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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: 10 UZ 2409/03
Rechtsgebiete: BSHG
Vorschriften:
BSHG § 107 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Sozialhilferechts
hier: Kostenerstattung bei Umzug (§ 107 BSHG)
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Dr. Saenger, Richter am VG Kassel Spillner (abgeordneter Richter)
am 4. November 2003 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 11. Juni 2003 - 2 E 1940/00 (1) - wird abgelehnt.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des vom Beklagten allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 BSHG mit der Begründung bejaht, ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift könne auch in einem Übergangswohnheim (für Spätaussiedler) begründet werden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch eine einschränkende Auslegung des § 107 Abs. 1 BSHG dahingehend abgelehnt, dass von dieser Norm Umzüge nicht erfasst würden, die ein behördliches Tätigwerden - etwa durch eine Umverteilungsentscheidung - voraussetzten.
Insbesondere auf diesen letzten Gesichtspunkt stützt der Beklagte seine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Der Aufenthaltswechsel der Familie ............................. von ..................................... nach ............................. sei Folge der Verwaltungsentscheidung des Regierungspräsidiums Darmstadt; die Bestimmung des § 107 BSHG sei aber nicht auf Fälle eines durch behördliche Verteilung oder Zuweisung bedingten Ortswechsels zugeschnitten. Diese Argumentation greift im vorliegenden Fall schon deshalb zu kurz, weil die Umverteilung von Frau .................... und ihres Sohnes .................................. vom Landkreis Limburg-Weilburg in die Stadt Frankfurt am Main durch Schreiben des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. Juni 1997 auf ausdrücklichen Wunsch der beiden Genannten erfolgte. In dem Schreiben des Regierungspräsidiums Darmstadt wird der Umverteilungsantrag von Frau .............. vom 14. März 1997 in Bezug genommen.
Für den beschließenden Senat ist nicht erkennbar, weshalb bei der Auslegung des Begriffs "Umzug" i.S.v. "§ 107 BSHG ein Unterschied gemacht werden muss zwischen dem auf ausdrücklichen Wunsch der Familie .................................. zu Stande gekommenen Ortswechsel und dem Ortswechsel von - so der Beklagte - "zur Freizügigkeit berechtigten Personen, wie Deutschen oder Ausländern mit auf Integration angelegtem Aufenthalt oder jedenfalls solchen, denen die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes durch die verschiedenen Arten der Aufenthaltsgenehmigungen verbrieft ist". Diese Wortwahl zeigt im übrigen, dass dem Beklagten die Rechtsstellung der jüdischen Emigranten, zu denen die Familie ............................... gehört, nicht hinreichend klar ist (siehe zu den Hintergründen der jüdischen Zuwanderung aus den Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion : Hochreuter :"Zuwanderung als Wiedergutmachung", NVwZ 2000, 1376 ff.). Dazu folgendes: Nach dem Protokoll der Vereinbarung der Ministerpräsidenten der Bundesländer vom 9. Januar 1991 sollten jüdische Emigranten aus der früheren UdSSR nach dem Asylschlüssel auf die Bundesländer verteilt, dort sollte ihnen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Ein Grundsatzerlass des Auswärtigen Amtes an alle Auslandsvertretungen in den GUS-Staaten und im Baltikum von März 1997 brachte das Verfahren der Zuwanderung jüdischer Emigranten in eine einheitliche Form. Danach verteilt das Bundesverwaltungsamt die Antragsteller nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer. Diese erteilen je nach Kapazität Aufnahmezusagen, die von den Auslandsvertretungen ausgehändigt werden - zusammen mit dem Visum zum Daueraufenthalt in Deutschland. In Deutschland werden die Zuwanderer in der Regel zunächst in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Sie bekommen den Status von Kontingentflüchtlingen nach dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 - HumHAG - (BGBl. I S. 1057, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 <BGBl. I 2584>) und eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Auf Grund ihres Status "Kontingentflüchtling" haben sie Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen wie Sprachkurse und Unterbringung ( s. Hochreuter, a.a.O., S. 1376; s. auch OVG Berlin, Beschluss vom 5. Februar 2001 - 6 S 51.00 - , FEVS 52, 380 zur Zulässigkeit von ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkungen bei diesem Personenkreis ).
Nach diesen Vorgaben wurde auch im Falle der Familie .............................. verfahren, wie sich aus der Behördenakte ergibt. So haben sie unbefristete Aufenthaltserlaubnisse erhalten (siehe auch Bl. 204 d. BA). Nach ihrer Einreise haben sie durchaus einen auf Integration angelegten Aufenthalt in Deutschland begründet. Zutreffend hat deshalb das Regierungspräsidium Darmstadt mit Rundverfügung vom 1. November 1999 seine Rundverfügung vom 13. August 1999 "Kostenerstattung bei Umverteilungen jüdischer Immigranten" wieder aufgehoben.
Folglich hat das Verwaltungsgericht zu Recht einen "Umzug" (i.S.v. § 107 BSHG) der Familie ........................... nach ............................ bejaht, denn diese hat unter Verlagerung des Mittelpunktes ihrer Lebensbeziehungen den gewöhnlichen Aufenthalt am bisherigen Aufenthaltsort aufgegeben und in ............................. einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet (siehe auch BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 - 5 C 11/98 -, NDV-RD 1999, 73 ff. = FEVS 49, 434 ff.). In dem zitierten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht zudem klargestellt, dass Spätaussiedler auch in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 107 BSHG begründen können. Dasselbe gilt für die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebrachten jüdischen Emigranten.
Nach alledem kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Klägerin eines finanziellen Ausgleichs in Form der Kostenerstattung nach § 107 BSHG nicht bedarf, weil wegen der quotenmäßigen Anrechnung nach dem Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge vom 15. Oktober 1980 (GVBl. I S. 384), zuletzt geändert durch das 2. Änderungsgesetz vom 5. März 1996 (GVBl. I S. 105), bereits ein Lastenausgleich herbeigeführt worden ist. Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. September 2003 erklärt, die Aufnahme der genannten Familie sei unter Überschreitung der Aufnahmequote erfolgt. Auch hat die Klägerin die Erstattungsleistungen des Landes nach dem genannten Gesetz vom 15. Oktober 1980 bei der Geltendmachung des Anspruchs nach § 107 BSHG in Ansatz gebracht.
Da der Antrag auf Zulassung der Berufung erfolglos bleibt, hat der Beklagte nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Diese bestehen nur aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da Gerichtskosten gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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