bei zivilrechtlichen Unterhaltszahlungen regele. Bei Anwendung der §§ 79 ff. BSHG habe der Beklagte zutreffend den Bedarf der Klägerin mit monatlich 1.296,63 DM berechnet. Ausgehend von dem bereinigten Einkommen ergebe sich eine Überschreitung von monatlich 181,53 DM. Eine Berücksichtigung des vierfachen Betrages der monatlichen Überschreitung sei jedoch nicht angemessen, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen eine besondere verwandtschaftliche Verbundenheit bestanden habe. § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG könne nicht analog angewendet werden. Er regele die Anrechnung von Einkommen bei einmaligen Leistungen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt und stelle eine Privilegierung gegenüber § 11 Abs. 1 BSHG dar, der grundsätzlich eine Anrechnung sämtlichen Einkommens vorschreibe. Die Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG habe jedoch keine Gemeinsamkeiten mit der Hilfe zum Lebensunterhalt. Dieser Anspruch ähnele vielmehr der Hilfe in besonderen Lebenslagen im Sinne von §§ 27 ff. BSHG. Hier wie dort solle eine außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts liegende Lebenssituation ausgeglichen werden. Ließen sich somit Ähnlichkeiten zwischen § 15 BSHG und den § 27 ff. BSHG feststellen, so liege es nahe, auch die Vorschrift des § 84 BSHG analog anzuwenden. Diese enthalte keine Höchstgrenzen, sondern sehe nur vor, dass bei der Anrechnung verschiedene Faktoren zu berücksichtigen seien, wie die Art des Bedarfs, Dauer und Höhe der Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfesuchenden. Im vorliegenden Fall - einmaliger oder kurzfristiger Bedarf - sei es gerechtfertigt, das über der Einkommensgrenze liegende Einkommen weitgehend heranzuziehen. Zu berücksichtigen seien besondere Belastungen, also auch solche, die auf Grund der Bestattung des Sohnes für die Klägerin entstanden seien und nicht über § 15 BSHG geltend gemacht werden könnten. Zu denken sei an Trauerkleidung, die Bewirtung von Angehörigen und so weiter. Da die Aufzählung des § 84 Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht abschließend sei, könnten auch andere Umstände des Einzelfalles gewürdigt werden, insbesondere auch die Ursache des Bedarfs (besonderer Schicksalsschlag). Hier sei auch die Tatsache einzubeziehen, dass die Klägerin vor dem Tode ihres Sohnes diesen zu Hause gepflegt und damit besondere Verantwortung übernommen habe. Ausgehend von diesen Erwägungen sei es angemessen, dass generell nahe Angehörige von ihrem die maßgebliche Einkommensgrenze des § 79 BSHG übersteigenden monatlichen Einkommen die Hälfte aufwendeten, um die von dritter Seite und durch das Vermögen des Erblassers nicht gedeckten Kosten für die Bestattung aufzubringen. Auch das Einkommen der Folgemonate anteilig heranzuziehen, sei nicht zulässig. Im Rahmen der §§ 79 ff. BSHG komme es allein auf das Monatseinkommen bei Eintritt des Bedarfsfalles an.

Auf den Antrag des Beklagten vom 5. Februar 2002 hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. September 2003 (10 UZ 389/02) die Berufung gegen das dem Beklagten am 11. Januar 2002 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor: Es bestehe in Deutschland keine gesellschaftliche Konvention, Verwandte und Freunde vom Tode eines Menschen durch ein Inserat in der Zeitung zu unterrichten. Viele Menschen teilten den Tod naher Angehöriger entweder gar nicht oder durch persönliche Trauermitteilungen mit. Die Anzahl der Todesfälle in Kassel und Umgebung dürfte weitaus höher sein als die Anzahl der entsprechenden Anzeigen in der HNA. Auch würden immer weniger Leute ein Abonnement der örtlichen Tageszeitung beziehen, so dass über Anzeigen der erstrebte Adressatenkreis gar nicht mehr erreicht werden könne. Schließlich wäre eine Veröffentlichung im "Extra-Tip" erfolgversprechender, denn dieser werde flächendeckend an alle Haushalte verteilt. Würde man im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung allein auf das Monatseinkommen bei Eintritt des Bedarfsfalles abstellen, so würde dies dazu führen, dass nahezu jeder Mitbürger mit einem normalen Einkommen einen Anspruch auf Übernahme der Beerdigungskosten im Rahmen des § 15 BSHG gegen den Sozialhilfeträger geltend machen könne. Kaum ein Durchschnittsbürger sei auf Grund seines Einkommens in der Lage, die gesamten Beerdigungskosten (hier: 4.103,90 DM) neben der Bestreitung des Lebensunterhaltes aus einem Monatseinkommen zu bezahlen. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass der Staat die Kosten fast jeder Beerdigung zu übernehmen habe.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 3. Januar 2002 - 7 E 1052/00 - insoweit abzuändern, als der Beklagte verpflichtet wird, an die Klägerin weitere 461,77 € als Zuschuss zu den Kosten für die Beerdigung ihres Sohnes zu zahlen, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Veröffentlichung der Traueranzeige im "Extra-Tip" würde dem Verbot widersprechen, weniger vermögende Menschen mit einem sog. Armenbegräbnis und den entsprechenden Anzeigen abzufinden. Der vom Beklagten zu Grunde gelegte vierfache Betrag der monatlichen Überschreitung des anzusetzenden Einkommens sei eine willkürlich gegriffene Zahl. Mit den gleichen Argumenten könne man auch den fünffachen oder dreifachen Betrag als zumutbar bezeichnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen. Diese Unterlagen sind zum Gegenstand der Beratung des Senats gemacht worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 3. Januar 2002 ist zulässig und auch teilweise begründet.

Im Streit ist ein Erstattungsbetrag in Höhe von 1.266,42 DM (= 647,50 €), d.h. der Differenzbetrag zwischen den durch das Sterbegeld der DAK nicht abgedeckten Bestattungskosten in Höhe von 2.003,90 DM und dem vom Beklagten zugestandenen Erstattungsbetrag in Höhe von 737,48 DM (= 377,00 €). Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 461,77 € zu erstatten. Nach Auffassung des erkennenden Senats sind lediglich weitere 304,23 € zu erstatten.

Nach dem hier anwendbaren § 15 BSHG sind nicht alle angefallenen Kosten der Bestattung vom Sozialhilfeträger zu übernehmen, sondern nur die erforderlichen Kosten, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

"Erforderlich" i.S.v. § 15 BSHG sind die Kosten einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung (Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., August 2000, § 15 Rdnr. 4 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien), d. h. die Kosten für ein Begräbnis ortsüblich einfacher, aber würdiger Art (VGH Mannheim, Urt. vom 27. März 1992 - 6 S 1736/90 -, FEVS 42, 380 ff., 383; s. auch Wenzel in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 15 Rdnr. 5). Dazu gehören die Aufwendungen für den Sarg, das Waschen, Einkleiden und Einsargen, Leichenwagen, Sargträger, Leichenhalle, Ausschmücken der Halle, Ankauf des Grabplatzes, erstmalige Herrichtung des Grabes usw. (siehe Dauber in; Merkler/Zink, a.a.O., § 15 Rdnr. 22).

Daran gemessen hat der Beklagte die Kosten für einen angemessenen Blumenschmuck zu niedrig bemessen und die Übernahme der Kosten für die Traueranzeige zu Recht verweigert.

Das Bestattungsinstitut W. hat ausweislich der Rechnung vom 5. Oktober 1999 für die "Blumendekoration zur Trauerfeier" einen Betrag in Höhe von 330,00 DM verauslagt, der Beklagte hat lediglich einen Betrag in Höhe von 50,00 DM für angemessen gehalten. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dieser Betrag zu niedrig angesetzt und ein Betrag in Höhe von 100,00 DM als angemessen anzusehen ist. Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Frage, ob die Kosten für eine Traueranzeige zu den erforderlichen Bestattungskosten im Sinne des Gesetzes gehören, kann nicht generell beantwortet werden; die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur gehen hierzu auch auseinander. Das Verwaltungsgericht Göttingen (Urteil vom 1. August 2000 - 2 A 2523/97 -, Zeitschrift für das Fürsorgewesen <ZfF> 2001, 207) zählt zu den erforderlichen Bestattungskosten auch die Kosten für eine bescheidene Traueranzeige in der örtlichen Zeitung (5 cm x 9 cm), dieser Auffassung ist das Verwaltungsgericht gefolgt. Dagegen rechnet das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 17. Oktober 1986 - 19 K 913/84 -, ZfSH/SGB 1987, 325 f.) die Aufwendungen für die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten, Todesanzeigen, Danksagungen usw. nicht zu den erforderlichen Kosten im Sinne des Gesetzes (so auch W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 15 Rdnr. 3; wie VG Göttingen: Birk in: LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003 § 15 Rdnr. 6 und Fichtner in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 15 Rdnr. 5).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist darauf abzustellen, ob die Aufgabe einer Traueranzeige in einer bestimmten Region als ortsüblich anzusehen ist, nur dann gehört sie zu einer würdigen Beerdigung im Sinne von § 15 BSHG. Dabei können die Gepflogenheiten in einem großstädtisch geprägten Gebiet anders aussehen als in einer Kleinstadt bzw. auf dem Lande. In der hier in den Blick zu nehmenden großstädtisch geprägten Region Kassel/Baunatal ist die Aufgabe einer Traueranzeige in der Tageszeitung nicht als ortsüblich anzusehen. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Anzahl der Todesfälle in Kassel und Umgebung weitaus höher ist als die Anzahl der entsprechenden Anzeigen in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), der einzigen regionalen Tageszeitung für Kassel und Umgebung. Dies ergaben Anfragen bei den Standesämtern der Städte Kassel und Baunatal sowie bei der HNA. Danach stehen 9.388 Sterbefällen in den Städten Kassel und Baunatal 8.643 Traueranzeigen (ohne Nachrufe) in der HNA-Ausgabe Kassel - gerechnet jeweils für die Jahre 2000 bis 2002 - gegenüber. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass die Ausgabe Kassel der HNA einen Bereich von 15 km um Kassel herum umfasst, d.h. nicht nur die Stadt Baunatal, sondern auch Umlandgemeinden wie Kaufungen, Helsa, Schauenburg, Fuldatal, Vellmar usw., und dass in der von der HNA angegebenen Zahl offenkundig auch Mehrfachanzeigen enthalten sind.

Es kann deshalb im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass beim Ausbleiben einer Traueranzeige in der Tageszeitung HNA der Eindruck aufkommen konnte, es habe sich um ein "Armenbegräbnis" gehandelt.

Demzufolge sind nach Auffassung des erkennenden Senats Bestattungskosten in Höhe von 1.513,90 DM (= 774,00 €) anzuerkennen. Darauf muss sich die Klägerin einen Betrag von 181,53 DM anrechnen lassen, d.h. den Betrag, um den ihr Renteneinkommen die maßgebende Einkommensgrenze des § 79 BSHG übersteigt, denn insoweit ist der Klägerin nach § 15 BSHG zuzumuten, die Bestattungskosten selbst zu tragen.

Der erkennende Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass zur Konkretisierung des Begriffs der "Zumutbarkeit" im Sinne von § 15 BSHG die Grundsätze der §§ 79 ff. BSHG heranzuziehen sind. Mit der Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG begehrt die Klägerin eine Leistung, die mit den Hilfen in besonderen Lebenslagen vergleichbar ist. Auch spricht für die Anknüpfung an diese Vorschriften bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit, dass in den §§ 79 Abs. 1 und 2, 84 Abs. 1 Satz 1 BSHG die Hilfegewährung davon abhängig gemacht wird, dass dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel "nicht zuzumuten" ist (siehe OVG Schleswig, Urteil vom 4. Juni 1998 - 1 L 18/98 -, NordÖR 1999, 200 ff. m.w.N.; siehe auch OVG Lüneburg, Urteil vom 8. Mai 1995 - 12 L 6679/93 -, NVwZ-RR 1996, 400 f. und - ausführlich - VG Düsseldorf, Urteil vom 8. November 2002 - 13 K 3316/00 -, in: juris).

Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung nach § 79 Abs. 1 BSHG ergab, dass das zu berücksichtigende Renteneinkommen der Klägerin die maßgebende Einkommensgrenze um 181,53 DM übersteigt. Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist bei der Übernahme der Bestattungskosten die Bedarfssatzüberschreitung nicht in vierfacher Höhe anzurechnen, § 21 Abs. 2 BSHG muss außer Betracht bleiben. Darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG regelt die Anrechnung von Einkommen bei einmaligen Leistungen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt und stellt eine Sonderregelung gegenüber § 11 Abs. 1 BSHG dar. Die Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG ist jedoch eine Sonderleistung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (siehe Mergler/Zink, a.a.O., § 15 BSHG Rdnr. 6), es handelt sich um einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art (siehe BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1997, FEVS 48, 1), mit dem eine - so das Verwaltungsgericht zu Recht - außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts liegende Lebenslage ausgeglichen werden soll. Anwendbar ist danach § 84 Abs. 1 Satz 1 BSHG, wonach die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang zuzumuten ist, soweit das zu berücksichtigende Einkommen die maßgebende Einkommensgrenze übersteigt (siehe auch OVG Schleswig, a.a.O.). Für die Auffassung des Beklagten, der die Einkommensgrenze nach § 79 BSHG übersteigende monatliche Rentenbetrag der Klägerin sei mit vier zu multiplizieren, ist auch nicht etwa § 84 Abs. 2 BSHG heranzuziehen. Diese Vorschrift regelt ersichtlich einen ganz anderen Lebenssachverhalt (siehe auch Fichtner in: Fichtner, a.a.O., § 84 Rdnr. 12).

Bei der Prüfung, welcher Umfang nach § 84 Abs. 1 BSHG angemessen ist, sind vor allem die Art des Bedarfs, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfesuchenden und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen (§ 84 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Legt man diese Kriterien zu Grunde, so ist der Klägerin im vorliegenden Falle die Anrechnung des vollen ihre Einkommensgrenze übersteigenden Betrages in Höhe von 181,53 DM zuzumuten. Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht in der Lage war, diesen Betrag aus dem monatlichen Einkommen aufzubringen, sind nicht ersichtlich. Sie werden von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen.

Nicht zu folgen ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts, welches - dem OVG Lüneburg (Urteil vom 8. Mai 1995, a.a.O.) folgend - es bei nahen Verwandten eines Verstorbenen für angemessen hält, dass sie aus ihrem zu berücksichtigenden Einkommen, das die maßgebende Einkommensgrenze des § 79 BSHG übersteigt, in der Regel 50 % aufwenden, um die von dritter Seite und durch das Vermögen des Erblassers nicht gedeckten Kosten für die Bestattung aufzubringen. Nachvollziehbare Gründe dafür, dass der Klägerin ein Teil des Einkommens verbleiben muss, das ihre Einkommensgrenze übersteigt, werden vom Verwaltungsgericht nicht angeführt. Dass der Klägerin besondere Belastungen entstanden sind (Trauerkleidung, Bewirtung von Angehörigen), ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht vorgetragen. Bei den Bestattungskosten ist zu beachten, dass es sich um eine einmalige Belastung handelt, die sich nicht wiederholt. Auch ist von Bedeutung, dass hier die Beerdigungskosten des Sohnes der Klägerin im Streit sind. Entgegen dem OVG Lüneburg hält es der erkennende Senat für angemessen, dass nahe Verwandte wie die Mutter eines Verstorbenen grundsätzlich das gesamte die maßgebende Einkommensgrenze im Todesmonat übersteigende Einkommen für die Beerdigung einsetzen. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Klägerin ihren Sohn einige Monate (bis Februar 1999 lebte er 18 Jahre lang in den Hofgeismarer Wohnstätten) zu Hause gepflegt und damit besondere Verantwortung übernommen hat.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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