Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.11.2005
Aktenzeichen: 10 UZ 3534/04
Rechtsgebiete: VwVfG, AltschuldenhilfG


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 4
AltschuldenhilfG § 5 Abs. 2
Von den Veräußerungserlösen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes sind lediglich diejenigen Sanierungskosten abzusetzen, die für die veräußerten Wohnungen entstanden sind.

Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 des Altschuldenhilfegesetzes steht einer ergänzenden Anwendung des § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht entgegen.

Die Festsetzung des abzuführenden Veräußerungserlöses nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes ist ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Für die Rücknahme eines solchen gilt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

10 UZ 3534/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Abführung von Veräußerungserlösen nach dem Altschuldenhilfegesetz

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens

am 22. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2004 - 1 E 676/04 (V) - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 100.158,18 € festgesetzt.

Gründe:

Dem zulässigen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist nicht zu entsprechen. Denn die Berufung ist nicht aus den von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuzulassen.

Das Vorbringen der Klägerin zu dem ersten geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt aus der Sicht des Senats solche ernstlichen Zweifel nicht.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die ursprüngliche Festsetzung eines Erlösanteils in Höhe von 306.828,30 DM in dem Bescheid vom 30. März 2000 insoweit rechtswidrig war, als die Beklagte einen zu niedrigen Erlösanteil festgesetzt hat. Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu auf den Seiten 6 und 7 des angefochtenen Urteils und nimmt darauf gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.

Aufgrund des Vorbringens der Klägerin im Zulassungsverfahren ist Folgendes hervorzuheben:

Dafür, dass bei der Berechnung des Erlösanteils nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes nur diejenigen Sanierungskosten abzusetzen sind, die auf die veräußerten Wohnungen entfallen, spricht außer dem Wortlaut der Vorschrift im Rahmen der Systematik des § 5 des Gesetzes auch der Umstand, dass die Wohnungsunternehmen nach Absatz 1 der Vorschrift nur verpflichtet sind, einen Teil ihres Wohnungsbestandes zu privatisieren bzw. zu veräußern, während sie den überwiegenden Teil des Wohnungsbestandes weiterhin in der bisherigen Form nutzen können. Da die abzusetzenden Sanierungskosten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes "in Verbindung mit dem Verkauf" entstanden sein müssen, ist es eindeutig, dass nur diejenigen Sanierungskosten abzusetzen sind, die für die konkret verkauften Wohneinheiten entstanden sind.

Da die Klägerin für das Jahr 1997 zunächst die gesamten Sanierungskosten abgesetzt hatte und nicht lediglich diejenigen Sanierungskosten, die auf die verkauften Wohneinheiten entfielen, hatte die Beklagte mit dem Bescheid vom 30. März 2000 einen zu niedrigen Erlösanteil festgesetzt.

Wie das Verwaltungsgericht weiterhin zutreffend ausgeführt hat, war die Beklagte berechtigt, diese Festsetzung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zu ändern. Auch hat sie dabei das ihr eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Dazu nimmt der Senat ebenfalls auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug.

Soweit die Klägerin als zweiten Zulassungsgrund geltend macht, die Rechtssache weise besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, ist dem nicht zu folgen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin bereitet die Frage, wie die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes zu verstehen ist, keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Dazu wird auf die Ausführungen zu dem ersten geltend gemachten Zulassungsgrund verwiesen.

Auch die Frage, ob neben der Vorschrift des § 5 Abs. 3 des Altschuldenhilfegesetzes die Vorschrift des § 48 VwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte anzuwenden ist, führt nicht zu besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache. In § 5 Abs. 3 des Altschuldenhilfegesetzes hat der Gesetzgeber nur einen begrenzten Teilbereich der Folgen geregelt, die bei der Nichterfüllung bzw. nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes gelten sollen. Damit hat der Gesetzgeber aber nicht geregelt, wie zu verfahren ist, wenn das Wohnungsunternehmen unrichtige Angaben zur Höhe von Kosten gemacht hat, die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes abzusetzen sind, und es dadurch zu einem rechtswidrigen Bescheid der Behörde gekommen ist. Aufgrund dieses begrenzten Regelungsbereichs des § 5 Abs. 3 des Altschuldenhilfegesetzes ist es offensichtlich, dass daneben die Vorschrift des § 48 VwVfG anwendbar ist.

Auch ist die Anwendung der Vorschrift des § 48 VwVfG im vorliegenden Verfahren nicht mit besonderen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass zu dieser Bestimmung eine umfangreiche Rechtsprechung ergangen ist. Dieser ist das Verwaltungsgericht gefolgt.

So hat das Verwaltungsgericht auf Seite 8 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 30. März 2000 über die Festsetzung des Erlösanteils kein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist, sondern ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Dies stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu vergleichbaren Heranziehungsbescheiden überein (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. September 1999 - 2 C 22.98 -, BVerwGE 109, 283, 285 f.).

Wenn aber der Bescheid vom 30. März 2000 ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt ist, folgt aus der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, dass die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 48 VwVfG nicht gelten. Auch dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.

Selbst wenn aber trotz der Nichtanwendbarkeit des § 48 Abs. 2 VwVfG zumindest im Rahmen der Ermessensausübung zu prüfen wäre, ob auch ein belastender Verwaltungsakt das Vertrauen des Betroffenen darauf rechtfertigen könnte, dass kein höherer Betrag von ihm zu verlangen ist (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, a. a. O., BVerwGE 109, 287), führte dies hier nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Denn die Klägerin könnte sich nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen, da sie durch unrichtige Angaben über die Höhe der absetzbaren Sanierungskosten die Unrichtigkeit des ursprünglichen Bescheids herbeigeführt hat.

Da die Einschränkung des § 48 Abs. 4 VwVfG bei belastenden Verwaltungsakten nicht gilt, wie die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ergibt (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2005, Rdnr. 150 zu § 48), hatte die Beklagte nicht die Jahresfrist im Sinne von § 48 Abs. 4 VwVfG einzuhalten.

Das Vorbringen der Klägerin zu dem weiteren Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ergibt nicht, dass dieser Zulassungsgrund vorliegt.

Die von der Klägerin angesprochenen Fragen zum Verständnis des § 5 Abs. 2 und 3 des Altschuldenhilfegesetzes und zur Anwendbarkeit des § 48 VwVfG neben diesen Vorschriften sind ohne weiteres eindeutig aus dem Gesetz zu beantworten. In einem solchen Fall ist aber eine grundsätzliche Bedeutung zu verneinen (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Auflage 2005, Rdnr. 10 zu § 132).

Der weitere geltend gemachte Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht in einer Weise dargelegt, die der Begründungspflicht nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entspricht. Um ein Abweichen von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO darzulegen, muss der Rechtsmittelführer einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennen, mit dem das Gericht einem bestimmten Rechtssatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widersprochen hat (vgl. zur entsprechenden Regelung des Revisionsrechts: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328). An einer solchen Darlegung fehlt es hier.

Entgegen der Annahme der Klägerin liegt auch der weitere geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor. Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, den für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt weiter aufzuklären.

Zwar verstößt die Beklagte gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, wenn sie willkürlich ein Wohnungsunternehmen, das unrichtige Angaben zu den absetzbaren Sanierungskosten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes gemacht hat, herausgreift und den Heranziehungsbescheid zu Lasten des Unternehmens ändert, wenn sie in anderen Fällen, in denen die Unternehmen unrichtige Angaben zur Höhe der absetzbaren Sanierungskosten gemacht haben, untätig bleibt. Es sind aber konkrete entsprechende Fälle, in denen die Beklagte nicht eingeschritten ist, weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht von der Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten ausgehen, dass sie immer dann, wenn sie bei der Überprüfung feststelle, dass ein Wohnungsunternehmen unrichtige Angaben zur Höhe der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Altschuldenhilfegesetzes absetzbaren Sanierungskosten gemacht habe, einschreite.

Damit kann nicht festgestellt werden, dass hier Umstände vorliegen, die denjenigen entsprechen, die nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - (BVerfGE 110, 94 ff.) dazu führen, dass eine Vorschrift verfassungswidrig ist.

Da die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg hat, hat sie nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in Höhe des Betrages festzusetzen, der in dem angefochtenen Bescheid von der Klägerin gefordert worden ist.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück