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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: 11 N 786/03
Rechtsgebiete: HundeVO 2002, VwGO
Vorschriften:
HundeVO 2002 § 2 Abs. 1 Satz 2 | |
VwGO § 47 | |
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Polizeirechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch
Präsidenten des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Igstadt, Richter am Hess. VGH Univ.-Prof. Dr. Horn, Richter am VG Steinberg (abgeordneter Richter)
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2004 für Recht erkannt:
Tenor:
Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist Halterin eines American Bulldog.
Mit einem am 7. Oktober 2002 gestellten Normenkontrollantrag hatte sie u. a. die Ungültigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) in der damals geltenden Fassung vom 10. Mai 2002 (GVBl. I S. 90) - im Folgenden: HundeVO 2002 - geltend gemacht. § 2 HundeVO 2002 hatte hinsichtlich der hier maßgeblichen Vorschriften folgenden Wortlaut:
§ 2
Gefährliche Hunde
(1) Gefährlich sind Hunde, die durch Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere in ihren Wirkungen vergleichbare, mensch- oder tiergefährdende Eigenschaft besitzen. Für folgende Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden wird eine Gefährlichkeit vermutet:
...
5. American Bulldog,
...
In diesem Zusammenhang hatte sich die Antragstellerin darauf berufen, für die Aufnahme u. a. des American Bulldog in die Liste von Hunden bestimmter Rassen, Gruppen und deren Kreuzungen, bei denen eine Gefährlichkeit vermutet werde, biete eine auf § 72 HSOG gestützte Gefahrenabwehrverordnung keine ausreichende Grundlage. Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt habe, könne die für den Bereich der Gefahrenabwehr erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch Hunde nicht allein aus deren Rassezugehörigkeit hergeleitet werden. Ein etwaiger hieraus begründeter Gefahrenverdacht könne nur auf besonderer gesetzlicher Grundlage erfolgen, an der es aber fehle. Überdies sei es unter dem Blickwinkel des Gleichbehandlungsgrundsatzes verfehlt, Hunden allein wegen ihrer Rassezugehörigkeit eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft beizumessen und sie deshalb strengeren Regelungen zu unterwerfen als andere Hunde.
Nach Aufhebung der HundeVO 2002 durch § 19 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) vom 22. Januar 2003 (GVBl. I S. 54) erstrebt die Antragstellerin nunmehr die Feststellung, dass die aufgehobene Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2002 nichtig war.
Sie trägt vor, ihr Feststellungsantrag sei nach den geltenden, im Normenkontrollverfahren entsprechend heranzuziehenden Grundsätzen zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich zunächst aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Bei der zwischenzeitlich aufgehobenen HundeVO 2002 handele es sich um den dritten untauglichen Regelungsversuch des Antragsgegners innerhalb kurzer Zeit und es stehe zu befürchten, dass die nunmehr unverändert neu erlassene Nachfolgeregelung an den gleichen rechtlichen Mängeln leide wie die aufgehobene Verordnung. Weiterhin könne sie ein Rehabilitationsinteresse für sich in Anspruch nehmen. Die aufgehobene Bestimmung unterstelle auch nach positiver Wesenstestung eine fortdauernde Gefährlichkeit ihres Hundes. Es bestehe von daher ein anerkennenswertes Interesse an der Feststellung, dass ihr Hund - jedenfalls nach bestandenem Wesenstest - kein gefährlicher Hund sei. Die begehrte Feststellung sei überdies für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bedeutsam. Sie habe unter der Geltung der früheren HundeVO ihren Hund nach Aufforderung des Ordnungsamtes der Stadt A-Stadt einer erneuten Wesensprüfung unterziehen müssen und hierfür eine Gebühr in Höhe von 20,16 € entrichten müssen. Schließlich sei der Wert ihres Hundes, bedingt durch die unwiderleglich vermutete Gefährlichkeit, drastisch gesunken. Hinsichtlich der Begründetheit ihres Antrags verweist die Antragstellerin im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Verfahren 11 N 2751/02 und verweist ergänzend darauf, dass es auch und insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenerforschung nicht gerechtfertigt sei, Hunde auch nach Ablegung einer positiven Wesensprüfung wegen eines angenommenen Restrisikos erneut einer Wesensprüfung zu unterwerfen und sie trotz positiver Testung unwiderleglich als gefährlich einzustufen.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) vom 10. Mai 2002 (GVBl. I S. 90) nichtig war.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält den Antrag wegen des Fehlens einer Wiederholungsgefahr und eines Rehabilitationsinteresses bereits für unzulässig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der Verhandlungsniederschrift vom 27. Januar 2004 (Bl. 49 bis 51 der Gerichtsakten) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Dem Normenkontrollantrag kann kein Erfolg beschieden sein. Der Antrag ist bereits unzulässig.
Ob die zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entwickelten Rechtsgrundsätze überhaupt auf das Rechtsschutzverfahren nach § 47 VwGO übertragen werden können mit der Folge, dass ein Betroffener die Feststellung der Ungültigkeit einer bereits außer Kraft getretenen Rechtsnorm begehren kann, wenn wegen der Anwendung dieser Rechtsnorm noch Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche des Antragstellers in Betracht kommen, ein Rehabilitationsinteresse besteht oder Wiederholungsgefahr geltend gemacht werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 29. August 2001 - 11 N 2497/00 -, Seite 22, 23 des Urteilsabdrucks; ablehnend dagegen etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. August 1980 - 10 C 20/79 -), kann dahin stehen. Jedenfalls sind im vorliegenden Fall die vorstehend dargestellten Voraussetzungen für ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Ungültigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2002 nicht erfüllt. Weder besteht ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse der Antragstellerin im Hinblick auf die mögliche Geltendmachung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen, noch lässt sich ein solches berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation oder der Wiederholungsgefahr bejahen.
Die Annahme eines berechtigten Interesses Im Hinblick auf die beabsichtigte Verfolgung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen setzt u.a. voraus, dass ein entsprechendes gerichtliches Verfahren mit Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998 - BVerwG 2 C 4.97 -, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113).
An diesen Voraussetzungen fehlt es bezüglich der für die Wesensprüfung des Hundes angefallenen Kosten schon deshalb, weil es die Antragstellerin versäumt hat, gegen die Auferlegung dieser Kosten durch Bescheid der Stadt A-Stadt vom 27. November 2002 die ihr zustehenden Rechtsbehelfe zu ergreifen. In Folge der durch die Bestandskraft dieses Bescheides eingetretenen Bindungswirkung könnte der Antragstellerin auch nach der von ihr angestrebten Feststellung der Ungültigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2002 ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch in Bezug auf die ihr entstandenen Kosten nicht zuerkannt werden. Eine entsprechende Rechtsverfolgung wäre deshalb von vornherein aussichtslos.
Eine Absicht, den überdies ohne jegliche Substantiierung behaupteten Wertverlust ihres Hundes auf gerichtlichem Wege geltend zu machen, wird von der Antragstellerin selbst nicht dargetan.
Ein anzuerkennendes Rehabilitationsinteresse steht der Antragstellerin in Bezug auf die mit der Listung von American Bulldogs in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2002 verbundene Einstufung ihres Hundes als gefährlicher Hund nicht zu. Mit dieser Einordnung ist keine Diskriminierung der Antragstellerin oder eine Beeinträchtigung ihrer persönlicher Rechte oder Belange verbunden (vgl. zu diesen Voraussetzungen: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 142 ff. mit weiteren Nachweisen), die ein Interesse an der Feststellung der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Regelung als schutzwürdig erscheinen lassen könnte. Durch die HundeVO 2002, wie auch durch die geltende HundeVO vom 22. Januar 2003, wird die Haltung von Listenhunden und anderen gefährlichen Hunden nicht etwa als gemeinschädlich qualifiziert und deshalb unterbunden. Vielmehr wird das Interesse an der Haltung auch dieser Hunde grundsätzlich anerkannt. Wegen der bei ihnen vermuteten Gefährlichkeit wird die Haltung dieser Hunde lediglich von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht. Dass die Antragstellerin wegen ihres Hundes womöglich der Anfeindung oder Ablehnung von Mitbürgern ausgesetzt ist, vermag das erforderliche Rehabilitationsinteresse allein nicht zu begründen. Die diskriminierende Wirkung muss vielmehr von der beanstandeten Regelung selbst ausgehen.
Davon abgesehen könnte die Antragstellerin die durch die beantragte Ungültigkeitsfeststellung angestrebte Wiedergutmachung schon deshalb nicht erreichen, weil auch in der geltenden HundeVO die Gefährlichkeit von American Bulldogs vermutet wird (vgl. die inhaltsgleiche Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2003). Die nach der Behauptung der Antragstellerin mit der Listung von American Bulldogs einher gehende Diskriminierung kann somit nur durch einen gegen das geltende Recht gerichteten Normenkontrollantrag ausgeräumt werden.
Da der Verordnungsgeber die beanstandete Regelung ohne inhaltliche und systematische Änderung in die geltende Verordnung übernommen hat, ist für die angestrebte Feststellung der Ungültigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 HundeVO 2002 schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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