Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.08.2000
Aktenzeichen: 10 UE 3556/96.A
Rechtsgebiete: GG, AuslG
Vorschriften:
GG Art. 16 A | |
AuslG § 51 | |
AuslG § 53 |
2. Aus Deutschland zurückkehrenden Tamilen steht grundsätzlich im Großraum Colombo eine inländische Fluchtalternative offen (so auch bisherige ständige Senatsrechtsprechung).
Tatbestand:
Der am 25. Oktober 1963 in Mullaitivu geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 2. April 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 24. April 1995 Asyl beantragte. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. April 1995 gab der Kläger an, er habe als Fischer in Mullaitivu gearbeitet. Nach einer Schießerei zwischen der srilankischen Armee und der LTTE im Jahre 1990 sei er von den Regierungssoldaten festgenommen und von diesen beauftragt worden, in Mullaitivu von der Bevölkerung verlassene Häuser zu zerstören und Wertsachen wegzunehmen. Fünf Monate lang habe er Häuser in Mullaitivu zerstört, dann sei es ihm gelungen, über das Meer zu fliehen. Nach der Flucht aus der Armee habe er in einem Vorort von Mullaitivu den Beruf des Fischers wieder ausgeübt. Auf Verlangen der LTTE habe er bis zum März 1995 ein Drittel seines Verdienstes an diese Organisation abgeführt. Bei einer LTTE-Informationsveranstaltung am 18. März 1995 seien die Teilnehmer aufgefordert worden, der LTTE beizutreten, um Mullaitivu vor der srilankischen Armee zu schützen. Er habe es abgelehnt, für die LTTE mit der Waffe in der Hand zu kämpfen; darüber sei es zum Streit gekommen. Am nächsten Tage habe er sich mit dem LTTE-Bezirksleiter, der ihn zu Hause aufgesucht habe, gestritten und schließlich geprügelt. Der Bezirksleiter sei weggelaufen. In der folgenden Nacht sei er, der Kläger, geflohen, als er gesehen habe, wie ein Wagen mit mehreren Personen vor seinem Haus angehalten habe. Bei seiner Rückkehr habe er von der Schwiegermutter erfahren, dass die LTTE seine Familie mitgenommen habe. Seine Familie werde erst dann freikommen, wenn er sich der LTTE stelle. Auf Anraten der Schwiegermutter und eines anderen Verwandten, ebenfalls Bezirksleiter der LTTE, habe er sich an einem anderen Ort versteckt gehalten, und zwar bei einem weiteren Verwandten in Kalmahdu. Diesem weiteren Verwandten habe er sein ganzes Geld geben müssen, dieser habe daraufhin einen Schlepper aus Colombo kommen lassen, mit dem er am 1. April 1995 in Colombo angekommen sei. Am nächsten Tage habe er mit dem Flugzeug Colombo verlassen, denn auch in dieser Stadt habe er sich nicht mehr aufhalten können. Die Regierungssoldaten hätten nämlich damals seine Fingerabdrücke genommen, deshalb sei er bei der Armee bekannt gewesen. Er sei bereit nach Sri Lanka zurück zu kehren, wenn die LTTE keine Macht mehr habe.
Mit Bescheid vom 24. August 1995 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtiger ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorlägen. Nr. 4 des Bescheides enthält die Abschiebungsandrohung. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 6. September 1995 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausschließlich Ausführungen zur allgemeinen politischen und militärischen Situation in Sri Lanka gemacht hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. August 1995 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil des Einzelrichters vom 11. April 1996 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 24. August 1995 verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass er hinsichtlich Sri Lanka die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfülle. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Auf den Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 2. September 1996 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main zugelassen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 1996 die Klage abzuweisen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor: Er sei ca. 1 1/2 Monate unter LTTE-Verdacht festgehalten, teilweise gefesselt und misshandelt worden. Danach seien die Gefangenen, darunter auch er, in Gruppen eingeteilt und gezwungen worden, für die Armee aufgrund der Kriegsereignisse nicht mehr bewohnte Häuser zu zerstören, damit die Armee dort Wach- und Stützpunkte habe errichten können. Er und vier andere Gefangene bzw. Zwangsarbeiter seien Ende 1990 geflohen und an den Strand gelaufen, um einige Kilometer schwimmend zurück zu legen. Ein Gefangener sei als Nichtschwimmer zurückgeblieben, ein anderer sei auf der Flucht im Meer ertrunken. Mit den beiden verbliebenen Flüchtlingen sei er in der Nähe des Ortes Mulivakal an Land gegangen, von dort habe er sich in das etwa 8 Meilen von Mullaitivu entfernt gelegene Semmalai begeben, um als Fischer zu arbeiten. Im Rahmen der Inhaftierung 1990 sei er vom Militär registriert und auch erkennungsdienstlich behandelt worden. Von den Misshandlungen im militärischen Gewahrsam sei eine Anzahl von Narben an seinem Körper zurückgeblieben. Irgendwann im Jahre 1998 habe ihm seine Ehefrau in einem Brief mitgeteilt, einer der Tamilen mit Rufnamen Rangan, mit dem er seinerzeit über das Meer geflohen sei, sei in Colombo verhaftet und allem Anschein nach gefoltert worden. Dabei sei Rangan auch nach den anderen Flüchtlingen, d.h. auch nach ihm, dem Kläger, gefragt worden. Was mit Rangan passiert sei, sei unklar, möglicherweise sei er "verschwunden". Über das Schicksal des Rangan sei seine Ehefrau durch die Ehefrau des Rangan unterrichtet worden. Den Brief seiner Ehefrau habe er trotz intensiver Suche nicht mehr finden können.
Aufgrund eines in der mündlichen Verhandlung am 29. August 2000 verkündeten Beweisbeschlusses ist der Kläger zu seinen Asylgründen gehört worden. Wegen der näheren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Bundesamtes sowie der Akte der Ausländerbehörde Bezug genommen. Diese sind ebenso Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen wie die Erkenntnisquellen, die in der mit der Ladung übersandten Erkenntnisquellenliste (Stand: 19. Juli 2000) aufgeführt sind, ferner ein Ausschnitt aus der Thinakutal-Zeitung vom 8.2.1999 "Ein(e) von Deutschland nach Sri Lanka abgeschobene (Person) wird vermißt", der ad hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes zur aktuellen Lageentwicklung in Sri Lanka vom 11. Juli 2000 sowie ein Artikel aus der International Herald Tribune vom 25. August 2000 ("In Sri Lanka's Civil War, a Stately Town has already lost").
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, mit der er die Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 1996 begehrt, ist auf Grund der Zulassung durch den erkennenden Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich der Asylanerkennung und der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zu Unrecht stattgegeben, denn die Ablehnung des Asylbegehrens des Klägers durch das Bundesamt erweist sich nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG) als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter liegen ebensowenig vor wie die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG (A.). Der in erster Instanz auch geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG hatte bereits vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Die darauf gerichtete Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht unter Aufhebung der Ziffer 3 des Bundesamtsbescheids vom 24. August 1995 abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Bevollmächtigte des Klägers nicht mit Zulassungsgründen angegriffen (auch nicht der Bundesbeauftragte), so dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit rechtskräftig geworden ist. Wenn auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 - und vom 28.04.1998 - 9 C 2.98 - ) hier nicht einschlägig sein dürfte, soll gleichwohl der in erster Instanz geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG in einem obiter dictum behandelt werden. Dieser steht dem Kläger ebenfalls nicht zu (B.). Daraus ergeben sich die Nebenentscheidungen in (C.).
A.
I. Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des nach Wortlaut und Inhalt mit dem früheren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Eine Verfolgung droht bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524, 525). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 62/91 -, NVwZ 1993, 191). Hat der Asylsuchende sein Heimatland unverfolgt verlassen, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51, 64 = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311 = InfAuslR 1987, 56, und 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = InfAuslR 1991, 145 = EZAR 201 Nr. 22).
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1).
Der Anspruch auf Asyl ist zwar ein Individualgrundrecht, und der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ist ebenfalls personenbezogen, beide setzen deshalb eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus. Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines insoweit asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsmöglichkeit vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteile vom 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 und vom 5.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt; dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung anlassgebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen; solchenfalls handelt es sich um eine entsprechend - örtlich, sachlich oder persönlich - begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urteile vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 97, und vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134 sowie vom 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274). Die Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl von Eingriffshandlungen relevanter Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße Vielzahl solcher Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urteile vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.).
II. Der Senat ist nach diesen Grundsätzen nicht davon überzeugt, dass der Kläger bei seiner Ausreise aus Sri Lanka Anfang April 1995 als Person, d.h. individuell politisch verfolgt war. Offensichtlich hat er seine Heimatregion verlassen, weil die LTTE ihn nicht in Ruhe ließ, nicht aber wegen der Ereignisse im Jahre 1990.
Auch aufgrund seiner Aussagen vor dem Senat kann dem Kläger nicht geglaubt werden, dass er im Jahre 1990 Opfer einer politischen Verfolgung war, der er sich im Jahre 1995 nur durch Flucht entziehen konnte. Vor dem Bundesamt, d.h. in nahem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Ausreise aus Sri Lanka, hat er angegeben, er sei im Jahre 1990 von der srilankischen Armee verhaftet und seitdem verfolgt worden. Er habe im Auftrag der Armee Häuser zerstören und Wertsachen wegnehmen sollen, ersteres habe er fünf Monate lang getan. Diesen Vortrag hat der Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung des Senats und bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahingehend gesteigert, dass er zunächst eineinhalb Monate lang unter LTTE-Verdacht festgehalten, teilweise gefesselt, verhört und misshandelt worden sei. Da von einer Verhaftung unter LTTE-Verdacht bei der Bundesamtanhörung nicht die Rede war, kann ihm dies heute nicht abgenommen werden. Dasselbe gilt für den gesteigerten Vortrag, er sei teilweise (nämlich die ersten eineinhalb Monate) gefesselt, verhört und misshandelt worden, denn laut Bundesamtsanhörung hat er die ganzen fünf Monate Häuser in Mullaitivu zerstört. Die Bemühungen des Klägers, die Schilderung der Ereignisse im Jahre 1990 durch weitere Details "anzureichern", etwa durch die Erwähnung eines Briefes, den er im Jahre 1998 von seiner Ehefrau erhalten haben will und den er heute nicht mehr finden könne, ferner durch die Behauptung vor dem Senat, damals seien Lichtbilder von den Gefangenen gemacht worden, verstärken die Zweifel an der Glaubhaftigkeit zahlreicher Elemente des klägerischen Vorbringens.
Auf Grund der vom Kläger durchgehend geschilderten Umstände und der Ergänzungen vor dem Senat (Festnahme nach Gefechten zwischen der Armee und der LTTE an der Küste beim Einziehen der Netze und Verpflichtung zu bestimmten Arbeiten) geht der erkennende Senat davon aus, dass der Kläger nicht unter LTTE-Verdacht festgenommen, verhört und gefoltert worden ist, sondern allenfalls verpflichtet worden ist, sich an den beschriebenen Abrissarbeiten zu beteiligen. Dass ein tamilischer Volkszugehöriger im Kriegsgebiet zu Abrissarbeiten oder gar zu Plünderungen verpflichtet worden ist, erscheint zwar ungewöhnlich und findet in keiner Erkenntnisquelle eine Bestätigung, ausgeschlossen werden kann dies jedoch nicht. Möglicherweise erhielt der Kläger für seine Beteiligung an dem Zerstörungswerk die Erlaubnis, von den Bewohnern der Häuser zurückgelassene Wertsachen an sich zu nehmen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger die ursprüngliche Version, sein Auftrag habe sich auch darauf erstreckt, Wertsachen wegzunehmen, nicht aufrecht erhalten, doch hat er diese Änderung nicht nachvollziehbar zu erläutern vermocht. Völlig unglaubhaft erscheint dem Senat, dass der Kläger, nachdem er fünf Monate lang Häuser in Mullaitivu zerstört hatte, geflohen ist, zumal er vor dem Bundesamt nicht substantiiert behauptet hat, er habe die Zerstörungsarbeiten unter Bewachung verrichten müssen und sei dabei wie ein Gefangener behandelt worden. Zunächst erscheint dem Senat die Schilderung der Flucht allzu "abenteuerlich" und unglaubhaft, liegt ihr doch die Behauptung zugrunde, der Kläger sei nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer mit etwa fünfzig Arbeitnehmern gewesen, sondern obendrein ein "Meisterschwimmer", der spielend fast zwei Stunden im Indischen Ozean schwimmend zurücklegen konnte, und dies nicht etwa am helllichten Tag, sondern in den Abendstunden, ferner die Behauptung, die Wachen in den (neu errichteten) Wachposten hätten seine Flucht nicht bemerkt bzw. seien nicht in der Lage gewesen, die Schwimmer mit Booten einzuholen. Auch unter Zugrundelegung der Aussagen des Klägers vor dem Senat kommt wohl der Wahrheit am nächsten, dass die für die Errichtung von "sentry points" (Wachposten) erforderlichen Abrissarbeiten an der Küste nur einen begrenzten Zeitraum in Anspruch nahmen und dass sie nach fünf Monaten beendet waren mit der Folge, dass der Kläger danach entlassen worden ist. Aus den Erkenntnisquellen (s. Auswärtiges Amt, 29.11.1990) ergibt sich im übrigen für den Raum Mullaitivu und das 2. Halbjahr 1990, dass die effektive Gebietsgewalt und Ordnungsmacht des Staates in der Nordprovinz mehr oder weniger eng an die Präsenz von Regierungstruppen und Camps der Streitkräfte gebunden waren, sie konnten örtlich mit der Entfernung von Armeestützpunkten rasch abnehmen, namentlich zur Nachtzeit. Dass die Armee danach ein Camp in Mullaitivu - Stadt besaß, wird durch diese Auskunft des Auswärtigen Amtes belegt, nicht aber, dass die Armee "Wachposten" in großer Anzahl an der Küste errichtete, ausgeschlossen erscheint dies allerdings nicht.
Da der Kläger allenfalls zu bestimmten Dienstleistungen für die Armee verpflichtet worden ist, kann ihm auch nicht abgenommen werden, er sei von der Armee erkennungsdienstlich behandelt worden.
Die Widersprüche zwischen seinen Angaben vor dem Bundesamt und den Angaben vor dem Senat fünf Jahre später hat der Kläger nicht nachvollziehbar zu erklären vermocht. Sein Vortrag, er habe schon damals versucht, "diese Dinge" zu schildern, ihm sei aber gesagt worden, dies sei deshalb nicht von Bedeutung, weil es schon viel zu lange zurückliege, kann nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Der Kläger ist vor dem Bundesamt am 25. April 1995 sehr ausführlich zu seinen Fluchtgründen gehört worden (100 Minuten). Laut Niederschrift über die Anhörung erklärte er gegen Ende, weitere Gründe habe er nicht vorzutragen, er habe genügend Gelegenheit gehabt, alle seine Gründe vorzutragen. Dem Kläger kann deshalb nicht geglaubt werden, dass der Bedienstete des Bundesamtes ihn bei der Direktanhörung davon abgehalten hat, über von ihm für wichtig gehaltene Details zu berichten. Im Übrigen fällt auf, dass dem Kläger bei der Anhörung durch das Bundesamt der Umstand, während der Haft seien seine Fingerabdrücke genommen worden, offenbar erst gegen Ende der Anhörung eingefallen ist, und zwar auf die Frage, warum er sich im April 1995 nicht in Colombo habe aufhalten können. Seine Antwort: "Weil ich da von der srilankischen Armee verhaftet worden bin und sie mir Fingerabdrücke genommen hatten" ist wenig präzise und kann auch so gedeutet werden, dass die Armee während seines Colomboaufenthaltes die Fingerabdrücke genommen hat. Dass ihm in Colombo etwas passiert ist, hat der Kläger jedoch weder bei der Bundesamtsanhörung noch vor dem Senat nachvollziehbar geschildert. Nach alledem legt der Senat zugrunde, dass der Kläger bereits bei der Bundesamtsanhörung bestrebt war, seinen Vortrag durch erfundene Details "anzureichern", als er merken musste, dass sein bisheriger Vortrag nicht als ausreichend angesehen wurde.
Selbst wenn man aber unterstellen würde, dass der Kläger im Jahre 1990 von der srilankischen Armee politisch verfolgt worden ist, so wäre jedenfalls der notwendige Zusammenhang zwischen der angenommenen politischen Verfolgung mit der Ausreise im April 1995 nicht gegeben. Das auf dem Zufluchtgedanken beruhende Asylgrundrecht setzt von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht voraus. Die Ausreise muss sich bei objektiver Betrachtung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als eine unter dem Druck erlittener Verfolgung stattfindende Flucht darstellen. In dieser Hinsicht kommt der zwischen Verfolgung und Ausreise verstrichenen Zeit entscheidende Bedeutung zu. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatstaat verbleibt, um so mehr verbraucht sich der äußere objektive Zusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise. Ein Ausländer ist mithin grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist anzusehen, wenn er seinen Heimatstaat in einem zeitlichen Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung verlässt (BVerwG, Urt. vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 - BVerwGE 87, 141 ff. = EZAR 200 Nr. 27). Ganz offensichtlich war dieser nahe zeitliche Zusammenhang hier im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers nicht mehr gegeben.
Auch in Colombo, wo sich der Kläger seinen Angaben zufolge nur einen Tag aufgehalten hat, ist ihm nichts passiert. Selbst das "Einchecken" in Colombo ging reibungslos vonstatten, was wiederum dagegen spricht, dass der Kläger im Lager von Mullaitivu erkennungsdienstlich behandelt worden ist.
Nach alledem hat der Kläger offensichtlich seine Heimatregion und Sri Lanka allein deshalb verlassen, weil ihn die LTTE nicht mehr in Ruhe ließ. Die Bedrängungen durch die LTTE, so der Versuch, seine Unterschrift für eine Rekrutierung zu erhalten, sind aber asylrechtlich ohne Belang, und zwar auch dann, wenn festgestellt werden könnte, dass die LTTE zum damaligen Zeitpunkt im Mullaitivu-Distrikt ein "staatsähnliches und zu asylrechtlich relevanter Verfolgung fähiges Machtgebilde" darstellte (vgl. Hess. VGH, Urt. vom 20. Mai 1996 - 13 UE 2332/95 - m.w.N.). Es liegen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der beabsichtigten Rekrutierung des Klägers eine Verfolgungstendenz innewohnte. Eine solche kann beispielsweise dann festgestellt werden, wenn zugleich ein politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern in den eigenen Reihen, eine Umerziehung von Andersdenkenden oder eine Zwangsassimilation von Minderheiten bezweckt wäre. Derartige Absichten können sich etwa aus der besonderen Ausformung der die Wehrpflicht begründenden Regelungen, aus ihrer praktischen Handhabung, aber auch aus ihrer Funktion im allgemeinen politischen System der Organisation ergeben. Deutlich werden kann der politische Charakter von Wehrdienstregelungen etwa daran, dass Verweigerer oder Deserteure als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen übermäßig hart bestraft, zu besonders gefährlichen Einsätzen kommandiert oder allgemein geächtet werden (BVerwG, Urt. vom 31. März 1981 - 9 C 6.80 -, BVerwGE 62, 123 ff., 125). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen fehlt ein in sich stimmiger Vortrag des Klägers.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger zudem vorgetragen, er sei geflohen, als einen Tag nach der Schlägerei mit dem Gebietsleiter mehrere Personen mit einem Wagen vor sein Haus gefahren seien (aus diesen "Personen" wurden vor dem Senat "bewaffnete Tiger"). Ein Verwandter von ihm (Bezirksleiter der LTTE) habe ihm erzählt, dass die LTTE ihn suchen würde, weil er mit dem Bezirksleiter der LTTE eine Schlägerei gehabt habe. Der Verwandte habe die Auffassung vertreten, dass ihn die LTTE verurteilen würde, und habe ihm deshalb geraten, sich an einem anderen Ort als Mullaitivu zu verstecken. Der Senat neigt auch hier dazu, die Schilderung des Klägers als unglaubhaft anzusehen, läuft sie doch darauf hinaus, dass ein Bezirksleiter der LTTE die Familiensolidarität über die Treue zu der Organisation gestellt hat.
Aber auch wenn der Kläger die Nordprovinz vor einer drohenden politischen Verfolgung durch die LTTE als "Staat im Staate" (der Mullaitivu-Distrikt gehörte damals zum militärisch/politischen Einflussgebiet der LTTE, siehe AA an OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.10.1994), verlassen hat oder wenn ihm vor seiner Ausreise politische Verfolgung in der Nordprovinz wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit etwa durch Übergriffe der srilankischen Regierungstruppen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die LTTE drohte (hierzu verneinend der 10. Senat in seinen Grundsatzurteilen vom 11. Juni 1996 - 10 UE 1919/95 und 10 UE 3183/95 -), so wäre der Kläger gleichwohl nicht als Vorverfolgter anzusehen. Ihm stand nämlich damals im Raum Colombo eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der insoweit nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt (BVerwG, 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 ff., 145 f.), setzt die inländische Fluchtalternative voraus, dass der Asylbewerber in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls auch dort keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff., 343 f.). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990, a.a.O.; Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 40.91 -, DVBl. 1992, 1541). Es kommt darauf an, ob der Betroffene an dem Ort der inländischen Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtung auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich Tod führt (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - 9 C 30.87 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104). Trotz der grundsätzlich gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise können aber auch individuelle Umstände Berücksichtigung finden. So kann eine inländische Fluchtalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Vorverfolgten dort wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166 Seite 403 <407> m.w.N.).
Dies vorausgeschickt bleibt der Senat bei der in seinem Urteil vom 11. Juni 1996 - 10 UE 3183/95 - im Anschluss an die Rechtsprechung des 12. Senats ausführlich begründeten ( S. 19 - 24 des Urteilsumdrucks ) Auffassung, ein tamilischer Volkszugehöriger habe damals im Raum Colombo durchaus die Möglichkeit gehabt, im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung, verfolgungsfrei zu leben. Er sei in diesem Gebiet hinreichend sicher gewesen. Auf dieses in das Verfahren eingeführte Urteil wird Bezug genommen.
Im vorliegenden Fall sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die ein Abweichen von dieser generalisierenden Betrachtungsweise gebieten. In Colombo drohte dem Kläger wegen der Ereignisse im Jahre 1990 auch individuell keine politische Verfolgung, wie sich aus den Vorstehenden ergibt. Wenn der Kläger in der Lage war, aus eigenen bzw. Mitteln der Familie den Schlepper zu bezahlen, so wäre es ihm auch möglich gewesen, in Colombo eine eigene Existenz aufzubauen
III. War der Kläger somit bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka nicht politisch verfolgt, so kommt seine Anerkennung als Asylberechtigter nur dann in Betracht, wenn asylrechtlich beachtliche Nachfluchtgründe vorliegen, was zu verneinen ist.
1. Der Senat ist auf der Grundlage der in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen der Überzeugung, dass tamilischen Volkszugehörigen heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gruppengerichtete Verfolgung droht. Dies hat der beschließende Senat zuletzt in dem in dieses Verfahren eingeführten Urteil vom 10. November 1998 - 10 UE 3045/95 - für den damaligen Zeitpunkt ausführlich begründet. An dieser Senatsrechtsprechung wird auch unter Berücksichtigung der bis heute vorliegenden neueren Erkenntnisquellen festgehalten (so auch Urteil des 5. Senats des Hess. VGH vom 3. Mai 2000 - 5 UE 4657/96.A -).
Zum besseren Verständnis wird zunächst der Überblick über die politische Entwicklung Sri Lankas nach der Unabhängigkeit in dem in dieses Verfahren eingeführten Urteil vom 10. November 1998 - 10 UE 3035/95 - ( Bl. 15 unten bis Bl. 24 Ende des zweiten Absatzes ) um die asylrelevanten Ereignisse bis zum Entscheidungszeitpunkt ergänzt:
Ende September 1998 fiel die Stadt Kilinochchi wieder an die LTTE, jedoch konnten die Regierungstruppen durch eine Offensive im März 1999 in der Vanni-Region 24 Dörfer erobern. Um die Dörfer der Vanni-Region ging es auch bei einer Offensive der Armee im Juni 1999. Mit ihrer Offensive "Unaufhaltsame Wellen" griff die LTTE seit Anfang November 1999 Stellungen der Regierungstruppen an. Im Feuerschutz schwerer Artillerie drangen Guerillaverbände im Nordosten gegen das Zentrum des Landes vor und eroberten innerhalb weniger Tage 10 Garnisonsstädte und die wichtigsten Kreuzungen von Oddusuddan, Nedunkeni, Mankulam und Kanakarayankulam (NZZ, 08.11.1999). Ziel der LTTE ist die Eroberung und Sicherung der Straßenverbindung (A 9), welche die zentrale Landverbindung zwischen dem Süden und dem Norden darstellt. Am 5. November brach die als "Operation Wasserscheide" bezeichnete Offensive der Regierungstruppen mit einer Flucht weiter Teile der Armee zusammen (a. i., 23.02.2000). Pressemeldungen zufolge soll es über 1.000 Tote allein auf Seiten der Regierungstruppen gegeben haben (NZZ, 08.11.1999; a. i., 25.02.2000). Ende November 1999 hatte die LTTE binnen zwei Wochen 100 Dörfer im Vanni-Gebiet erobert und die Armee aus Stellungen vertrieben, die 1995 eingenommen worden waren.
Wegen des militärischen Konflikts im Norden existiert zur Zeit keine Landverbindung nach Jaffna. Die Flugverbindung wird durch die srilankische Armee wahrgenommen, eine Seeverbindung gibt es zwischen Trincomalee und der Jaffna-Halbinsel.
Während einer Wahlkampfveranstaltung am 18. Dezember 1999 wurde Präsidentin Kumaratunga durch eine Selbstmord-Attentäterin am rechten Auge verletzt und entging nur knapp dem Tode; 21 Menschen starben, 110 wurden verletzt (SZ, 20.12.1999). Die Präsidentin wurde bei der Wahl am 21. Dezember 1999 mit 51,12 % in ihrem Amt bestätigt. Der Gegenkandidat Ranil Wickremasinghe von der "United National Party" erhielt 42,72 % der Stimmen (Keller-Kirchhoff, Südasien 1/2000, S. 50; FR, 23.12.1999). Die UNP behauptet, dass es zu zahlreichen Wahlverfälschungen durch die regierende Volksallianz gekommen sei. Oppositionsführer Wickremasinghe hatte sich zunächst bereit erklärt, die von der Präsidentin geplante Verfassungsreform mit dem Angebot größerer Autonomie für die Tamilen im Parlament zu unterstützen und ihr dort zu der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit zu verhelfen, doch hat er diese Zustimmung inzwischen zurückgezogen (FAZ, 10.08.2000). Die norwegische Regierung hat angeboten, zwischen der Regierung und der LTTE zu vermitteln (FAZ, 23.02.2000), um den nunmehr seit 17 Jahren andauernden Bürgerkrieg, der schätzungsweise bisher 60.000 Todesopfer forderte, zu beenden.
Ungeachtet der Friedensbemühungen wird der Bürgerkrieg im Norden Sri Lankas mit Offensiven der LTTE fortgesetzt. Die jüngsten Geländegewinne der LTTE haben die seit Mai 1997 im Rahmen mehrerer Offensiven der Regierungstruppen erzielten militärischen Erfolge weitgehend wieder zunichte gemacht (a. i., 23.02.2000). So wurden im März dieses Jahres bei einem Angriff tamilischer Rebellen auf eine Hauptverkehrsstraße im Norden Sri Lankas und auf Stellungen der Armee mindestens 59 Menschen getötet (FR, 29.03.2000). Im April 2000 mussten die Regierungstruppen die wichtigen Stellungen am Elephant Pass, der wichtigsten Zufahrtsstraße zur Halbinsel-Jaffna, räumen. Nach Presseberichten sollen dabei 79 Soldaten getötet und 625 verwundet worden sein. Den Vormarsch der LTTE auf die Stadt Jaffna konnten die Regierungstruppen stoppen. Die anhaltenden Kämpfe auf der Jaffna-Halbinsel forderten bisher erhebliche Verluste unter der Zivilbevölkerung (Auswärtiges Amt, 11.07.2000).
Im Großraum Colombo begeht die LTTE unvermindert Terroranschläge. Am 05. Januar 2000 zündete ein Selbstmordattentäter eine Bombe auf der Straße vor dem Büro der Ministerpräsidentin : 11 Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt ( Auswärtiges Amt, 28.04.2000 ). Kurze Zeit nach dem Anschlag wurde in einem anderen Viertel der Hauptstadt Colombo der Rechtsanwalt und Politiker Kumar Ponnambalam, ein Repräsentant der Tamilen, von einem unbekannten Attentäter erschossen (Die Welt, 06.01.2000). Anfang Juni 2000 töteten LTTE-Aktivisten bei einem Sprengstoffanschlag einen Minister und zwanzig weitere Personen ( Frankfurter Rundschau, 09.06.2000 ). Als Reaktion auf die verschärften Kampfhandlungen versetzte die Regierung das Land durch erweitete Sicherheitsbestimmungen in Kriegsbereitschaft, was bedeutet, dass die Regierung nunmehr persönliches Eigentum beschlagnahmen und jede Person für Aufgaben der nationalen Sicherheit oder Versorgung zwangsweise verpflichten darf.
2. Die oben wiedergegebenen Verhältnisse in Sri Lanka erlauben nicht den Schluss auf eine politische Verfolgung der Tamilen oder einer Untergruppe wie der Deutschlandrückkehrer in den einzelnen Landesteilen.
Dies gilt zunächst für die Einreise über den internationalen Flughafen von Colombo Katunayake (etwa 25 km nördlich der Hauptstadt gelegen). Nach erfolglosem Asylverfahren aus Europa in ihre Heimat zurückkehrende Tamilen werden nach ihrer Ankunft am Flughafen zunächst durch die Einwanderungsbehörden und sodann von der Polizei (Kriminalpolizei und Nachrichtendienst) befragt (siehe Keller-Kirchhoff, September 1993, S. 5; Pax-Christi, 20.09.1993, S. 4; UNHCR, Juli 1998). Besitzt der Einreisende keine gültigen Personaldokumente, so wird er am Flughafen festgehalten, bis die Identität und damit die srilankische Staatsangehörigkeit geklärt ist (Auswärtiges Amt, 06.04.1998, S. 14; siehe auch Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 69; Auswärtiges Amt, 16.11.1998). Dies kann solchen Rückkehrern passieren, die lediglich im Besitz eines von der srilankischen Auslandsvertretung ausgestellten Notfallausweises (Emergency Certificate) sind, denn dieses Papier ist nur für die Rückkehr nach Sri Lanka gültig (siehe Schreiben der Botschaft von Sri Lanka vom 23.10.1998 an den 10. Senat; Auswärtiges Amt, 16.11.1998 und Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.01.1999, S. 20). Kann die Personenüberprüfung nicht innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden, wird der Betroffene dem Haftrichter (Untersuchungsrichter, Magistrate) vorgeführt, der darüber entscheidet, ob ein weiteres Festhalten zum ausschließlichen Zweck der Personenüberprüfung durch die Polizei zulässig ist (Auswärtiges Amt, 28.04.2000, S. 23, und 11.07.2000).
Aufsehen erregte in jüngster Zeit der Fall der vom Bundesgrenzschutz begleiteten Sammelabschiebung von 20 abgelehnten Asylbewerbern am 16. März 2000. Das Auswärtige Amt hat die vorübergehende Festnahme der Gruppenmitglieder in seiner Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Bremen (18.04.2000) ausführlich geschildert. Alle 20 Rückkehrer wurden der Kriminalpolizei überstellt und sodann unmittelbar dem Untersuchungsrichter in Negombo (Magistrate) vorgeführt, der 18 Rückkehrer sofort und die beiden übrigen nach fünftägiger Untersuchungshaft gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt hat. Der Grund für diese seit einiger Zeit zu beobachtende Behandlung von vom Bundesgrenzschutz begleiteten Rückkehrern ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes darin zu sehen, dass sich die Fälle gehäuft haben, in denen Rückkehrer die Personalien in ihren Reisedokumenten (Emergency Certificates) bei der Ankunft in Colombo von sich aus aus Furcht vor Entdeckung korrigiert haben. Vom Bundesgrenzschutz begleitete Abgeschobene, die mit einem Emergency Certificate in Colombo ankommen, werden deshalb als Problemgruppe betrachtet (siehe auch Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Der Verdacht gegenüber dieser Gruppierung ergreift mitunter auch die begleiteten Rückkehrer, die im Besitz eines gültigen Reisepasses sind. Es kann vorkommen, dass auch sie den komplizierten Sicherheitsüberprüfungen unterzogen werden (Auswärtiges Amt, 18.04.2000).
Dies erhellt, dass das Vorkommnis am 16. März 2000 und ähnliche Vorkommnisse kein Indiz für eine asylerhebliche Beeinträchtigung der Rückkehrer bei der Einreise sind, vielmehr handelt es sich um von den Betroffenen selbst verursachte Schwierigkeiten. Zumindest die Untersuchungshaft (Bail) und Probleme bei den zahlreichen Straßenkontrollen, bei denen die Betroffenen nur die für die einbehaltenen Emergency Certificates ausgestellten Bescheinigungen vorweisen können, können sie dadurch vermeiden, dass sie ihrer Mitwirkungsverpflichtung aus § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG nachkommen und sich bei ihrer Auslandsvertretung rechtzeitig um einen Reisepass bemühen. Der Senat geht davon aus, dass es der srilankischen Botschaft bei entsprechender Mitwirkung des Klägers möglich sein wird, diesem einen ordnungsgemäßen Reisepass auszustellen.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidungspraxis des Magistrate von Negombo: Danach werden etwa 98 % der ihm Vorgeführten gegen Bürgschaft sofort freigelassen. Einige Wochen später findet ein neuer Termin statt, bis zu dem die Sicherheitsüberprüfungen regelmäßig abgeschlossen sind und das Verfahren eingestellt wird. Nur ausnahmsweise (Angabe von falschen Namen bzw. in Sri Lanka begangene Visafälschungsdelikte) wird eine Remand Order (Untersuchungshaftanordnung) erlassen und der Betreffende in das Negombo Remand Prison eingewiesen (Auswärtiges Amt, 18.04.2000, S. 8).
Die von Klägern und Antragstellern immer wieder ins Feld geführten Strafverschärfungen durch die Änderungen des Immigrants and Emigrants Act vom 28. Juli 1998, der die unerlaubte Ausreise und/oder den Gebrauch gefälschter Dokumente unter Strafe stellt, sind asylrechtlich irrelevant (so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.12.1998 - 21 A 5598/98.A -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - 3 B 20.95 -; OVG Saarlouis, Beschluss vom 28.02.2000 - 3 Q 359/99 -). Betrug das Strafmaß vorher bis zu 10.000 Rupien Geldstrafe oder drei Monate bis fünf Jahre Haft, so sind nun eine Haft (sechs Monate bzw. ein Jahr bis fünf Jahre) und eine Geldstrafe (50.000 bis 200.000 Rupien) vorgesehen (a. i., 01.06.1999). Aus der Verschärfung der Strafbestimmungen ist für eine politische Verfolgung der Volksgruppe der Tamilen selbst dann nichts herzuleiten, wenn ihnen rückwirkende Geltung zukommen sollte, was vom Auswärtigen Amt (16.04.1999, S. 3) verneint wird. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die strafrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Ein- und Ausreise bzw. Passbestimmungen in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale erfolgt (so auch OVG Münster, Beschluss vom 11.12.1998 - 21 A 5388/98.A -; Auswärtiges Amt, 16.04.1999, S. 3). Zu den Auswirkungen der Strafverschärfung des genannten Gesetzes liegen zahlreiche in das Verfahren eingeführte Erkenntnisquellen vor (Nr. 171, 185, 195, 196; siehe auch Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Lüneburg vom 16.04.1999). Diesen Quellen und auch der Parlamentsdebatte in Colombo am 16. Juni 1998 (siehe Nr. 177 der Erkenntnisquellenliste) ist nicht zu entnehmen, dass die strafrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Ein- und Ausreisebestimmungen in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale erfolgt. Wenn in der Praxis Tamilen bei Visafälschungsdelikten weit überproportional auffällig werden, so liegt dies daran, dass die meisten illegal mit Hilfe von Schleppern ins westliche Ausland Reisende Tamilen sind, die teilweise in Transitländern angehalten und noch vor Erreichen der Zielländer unter Einbehaltung ihrer manipulierten Reisepässe nach Sri Lanka zurückgeschickt werden, wo die gefälschten Dokumente als Beweismittel für Passmanipulationen herangezogen werden. Nach Auskunft des Magistrate von Negombo kommt es auch in diesen Fällen nur dann zu einer Verurteilung, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Fälschung bereits auf srilankischem Territorium stattgefunden hat bzw. das manipulierte Dokument dort in Verkehr gebracht worden ist (Auswärtiges Amt, 18.04.2000, S. 8).
Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass Passvergehen automatisch mit Terrorismusdelikten in Zusammenhang gebracht und folglich zu einem Verfahren unter Anwendung der Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung führen (Auswärtiges Amt, 16.04.1999, S. 2; zu diesen Gesetzen siehe weiter unten Blatt 24 ff.). So weist das Auswärtige Amt ( 18.04.2000 ) ausdrücklich darauf hin, dass die Kriminalpolizei im Falle der Sammelabschiebung aus Deutschland am 16. März 2000 die Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung nicht angewandt hat. Selbst Dr. Wingler hält die Gefahr einer längeren Inhaftierung und von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang von Passvergehen nur für beachtlich wahrscheinlich, wenn aufgrund besonderer Umstände der Verdacht aufkommen sollte, der Betroffene habe aktiv für die LTTE gekämpft (01.04.1999, S. 7).
3. Im Großraum Colombo - darunter ist das Gebiet zu verstehen, das nördlich durch die Stadt Negombo, südlich durch die Stadt Kalutara und östlich durch die Stadtgrenze Colombo begrenzt wird - und in den sonstigen Gebieten des Südens und Westens von Sri Lanka lebende tamilische Volkszugehörige haben zwar mit durch die politischen Verhältnisse bedingten Beeinträchtigungen zu rechnen. Diese erreichen aber entweder nicht die notwendige Eingriffsintensität (a.), oder es mangelt an der notwendigen asylerheblichen Gerichtetheit (b.) bzw. Verfolgungsdichte (c.) oder sie sind dem Staat nicht zuzurechnen (d.).
(a.) In den genannten Gebieten finden aufgrund der angespannten Sicherheitslage immer wieder Sicherheitsüberprüfungen (cordon and search operations, screenings) sowie anlassbezogen groß angelegte Razzien (round ups) statt, und zwar insbesondere nach Bombenanschlägen, vor befürchteten Bombenanschlägen bzw. wenn die Sorge besteht, dass die LTTE Selbstmordtrupps eingeschleust hat (EU, 11.11.1997, S. 36). Personen, die aus dem Norden von Sri Lanka nach Colombo übersiedeln wollen, werden sorgfältig kontrolliert und auf das Vorliegen strafbarer Handlungen zugunsten der LTTE überprüft. Diese strengen Sicherheitsüberprüfungen betreffen vor allem die Personen, die aus den sogenannten "uncleared areas" der Vanni-Region in die von den Regierungstruppen kontrollierten Gebiete bzw. auf dem Luft- oder Seeweg aus Jaffna in Richtung Süden reisen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes werden hauptsächlich die 15- bis 30-jährigen Tamilen beiderlei Geschlechts kontrolliert, neuerdings auch Kinder, da die LTTE diese für Terroranschläge rekrutiere; ältere Männer seien dagegen eher unverdächtig (Auswärtiges Amt, 06.04.1998, S. 3, und 28.04.2000, S. 8). Nach Auffassung von Keller-Kirchhoff (04.01.1996, S. 54, und 13.05.1996, S. 3) besteht der betroffene Personenkreis aus Tamilen im Alter von etwa 15 bis 40 Jahre.
Nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center in Colombo im Oktober 1997 verhafteten die Sicherheitskräfte 965 Tamilen, von denen etwa 50 bis auf weiteres in Untersuchungshaft blieben (a. i., Jahresbericht 1998, S. 510). Wingler zufolge wurden Ende März/Anfang April 1998 ca. 5.000 Tamilen aller Altersstufen und Schichten festgenommen und verhört, obwohl die meisten die erforderlichen Papiere vorweisen konnten (Wingler, 31.05.1998, S. 33). "Nach Angaben" seien etwa 1.000 tamilische Jugendliche festgenommen worden. Weit über 100, zumeist jüngere Tamilen seien als angebliche LTTE-Kader ausgesiebt und in Langzeithaft genommen worden. Da Unterstützer und Mitglieder der LTTE vornehmlich unter der tamilischen Bevölkerungsgruppe vermutet werden, finden derartige Maßnahmen gerade in Stadtteilen mit einem hohen tamilischen Bevölkerungsanteil (Kotahena, Wellawatte, Grandpass, Pettah und Hulftsdorp) statt (Auswärtiges Amt, 31.08.1998).
In den letzten Monaten führte eine Reihe schwerer, der LTTE zugerechneter Attentate in Colombo (Anschlag auf die Präsidentin und eine Wahlveranstaltung der UNP am 18.12.1999; Anschlag vor dem Amtssitz der Ministerpräsidentin am 05.01.2000 - 11 Tote -; vereitelter Anschlag auf der Parlamentsstraße in Colombo am 10.03.2000) sowie die Offensiven der LTTE im Vanni und im Gebiet um den Elephant Pass zu verschärften Personen- und Verkehrskontrollen, insbesondere in überwiegend tamilisch besiedelten Gebieten Colombos und in den benachbarten Vororten (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Anfang Januar dieses Jahres wurden bei Razzien, die mit kurzfristig angesetzten Ausgangssperren verbunden waren, mehrere Tausend Personen (Keller-Kirchhoff, 03.02.2000) und bei einem round up am 29./30. Januar 2000 in den Gebieten Wattala, Ja-Ela, Negombo und Kalutara insgesamt 1.736 Tamilen festgenommen (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000, gestützt auf Presseinformationen) und auf den Polizeiwachen fotografiert (gefilmt) und verhört. Die verschärften Kontrollen richten sich hauptsächlich gegen junge Tamilen im wehrfähigen Alter (Auswärtiges Amt, 11.07.2000).
Die bei den Kontrollen und Razzien vorläufig Festgenommenen müssen ihre Identität nachweisen, wofür ein gültiger Personalausweis (identity card) und eine Meldebestätigung (householder registration) nötig ist (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 67). Bereits Mitte 1991 und Anfang 1992 hatte das Verteidigungsministerium alle Bewohner, die sich nicht dauernd im Süden aufhalten und nicht in Flüchtlingslagern leben, aufgefordert, sich registrieren zu lassen (Keller-Kirchhoff, 23.04.1992). Bei dieser Registrierungspflicht handelt es sich aber um eine allgemeine polizeiliche Meldepflicht, die für alle Bewohner gilt. Der Hauseigentümer muss die in seinem Haus wohnende Person anmelden. Die ordnungsgemäße Anmeldung reduziert das Risiko einer Verhaftung beträchtlich (Auswärtiges Amt, 31.08.1992). Im Übrigen spielt bei der Erteilung bzw. Verweigerung einer Registrierung ( stay permit ) oft auch Korruption und Willkür eine Rolle (Keller-Kirchhoff, 22.06.1999 und 18.02.00 an VG Hannover, Anlage: Tamils and the police harassment form), was zur Ankündigung des Anti Harassment Committee (AHC, s. dazu unten S. 44) führte, im Jahre 2000 würden neue Regelungen eingeführt.
Kann sich die überprüfte Person nicht ausweisen, so wird sie regelmäßig in Polizeigewahrsam genommen und verhört, bis ihre Identität feststeht (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996, S. 8, und Auswärtiges Amt, 28.04.2000). Neben dem Identitätsnachweis werden von den vorläufig Festgenommenen widerspruchsfreie und zufriedenstellende Erklärungen über den Zweck ihres Aufenthalts im Großraum Colombo verlangt (Keller-Kirchhoff, 08.12.1998, S. 4 f.; UNHCR, 23.07.1996, S. 3). Der Verdacht einer LTTE-Unterstützung besteht nach Auffassung der Sicherheitskräfte bei denjenigen nicht, die neben dem Besitz von ordnungsgemäßen Personalpapieren einen langjährigen Wohnsitz am Ort der Kontrolle, eine gesicherte familiäre und wirtschaftliche Existenz, eine feste Arbeitsstelle oder einen sonstigen plausiblen Grund (valid reason) für den Aufenthalt nachweisen können (Auswärtiges Amt, 16.01.1996, S. 8 f.). Eine schnellere Haftentlassung erfolgt regelmäßig, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (Cearence) vorliegt, die von der Polizei bei der Kriminalpolizei (Criminal Investigation Departement <CID>), beim National Intelligence Bureau (NIB) oder dem Amt für Verbrechensaufklärung (Criminal Detection Bureau <CDB>) eingeholt wird (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 68). Allerdings kommen auch Mehrfachverhaftungen vor, da die Behörden die Prüfung der Identität nicht bescheinigen (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996, S. 8 f.; a. i., August 1996, S. 36). Nach übereinstimmenden Berichten wurden bislang im Allgemeinen 90 % der Festgenommenen innerhalb von 48 Stunden, weitere 9 % innerhalb einer Woche wieder freigelassen (Auswärtiges Amt, 28.04.2000; dem Bericht der EU vom 02.04.1997 zufolge werden 90 % der Verhafteten innerhalb von 48 Stunden, 6 % innerhalb einer Woche und 3 % innerhalb von drei Monaten entlassen, laut UNHCR werden die Festgenommenen in der Regel nach zwei bis drei Tagen freigelassen <Juli 1998>). Auch die Mehrheit der aufgrund der round ups seit Dezember 1999 Inhaftierten ist nach 24 Stunden wieder freigelassen worden (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000).
Die Festnahmen beruhen zum Teil auf den Ausnahmezustandsbestimmungen ( Notstandsbestimmungen, Emergency Regulations <ER>) sowie dem bereits im Juli 1979 verabschiedeten Gesetz zur Vorbeugung gegen den Terrorismus (Prevention of Terrorism Act <PTA>). Die ER enthalten Ausnahmen von den Vorschriften der Strafprozessordnung, wonach Festgenommene innerhalb von 24 Stunden dem zuständigen Richter (Magistrate) vorgeführt werden müssen. So dürfen Angehörige der Sicherheitskräfte einen eines schwerwiegenden Vergehens Verdächtigen im Norden und Osten des Landes bis zu 7 Tage vorläufig festnehmen, in den anderen Teilen des Landes für 48 Stunden. Wird jemand im Großraum Colombo durch einen Armeeangehörigen festgenommen, muss er innerhalb von 24 Stunden der nächstgelegenen Polizeistation überstellt werden. Die Festnahme durch einen Polizeibeamten bzw. Armeeangehörigen muss innerhalb von 24 Stunden dem Superintendent of Police des Bezirks bzw. dem befehlshabenden Offizier mitgeteilt werden, obendrein ist sie in jedem Fall innerhalb von 48 Stunden der National Human Rights Commission (NHRC) mitzuteilen. Soll der Betroffene über 7 Tage bzw. 48 Stunden hinaus festgehalten werden, so muss für ihn eine "Detention Order" durch einen höherrangigen Polizeibeamten ab dem Rang eines Deputy Inspector General of Police (DIG) oder einen höherrangigen Armeeoffizier ab dem Rang eines Brigadier, Commodore usw. erlassen werden ( bis zur Dauer von 60 Tagen ). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ( 06.04.1998, S.11 ) erhalten 1% der Inhaftierten eine solche Detention Order.
Die Inhaftierten dürfen nur an einem vom Verteidigungsministerium autorisierten Ort untergebracht werden, die Adresse wird im Mitteilungsblatt der Regierung veröffentlicht. Es gibt ca. 100 solcher Orte, zumeist Polizeistationen, aber auch Armeelager. Die Unterbringung in nichtautorisierten Orten ist strafbar (Freiheitsstrafe nicht unter 6 Monaten bis zu 5 Jahren; siehe zu dem Ganzen Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28.04.2000, S. 21). Der befehlshabende Beamte oder Offizier muss alle 14 Tage dem zuständigen Magistrate eine Liste der bei ihm Inhaftierten übermitteln. Dieser soll einmal im Monat die Haftanstalten aufsuchen, dabei sind ihm alle Inhaftierten, die nicht aufgrund eines gerichtlichen Haftbefehls festgehalten werden, vorzuführen. Der Besuch der in den Hafteinrichtungen befindlichen Personen wird nicht nur der NHRC, sondern auch dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) gestattet (Auswärtiges Amt, a.a.O., S.21/22). Das ICRC besucht die entsprechenden Hafteinrichtungen sogar mehrmals wöchentlich und verfolgt den Verbleib der Personen im Laufe des Verfahrens (Auswärtiges Amt, 29.12.1997). In Colombo wird den internationalen und nationalen Menschenrechtsorganisationen in den meisten Fällen bereits innerhalb weniger Tage, oft sogar binnen Stunden ein Besuch ermöglicht (Auswärtiges Amt, 03.02.1998, S. 5). Vertreter des NHRC führen auch unangemeldete Überraschungsbesuche durch (Auswärtiges Amt, 03.02.1998). NHRC und ICRC sind nicht allein von der Kooperationsbereitschaft der Sicherheitskräfte abhängig, vielmehr gehen sie selbständig Hinweisen von Mitgefangenen sowie von Angehörigen und Freunden der Verdächtigen nach, um der festgenommenen Person größtmöglichen Beistand zu gewähren (Auswärtiges Amt, 29.12.1997).
Bei Delikten mit terroristischem Hintergrund müssen nach dem PTA Festgenommene nach spätestens 72 Stunden dem zuständigen Untersuchungsrichter (Magistrate) vorgeführt werden, es sei denn, der Verteidigungsminister erlässt eine "Detention Order" (höchstens 3 Monate, die in weiteren drei Monatsabständen bis zu 18 Monate verlängert werden kann (vgl. Auswärtiges Amt, 28.04.2000, S.22). Von dieser schwerwiegenden Möglichkeit wird allerdings in jüngster Zeit kaum noch Gebrauch gemacht, da der Oberste Gerichtshof von Sri Lanka die Voraussetzungen dafür (sorgfältige Prüfung jedes Einzelfalles unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Menschenrechte) in einem Präzedenzfall eingeschränkt hat (Auswärtiges Amt, 06.04.1998, S. 7).
Selbst bei sogenannten "Hardcore Terrorists" werden Detention Orders nur in seltenen Einzelfällen erwirkt ( Auswärtiges Amt, 02.12.1999 ). Eine über den genannten Zeitraum hinausgehende Haft kann nur der Magistrate anordnen ( Auswärtiges Amt, 21.04.1999, S.4 ).
Die geschilderten Vorschriften zur Abwehr des Terrorismus stellen sich nicht als die Tamilen ausgrenzende asylerhebliche Beeinträchtigungen dar, was auch belegt wird durch die Ergänzung der ER im August 1996 um Bestimmungen, die der Resozialisierung solcher LTTE-Kämpfer dienen, die sich freiwillig ergeben haben ( Auswärtiges Amt, 13.01.2000 ). Die aufgrund der wiedergegebenen Vorschriften ergriffenen Maßnahmen dienen nicht der Repression gegenüber der gesamten tamilischen Bevölkerung ( so auch Hess. VGH, Urteil. vom 03.05.2000 - 5 UE 4657/96 -, S.61 ); dies gilt auch für die Maßnahmen des für die Anti-Terror-Aktionen in der Hauptstadt zuständigen Operation Command Colombo (OCC), das unter der Leitung hoher Offiziere von Marine, Luftwaffe und Heer steht ( s. dazu amnesty international, 30.08.1999 ).
Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung müssen sich bei objektiver Betrachtung aber als solche erweisen, was zu bejahen ist, wenn der von ihnen Betroffene aufgrund objektiver Anhaltspunkte (Besitz von Waffen, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, schwerwiegende Indizien der Beteiligung an bzw. Vorbereitung einer terroristischen Gewalttat ) hinreichend verdächtig ist. Reine Mutmaßungen der Sicherheitskräfte rechtfertigen einen solchen Verdacht prinzipiell nicht (BVerwG Urt. v. 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 ff. 153). Gleichwohl ist es asylrechtlich unbedenklich, wenn tamilische Volkszugehörigkeit, Herkunft (aus dem Norden, Nordosten), Alter und gegebenenfalls Geschlecht Anknüpfungspunkte für die Durchführung von Razzien, Durchsuchungen und kurzfristigen Verhaftungen ("Überprüfungsverhaftungen"= "erster Zugriff") sind. Abgesehen davon, dass bei diesen Maßnahmen die für die asylrechtliche Verfolgung notwendige Eingriffsintensität fehlt, ist regelmäßig nicht von einer Schikane um ihrer selbst Willen und mit Zielrichtung auf eine Bevölkerungsgruppe als solche auszugehen (so auch OVG Münster, Urteil. v. 26.05.1998, S. 23). Dass besonders verdächtig die jungen ledigen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE (14 - 30 bzw. 40 Jahre) sind, die aus dem Norden stammen und erst vor kurzem nach Colombo gekommen sind, wo sie in Pensionen und kleineren Hotels wohnen (Auswärtiges Amt, 07.07.1993), ist nachvollziehbar. Diese Verdachtskriterien hängen zusammen mit der Strategie der LTTE des kalkulierten Einsatzes von Mord und Selbstmord. Dies erklärt, dass meistens junge Männer und Frauen aus dem Norden aufgegriffen und genauer auf ihre Identität überprüft werden, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie, da sie keine Verantwortung für eine Familie tragen, auch bereit sind, bei Anschlägen das eigene Leben zu opfern (so auch OVG Koblenz, Urteil v. 30.08.1995, S. 15 f. d. Umdrucks).
Folglich sind das Aufgreifen von tamilischen Volkszugehörigen und kurzzeitige "Überprüfungsverhaftungen" als noch der Vorbeugung/Bekämpfung terroristischer Anschläge und Täter dienende Maßnahmen für sich allein nicht als asylrechtlich relevante Beeinträchtigungen zu bewerten. Dabei darf bei der Frage, was dem Einzelnen unter asylrechtlichen Gesichtspunkten noch zumutbar ist, die ständige Bedrohung auch des Großraums Colombo durch den LTTE-Terror, wie er sich verstärkt in den letzten Monaten gezeigt hat, nicht außer Betracht bleiben. Den Sicherheitskräften sind angesichts der Notstandssituation, in der sich das Land befindet, Rechte einzuräumen, die die üblichen Befugnisse in Friedenszeiten überschreiten. Diese Rechte finden dort ihre Grenze, wo ihre Umsetzung sich als Aktion bloßen Gegenterrors erweisen würde (BVerwG, Urt. vom 20.11.1990 - 9 C 73.90 -, InfAuslR 1991, 181 ff., 183 m.w.N.).
Wenn die Personenkontrollen vornehmlich in von Tamilen bewohnten Stadtteilen stattfinden, so ist dies darauf zurückzuführen, dass sich dort erfahrungsgemäß auch LTTE-Infiltranten aufhalten (Auswärtiges Amt, 31.08.1998). In den Lodges (billigen Hotels) dieser Stadtteile wurden schon LTTE-Attentäter kurze Zeit vor den Anschlägen festgenommen und zur Identitätsfeststellung in Polizeigewahrsam genommen, dann aber wieder freigelassen, da sich die vermutete LTTE-Unterstützung nicht nachweisen ließ (Auswärtiges Amt, 25.01.2000, S. 2). Die billigen Lodges sind nach den Erkenntnissen der Polizei auch bekannt für Straftaten wie Drogenhandel, Prostitution, Hehlerei usw. (Auswärtiges Amt, 31.08.1998). Die Grenze zwischen Terrorismusbekämpfung und allgemeiner Verbrechensbekämpfung ist demnach fließend. Auch soweit es zu groß angelegten Verhaftungswellen im Zuge von Razzien kommt, liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass diese nicht anlassbezogen lediglich Ermittlungszwecken und Identitätsfeststellungen dienen oder die Sicherheitskräfte regelmäßig Gegenterror ausüben, ist doch selbst nach den jüngsten Razzien in Colombo die Mehrheit der Inhaftierten nach 24 Stunden wieder freigelassen worden.
(b.) Auch in den etwa 10 % der Fälle, in denen es zu längerfristigen Inhaftierungen aufgrund der ER und des PTA kommt - betroffen sind vor allem Tamilen aus der Nord- und Ostregion (a. i., Juni 1999, S. 9) -, ist der asylrechtliche Bezug nicht zwangsläufig. Zu längerfristigen Inhaftierungen kommt es erfahrungsgemäß dann, wenn die Polizei bzw. ihre Spezialabteilung zur Terrorismusbekämpfung aufgrund der Gesamtumstände der Überzeugung ist, dass der Verdächtige in terroristische Aktivitäten der LTTE verwickelt ist bzw. als Unterstützer oder Mitwisser Mitverantwortung trägt, d. h. eine Straftat entsprechend den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung begangen hat. Im Falle nicht nur kurzfristiger Sistierung sind die Verdachtsmomente gegen die Festgehaltenen im allgemeinen so konkret, dass auch die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Fall befasst wird. Sie entscheidet aufgrund des Polizeiberichts, ob und nach welchen Strafvorschriften eine Anklage vor dem High Court zu erheben ist ( Auswärtiges Amt, 18.04.00, S. 3 ).
Die in der Maßnahme objektiv erkennbar werdende "Anknüpfung" (so die Konkretisierung des vom Bundesverfassungsgericht eingeführten Kriteriums der "Gerichtetheit" der Maßnahme durch das Bundesverwaltungsgericht, s. BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 - BVerwGE 80, 152 = InfAuslR 1991, 145 ) bezieht sich auf den konkreten Verdacht der LTTE-Unterstützung, nicht aber auf asylrelevante Merkmale wie Volkszugehörigkeit, Religion und politische Überzeugung. Im Übrigen sollen für die lange Haft unter anderem das schleppende Verfahren bei der Überprüfung der verhafteten Personen durch das CDB und das NIB verantwortlich sein. Viele Langzeitinhaftierungen sind auch darauf zurückzuführen, dass sich die Klärung der Identität verzögert (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 75, und vom 20.03.1996, S. 12). Spielt, was nicht selten vorkommt (Keller-Kirchhoff, 03.02.1998, S. 5), die Erwartung eine Rolle, für eine Freilassung Bestechungsgelder kassieren zu können, und wird deshalb die Freilassung verzögert, so fehlt es ebenfalls an der asylrechtlichen Gerichtetheit der Maßnahme. Nach alledem ist zugrunde zu legen, dass zwar Willkürakte bei längerfristigen Inhaftierungen vorkommen, dass letztere aber in aller Regel auf die Aufklärung und Verhinderung terroristischer Gewalttaten zielen, nicht aber auf die Ausgrenzung der tamilischen Bevölkerungsgruppe einschließlich von Untergruppierungen.
(c.)
(aa.) Allerdings sind diejenigen, bei denen sich bei der Einreise oder danach der Verdacht auf LTTE-Unterstützung oder Mitgliedschaft verdichtet, in Gefahr, verfolgt zu werden durch längerfristige Inhaftierung und damit einhergehende unmenschliche Behandlung wie Folter (amnesty international, 01.06.1999). Doch muss hier nach dem Grad der Unterstützung der LTTE, insbesondere auch im Ausland, unterschieden werden. Gefährdet ist beispielsweise nicht schon derjenige, der auf Demonstrationen und Flugblättern die srilankische Regierung, Polizei und Sicherheitskräfte kritisiert, also etwa Menschenrechtsverletzungen angeprangert hat. Ebensowenig reicht die Teilnahme an Sport- und Kulturveranstaltungen der der LTTE nahestehenden Organisationen aus. Ein Strafverfolgungsinteresse besteht allerdings an Personen, die - etwa als Führungspersönlichkeiten in verantwortlicher Stellung in nicht unerheblichem Ausmaß - an Propagandaaktivitäten für die LTTE beteiligt gewesen sind , da die Strafverfolgungsbehörden bei ihnen annehmen, dass neben der Unterstützung der LTTE im Ausland eine weitergehende Verwicklung in terroristische LTTE-Aktivitäten in Sri Lanka vorliegt, da die LTTE solche Vertrauenspositionen in der Regel nur langgedienten Kadern überträgt (Auswärtiges Amt, 20.04.1999; Keller-Kirchhoff, 20.05.1998, S. 3). Der PTA nimmt zwar mehrfach auf "ungesetzliche Aktivitäten" Bezug, worunter alle Handlungen im In- und Ausland zu verstehen sind. Die srilankische Generalstaatsanwaltschaft hat aber mitgeteilt, dass sie nach Überprüfung der Rechtslage inzwischen davon ausgeht, dass eine im Ausland begangene Unterstützung der LTTE bzw. ihrer Frontorganisationen in Sri Lanka nicht strafrechtlich verfolgt werde und entsprechende Anklagen zurückzuziehen seien. Dies soll selbst bei Aktivitäten von Führungspersönlichkeiten des internationalen LTTE-Netzwerks der Fall sein (Auswärtiges Amt, 08.12.1999). Dabei spielt eine Rolle, dass die konsequente Aufklärung und Verfolgung einer minderschweren Unterstützung der LTTE oder von Mitläufertum die ohnehin schon überlastete Strafrechtspflege in Sri Lanka zum völligen Erliegen bringen würde (Auswärtiges Amt, 02.11.1999); diese Praxis entspricht auch dem Bemühen der Regierung, das Vertrauen der tamilischen Bevölkerung zurückzugewinnen ("hearts and minds policy"). Dementsprechend bleiben erfahrungsgemäß längere Zeit zurückliegende Verstöße gegen die Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung ungeahndet, insbesondere wenn sie in einem unter LTTE-Hoheit stehenden Gebiet erfolgt sind (Auswärtiges Amt, 13.01.2000, s. auch Wingler, 29.09.1998, S. 7).
Auch eine lediglich finanzielle Unterstützung der LTTE durch die im Ausland lebenden Tamilen - nach Schätzungen nimmt die LTTE ca. 2.000.000 US-Dollar pro Jahr durch Geldsammelaktionen unter Auslandstamilen ein (Auswärtiges Amt, 30.08.1996, S. 3) - wird nicht strafrechtlich geahndet. Da es gewichtige Hinweise dafür gibt, dass bei den Spendensammlungen auch Zwang angewendet wird (Auswärtiges Amt, 19.01.1991, S. 10), führen diese, wie auch das staatliche Vorgehen nach der Rückeroberung der Jaffna-Halbinsel zeigte, nicht zu entsprechenden strafrechtlichen Sanktionen. Obwohl die Ergänzung der Emergency Regulations für den weiten Begriff der finanziellen Unterstützung der LTTE eine Freiheitsstrafe von 7 bis 13 Jahren vorsieht (Keller-Kirchhoff, 12.03.1999, S. 4), besteht nicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Sicherheitskräfte in Sri Lanka allein die Hingabe von Spenden für eine relevante Unterstützung der LTTE ansehen. Allein das Eintreiben und Verwalten der Gelder kann zu Strafverfolgungsmaßnahmen führen, weil die LTTE solche Aufgaben in aller Regel nur lang gedienten Kadern überträgt, die weitgehend in terroristische Aktivitäten der LTTE verwickelt sind (Auswärtiges Amt, 13.02.1998, S. 2, 14.09.1998, S. 1 f., 01.07.1999 und 08.12.1999, S. 2).
Auch wegen des bloßen Verwandtschaftsverhältnisses muss ein Rückkehrer nicht mit asylrelevanten Maßnahmen rechnen. Sippenhaft findet in Sri Lanka in der Regel nicht statt, ein entsprechender Tatbestand ist dem srilankischen Strafrecht fremd ( Auswärtiges Amt, 20.04.1999 ). Gefährdet sind nur solche Rückkehrer, deren Angehörige eine höherrangige aktive Stellung in der LTTE bekleiden (Keller-Kirchhoff, 13.05.1996, S. 2 f.), wenn dies den Sicherheitskräften bekannt wird. Je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist, desto wahrscheinlicher dürfte es im Allgemeinen sein, dass der Betroffene selbst einer LTTE-Tätigkeit verdächtigt wird. Je höher die Stellung des Verwandten in der LTTE ist und je spektakulärer seine Taten sind, umso größer ist für seine Familienangehörigen die Wahrscheinlichkeit, selbst in Verdacht zu geraten (Auswärtiges Amt, 09.11.1996, S. 3; a. i., 23.02.2000, S. 2). Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass verwandtschaftliche Beziehungen oftmals nur schwer erkennbar sind, da LTTE-Kämpfer während ihrer fünfjährigen "Dienstzeit" zumindest Alias-Namen haben und ihre Identität nicht an Außenstehende bekannt geben (Auswärtiges Amt, 09.11.1996, S. 3). Gehört ein naher Angehöriger somit "nur" zu den LTTE-Kämpfern, so begründet dieser Sachverhalt als solcher keine Rückkehrgefährdung des Einreisenden. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (04.02.2000, S. 1 f.) werden gelegentlich Angehörige von gesuchten Personen illegal kurzfristig festgehalten, um Flüchtlinge zu veranlassen, sich den Behörden zu stellen. Dies beschränke sich aber nicht auf Angehörige der tamilischen Minderheit. Auch seien Vorkommnisse dieser Art nicht alltäglich, weit verbreitet oder zumindest regelmäßig zu verzeichnen. Amnesty international (23.02.2000) geht davon aus, dass Verhaftungen von Familienangehörigen zurückgegangen seien, so dass "derzeit nicht von einer Alltäglichkeit" ausgegangen werden könne. Konkrete Zahlen bezüglich der gegenwärtigen Verbreitung von Geiselhaft oder stellvertretender Inhaftnahme von Familienangehörigen von mutmaßlichen LTTE-Angehörigen konnte amnesty (a. i., 23.02.2000) nicht ermitteln.
(bb.) Ungeachtet feststellbarer Langzeitinhaftierungen und damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen kann von einer ausgrenzenden gruppengerichteten Verfolgung der Tamilen im Hinblick auf die Anzahl der von diesen menschenrechtswidrigen Maßnahmen Bedrohten nicht gesprochen werden, die notwendige Verfolgungsdichte kann nicht festgestellt werden.
Mitte April 1996 berichtete der TULF (Tamil United Liberation Front)-Abgeordnete Pararayasingham im Parlament, dass sich 1.100 junge Tamilen in Haft befänden, 300 von ihnen säßen bereits mehr als vier Jahre ohne Gerichtsverfahren ein. Dabei handele es sich um Untersuchungshäftlinge, denen LTTE-Aktivitäten vorgeworfen worden seien. Im Mai 1996 erklärte die Menschenrechtsorganisation HRCF, in ganz Sri Lanka befänden sich 653 Personen in Haft. Am 30. August 1996 betrug die Zahl der landesweit unter LTTE-Verdacht Inhaftierten 1.200 bis 1.500. Im September 1996 wurde diese Zahl auf 1.600 geschätzt, die Hälfte von ihnen soll in Colombo festgenommen worden sein (alles Angaben aus dem Bericht des Rates der EU vom 02.04.1997, S. 9; siehe auch Wingler, Februar/März 1997, S. 60). Ende 1997 befanden sich nach Schätzungen von amnesty international etwa 1.200 Menschen auf der Grundlage der ER und des PTA in Haft, 400 von ihnen bereits seit über zwei Jahren (a. i., Jahresbericht 1998, S. 510). Wie unsicher solche Schätzungen sind, macht die Auskunft von Wingler vom 31. Mai 1998 (S. 33) deutlich. Er gibt zunächst die Stellungnahme von J. Pararayasingham wieder, wonach die Zahl der tamilischen Langzeitinhaftierten Ende 1997 bereits erneut bei 1.000 gelegen habe. Er fügt sodann hinzu, - sie (die Rate) soll sich nach den jüngsten Ereignissen weiter erhöht haben -. 400 bis 500 jüngere Tamilen sitzen laut Wingler (29.09.1998, S. 5) im Jawatta-Gefängnis bei Kalutara fest; darunter 234, die zum harten Kern der LTTE gezählt werden, getrennt von den übrigen Gefangenen im Block B. Das Auswärtige Amt nennt im Lagebericht vom 28. April 2000 die Zahl von 2.000 landesweit nach den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung Inhaftierten.
Stellt man der Zahl der für längere Zeit Inhaftierten allein die Zahl der im Großraum Colombo lebenden Tamilen gegenüber (nach Wingler etwa 340.000; dagegen nach Schätzungen des Rates der EU vom 02.04.1997 - S. 41 - etwa 400.000 tamilische Volkszugehörige, davon 150.000 aus dem Norden Zugewanderte), so ist bereits von daher der Schluss unabweisbar, dass die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Dichte von Eingriffshandlungen nicht erreicht wird (siehe zur Notwendigkeit, Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung zu setzen: BVerwG, 15.07.1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175). Das gilt erst recht, wenn man auf die Tamilen in ganz Sri Lanka abstellt. Die Zahl der Langzeitinhaftierten im Großraum Colombo ist nicht so hoch, dass daraus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsbetroffenheit des einzelnen Angehörigen des tamilischen Bevölkerungsteils folgt. An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wollte man in den vorgenommenen Vergleich allein den Anteil der jungen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE einstellen. Auf der Grundlage der Volkszählung von 1981 schätzt das Auswärtige Amt den Anteil der 14- bis 40-jährigen - gemessen an der jungen Altersstruktur der srilankischen Bevölkerung - auf etwa 60 % (10.01.1996, S. 3). Verlässliche Zahlen aus neuerer Zeit stehen nicht zur Verfügung, doch dürfte sich an der sehr jungen Altersstruktur der srilankischen Bevölkerung und der Bewohner von Colombo - die Zuwanderer aus dem Norden eingeschlossen - nichts wesentliches geändert haben. Dies bedeutet, dass schätzungsweise 240.000 Personen in Colombo der risikobehafteten Gruppe angehören (siehe auch Thüringisches OVG, Urt. v. 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -, Bl. 66 des Umdrucks).
Dr. Wingler bildet nun eine weitere Untergruppe derjenigen Personen, die "in besonders hohem Maße in einer ausweglosen Lage steckt". Es handele sich um den Personenkreis der aus dem Norden/Osten stammenden Tamilen (ca. 14 bis 28 Jahre), die im Süden über keine feste Unterkunft verfügten, keine finanziellen Mittel und keine ausreichenden Legitimationspapiere für einen nicht nur vorübergehend polizeilich geduldeten Aufenthalt besäßen und keine Bezugsperson hätten und sich deshalb nicht ohne Gefahr, von der Polizei aufgegriffen zu werden, auf die Straße wagen könnten (30.09.1998, S. 2, 13). Soweit der Sachverständige (a.a.O.) die Verfolgungsdichte dieser "zahlenmäßig nur vierstelligen Population" (Größenordnung etwa 1.000) als sehr hoch ansetzt und behauptet, die Festnahmedichte für diesen Personenkreis ("mit einem Kainszeichen") sei bei der Aufgreifoperation am 25. Oktober 1997 nahezu 100 % gewesen, so bleibt er dafür und für die Dauer der Inhaftierung dieses Personenkreises stichhaltige Anhaltspunkte schuldig.
Auch ist nicht ersichtlich, dass sich Rückkehrer nach längerem Aufenthalt in Europa (Deutschland) - wie der Kläger - in einer vergleichbaren Gefährdungssituation befinden (siehe dazu auch OVG Münster, Urt. v. 05.02.1999 - 21 A 4118/96.A -, S. 36 des Umdrucks), vielmehr müssen sie nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (18.04.2000, S. 5) nicht damit rechnen, in besonderem Maße Verdacht zu erregen. Srilankische Tamilen, die jahrelang im westlichen Ausland gelebt hätten, stünden weit weniger im Verdacht, als LTTE-Angehörige eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darzustellen als etwa Tamilen, die erst kürzlich aus den östlichen oder nördlichen Landesteilen nach Colombo gekommen seien. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 01. November 1996 - 10 UE 1988/95 - ausgeführt hat, droht Europarückkehrern auch unter Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabes keine politische Verfolgung. Von ernsthaften Zweifeln an der künftigen Sicherheit von Europarückkehrern kann nur dann gesprochen werden, wenn ein individualisierter LTTE-Verdacht vorliegt, sodass eine längerfristige Verhaftung mit Foltermaßnahmen wahrscheinlich ist.
Dies ergibt sich auch aus folgenden Erkenntnisquellen: Aufgrund des Rückführungsabkommens der Schweiz mit Sri Lanka vom Januar 1994 wurden bis zum 15. August 1996 455 Personen abgeschoben, Auffälligkeiten gab es nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30.08.1996 nicht (siehe zu einem abweichenden Vorkommnis: Schweizerische Flüchtlingshilfe, 13.02.1998, S. 11). Aus Deutschland sind dem Auswärtigen Amt ( 17.03.1997, S.12 ) zufolge im Jahre 1996 98 srilankische Staatsangehörige abgeschoben, 35 zurückgewiesen und 10 zurückgeschoben worden. Nach den Berichten des Rates der EU vom 2. April 1997 (S. 15) und vom 11. November 1997 (S. 38 ff.) sind aus Deutschland im Jahre 1996 66 erfolglose Asylbewerber und bis Ende April 1997 35 Personen (u. a. Asylbewerber) abgeschoben worden, darunter drei Viertel Tamilen. Nach Mitteilung der Grenzschutzdirektion Koblenz beträgt die Zahl der 1998 aus Deutschland Abgeschobenen 202, die Zahl der 1999 aus Deutschland Abgeschobenen 205 (Auswärtiges Amt, 13.06.2000).
Schwierigkeiten hinsichtlich der im Jahre 1996 aus Deutschland Zurück- bzw. Abgeschobenen sind dem Auswärtigen Amt ( 17.03.1997) nicht bekannt geworden. Der UNHCR meldet in seinem Bericht vom Juli 1998 die Festnahme von zwei Deutschlandrückkehrern. Aus den Zahlenwerken kann nach Einschätzung des Rates der EU (11.11.1997) nicht geschlossen werden, dass abgelehnte Asylbewerber sich bei der Rückkehr wesentlichen Problemen gegenübersehen. Dass Rückkehrer bei den Sicherheitsüberprüfungen im Allgemeinen in einer fairen und menschlichen Art und Weise durch die Behörden behandelt werden, hat der UNHCR in seiner Information Note vom 1. März 1997 bekräftigt (siehe auch Rat der EU, 11.11.1997, S. 36). Der von Keller-Kirchhoff (26.02.1997) genannte Fall des Tamilen Balachandran, der nach seiner Ankunft in Colombo im Dezember 1996 verhaftet worden ist, widerlegt nicht die günstige Prognose für Deutschlandrückkehrer. Inzwischen ist er wieder aus der Haft entlassen worden, nähere Einzelheiten sind nicht bekannt (siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.03.1997 - 11 A 10298/97 -, S. 24). Auch der British Refugee Council berichtet (Februar 1997, S. 25) unter Bezugnahme auf eine srilankische Zeitung lediglich von der Verhaftung von zwei aus Deutschland abgeschobenen Asylbewerbern. Wingler (10.07.1997, S. 15) nennt den Fall eines jungen Tamilen aus dem Kreis seiner "Schützlinge", der nach der Abschiebung aus Deutschland "ohne geklärte Identität" sechs Wochen in Haft gewesen und misshandelt worden sei, nähere Einzelheiten teilt er aber nicht mit. Der von amnesty international geschilderte Fall des 19-jährigen Thambirajah Kamalathasan (siehe dazu unten S. 42) zeigt, dass Folter im Polizeigewahrsam immer noch vorkommt, doch ist er, bezogen auf Colombo, nicht geeignet, die günstige Prognose für Europa- und insbesondere Deutschlandrückkehrer in Frage zu stellen. Die von Keller-Kirchhoff in den Anlagen zu seinem Gutachten vom 8. Dezember 1998 dokumentierten Fälle sind insoweit nicht genügend aussagekräftig, da die Hintergründe der Verhaftungen ebenso unklar bleiben wie der weitere Fortgang der Verfahren (Anlagen A und D). In der Zusammenstellung werden für den Zeitraum von etwa einem Jahr auch nur drei Fälle längerfristiger Verhaftungen von Personen belegt, die ca. zwei Wochen bis fünf Monate zuvor aus dem Ausland nach Colombo zurückgekehrt waren. Die von Keller-Kirchhoff dokumentierten Fälle sind ein Indiz dafür, dass keineswegs alle Langzeitinhaftierten mit politischer Verfolgung, d.h. mit über das "landesübliche" Maß hinausgehenden Beeinträchtigungen rechnen müssen (Anlage D zum Gutachten vom 08.12.1999).
Auch die von Keller-Kirchhoff vom British Refugee Council übernommene Liste mit den Namen von Rückkehrern, die 1998/1999 inhaftiert worden sind, veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung (Gutachten vom 18.02.2000 an das VG Bremen). Die in den Listen C, D und E genannten Rückkehrer wurden auf der Grundlage des Immigrants and Emigrants Act - also eines Gesetzes ohne Asylrelevanz - dem Richter zwischen Oktober und Dezember 1999 vorgeführt und später auf Kaution wieder freigelassen. Die auf der Liste B aufgeführten Tamilen wurden ebenfalls auf der Grundlage des Immigrants and Emigrants Act festgenommen, sie verbüßen derzeit eine Haftstrafe. Liste F bezieht sich auf Inhaftierungen bei der Ausreise aus Sri Lanka. Liste A enthält Fälle von Verhaftungen nach dem PTA und den ER, ohne dass im Einzelnen über die Länge der Inhaftierung und die "Behandlung" während des Vollzugs eine Aussage getroffen wird. Lediglich bezüglich der in der Liste A aufgeführten Frau Vanitha und des Herrn Amirtharaj ( Nr.28 ) gibt es nähere Angaben in Berichten von amnesty international (siehe dazu oben S. 42) bzw. im Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 31. Mai 1999 (siehe dazu unten S. 48).
Erfahrungsgemäß sehen es die Sicherheitskräfte als unwahrscheinlich an, dass nach langem Aufenthalt im westlichen Ausland zurückkehrende Tamilen in terroristische Aktivitäten der LTTE durch eigene Unterstützungshandlungen verwickelt sind, geschweige denn, dass sie Anschläge auf Einrichtungen bzw. Selbstmordattentate oder damit zusammenhängende illegale Tätigkeiten ausüben wollen (Auswärtiges Amt, 18.04.2000, S. 5). Den zahlreichen Erkenntnisquellen sind keine konkreten Hinweise dafür zu entnehmen, dass die erzwungene Rückkehr nach einem gescheiterten Asylverfahren in Deutschland und folglich die Notwendigkeit, zunächst in Colombo wieder Fuß zu fassen, von den zuständigen Behörden nicht als plausibler Grund (valid reason) für den Aufenthalt in Colombo angesehen wird (so auch die Einschätzung des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.05.1998 und Urt. v. 17.12.1999 - 21 A 3979/96.A -). Blieb schon früher angesichts der Erschwernisse, die der Weiterreise in den Norden entgegenstanden, dem Rückkehrer nichts anderes übrig, als zunächst in Colombo zu bleiben (Wingler, 30.09.1998, S. 9), so gilt dies erst recht für die aktuelle Bürgerkriegssituation und die verstärkten Kampfhandlungen auf der Jaffna-Halbinsel. Das Auswärtige Amt (13.01.2000, S. 5) hat im Übrigen beobachtet, dass sich tamilische Rückkehrer bisweilen an die Botschaft Colombo mit der Bitte wenden, ihnen ihren Aufenthalt in Deutschland zu bescheinigen, um so bei Routinekontrollen etwaige Zweifel am Zweck ihres Aufenthalts in Colombo bereits im Ansatz zerstreuen zu können. Der von Keller-Kirchhoff für bedeutsam gehaltene Nachweis über eine Arbeit in Colombo (Work-ID) ist sicherlich hilfreich bei den häufigen Personenkontrollen, er stellt aber nur einen "valid reason" "unter anderen" dar (so wohl auch Keller-Kirchhoff, Anlage S. 5 zum Gutachten an VG Stuttgart, 22.11.1997). Der Personenkreis der abgeschobenen Europa-Rückkehrer erscheint nicht zuletzt auch deshalb weniger gefährdet, weil westliche Botschaften deren Einreise häufiger beobachten und bei der Verhaftung von Betroffenen immer wieder präsent sind.
Spekulativ erscheint schließlich die Befürchtung, die Sicherheitskräfte könnten einem aus Deutschland zurückkehrenden Tamilen einen dauerhaften Aufenthalt in Colombo nicht gestatten (Keller-Kirchhoff 25.09.1997 und 01.09.1997). Unbestritten haben Tamilen aus dem Norden, die sich in Colombo aufhalten wollen, große Schwierigkeiten, über Vavuniya hinaus nach Colombo zu gelangen. "Ausgehend von dieser Situation" ist nach Keller-Kirchhoff (22.09.1997) damit zu rechnen, dass auch Europarückkehrern Schwierigkeiten gemacht werden, sich in Colombo aufzuhalten. Ungeachtet fehlender formeller Zuzugsbeschränkungen verwehre die Polizei den aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen de facto den Aufenthalt in Colombo. Dies ist aber nicht nachvollziehbar. Referenzfälle von Rückabschiebungen nennt Keller-Kirchhoff nicht, auch betont er im selben Zusammenhang, es komme nicht zu einem von Staat organisierten Rücktransport derjenigen, die "gegebenenfalls auch aufgefordert worden seien, an den Ort ihres eigentlichen Wohnsitzes zurückzukehren" (01.09.1997). Den "Zusätzlichen Angaben zum Sachverständigengutachten (von Keller-Kirchhoff) für das Verwaltungsgericht Hannover" vom 18. Februar 2000 ist nicht zu entnehmen, ob die 150 Tamilen, die nach einer Pressemitteilung aufgefordert worden sind, Colombo zu verlassen und in ihre Heimatgebiete zurückzukehren, Europarückkehrer sind oder aus dem Norden Zugewanderte, auch fehlen Angaben über die Ausführung dieser in der Presse wiedergegebenen Aufforderung. Die Praktiken für die Vergabe eines "Permits" sind laut Keller-Kirchhoff (a.a.O.) häufig willkürlich und nicht selten von der Höhe eines Bestechungsgeldes abhängig, zumal klare Vorschriften fehlten. Der UNHCR hat bisher keine Kenntnis von Fällen erhalten, in denen tamilische Volkszugehörige aufgefordert worden seien, Colombo zu verlassen (12.02.1998). Wingler spricht in seinem Bericht vom Februar/Mai 1998 nur noch davon, die Bewegungsfreiheit der zurückkehrenden jüngeren Tamilen sei im Süden bei nicht ausreichender Legitimation für einen Aufenthalt drastisch eingeschränkt (S. 41), ohne dies näher auszuführen. Inhaftierungen aufgrund fehlender Registrierungen kommen vor, obwohl dies den Vorgaben des Anti Harassment Comittee (AHC) widerspricht, was zu einer Beschwerde des AHC beim Inspector General of Police führte (amnesty, 23.02.2000, S. 4).
(d.) Den oben zitierten Berichten ist zu entnehmen, dass Folterungen bei längerfristigen Inhaftierungen bis hin zur Tötung auch heute noch an einigen Orten vorkommen (Auswärtiges Amt, 16.01.1996, S. 11 f.; Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 71 f., und 20.03.1996, S. 9; Wingler, 29.04.1996, S. 20; zu den berüchtigten Folterorten : Forum for Human Dignity, 12.01.1999, Anlage zu Keller-Kirchhoff, 22.06.1999). Demgegenüber bestehen im Falle einer kurzzeitigen Inhaftierung zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach den Erkenntnisquellen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine nicht nur theoretische Gefahr der Folter, selbst bei "Verdacht-Festnahmen" bis zu einem Monat ist Folter unüblich ( Forum for Human Dignity, a.a.O.). Verhaftete Tamilen werden nach dem Bericht der EU vom 11. November 1997 (S. 36) im Allgemeinen durch Polizei und Sicherheitskräfte korrekt behandelt. In ihrem Bericht vom 13. Februar 1998 (S. 10) geht die Schweizerische Flüchtlingshilfe davon aus, dass bis zum Attentat vom Oktober 1997 Personen, die zur Identitätsüberprüfung festgenommen worden seien, kaum je Opfer von Folterungen und körperlichen Misshandlungen gewesen seien. Dafür, dass inzwischen eine andere Einschätzung geboten ist, enthält der Bericht keine Belege. Die Behauptung von Wingler (Februar/März 1997, S. 17), Rechtsanwälte in Sri Lanka hätten festgestellt, dass die ersten 48 Stunden einer Haft eine Periode darstellten, in der Festgenommene besonders durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Handlungen der Sicherheitskräfte verletzbar seien, wird in den Berichten dieses Sachverständigen nicht belegt.
Nach dem Folter-Bericht von amnesty international (Juni 1999, S. 9) gibt es wenige Berichte über Folterungen während der Identitätsüberprüfungen; mit der Dauer einer Inhaftierung steige aber die Gefahr, gefoltert zu werden (amnesty, 01.03.1999, S. 2). Keller-Kirchhoff (04.01.1996, S. 56) differenziert dahin, dass einerseits Folter in Sri Lanka nicht ausgeschlossen sei und mit der Länge der Haftzeit die Gefahr der Folter wachse, dass es aber andererseits Beweise für größere Folteraktionen nicht gebe. Von der Folter sind vor allem Tamilen aus dem Norden oder Osten des Landes betroffen (amnesty, a.a.O., S. 9). Laut amnesty (August 1996, S. 34 f.) gibt es Berichte über Folterungen aus dem Bereich der Kriminalpolizei (CID), des Amtes für Verbrechensaufklärung (CDB) und der Special Task Force (Sondereinheitsgruppe der Polizei).
Im letzten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. April 2000 heißt es, die Sicherheitskräfte agierten im Vergleich zu früher im Allgemeinen zurückhaltender, auch schwerwiegende Verstöße kämen aber weiter vor.
Erstmals im Mai 1998 ist Sri Lanka vor dem UN-Ausschuss gegen Folter, der die Beachtung der UN-Anti-Folterkonvention beaufsichtigt, erschienen. Die Delegation hat eingestanden, dass Folter ein Problem in Sri Lanka sei, dass aber jede Anstrengung unternommen werde, die Empfehlungen des UN-Ausschusses umzusetzen (amnesty, Juni 1999 und 01.06.1999).
Eine unmenschliche Behandlung wie die Folter ist an sich nach dem Wortlaut und Sinn des Art. 16 a GG nicht asylerheblich. Dies ist sie nur dann, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale (d. h. wegen der politischen Überzeugung des Betroffenen) bzw. im Blick auf diese Merkmale in verschärfter Form angewendet wird. Letzteres bedeutet, dass der Betroffene eine Behandlung erleidet, die über das Maß hinausgeht, das in den Gefängnissen Sri Lankas Personen zu befürchten haben, die dort wegen krimineller Delikte einsitzen (BVerfG, Beschluss vom 20.12.1989 - 2 BvR 958/86 -, BVerfGE 81, 142 ff., 151 = NVwZ 1990, 453, 454 = EZAR 200 Nr. 26). Die überschießende Intensität kann darauf hindeuten, dass über die bloße Bekämpfung der Rechtsgutverletzung hinaus auf die Person des Rechtsgutverletzers selbst und seine abweichende politische Überzeugung (bzw. Volkszugehörigkeit) zugegriffen werden soll (siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats - 2 BvR 1957/94 -, DVBl. 1996, 1250, 1251). Die Intensität der Rechtsverletzung muss sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als ausgrenzende Verfolgung darstellen. Das Maß der Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben. Es muss der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, nämlich demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/96 u. a. -, BVerfGE 80, 315 ff., 335).
Zwar gehörte und gehört Gewaltanwendung und Folter zur allgemein verbreiteten Verhörpraxis, und zwar unabhängig von der Abstammung der betreffenden Person und der Art des ihr zur Last gelegten Vergehens (Auswärtiges Amt, 16.01.1996 und 17.03.1997, S. 8; Keller-Kirchhoff, 20.03.1996). Doch bestehen deutliche Hinweise dafür, dass die der LTTE-Unterstützung verdächtigen Tamilen mitunter weit über die "landesüblichen" Misshandlungen hinausgehenden Foltermethoden ausgesetzt sind, die entscheidend durch das von den Sicherheitskräften angenommene Eintreten für die politischen Ziele der LTTE bedingt sind (siehe Wingler, März 1993, S. 26, und ders., 31.05.1998, S. 35 f.; siehe schon Hess. VGH, Urt. v. 26.07.1993 - 12 UE 141/90 -).
An dieser Einschätzung vermögen auch die Angaben von amnesty international (Juni 1999, S. 17 f.) über gefolterte "gewöhnliche Kriminelle" wie Diebe nichts zu ändern (siehe auch den Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums vom 25.02.2000, in: Südasien 2 bis 3/00 - Sri Lanka-Dokumentation, S. E: Hiernach waren die meisten Folteropfer Tamilen, die verdächtigt wurden, LTTE-Aufständische oder Kollaborateure zu sein; daneben habe es vereinzelte Berichte über den Gebrauch der Folter gegen verdächtige Kriminelle gegeben).
Der beschließende Senat teilt jedoch die Einschätzung des 5. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 03.05.2000 - 5 UE 4657/96 -, Bl. 64), dass die nach wie vor zu beobachtenden Menschenrechtsverletzungen und Folterungen als dem srilankischen Staat nicht zuzurechnende Exzesshandlungen einzelner Amtsträger einzuordnen sind ( so auch Sächs. OVG, Urteil vom 25.01.2000 - A 4 B 4114/97, Blatt 28 des Umdrucks, und OVG Berlin, Urteil vom 28.10.1999 - 3 B 20.95 - Blatt 42 des Umdrucks ).
Jedenfalls gilt dies für den Großraum Colombo.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können vereinzelt gebliebene Exzesstaten von Amtswaltern dem Staat nicht zugerechnet werden (BVerfGE 80, 315 ff. <352>; Beschluss des 1. Kammer des 2. Senats vom 20.05.1992 - 2 BvR 205/92 -, InfAuslR 1992, 283, 287). Wichtig sind in diesem Zusammenhang Feststellungen, ob der Herkunftsstaat gegen die in seinem Einflussbereich praktizierte Folter einschreitet oder nicht (BVerfG - Kammer -, 17.01.1991 - 2 BvR 1243/90-, InfAuslR 1991, 133 <136> = EZAR 224 Nr. 22).
Im Hinblick auf die Zahl der im Großraum Colombo lebenden Tamilen (etwa 340.000 - 400.000 tamilische Volkszugehörige, s. dazu oben), aber auch im Hinblick auf die Zahl der besonders gefährdeten jungen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE (60 % von 400.000 = 240.000 ) können die in einigen Erkenntnisquellen geschilderten Fälle von Folterungen noch als vereinzelt angesehen werden. In seinem Bericht über "Torture in Custody" (Juni 1999) dokumentiert amnesty international die Folterungen von vier Tamilen in Colombo zwischen März 1997 und November 1998 (Bl. 9 ff.). Der Name eines der Folteropfer (M. Vanitha) befindet sich auch auf der vom British Refugee Council vorgelegten Liste von 49 zwischen August 1998 und März 1999 aus Europa abgeschobenen Tamilen (Liste A bei Keller-Kirchhoff, 18.02.2000; siehe auch amnesty international, 23.02.2000, und Keller-Kirchhoff, 25.02.1999, dem dieser Fall vom Forum for Human Dignity zugetragen worden ist. Danach gehört Frau Vanitha zu den Personen, die von der LTTE zwangsweise mitgenommen worden sind). Auch berichtet amnesty international von einem illegalen Haftort in Colombo, wo noch im April 1997 wenigstens drei Menschen mehrere Tage festgehalten und gefoltert worden seien (Bl. 16), ferner davon, dass in wenigstens 46 zwischen Anfang 1996 und Ende 1998 vor den High Courts anhängigen Verfahren die Angeschuldigten deshalb freigesprochen worden seien, weil ihre Geständnisse durch Folter erzwungen worden seien (Bl. 17). Die letztgenannte Zahl gilt aber offensichtlich für g a n z Sri Lanka. In Anlage C zu seinem Gutachten vom 8. Dezember 1998 dokumentiert Keller-Kirchhoff die Folterung von Th. Kamalathasan im Juli 1998 in Colombo. Dieser gehörte zu den 192 Tamilen, deren Boot am 24. Februar 1998 vor der Küste des Senegal von der senegalesischen Marine aufgegriffen worden war und die anschließend nach Sri Lanka zurückgebracht und dort mehrere Wochen in Haft gehalten worden waren (Wingler, 30.09.1998, S. 3). Es hat den Anschein, dass auch der im Januar 1998 freigelassene K. S. Opfer von Folterungen in Colombo war (Anlage F zum Gutachten von Keller-Kirchhoff vom 08.12.1998). Gefoltert wurde ferner der aus den Niederlanden abgeschobene Ravishanker im Juli 1998 (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000 an VG Bremen, Anlage, und amnesty, 23.02.2000, Anlage).
Foltervorwürfe enthalten schließlich die an das Anti Harassment Committee (AHC) gerichteten Beschwerden. Bis Mitte Februar 2000 waren insgesamt 345 Beschwerden eingegangen, 15 % betrafen Fälle normaler Kriminalität. Nach Auskunft von amnesty international (01.06.1999) betrafen 47 der im Zeitraum Juli bis Dezember 1998 eingereichten 154 Beschwerden die Anwendung von Folter und Misshandlungen. Die Anzahl der Beschwerden ging dann im Dezember 1998 drastisch zurück (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.01.1999, Bl. 14: nur noch etwa ein Dutzend). Im jüngsten Lagebericht vom 28. April 2000 ist von Foltervorwürfen nicht mehr die Rede. Vielmehr klagten die Beschwerdeführer in rund 80 % der Fälle darüber, dass sie wegen kleinerer LTTE-Unterstützungsvergehen bzw. Mitwisserschaft entsprechend dem PTA/ER über längere Zeit festgehalten worden seien und dass die Verfahren nur schleppende Fortschritte machten.
Berichte über Folterungen im Jahre 1999 und im laufenden Jahr gibt es aus dem Großraum Colombo nicht. Die Behauptung von Wingler (Mai 2000, S. 4), zwei der im März dieses Jahres aus Deutschland abgeschobenen Tamilen seien in der Untersuchungshaft nachweislich gefoltert worden, beruht ebenso auf unzuverlässigen Quellen und Falschmeldungen wie eine entsprechende Vermutung des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 28. April 2000 (S.24) und die Wiedergabe einer Intervention des tamilischen Parlamentsabgeordneten Selvarajah bei der Deutschen Botschaft in Colombo wegen angeblicher Folterungen der aus Deutschland Abgeschobenen ( Keller-Kirchhoff, 23.03.2000 ) : Dies haben Recherchen von Mitarbeitern der Botschaft in Colombo ergeben ( s. Auswärtiges Amt, 25. und 26.05.2000; siehe auch Faxschreiben von a.i. an den Hess. VGH vom 18.07.2000 ).
Gerade dieser Fall belegt, dass Berichte über Folterungen von Europarückkehrern mit Vorsicht zur Kenntnis genommen werden müssen, vor allem wenn sie auf LTTE-Angaben beruhen. Auch Flüchtlingshilfsorganisationen geben mitunter Berichte über Menschenrechtsverletzungen ungeprüft weiter (siehe dazu weiter unten S. 48).
Nach alledem erscheint es gerechtfertigt, die belegten Folterungen im Großraum Colombo lediglich als Exzesshandlungen einzelner Amtsträger einzuordnen. Auch wenn der Regierung von Sri Lanka eine Verhinderung und lückenlose Ahndung aller in ihrem Machtbereich auftretenden Vorfälle nicht gelungen ist (Sächsisches OVG, a.a.O., Bl. 29 des Umdrucks), so verdienen doch die vielfältigen, vom srilankischen Staat geschaffenen Kontrollmechanismen Beachtung, die dazu dienen, die Empfehlungen des UN-Ausschusses umzusetzen. Während sich der Täter früher der zumindest stillschweigenden Billigung der Regierung sicher sein konnte, hat die seit 1994 amtierende Regierung eindeutige Weisungen erteilt, bei Verhören keine Gewalt anzuwenden (Auswärtiges Amt, 28.04.2000, S. 18); Armeechef S. Weerasooriya hat die Soldaten nachdrücklich davor gewarnt, die Zivilbevölkerung an Kontrollposten und bei Razzien zu belästigen, gegen sie würden sonst Disziplinarmaßnahmen ergriffen ( The Sri Lanka Monitor, April 1999 ). Nach der Umsetzung der Anti-Folterkonvention durch Gesetz vom 25. November 1994 (Torture Act) ist Folter mit einer Gefängnisstrafe von nicht unter 7 und bis zu 10 Jahren sowie mit Geldstrafe von nicht unter 10.000 und bis zu 50.000 Rupien bedroht (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 19). Der Supreme Court von Sri Lanka hat in einer Reihe von Fällen Folteropfern eine Entschädigung zugesprochen, die jetzt von den Verantwortlichen selbst aufgebracht werden müssen. Zusätzlich unterliegen diese Disziplinarmaßnahmen. Allerdings hat der Supreme Court verschiedentlich beklagt, dass er die Polizeibehörden (Inspector General of Police) mehrmals vergeblich aufgefordert habe, gegen einzelne Beschuldigte zu ermitteln (a.i., 23.02.2000).
Der Verringerung der Gefahr der Folter und der ungerechtfertigten Verlängerung der Haftdauer dienen auch die oben wiedergegebenen Bestimmungen aus den ER und dem PTA. Des Weiteren schreiben Anweisungen der Präsidentin der Festnahmebehörde vor, Verwandte oder Freunde des Festgenommenen zu benachrichtigen. Inhaftierten muss außerdem Gelegenheit gegeben werden, mit Verwandten oder Freunden Kontakt aufzunehmen und sie über die Verhaftung und den Aufenthaltsort zu unterrichten (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 74). Der Zugang zu Rechtsanwälten ist in der Regel ausreichend gewährleistet. Die Aussagen der Festgenommenen werden in der Sprache ihrer Wahl aufgenommen. Zusätzlich sind besondere Maßnahmen zum Schutze von Frauen und Kindern angeordnet (Keller-Kirchhoff, 28.11.1997). Der Justizminister hat dem Einsatz von mehr tamil-sprechenden Polizisten zugestimmt, da Festnahmen auch auf Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen sind (Auswärtiges Amt, 21.08.1997). Schließlich hat der Generalstaatsanwalt bei den Polizeibehörden "Menschenrechtsoffiziere" eingesetzt, ein ähnliches System soll bei der Armee eingerichtet werden (amnesty international, 01.06.1999). Zu erwähnen ist schließlich die Einrichtung des bereits mehrmals erwähnten "President's Committee on Unlawful Arrests and Harassments" (Anti-Harassment Committee - AHC -) im Jahre 1998, dem neben mehreren angesehenen Ministern auch führende Vertreter tamilischer Parteien und ein Parlamentarier einer moslemischen Partei angehören. Es soll Fälle unrechtmäßiger Inhaftierungen und Schikanen durch Amtsträger auf Grund von Beschwerden der Betroffenen bzw. deren Angehöriger untersuchen (a. i., 01.06.1999), wozu natürlich auch Maßnahmen des OCC gehören (amnesty international, 30.08.1999, S.3 ). Die Betroffenen können sich nach der Ratifizierung des fakultativen Zusatzprotokolls zum internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte nunmehr obendrein mit Menschenrechtsbeschwerden direkt an den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen wenden (UNHCR, März 1997).
Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die geschilderten Kontrollmechanismen in der Praxis nicht durchweg eingehalten werden (Keller-Kirchhoff, 22.02.1997, S. 6; Auswärtiges Amt, 17.03.1997, S. 6; UNHCR, Juli 1998, S. 3 f.) bzw. zu spät greifen. Die vorgegebenen Fristen werden mitunter überschritten, was aber auch bei nicht auf den Notstandbestimmungen beruhenden Inhaftierungen festzustellen ist (EU, 11.11.1997, S. 17). Auch die Strafbewehrung der Folter hält Polizeibeamte nicht von Menschenrechtsverletzungen ab, wohl insbesondere dann nicht, wenn Geständnisse, die durch die Folter erpresst werden sollen, das einzige Beweismittel darstellen, das die Polizei gegen den Angeschuldigten dem Gericht vorlegen kann (a. i., Juni 1999, S. 17).
Dagegen scheint die bloße Existenz des Anti Harrasment Committee bereits zu einem Rückgang der Beschwerden geführt zu haben. Die Effektivität der Arbeit dieses Komitees kann auch daran gemessen werden, dass die Beschwerde des Anwalts der gefolterten Frau Vanitha zu deren medizinischer Betreuung und ihrer Überführung in das Frauengefängnis von Welikade führte. Ebenso effektiv wird die Arbeit des Komitees vom Internationalen Roten Kreuz (ICRC) geschildert. So gibt es Zeugenaussagen dafür, dass eine Intervention des ICRC dazu führte, dass Festgenommene medizinische Betreuung erhielten oder dass sie an andere Haftorte verbracht wurden, wo sie nicht von Folter bedroht waren (a. i., Juni 1999, S. 34). Diese Beispiele belegen wiederum den Exzess-Charakter der in Colombo nachgewiesenen Folterungen.
Scheinen demnach die von der Regierung geschaffenen und andere Kontrollmechanismen zu greifen, so wird auch der insbesondere von amnesty international erhobene Vorwurf, Verstöße gegen das Verbot der Folter blieben straflos (Folterbericht von Juni 1999), dadurch relativiert, dass nunmehr Presseberichten zufolge sieben Anklagen gegen Polizeioffiziere vor den High Courts anhängig sind (amnesty international, Juni 1999, Bl. 5). Die Betroffenen waren bereits vom Supreme Court 1997/1998 wegen Folterungen zu Schadensersatzleistungen verurteilt worden. Eine strafgerichtliche Verurteilung ist allerdings noch nicht bekannt geworden (siehe dazu auch den Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums, Südasien 2 - 3/00, S. F).
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, dass es (siehe Gutachten von Keller-Kirchhoff vom 08.12.1998 und ders., 22.06.1999 ) in Colombo neben dem ICRC und dem AHC eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen gibt, an die sich die Angehörigen der Betroffenen bzw. diese selbst wenden können. In zahlreichen Fällen machen Betroffene durch ihre Anwälte die Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte in "Habeas-Corpus-Verfahren" vor dem Obersten Gerichtshof Sri Lankas geltend (Anlage D und Anlage "Folter" bei: Keller-Kirchhoff, 08.12.1998), die angesichts der von allen Gutachtern bestätigten Unabhängigkeit der Justiz gute Aussicht auf Erfolg haben. Der Oberste Gerichtshof hat in einer Anzahl von Fällen den Folteropfern Entschädigungsleistungen zugesprochen.
Es fehlen auch greifbare Anhaltspunkte für die Annahme einer ins Gewicht fallenden Dunkelziffer, ungeachtet der am 06. Juni 1998 erneut in Kraft gesetzten und nach den LTTE-Offensiven im November 1999 sowie jüngst verschärften Militärzensur. Dass sie auch nachhaltige Auswirkungen auf die Öffentlichkeitsarbeit und sonstige Tätigkeit der Nichtregierungs( Menschenrechts-)organisationen (NGOŽs) hat, ergibt sich aus den Quellen nicht. Die NGOŽs können laut Keller-Kirchhoff ( 22.06.1999 ) im großen und ganzen ihre Arbeit ausüben. Sie hätten weniger Probleme mit der Regierung als mit chauvinistischen singhalesischen Gruppen.
Die Behauptung, dass die meisten tamilischen Volkszugehörigen über die Existenz der Menschenrechtsorganisationen nicht unterrichtet seien (Keller-Kirchhoff vor Hess. VGH, 22.06.1999, S. 4), wird in anderen Quellen nicht bestätigt. Was den Kreis der Europarückkehrer betrifft, so haben diese sogar vom Ausland her die Möglichkeit, sich an das NHCR, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sowie lokale Menschenrechtsorganisationen zu wenden, um so ein Maximum an Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit herzustellen (siehe hierzu Grundsatzurteil des beschließenden Senats vom 10. November 1998, S. 54).
4. Auch in Bezug auf die übrigen im Großraum Colombo zu verzeichnenden Menschenrechtsverletzungen, etwa die Fälle der nach Polizei- bzw. Militärhaft "Verschwundenen", ist eine erhebliche Verbesserung festzustellen. In seinem Bericht vom August 1996 gibt amnesty international eine Liste von 62 seit April 1995 verschwundenen Personen wieder (11 Personen aus dem Großraum Colombo). Eine Arbeitsgruppe der UN-Menschenrechtskommission hat 1996 36 neue Fälle von Verschwundenen (nach dem Bericht des Rats der EU vom 02.04.1997 waren davon einige aus Colombo) der Regierung von Sri Lanka vorgelegt. Von den 16 als dringend bezeichneten Fällen ereigneten sich vier im Jahre 1996 (Bericht der Arbeitsgruppe vom 13.12.1996, Anlage zur Stellungnahme des UNHCR an das OVG Lüneburg vom 25.04.1997). In seinem Lagebericht vom 6. April 1998 gibt das Auswärtige Amt die Zahl der 1997 landesweit bisher nicht geklärten Vermisstenfälle mit 400 an (S. 12). Im Jahresbericht 1998 (S. 510) gibt amnesty international die Zahl der im Jahre 1997 Verschwundenen mit 80 an, die meisten stammten aus Jaffna, Batticaloa, Mannar und Kilinochchi. Wenn in Berichten aus dem Jahre 1997 von dem Fund zahlreicher ermordeter Personen berichtet wird, so ist nicht immer klar, ob es sich dabei um tamilische Opfer handelte (Keller-Kirchhoff, 26.02.1997). Zweifel daran sind damals wie heute angebracht, weil die allgemeine Kriminalität, wie Morde auf Bestellung, Bandenkriege, Raub und Überfälle, auch unter Beteiligung von Polizeibeamten ein erschreckendes Ausmaß angenommen hat (Wingler, 30.09.1998, S. 5). 1998 wurden laut Auswärtiges Amt (28.04.2000) in Colombo und Trincomalee keine "Verschwundenen"-Fälle registriert, in den übrigen Landesteilen 18. Im Jahre 1999 haben die Fälle von Verschwindenlassen weiter abgenommen (10, davon 6 aus dem Raum Batticaloa). Für den Raum Colombo wurde im Januar 2000 erstmals wieder eine Person als verschwunden gemeldet, Zeugen einer Verhaftung des Vermissten soll es aber nicht geben (Auswärtiges Amt, 28.04.2000; dieser Fall ist offenbar identisch mit dem von amnesty zum Gegenstand einer urgent action gemachten Fall des N. Murali, s. Anlage zu : Keller-Kirchhoff an VG Bremen, 18.02.2000).
Die Zahl der Verschwundenen (Vermissten) dürfte nicht vollständig identisch sein mit der Zahl derjenigen Personen, die von Sicherheitskräften entführt und ermordet worden sind. So geht die Armeeführung davon aus, dass einige der Vermissten der LTTE beigetreten sind. Auch ist der Hinweis nicht von der Hand zu weisen, dass sich kaum ein Verschwundener offiziell zurückmeldet, wenn er wieder bei der Familie oder Bekannten aufgetaucht ist (Auswärtiges Amt, 30.08.1996, S. 5, und 06.04.1998, S. 12), wofür folgender Fall zu sprechen scheint : In ihrem Themenpapier vom 31. Mai 1999 erwähnt die Schweizerische Flüchtlingshilfe unter Berufung auf einen Artikel im Sri Lanka Monitor vom Februar 1999 das Schicksal des im Oktober 1998 aus Deutschland abgeschobenen Asylbewerbers R. Amirtharaj, der bei seiner Einreise auf dem Flughafen verhaftet worden und seitdem verschwunden sei. Etwas anderes ergibt sich aus einem Bericht in der Zeitung Thinakutal vom 08.02.1999, den Rechtsanwälte - zusammen mit einer Übersetzung - öfters ihren Schriftsätzen in Asylverfahren beifügen. Danach ist der unter dem Namen Shanmugam Ravi nach Sri Lanka Abgeschobene - "ein Familienvater aus Anaikoddai (Jaffna)" - in Colombo verschwunden, nachdem er am 31. Oktober (1998 ?) vom CID vernommen und am selben Tage freigelassen worden war. Dem Artikel zufolge begab sich am 01. November ein Polizeibeamter zum Elternhaus des Ravi in Colombo und teilte "den Leuten" mit, die Eltern ( diese waren in dieser Zeit in Indien ) sollten Ravi abholen Mit dem Zeitungsartikel wenden sich sein Vater und eine andere Verwandte mit der Bitte an die Leser, Informationen über den Verschwundenen mitzuteilen. Dieser Fall eignet sich demnach offensichtlich nicht dazu, exemplarisch Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka zu belegen, sondern unterstützt den Verdacht, dass mancher "Verschwundene" einfach nur untergetaucht ist.
Die vom srilankischen Staat unternommenen Schritte zur Aufklärung des Schicksals der in Colombo Verschwundenen und der dort gemeldeten Morde scheinen zu einem Rückgang der aus der Hauptstadt bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen geführt zu haben (amnesty international, August 1996, S. 30, 52). Wie bereits im Grundsatzurteil vom 10. November 1998 ausgeführt (S. 20), legten die drei von der Regierung eingesetzten Kommissionen zur Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen der Präsidentin im September 1997 die Abschlussberichte vor, die Beweise dafür enthielten, dass in Sri Lanka seit dem 1. Januar 1988 bis 1994 16.742 Personen dem "Verschwindenlassen" zum Opfer gefallen sind. Verantwortlich dafür waren allerdings nicht nur die staatlichen Sicherheitskräfte einschließlich der paramilitärischen Organisationen, sondern auch regierungsfeindliche Elemente wie die linksgerichtete Janatha Vimukthi Peramuna (JVP). Nach der Veröffentlichung des Berichts übermittelte die Regierung die angegebenen Fälle von Menschenrechtsverletzungen dem Generalstaatsanwalt zur Prüfung und Verfolgung der Verantwortlichen. Der Generalstaatsanwalt hat inzwischen über 290 Anklageschriften bei den Gerichten eingereicht, dem Vernehmen nach wurden 489 Angehörige der Sicherheitskräfte angeklagt. Eine vierte Kommission zur Aufklärung der Verschwundenenfälle wurde im Mai 1998 zur Aufklärung der 10.000 Verschwundenenfälle eingerichtet, die von den ersten drei Kommissionen vor Auslaufen ihres Untersuchungsauftrages nicht überprüft werden konnten. Der Bericht lag bis Ende 1999 noch nicht vor (siehe Bericht der Menschenrechtskommission des amerikanischen Außenministeriums, a.a.O., S. B).
Nach alledem kann auch in Bezug auf die im gegenwärtigen Zeitpunkt verifizierbaren Menschenrechtsverletzungen im Großraum Colombo davon ausgegangen werden, dass es sich um vereinzelte Exzesstaten von Amtsträgern handelt, jedenfalls resultiert aus der bekannt gewordenen Zahl weder mit beachtlicher noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr unmenschlicher Behandlung für jeden tamilischen Volkszugehörigen. Den aus den Erkenntnisquellen hervorgehenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen steht eine Zahl von etwa 340.000 bis 400.000 Bewohnern tamilischer Volkszugehörigkeit im Großraum Colombo gegenüber, darunter ein sehr hoher Anteil der 14- bis 40-jährigen (siehe dazu oben). So gesteht auch Wingler ein (29.09.1998, S. 4), dem Staat könne kein unmittelbar auf Tamilen zielendes Verfolgungsprogramm mehr nachgesagt werden. Um die wachsende Population der Colombo-Tamilen brauche man sich keine allzu großen Zukunftssorgen zu machen, solange der LTTE im Süden keine spektakulären und wirkungsvollen Provokationen gelängen und keine neue Pogromstimmung aufkomme (30.09.1998, S. 29). Von einer solchen Pogromstimmung kann auch heute angesichts der nicht nachlassenden Terroranschläge der LTTE im Raum Colombo und der militärischen Erfolge dieser Organisation im Norden und Nordosten nicht die Rede sein.
5. Aber auch von einer dem srilankischen Staat zuzurechnenden unmenschlichen Behandlung der Tamilen durch nichtstaatliche Stellen im Großraum Colombo kann unter Anlegung des Maßstabes der beachtlichen bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit gegenwärtig und in naher Zukunft nicht gesprochen werden. Als Reaktion auf die oben geschilderten realisierten bzw. versuchten Terroranschläge kam es nicht zu pogromähnlichen, von der Regierung geduldeten Ausschreitungen von Singhalesen gegenüber Tamilen in Colombo, anders als 1983 und anders noch als 1995 nach dem LTTE-Anschlag auf mehrere Öltanks in der Nähe von Colombo. Dazu mag beigetragen haben, dass die Regierung bereits nach der Eroberung von Jaffna die singhalesische Bevölkerungsmehrheit vor Übergriffen auf Tamilen, die nicht am Sezessionskrieg der LTTE-Rebellen teilnehmen, gewarnt hatte (KK, 04.01.1996, S. 62). In dieses Bild passt auch, dass die Präsidentin noch am Abend des Anschlags auf den Pendlerzug am 25. Juli 1996 öffentlich zu Ruhe und Zurückhaltung aufgerufen hat (Auswärtiges Amt, 30.08.1996, S. 4), so dass die gefürchteten Ausschreitungen ausblieben (vgl. auch Wingler, September-Bericht 1996, S. 41). Nach dem Vorfall im Magazin-Gefängnis von Colombo im Februar 1996 - als Reaktion auf den LTTE-Anschlag auf die Zentralbank von Colombo hatten bis zu 100 Gefängniswärter, die an diesem Tage dienstfrei hatten, inhaftierte tamilische Gefangene überfallen - wurde ein Special Panel of Inquiry unter der Leitung des Stellvertretenden Sekretärs des Justizministers M. S. Jayasinghe eingesetzt (KK, 20.03.1996 und 06.06.1996, S. 1). Nicht ohne Reaktion des Staates blieb auch der Vorfall am 12. Dezember 1997 im Gefängnis von Kalutara: drei Personen, zwei Tamilen und ein Muslim, wurden von singhalesischen Mithäftlingen zu Tode geprügelt, ohne dass die Aufseher eingriffen. Eine Gruppe von Singhalesen, die sich außerhalb des Gefängnisses aufgehalten hatte, konnte ungehindert Steine und andere Gegenstände in das Gefängnis werfen. Daraufhin wurden die meisten singhalesischen Gefangenen in andere Haftanstalten im Süden des Landes verlegt, zusätzliches Wachpersonal wurde eingestellt. Auch sollen Tamilen künftig wieder vermehrt in dem etwa 100 km südlich von Colombo gelegenen Gefängnis von Boossa untergebracht werden (KK, 20.04.1998).
Bei Übergriffen in anderen Regionen des Südens (Stadt Galle am 2./3. Juni 1995, siehe dazu KK, 24. Oktober 1995, S. 34; Nagahawatte Plantage/Elpitiya Galle-Distrikt am 4. Juni 1995, siehe hierzu: KK, a.a.O., S. 37) handelte es sich um Einzelfälle, bei denen die srilankische Regierung ebenfalls deutlich gemacht hat, dass sie gewillt ist, gegen solche Ausschreitungen vorzugehen (siehe wiederum KK, a.a.O., S. 35 ff.). Die ethnischen Spannungen im Jahre 1998, die im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 31. Mai 1999 wiedergegeben werden, betrafen eher das Verhältnis der Singhalesen zu den Muslimen, im Übrigen dienten sie offensichtlich als Vorwand für die Austragung von Konflikten auf persönlicher Ebene. Die Schutzfähigkeit und Schutzbereitschaft des srilankischen Staates gegenüber der tamilischen Minderheit bestand und besteht jedenfalls grundsätzlich fort (ebenso Nds. OVG, Urteil vom 22.02.1996 - 12 L 7721/95 -, S. 59 des Umdrucks; OVG Münster, Urteil vom 26.05.1998 - 21 A 571/96.A -, S. 28). So verhängte die Polizei nach den Ausschreitungen zwischen Angehörigen der moslemischen und tamilischen Bevölkerungsgruppe am 26. Dezember 1997 in Matale eine Ausgangssperre und organisierte ein "Friedenstreffen" (AA, 28.04.2000, S. 14).
Auch nach den jüngsten Niederlagen der Armee in der Nordprovinz und den Anschlägen der LTTE in der Hauptstadt ist die Situation im Großraum Colombo nicht von einem so hohen Gefährdungspotential, dass mit beachtlicher bzw. hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Gefahr mittelbarer Gruppenverfolgung auszugehen ist. Zwar mag die Stimmung in Colombo aufgeheizt sein, was angesichts der zahlreichen Terroranschläge der LTTE nicht verwunderlich wäre, und die Angst der Tamilen vor erneuten unkontrollierbaren pogromartigen Ausschreitungen singhalesischer Mobs im Süden wachsen, doch fehlen greifbare Anhaltspunkte für die von Wingler (Mai 2000) behauptete Entwicklung eines feindseligen Klimas nicht nur gegen kritische Intellektuelle, sondern auch gegen die tamilische Minderheit in Sri Lanka, vor allem aber in Colombo. Zumindest ist das Klima nicht derart feindselig, dass es jederzeit in pogromartige Ausschreitungen umschlagen kann.
Auch fehlen Anhaltspunkte dafür, dass sich die Regierung von Sri Lanka im Falle derartiger Ausschreitungen nicht schutzbereit und schutzfähig erweisen wird. Die Annahme von Wingler (Mai 2000, S. 3), die Polizei werde bei Ausschreitungen gegen Tamilen wohl kaum eingreifen bzw. bei ihrer geringen Präsenz machtlos sein, beruht auf Spekulationen.
Immer wieder hat die Präsidentin nach LTTE-Terroranschlägen die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen, so nach dem Selbstmordattentat auf sie am 18.12.1999 ( Auswärtiges Amt, 28.04.2000 ) und zuletzt nach dem Sprengstoffanschlag in Colombo Anfang Juni 2000 (Frankfurter Rundschau, 09.06.2000 ). In dem vom Bevollmächtigten in der Senatssitzung überreichten Papier von Walter Keller (Sri Lanka vor der Zerreißprobe vom 15. Mai 2000) wird zwar die Prognose aufgestellt, dass es angesichts einer zu erwartenden neuen militärischen Niederlage der Streitkräfte in Jaffna in den südlichen Landesteilen nicht weiterhin ruhig bleiben werde. Doch fügt Walter Keller hinzu, die Regierung von Frau Kumaratunga werde womöglich alles unternehmen, um Ausschreitungen gegen Tamilen zu verhindern, schon um aus den Ländern, die ihr noch die Stange hielten, keine Kritik zu ernten.
6.) Was die übrigen Landesteile von Sri Lanka betrifft, so besteht ebenfalls keine Veranlassung, von der Einschätzung des Senats im zitierten Grundsatzurteil vom 10. November 1998 abzurücken, wonach in den Kriegs- und Krisengebieten des Nordostens nicht eine solche Dichte von Vorfällen festgestellt werden kann, dass bei objektiver Betrachtung für jeden Tamilen die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht, die für ihn ein Verbleiben dort oder eine Rückkehr dorthin unzumutbar erscheinen lässt. Jedenfalls gilt dies für den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ( so jetzt auch der 5. Senat des Hess. VGH, Urt. v. 3. Mai 2000 - 5 UE 4657/96 ). Hinzuweisen ist auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 31. Juli 1998 bezüglich der Region um Kaluvanchchikudy 30 km südlich von Batticaloa. In dieser Gegend, die von der LTTE infiltriert wird, operiert die Special Task Force. Dabei wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vor größeren Operationen der Sicherheitsorgane die Zivilbevölkerung regelmäßig gewarnt und darauf hingewiesen, die entsprechenden Operationsgebiete zu verlassen bzw. zu meiden. Im Rahmen der "Hearts- and Minds-Policy" der srilankischen Regierung, die darauf gerichtet sei, gerade die tamilische Zivilbevölkerung wieder für ihre Politik zu gewinnen, sei die srilankische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen die LTTE darum bemüht, die Zivilbevölkerung möglichst wenig zu behelligen. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz habe darauf hingewiesen, dass - verglichen mit ähnlichen Konflikten in anderen Ländern - die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten Sri Lankas in geringerem Ausmaß betroffen sei.
Im Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums von 1999 (Südasien, 2 - 3/00 - S. B) heißt es, die Sicherheitskräfte würden nach wie vor effektive Maßnahmen ergreifen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung während der militärischen Operationen zu begrenzen. Gleichwohl habe die Luftwaffe ein Dorf in der Nähe von Puthukudiyiruppu am 15. September 1999 bombardiert (22 Tote). Im November 1999 seien mindestens 37 Zivilisten bei einem Gefecht zwischen der Armee und LTTE-Einheiten an der Madhu-Church getötet worden (Amerikanische Menschenrechtskommission, a.a.O.). Aus Übergriffen und Vergeltungsaktionen gegen die tamilische Zivilbevölkerung und vermeintliche LTTE-Angehörige nach Angriffen der LTTE ergibt sich zwar eine Gefährdung der in den Kriegsgebieten lebenden Bevölkerung. Sie führt aber nicht zur Annahme einer Gruppenverfolgung der Tamilen insgesamt in diesem Gebiet, zumal eine Situation, bei der praktisch nach jedem Angriff der LTTE mit Übergriffen der Sicherheitskräfte zu rechnen ist, nicht festzustellen ist. Dies zeigt ein Vergleich der Vergeltungsschläge der Sicherheitskräfte mit den Übergriffen der LTTE, die sehr hohe Opfer unter den Soldaten und Polizisten forderten (allein im Januar 1997 betrug sie über 200, Wingler, 10.02.1997, S. 18) und die fast täglich vorkommen (EU, 02.04.1997, S. 4). Die Vergeltungsaktionen und sonstigen Übergriffe lassen insgesamt auch nicht den Schluss zu, die srilankischen Sicherheitskräfte seien zu asylrechtlich relevantem Gegenterror übergegangen. Vielmehr handelt es sich um Vorfälle, die - wie auf der Jaffna-Halbinsel - als Exzesstaten Einzelner zu qualifizieren sind, die von der Regierung weder gebilligt, noch tatenlos hingenommen werden. So fand im Februar 1996 in dem Dorf Kumarapuram als Vergeltung für einen LTTE-Anschlag ein Massaker an den Einwohnern statt. Dabei wurden 25 Zivilisten (darunter 13 Kinder und auch Frauen) getötet. Keller-Kirchhoff (20.03.1996, S. 4) zufolge war dies der bisher schlimmste Vorfall. Zunächst wurde eine Untersuchung auf militärischer Ebene eingeleitet. Nach Protesten der tamilischen Parteien fand auch eine zivile Untersuchung statt. Acht verdächtige Militärangehörige sowie 16 Mitglieder einer bewaffneten tamilischen Freiwilligengruppe wurden inzwischen inhaftiert (EU-Bericht, 02.04.1997, S. 14). Auch im Februar 1997 kam es im Gebiet von Batticaloa nach der Ermordung eines Angehörigen der moslemischen Minderheit durch die LTTE zu gegenseitigen Vergeltungsaktionen zwischen Moslems und Tamilen mit insgesamt 8 Todesopfern. Hier konnte das ICRC durch Vermittlung zur Entspannung der Situation beitragen. Aus diesen Vorfällen kann nicht geschlossen werden, dass die Politik der Regierung gegenüber Tamilen im Osten des Landes eine andere Zielrichtung als im Norden des Landes hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, die Regierung verzichte bewusst auf jegliche Kontrolle von Gefahrsituationen und dulde bewusst die Beeinträchtigung der Tamilen, etwa um diese als Bevölkerungsgruppe ungeachtet einer etwaigen sicherheitsrelevanten Verbindung zur LTTE auszugrenzen.
Was die Lage auf der Jaffna-Halbinsel betrifft, so berichtete Keller-Kirchhof in einem Aufsatz in der TAZ (26.10.1998) von ersten Erfolgen der nun auch auf der Jaffna-Halbinsel tätigen Menschenrechtskommission NHCR. Der Leiter des im März 1998 in Jaffna eröffneten Büros der NHCR wird von ihm mit den Worten zitiert, er habe es geschafft, dass viele Militärs, die bei Fragen von Menschenrechten bisher wenig sensibel gewesen seien, mit ihm kooperierten. Der Menschenrechtskommission müsse jetzt jede Festnahme innerhalb von 48 Stunden angezeigt werden. Gegenteilige Angaben hat der Sachverständige auch nicht bei seiner Einvernahme durch den Berichterstatter des Senats am 22. Juni 1999 gemacht (siehe Nr. 210 der Erkenntnisquellenliste). Er hat auf den großen Bedarf an Bautätigkeit auf der Jaffna-Halbinsel verwiesen sowie darauf, dass die LTTE die Kontrolle über bestimmte Gebiete auf der Jaffna-Halbinsel inzwischen ausgeweitet habe. Dass Letzteres asylrelevante Auswirkungen auf das Verhalten der Sicherheitskräfte gegenüber der tamilischen Bevölkerung hat, hat der Sachverständige nicht vorgetragen.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Aufklärung der Chemmani-Massaker in Jaffna Fortschritte gemacht hat. Einer der Angeklagten im Falle der Ermordung von Krishanthi Kumaraswamy hatte angegeben, er habe Kenntnis von Massengräbern in der Gegend von Chemmani, wo die Leichen von bis zu 400 durch die Sicherheitskräfte im Jahre 1996 Getöteten verscharrt seien. Es kam zu Exhumierungen von 15 Opfern. Am 6. Dezember 1999 übergab die Regierung ihren Bericht dem Magistrate von Jaffna. Danach zeigten die Leichenteile Folterspuren. Ende 1999 waren die Untersuchungen gegen die mutmaßlichen Täter noch im Gange (Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums, a.a.O., S. C).
Dem ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Juli 2000 zufolge forderten die anhaltenden Kampfhandlungen auf der Jaffna-Halbinsel bislang auch erhebliche Verluste unter der Zivilbevölkerung. Weder aus dieser Auskunft noch aus anderen Erkenntnisquellen ergibt sich jedoch, dass die militärischen Erfolge der LTTE in der Nordprovinz zu einer Verschlechterung des Verhaltens der Sicherheitskräfte gegenüber der tamilischen Bevölkerung geführt hat, d.h. dass die srilankische Armee bei ihrem Abwehrkampf gegen die auf Jaffna vorrückende LTTE keinen Unterschied zwischen Zivilbevölkerung und LTTE-Kämpfern macht. Einem aktuellen Situationsbericht aus Jaffna (International Herald Tribune vom 25. August 2000) ist vielmehr zu entnehmen, dass das Bemühen der srilankischen Armee, "die Herzen und die Sinne der Bevölkerung von Jaffna zu gewinnen", nicht nachgelassen hat. Ungeachtet der Kampfhandlungen haben sich die Lebensumstände in der Stadt sogar noch verbessert. Dies berichteten Einwohner dem Korrespondenten der International Herald Tribune Thomas Crampton.
7.) Dem Kläger droht bei der Rückkehr nach Sri Lanka auch aus individuellen Gründen keine politische Verfolgung mit beachtlicher und auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Der Kläger hat nicht substantiiert und glaubhaft vorgetragen, dass er wegen der Ereignisse im Jahre 1990 noch heute in Sri Lanka gesucht wird. Wie bereits erwähnt kann dem Kläger nicht abgenommen werden, wegen seines "Dienstes" bei der srilankischen Armee im Jahre 1990 erkennungsdienstlich behandelt worden und aus dem Gewahrsam der Armee geflohen zu sein. Dass der Kläger im Jahre 1998 einen Brief seiner Ehefrau erhalten hat mit dem Inhalt, dass in Colombo nach ihm gefragt worden sei, kann ihm ebenfalls nicht geglaubt werden, und zwar schon deshalb nicht, weil er einen solchen Brief mit Sicherheit seinem Anwalt vorgelegt hätte. Es kommt in Asylverfahren sehr häufig vor, dass Kläger Briefe von Verwandten aus der Heimat vorlegen, aus denen sich ergibt, dass sie dort noch gesucht werden. Berichtet aber ein Kläger von einem solchen Brief und ist er dennoch nicht in der Lage, ihn vorzulegen, so ist zu Grunde zu legen, dass er einen solchen Brief noch nicht einmal erhalten hat.
Erstmals machte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung geltend, er habe von den Misshandlungen im militärischen Gewahrsam eine Anzahl von Narben an seinem Körper davongetragen. Diese rührten von heftigen Schlägen mit Knüppeln her, die Narbe an der Brust sei ihm durch Schläge mit einem Gewehrkolben beigebracht worden. Abgesehen davon, dass dem Kläger wie erwähnt, das gesteigerte Vorbringen der Folter während des Militärgewahrsams nicht abgenommen werden kann, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Bei körperlichen Untersuchungen festgestellte Narben, wie sie typischerweise nach Verletzungen, die auf einen Kampfeinsatz hinweisen, zurückbleiben (z. B. Schuss- oder Schrappnellverletzungen; Nichtoperationsnarben), können den Verdacht auf einen LTTE-Bezug erregen (siehe Wingler, 01.04.1999, S. 5; Auswärtiges Amt, 21.04.1999, S. 5; amnesty international an Hess. VGH, 30.08.1999). Generell können Narben nicht ohne Weiteres als zuverlässiges Indiz für eine Zugehörigkeit zur kämpfenden Truppe der LTTE gewertet werden, da in Sri Lanka auch bei der Arbeit, im Haushalt und im Straßenverkehr die Verletzungsgefahr sehr hoch ist, auch Operationsnarben sind weniger verdächtig. (Auswärtiges Amt, 25.01.2000). Obendrein sind in Sri Lanka im Zusammenhang mit Kriegsereignissen und Anschlägen eine Vielzahl von Personen verletzt worden, so dass auch bei Schussverletzungen der Verdacht auf einen LTTE-Bezug entkräftet werden kann.
Im vorliegenden Fall konnte der beschließende Senat durch Inaugenscheinnahme der Narben des Klägers nicht die Überzeugung gewinnen, dass es sich dabei um Narben handelt, wie sie typischerweise nach einem Kampfeinsatz zurückbleiben. Die vorgezeigten Narben können ebenso gut von Verletzungen während der Ausübung des Berufs als Fischer herrühren wie von Stößen mit einem Gewehrkolben bzw. Schlägen mit Holzstöcken. Eine Beweiskraft kommt diesen Narben nur insoweit zu, als sie belegen, dass sich der Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt Verletzungen zugezogen hat bzw. ihm Verletzungen zugefügt worden sind.
Da dem Kläger - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - nicht geglaubt werden kann, dass er sich dem Armeegewahrsam durch Flucht entzogen hat, musste der beschließende Senat auch dem vom Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hilfsantrag auf Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht nachgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet die Pflicht der Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts dort ihre Grenze, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Sachaufklärung bietet. Ein solcher tatsächlicher Anlass besteht im Asylverfahren dann nicht, wenn der Kläger unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung nicht in schlüssiger Form vorträgt, d.h. nicht unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildert, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat (BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 212). So liegt der Fall hier. Eine durch die srilankische Armee erlittene Verfolgung, der er sich durch Flucht entziehen musste und eine damit einhergehende erkennungsdienstliche Behandlung im Jahre 1990 hat er nicht in sich stimmig und nachvollziehbar dargelegt, die Widersprüche zwischen seinen Angaben in den verschiedenen Verfahrensstadien hat er nicht überzeugend aufzuklären vermocht. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, das selbst nach Dr. Wingler (29.09.1998, S. 7) "eine bereits erlittene, kausal fluchtauslösende Vorverfolgung (politisch oder unpolitisch) bei Rückkehr nach Jahren kaum eine Rolle spielen dürfte". Hat es der Kläger mithin an der Schilderung eines zusammenhängenden und in sich stimmigen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Sachverhalts mit Angabe genauer Einzelheiten aus seinem persönlichen Lebensbereich fehlen lassen, so gibt sein Vorbringen keinen Anlass, einer daraus von ihm hergeleiteten Verfolgungsgefahr näher nachzugehen.
IV. Selbst wenn man die vorstehende Einschätzung des erkennenden Senats in Bezug auf die Situation im Norden und Osten Sri Lankas nicht teilt, und von einer dem Kläger drohenden gruppengerichteten staatlichen Verfolgung bei einer Rückkehr in die Gebiete der Nord- und Ostprovinz ausgeht, käme seine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG dennoch nicht in Betracht, da ihm auch heute noch im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, die ihm eine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung gewährt (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 25.02.1997 - 20 B 95.35939 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.1999 - 11 A 10421/99 -; OVG Saarland, Urteil vom 09.05.1997 - 1 R 150/96 -; OVG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.1998 - A 16 S 60/97 - und Beschluss vom 05.05.1999 - A 6 S 393/99 -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; OVG Thüringen, Urteil vom 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.1999 - 3 R 32/99 - und Beschluss vom 28.02.2000 - 3 Q 359/99 -; Hess. VGH, Urteil vom 10.11.1998 - 10 UE 3035/95 - und Urteil vom 03.05.2000 - 5 UE 4657/96.A -).
Der Kläger ist als tamilischer Volkszugehöriger im Großraum Colombo vor politischer Verfolgung hinreichend sicher. Aus seinem Vorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine individuelle Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka, da bei ihm kein individualisierter LTTE-Verdacht vorliegt und er folglich im Großraum Colombo nicht im Blickfeld der Sicherheitskräfte steht. Der Kläger unterliegt auch gegenwärtig im Süden und Westen des Landes, insbesondere im Großraum Colombo, weder einer mittelbaren noch einer unmittelbaren staatlichen Verfolgung wegen seiner Volkszugehörigkeit. Allein die Tatsache, dass insbesondere bei jungen Tamilen eine längerfristige Inhaftierung nicht ausgeschlossen werden kann, lässt die Annahme einer hinreichenden Verfolgungssicherheit nicht entfallen. Denn für die Bejahung einer Verfolgungsgefahr nach dem so genannten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab genügt nicht bereits jede noch so geringe Möglichkeit eines Verfolgungseintritts. Vielmehr müssen mindestens ernsthafte Zweifel an der Sicherheit bestehen, d.h. eine Verfolgungsgefahr im Sinne einer "realen" Möglichkeit. Dies ist hier zu verneinen. Dabei ist - wie oben ausgeführt - zu berücksichtigen, dass eine kurzfristige Festnahme zur Identitätsüberprüfung für sich allein noch nicht asylerheblich ist, der Kläger zur Untergruppe der Deutschlandrückkehrer gehört und eventuelle Exzesse von Angehörigen der Sicherheitskräfte dem srilankischen Staat nicht zuzurechnen sind.
Das verfolgungsfreie Gebiet ist über den Flughafen Colombo ohne Gefahr politischer Verfolgung erreichbar. Aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen, die aus dem Norden und Osten des Landes stammen, ist es auch möglich, auf Dauer ihren Aufenthalt im Großraum Colombo zu nehmen, ohne dass sie gezwungen sind, in die Konfliktgebiete im Norden und Osten des Landes zurückzukehren (AA, 23.09.1997, S. 1 und 02.10.1997, S. 1; EU, 02.04.1997, S. 15, 18; UNHCR, 08.12.1997, S. 1). Bei den in letzter Zeit aus Europa zurückkehrenden Tamilen ist kein Fall bekannt geworden, in dem die Niederlassung und der Aufenthalt im Großraum Colombo verweigert worden ist und diese Verweigerung zur "Abschiebung" in andere Landesteile führte. Personen, die sich in einer bestimmten Region bedroht fühlen, können grundsätzlich in andere Landesteile ausweichen (AA, 19.01.1999, S. 9, 23). Die Behauptung des Südasien-Büros (02.07.1997, S. 3, Anlage zu Keller-Kirchhoff, 02.09.1997), aus dem Ausland nach Colombo zurückkehrende Tamilen erhielten nur eine zeitlich begrenzte Erlaubnis sich dort aufzuhalten, und der der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (31.05.1999, S. 7), wer keinen plausiblen Aufenthaltsgrund habe, könne sich formell nicht in Colombo niederlassen, werden vom Auswärtigen Amt und dem UNHCR nicht bestätigt. Es existiert auch keine Rechtsvorschrift, wonach den aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden Tamilen untersagt ist, ihren Wohnsitz im Großraum Colombo zu begründen (UNHCR, 08.12.1997, S. 1; Keller-Kirchhoff, 13.09.1997, S. 1; AA, 02.10.1997). Ebenso wenig werden sie gezwungen, in die Konfliktgebiete im Norden und Osten des Landes zurückzukehren (AA, 06.05.1998, S. 2; UNHCR, 12.02.1998; siehe zum Ganzen auch oben S. 34 f.).
Dem Kläger drohen im Großraum Colombo auch keine anderen Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen. So ist das Existenzminimum am Ort der Fluchtalternative, insbesondere bei jungen, gesunden Tamilen beiderlei Geschlechts, gesichert. Nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes können Hilfsbedürftige in Sri Lanka auch traditionell mit einer sehr weitgehenden Unterstützung durch Verwandte, Freunde, und sogar ehemalige Nachbarn rechnen (AA, 31.08.1992, S. 5). Zwar gibt es keine speziellen Wiedereingliederungsprogramme für Rückkehrer. Das Auswärtige Amt (06.04.1998) weist aber zu Recht darauf hin, dass in Sri Lanka, wie in vielen anderen asiatischen Staaten, die Familie und die Dorfgemeinschaft traditionell die Hauptträger für die Unterstützung von Hilfsbedürftigen sind. Eine Unterstützung bedürftiger Angehöriger erfolgt auch durch regelmäßige Transferzahlungen von im Ausland lebenden Angehörigen. Etwa 10 % aller Srilanker lebt im Ausland und die Überweisungen stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei dem geringeren Wirtschaftsniveau, einem Durchschnittsverdienst von umgerechnet etwa 150,-- DM monatlich und den geringen Lebenshaltungskosten auch durch geringe Beträge aus dem Ausland eine Lebensführung in Sri Lanka ermöglicht wird (AA, 31.03.2000, S. 3).
Die Regierung gewährt Bedürftigen Sozialhilfeleistungen ("Samurdhi-Programm"; vgl. im Einzelnen AA, 27.05.1999). Der Staat leistet Hilfe sowohl für vorübergehend Einkommens- und Unterhaltslose als auch für infolge Krankheit, Alter, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen Bedürftige (AA, 17.03.1997, S. 12 und 27.05.1999, S. 1 ff.). "Samurdhi" hat 1998 mit 8 Milliarden Rupien ca. 1,8 Millionen srilankische Familien unterstützt. Insgesamt gibt der Staat jährlich fast 32 Mio. Rupien für soziale Hilfen aus (AA, 06.05.1998, S. 1). Soweit Keller-Kirchhoff darauf hinweist, dass ein aus Deutschland zurückkehrender srilankischer Staatsbürger keinen Anspruch auf eine Einbeziehung in das staatliche Sozialprogramm haben dürfte, trifft dies nur auf diejenigen zu, die nicht aus Colombo stammen und sich dort aufhalten wollen. Das Auswärtige Amt (27.05.1999, S. 1 f.) hat klargestellt, dass mittellose Rückkehrer staatliche Hilfe beanspruchen können, entweder am Heimatort in Gestalt eines Unterhaltsbeitrags nach dem Samurdhi-Programm oder, wenn eine Rückkehr nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird, in einem der Flüchtlingslager ("Welfare Centre"), in dem eine kostenlose Unterbringung und Verpflegung gewährt wird. In den "Welfare Centres" - etwa in Vavuniya - lebten 1999 ca. 800.000 Srilanker aller ethnischen Bevölkerungsgruppen. Dort ist eine ausreichende Lebensmittelversorgung mit so genannten "dry rations" oder "cooked meals" sichergestellt. Auch diejenigen, die einer Arbeit nachgehen, können die Unterkunft und Verpflegung dort kostenlos in Anspruch nehmen (AA, 27.05.1999). Daneben gibt es zahlreiche karitative Organisationen, die sich alter, gebrechlicher oder behinderter Menschen annehmen und die notwendigen Hilfen dauerhaft sicherstellen (AA, 31.03.2000, S. 2). Zu erwähnen ist ferner, dass in nicht geringem Ausmaß Weiterbildungsprogramme angeboten werden mit dem Ziel, den Teilnehmern die Fertigkeiten für eine erfolgreiche Erwerbstätigkeit zu vermitteln (Auswärtiges Amt, 06.05.1998).
Nach alledem ist davon auszugehen, dass selbst bei fehlenden familiären Bindungen des Klägers in Sri Lanka, fehlenden Ersparnissen oder fehlenden singhalesischen Sprachkenntnissen das wirtschaftliche Existenzminimum bei seiner Rückkehr gesichert wäre. Auch wenn er nach seiner Rückkehr keine familiäre oder staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen könnte, bestehen gute Aussichten, dass er im Großraum Colombo trotz der hohen Arbeitslosigkeit, die alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Umfang trifft (AA, 01.02.1995, S. 4), als jüngerer, arbeitswilliger und arbeitsfähiger Tamile einen Arbeitsplatz finden wird, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Aufnahmefähig ist dem Auswärtigen Amt (27.05.1999, S. 1 f.) zufolge beispielsweise die Bekleidungsindustrie (nach AA, 27.05.1999 seien dort 1999 15.000 Stellen vakant gewesen), aber auch der Dienstleistungsbereich (Boten, Fahrer, Träger, Hauspersonal, Reinigung und Bewachung), wenn auch bei vergleichsweise niedrigen Gehältern. Da Rückkehrer häufig während ihres Deutschland-Aufenthalts Ersparnisse ansammeln und besondere Fach- und Sprachkenntnisse erwerben, fällt ihnen der Einstieg ins Erwerbsleben mitunter leichter als der übrigen Bevölkerung (AA, 06.05.1998, S. 2). Dabei dürfte insbesondere eine Tätigkeit im vom Tourismus geprägten Gastronomie- und Hotelbereich in Betracht zu ziehen sein (so im Ergebnis AA, 27.05.1999). Dass gerade Tamilen besondere Schwierigkeiten haben sollten, einen Arbeitsplatz zu finden, weil Arbeitgeber wegen möglicher Schwierigkeiten mit den Sicherheitsbehörden ihre Beschäftigung ablehnten (so nur Schweizerische Flüchtlingshilfe, 13.02.1998; Südasienbüro, 15.03.1999), ist angesichts der Tatsache, dass sogar im sensiblen Bewachungsgewerbe zwischen 15 % bis 20 % Tamilen arbeiten und der Bevölkerungsanteil wirtschaftlich erfolgreicher Tamilen in Colombo weit überproportional wächst (vgl. AA, 27.05.1999), wenig wahrscheinlich. Auch Keller-Kirchhoff (22.06.1999) schließt die Möglichkeit, dass junge arbeitsfähige und arbeitswillige Tamilen im Großraum Colombo einen Arbeitsplatz finden, nicht aus. Er begnügt sich mit dem Hinweis, im Großraum Colombo gebe es nur eingeschränkte Möglichkeiten für Tamilen, eine Arbeit zu finden. Auch bestünde eine große Zurückhaltung potentieller Arbeitgeber gegenüber den aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Allerdings gesteht Keller-Kirchhoff zu, dass Tamilen mit überdurchschnittlich guter Ausbildung und guten Sprachkenntnissen im Einzelfall ggf. größere Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu finden (a.a.O.). Für die Schaffung von Existenzgründungsprogrammen für Rückkehrer aus westlichen Industrieländern sehen deshalb der UNHCR und srilankische Nichtregierungsorganisationen keinen Bedarf (AA, 27.05.1999, S. 5; UNHCR, März 1997, S. 20 f.).
Auch die Wohnprobleme im Großraum Colombo sind nicht existenzieller Natur. Unbestritten ist die Wohnungssuche in Colombo generell und für Tamilen im Besonderen wegen der Sicherheitslage besonders schwierig (Keller-Kirchhoff, 23.04.1992, 04.01.1996, S. 78; 06.06.1996, S. 2, 18.02.2000, S. 4). Zwar steht Wohnraum zur Verfügung, doch ist er für viele zu teuer (Wingler, 08.10.1997, S. 41; Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Zahlreiche Rückkehrer, die tatsächlich keine Bekannten oder Verwandten in Colombo haben, werden deshalb zunächst auf eine Unterkunft in einer der zahlreichen "Lodges" angewiesen sein. Zwar wird auch insoweit die Möglichkeit, dort unterzukommen, eher pessimistisch eingeschätzt, zumal die Polizei den Betreibern informell geraten haben soll, Tamilen unter 35 Jahren nicht zu beherbergen (Schweizer Flüchtlingshilfe, 13.02.1998, S. 9; Keller-Kirchhoff, 24.02.1997, S. 3). Soweit in den Erkenntnisquellen von der Schließung mehrerer "Lodges" und den weiteren Problemen bei der Suche nach einer Unterkunft berichtet wird, ist ihnen aber nicht zu entnehmen, dass diese zwischenzeitlich ein derartiges Ausmaß angenommen haben, dass tamilischen Zuwanderern aus dem Nordosten bzw. aus Europa zurückkehrenden Tamilen ohne Familienbande in Colombo damit jede Unterkunftsmöglichkeit abgeschnitten worden ist. Gegen eine existenzielle Gefährdung zurückkehrender Tamilen im Großraum Colombo durch Obdachlosigkeit spricht auch der Hinweis des Auswärtigen Amtes, dass das von der Schweiz finanzierte Rückkehrerheim in Nugegoda zur vorübergehenden Aufnahme der nach dem Rückführungsabkommen zwischen der Schweiz und Sri Lanka Zurückkehrenden niemals auch nur annäherungsweise ausgelastet sei, obwohl die dort anzutreffenden Verhältnisse - gemessen am allgemeinen Lebensstandard in Sri Lanka - als überdurchschnittlich bezeichnet werden könnten. Offensichtlich fänden die Rückkehrer meist bei Verwandten oder Freunden Aufnahme (AA, 17.03.1997, S. 12, 06.04.1998, S. 17, 06.05.1998, S. 1, 27.05.1999; EU, 02.04.1997, S. 33).
Die dagegen von Keller-Kirchhoff (08.12.1998, S. 6 f.) vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Nach seiner Kenntnis meiden Tamilen das Heim aus Sicherheitsgründen wegen des fast ausschließlich singhalesischen Wohnumfeldes. Da singhalesische Übergriffe gegen Tamilen selten sind, kann es sich nicht um einen, die drohende Obdachlosigkeit überwiegenden Grund handeln. Dies gilt auch für den weiter aufgeführten Grund, im regelmäßig von der Polizei kontrollierten "Schweizer Heim" bestehe die Gefahr, ohne Personalausweis angetroffen und dann verhaftet zu werden, denn die Gefahr, bei fehlenden Papieren verhaftet zu werden, besteht im gesamten Großraum Colombos.
Bei Alten, Kranken und Behinderten mag die Einschätzung zutreffen, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum im Süden und Westen Sri Lankas nicht gewährleistet ist, wenn sie keine staatliche, karitative oder familiäre Hilfe in Anspruch nehmen können. Bei jungen, gesunden Tamilen beiderlei Geschlechts, die ihre Flexibilität bereits durch die Reise nach Deutschland unter Beweis gestellt haben, und deren Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit nicht bezweifelt werden kann, ist jedenfalls zugrunde zu legen, dass ihr wirtschaftliches Überleben und damit die Wahrung des Existenzminimums in Colombo möglich ist. Dabei ist allerdings hervorzuheben, dass das srilankische Existenzminimum mit dem deutschen nicht verglichen werden kann (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 80). Dies ist aber asylrechtlich ohne Belang (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 25.03.1996, Bl. 24 des Umdrucks).
Am Ort der inländischen Fluchtalternative Colombo drohen dem Kläger auch individuell keine sonstigen Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen. Als gesunder jüngerer Tamile, der in seiner Heimat ein selbständiger Unternehmer mit beträchtlichen Einnahmen war und der seine Belastbarkeit auch danach durch die Ausreise aus Sri Lanka unter Beweis gestellt und in Europa gelernt hat, in einem anderen Kulturkreis zu leben und zu arbeiten, besitzt er grundsätzlich die Möglichkeit, in Colombo ein menschenwürdiges Dasein zu führen.
V. Die Klage hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Kläger die Verpflichtung des Bundesamtes begehrt, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (§ 13 Abs. 1 AsylVfG). Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind nicht gegeben, denn diese stimmen in dem hier maßgeblichen Umfang mit denen des Art. 16a Abs. 1 GG überein (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, EZAR 203 Nr. 2 = NVwZ 1994, 500; Urteil vom 18.01.1995 - 9 C 48.92 -, EZAR 230 Nr. 3 = NVwZ 1994, 497).
B.
Auch wenn das abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts bezüglich des vom Kläger in erster Instanz geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG rechtskräftig geworden ist, sei noch darauf hingewiesen, dass solche Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind. Es ist nicht erkennbar, dass für den Kläger in Sri Lanka die Gefahr der Folter bzw. der Todesstrafe besteht (§ 53 Abs. 1 und 2 AuslG). Ebensowenig sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Diese Bestimmung setzt das Vorliegen einer individuellen, konkreten Gefahr, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden, voraus. Gründe für die Annahme, der Kläger werde in Sri Lanka in einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Weise behandelt werden, sind nicht ersichtlich. Auch ein Extremfall, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - DVBl. 1996, 203) einen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründet, liegt nicht vor.
Durch die Abschiebung nach Sri Lanka wird der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine Gefahrenlage versetzt, die ihn gleichsam "sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde" (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, a.a.O., S. 614). Die Befassung mit dem Raum Colombo reicht sowohl für § 53 Abs. 4 AuslG als auch für § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG aus. Diese Bestimmungen kommen nur dann in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren landesweit drohen, nicht also bereits dann, wenn sich der Ausländer ihnen wie hier durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, a.a.O. für § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; vgl. im Übrigen Bayer. VGH, Beschluss vom 12.03.1997, NVwZ-Beil. 7/1997, S. 52, 53 und EGMR, Urteil vom 15.11.1996, Chahal gegen Vereinigtes Königreich Nr. 70/1995/576/662; BVerwG, Urt. vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 -, DVBl. 1997, 1384). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das im Urteil des Senats vom 11. November 1998 und das oben Ausgeführte hingewiesen.
Im Großraum Colombo drohen dem Kläger auch keine extremen Gefahren für Leib und Leben infolge völliger Unterversorgung mit dem elementaren Bedarf des täglichen Lebens. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer solchen drohenden Gefahr i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, dass gegenüber dem im Asylrecht entwickelten Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ein erhöhter Maßstab anzusetzen sei (BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 6/95 -, NVwZ 1997, 685, 687, m.w.N.). Dem Kläger droht in Colombo nicht mit der zu verlangenden erhöhten Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt. Auf das unter A. IV. Ausgeführte wird verwiesen.
C.
Da die Berufung des Bundesbeauftragten Erfolg hat und selbst das Begehren betreffend die Verpflichtung der Beklagten, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG festzustellen, keinen Erfolg haben könnte, hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens in voller Höhe zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Nach § 83b Abs. 1 AsylVfG werden Gerichtskosten nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO, § 167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.