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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 11 TG 1009/01
Rechtsgebiete: GefHundeVO


Vorschriften:

GefHundeVO § 11 Abs. 2
Durchsetzung einer Tötungsanordnung (§ 11 Abs. 2 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde)
Gründe:

Die mit Beschluss des Senats vom 2. April 2001 zugelassene Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem im Tenor genannten Antrag des Antragstellers nach der im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben. Die Tötungsanordnung der Antragsgegnerin vom 30. November 2000 ist offensichtlich rechtmäßig und es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug dieser rechtmäßigen Verfügung.

Die das Ermessen für den Erlass einer Tötungsanordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von gefährlichen Hunden - Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde - vom 15. August 2000 (GVBl. I, S. 411) eröffnenden Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Hund des Antragstellers ist gefährlich im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 dieser Verordnung, da er ein anderes Tier durch Biss geschädigt hat, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Die der Tötungsanordnung zugrunde gelegten Tatsachen rechtfertigen auch die Annahme, dass von dem Hund eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Dazu wird auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 19. Oktober 2000 - 3 G 2333/00 - und vom 16. Januar 2001 - 3 G 2890/00 - Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht die Gutachten der Sachverständigen Hieronymus und Henkel im Hinblick auf die gesteigerte und unkontrollierte Aggressivität des Hundes zugrunde legt. Die Antragsgegnerin hat auch das von ihr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde auszuübende Ermessen im Hinblick auf den Erlass einer Tötungsanordnung rechtmäßig ausgeübt. Ergänzend zu den insoweit zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin zu Recht auch in die Ermessenserwägungen einbezogen hat, dass der Hund tatsächlich nicht mehr vermittelbar ist, da er die Wesensprüfung nicht bestanden hat. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat auch sachgemäß auf die Ergänzung der Ermessenserwägungen aufgrund der im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens eingetretenen Entwicklung des Hundes hingewiesen. Danach hat die Tierärztin Dr. H. D. am 14. März 2001 im Rahmen einer "Befunderhebung" festgestellt, dass der Hund "Dominator" des Antragstellers sich in einem beklagenswerten Zustand befand, zum Teil offensichtlich aufgrund von Selbstverstümmelungen. Der Hund habe im Bereich der Zehen an beiden Vorderpfoten kahle Stellen, teilweise nässend, aufgewiesen. Im Bereich des linken Carpalgelenkes befinde sich eine Hautveränderung mit zentraler dunkler Verfärbung und an beiden Hintergliedmaßen zeigten sich kahle Stellen. Am Schwanzansatz fehlten Haare, die Haut sei dort verkrustet. Der Hunde stehe immer wieder mit starrem Ausdruck heulend im Zwinger und lasse sich auch durch Zureden und Zurufen nicht ablenken. Wenn er mit dem Geheule aufhöre, lecke er sich immer wieder an den beschriebenen Stellen an den Zehen. Es sei offensichtlich, dass der Hund erheblich leide. Eine Behandlung des Tieres sei aufgrund der Gefährlichkeit nicht möglich und eine weitere Haltung deshalb nicht zu vertreten. Diese ergänzenden Ermessenserwägungen, die auch zur Ergänzung der Begründung des Verwaltungsaktes bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nachgeholt werden können (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVwVfG), rechtfertigen zusätzlich und maßgeblich die von der Antragsgegnerin erlassene Tötungsanordnung. Es stellt eine sachgemäße Ermessenserwägung dar, die Tötung eines nicht mehr vermittelbaren Hundes auch deshalb anzuordnen, weil ein Tier nach fachärztlicher Einschätzung nur noch unter nicht mehr behebbaren, erheblichen Schmerzen und Leiden weiterleben kann. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sieht § 16 a Nr. 2 Tierschutzgesetz ausdrücklich vor, dass die zuständige Tierschutzbehörde ein Tier auf Kosten des Halters schmerzlos töten lassen kann. Die Antragsgegnerin hat somit ihr Ermessen mit sachgerechten Erwägungen rechtmäßig ausgeübt. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers demgegenüber im Beschwerdeverfahren ausführt, es sei nicht festgestellt, dass der Hund aggressiv sei, weil die Begutachtungen außerhalb seines früheren Lebensumfeldes stattgefunden hätten, kann dies gegenüber den mehrfachen Begutachtungen des Hundes durch verschiedene Hundesachverständige nicht durchgreifen. Dazu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Wesensprüfung zulässigerweise gerade außerhalb des engeren Lebensumfeldes des Hundes stattfinden kann, um seine Reaktion auch im öffentlichen Raum zu überprüfen. Zum andern hat der Hund des Antragstellers seine Aggressivität hier gerade in seinem gewohnten Lebensumfeld durch den Beißangriff auf den Hund auf dem Nachbargrundstück bewiesen. Nach den oben genannten Gutachten sind Besserungsmöglichkeiten insoweit nicht ersichtlich. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hinweist, dass der Hund des Antragstellers unmittelbar nach dem Vorfall von einem der vor Ort im Einsatz gewesenen Polizeibeamten positiv beurteilt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich eines Vermerks in der Behördenakte vom 11. August 2000 dieser Polizeibeamte bei einer Dienstbesprechung mit Vertretern der Antragsgegnerin ausdrücklich festgestellt hat, dass er die Gefährlichkeit des Hundes unmittelbar nach dem maßgeblichen Vorfall falsch eingeschätzt habe. Insgesamt ist deshalb festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde für den Erlass einer Tötungsanordnung vorliegen und die Antragsgegnerin ihr Ermessen insoweit rechtmäßig ausgeübt hat.

Auch die Anordnung des Sofortvollzuges ist rechtmäßig. Soweit die Begründung des Sofortvollzuges den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in der Fassung des Bescheides vom 30. November 2000 zunächst nicht genügte, weil sie zu formelhaft war und nicht ausreichend konkret das besondere öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug der Tötungsanordnung darlegte (vgl. dazu auch den Beschluss des Senats vom 05.04.2001 - 11 TG 689/01 -), ist auch insoweit die Begründung ausreichend und sachgemäß durch die ergänzenden Erwägungen der Antragsgegnerin im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren nachgeholt worden (§ 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVwVfG, § 114 Satz 2 VwGO). Die Antragsgegnerin hat aufgrund der oben dargestellten Ausführungen ihrer Bevollmächtigten, insbesondere auf der Grundlage der tierärztlichen Begutachtung vom 14. März 2001 eindrücklich belegt, dass die Tötung des sichergestellten Hundes des Antragstellers gerade auch tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten wegen des erheblichen Leidens des Hundes durch die Zwingerhaltung und die damit einhergehende Tendenz zur Selbstverstümmelung geboten ist. Auf dieser Grundlage kann entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die weitere Unterbringung des Hundes in einem Zwinger tierschutzrechtlich noch das mildere Mittel zu der beabsichtigten Tötung darstellte. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass der "Zeitfaktor" ein sachgerechter und im Einzelfall - wie hier - maßgeblicher Gesichtspunkt für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung einer Tötungsanordnung sein kann. In einem Fall wie dem vorliegenden, kann es deshalb grundsätzlich sachlich geboten sein, eine Tötungsanordnung sofort zu vollziehen, weil - wie dem Rechtsgedanken des § 16 a Nr. 2 Tierschutzgesetz zu entnehmen - ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, dass ein Tier nicht unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen und Leiden weiterleben muss.

Die Kosten des gesamten Verfahrens werden gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeneinander aufgehoben. Der Senat berücksichtigt bei der Kostenentscheidung, dass die Antragsgegnerin zunächst eine unzureichende Begründung ihrer Vollziehungsanordnung gegeben und damit das Entstehen von Kosten durch das erstinstanzliche Verfahren mitverursacht hat (§ 155 Abs. 5 VwGO), zum anderen hätte der Antragsteller im Übrigen als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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