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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.07.2004
Aktenzeichen: 10 UZ 1802/03
Rechtsgebiete: UVG


Vorschriften:

UVG § 1 Abs. 1
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 3 a
1. Es liegt kein Ausbleiben von Unterhaltsleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 a UnterhaltsvorschussG vor, wenn Eltern zwei Kinder bei ihrer Scheidung dergestalt unter sich "aufgeteilt" haben, dass jeder Elternteil das Sorgerecht für eines der Kinder erhält und auch tatsächlich dieses Kindes vollständig unterhält.

2. Dies gilt auch, wenn bei mehreren Kindern der Elternteil, der Unterhaltsvorschuss begehrt, nur für ein Kind sorgeberechtigt ist und die anderen Kinder bei dem anderen Elternteil verbleiben.

3. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn der eine Elternteil leistungsunfähig wird.

4. Die genannten Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn die "Aufteilung" der Kinder nicht durch Übereinkunft der Eltern erfolgt, sondern weil ein Elternteil die Kinder ins Ausland verbringt und dort behält und die dadurch eingetretene faktische "Aufteilung" der Kinder durch eine entsprechende Sorgerechtsentscheidung bekräftigt wird.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

10 UZ 1802/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Unterhaltsvorschussrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Thorn, Richterin am Hess. VGH Hannappel

am 1. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im schriftlichen Verfahren ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 - 3 E 3018/02 (2) - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil kann keinen Erfolg haben.

Der Senat teilt nicht die vorgetragenen ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Insbesondere kann die Rüge nicht auf eine behauptete Unvollständigkeit des Tatbestandes gestützt werden. Zum einen ist für den genannten Berufungszulassungsgrund maßgeblich, ob das Rechtsmittelgericht bei Beachtung der Darlegungen des Rechtsmittelführers ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses hat, was bereits ausschließt, dass allein einzelne Auslassungen im Tatbestand zu einer Berufungszulassung führen. Abgesehen davon ist vorliegend aber auch nicht erkennbar, dass der Tatbestand unvollständig ist, selbst wenn dort nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass die beiden Töchter der gesetzlichen Vertreterin des Klägers (also seine Schwestern) von dem Vater aller drei Kinder gegen den Willen der Mutter im Iran festgehalten werden. Dieser Aspekt des Falls, der die Beteiligten verständlicherweise emotional stark beschäftigt, spielt jedoch für die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz besteht, keine Rolle.

Bezüglich des letztgenannten Gesichtspunkts hat das Verwaltungsgericht in der Sache vielmehr zu Recht dargelegt, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) nicht gegeben sind. Zwar trifft es zu, dass der Kläger von seinem seit 1995 im Iran lebenden Vater keine Geldzahlungen erhält. Diese Tatsache erfüllt vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhalts jedoch nicht das Merkmal des Ausbleibens von Unterhaltsleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 a UVG, das einen Anspruch auf öffentliche Unterhaltsvorschussleistungen begründen könnte. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz stellen eine besondere Sozialleistung dar, die der Gesetzgeber für die Fälle vorgesehen hat, in denen ein alleinerziehender Elternteil, der bei der Erziehung von Kindern ohnehin erschwerten Bedingungen unterliegt, auch noch im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit für den von dem anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen müsste. Eine solche zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden (vgl. dazu BT-Drucks. 8/1952, S. 6 und 8/2774, S. 11; sowie BVerwGE 89, 192 <197 ff.>). Die öffentliche Unterhaltsleistung unterstützt demnach einen alleinerziehenden Elternteil, wenn erwartete Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils planwidrig ausbleiben (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.1995 in NJW 1996, 946).

Von einem solchen planwidrigen Ausbleiben von Unterhaltsleistungen kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Zwar haben die Eltern hier ihre drei Kinder bei der Scheidung nicht willentlich unter sich "aufgeteilt", wie dies in dem der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg zu Grunde liegenden Sachverhalt der Fall war, mit der Folge, dass dort ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nicht anerkannt wurde, weil jeder Elternteil dem bei ihm verbliebenen Kind vollen Unterhalt gewährte und im Gegenzug jeweils einen an sich geschuldeten Unterhaltsanteil für das andere Kind nicht zu erbringen brauchte. In der genannten Entscheidung ist klargestellt worden, dass es keiner ausdrücklichen Unterhaltsvereinbarung bedürfe. Dieser Wertung schließt sich der erkennende Senat an. Das Verwaltungsgericht hat für den hiesigen Fall zutreffend dargelegt, dass in dem Scheidungsurteil nur das Sorge- und Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern geregelt und ein Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde, Unterhaltsleistungen dagegen nicht zur Sprache kamen. Dies ist jedoch mit Blick auf die obigen Ausführungen unschädlich. Zum einen haben Unterhaltsvereinbarungen ohnehin regelmäßig nicht die Unterhaltsansprüche der Kinder selbst zum Gegenstand, sondern lediglich die wechselseitigen Ersatzansprüche der Eltern. Zum anderen ist das Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts deshalb ohne Bedeutung, weil auf Grund der Sorgerechtsregelung davon ausgegangen werden kann, dass das jeweils bei einem Elternteil lebende Kind den vollen Unterhalt erhält unter Einschluss des an sich auf den anderen Elternteil entfallenden Anteils.

Von dieser Konstellation ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Die beiden Schwestern des Klägers leben - wenn auch gegen den erklärten Willen der Mutter - bei dem Vater im Iran, so dass insoweit die Vermutung greift, dass dort auch der Mindestunterhalt der Kinder nach den dortigen tatsächlichen Verhältnissen gesichert ist. Das Argument, die Lebenshaltungskosten im Iran seien weitaus niedriger als hier in Deutschland, spielt deshalb im hiesigen Zusammenhang keine Rolle, zumal davon auszugehen ist, dass auch das Einkommen des Vaters im Iran den iranischen Verhältnissen angepasst ist. Das Unterhaltsvorschussgesetz bietet keine Handhabe für eine rechnerische Aufteilung abstrakter Unterhaltssummen, sondern soll - wie dargelegt - nur als besondere Sozialleistung die Härten von ausbleibenden Unterhaltszahlungen mildern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass faktisch eben für drei Kinder zu sorgen ist, von denen zwei aber gänzlich vom Vater "übernommen" wurden, während bei der Mutter nur noch die Sorge und Unterhaltspflicht für den Kläger verbleibt. Bei dieser Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bzw. seine Mutter zusätzliche Zahlungen von dem Vater, der schon zwei Kinder versorgt, erwarten könnten, die planwidrig ausbleiben. Dass die Mutter des Klägers selbst nicht leistungsfähig wäre, ist nicht erkennbar und wird auch in keiner Weise behauptet, sie erklärt vielmehr "Angehörige der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe" zu sein.

Soweit weiterhin die Zulassungsgründe der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, so greifen diese ebenfalls nicht durch. Es fehlt insoweit schon an einer ausreichenden Darlegung der Voraussetzungen für die genannten Berufungszulassungsgründe.

Da der Zulassungsantrag somit erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Diese bestehen nur aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da Gerichtskosten gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht anfallen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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