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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: 11 TG 2490/04
Rechtsgebiete: WaffG


Vorschriften:

WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1
Auch die Verurteilung zu einer "Gesamtstrafe" von mindestens 60 Tagessätzen wegen der Verwirklichung von in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftaten begründet die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

11 TG 2490/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Waffenrechts - Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Widerrufs von Waffenbesitzkarten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Präsidenten des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Igstadt

am 14. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt, für das Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 30. Juli 2004 - 2 G 1811/04 - wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 30. Juli 2004 - 2 G 1811/04 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren hat keinen Erfolg. Die mit dem Beschwerdeverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Sinne des § 114 ZPO, § 166 VwGO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.

Die zulässige, fristgerecht eingelegte und gemäß § 146 Abs. 4 VwGO fristgemäß begründete Beschwerde kann aus den von dem Bevollmächtigten des Antragstellers dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2004 - 3223 -/895 wiederherzustellen, abgelehnt.

Die Voraussetzungen für die Regelvermutung des Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG liegen auch unter Berücksichtigung der Tatsache vor, dass der Antragsteller durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 10. April 2003 - 9831 JS .........../02 - zu einer "Gesamtgeldstrafe" von 65 Tagessätzen zu je 20,-- € wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist. Damit ist der Antragsteller im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG zu einer "Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen" rechtskräftig verurteilt worden. Dem steht anders als nach Auffassung des Bevollmächtigten des Antragsstellers nicht entgegen, dass ausweislich des zugrundeliegenden Strafbefehls des Amtsgerichts A-Stadt vom 9. Januar 2003 diese "Gesamtgeldstrafe" aus Einzelstrafen von 50 und 30 Tagessätzen gebildet wurde. Maßgeblich ist, dass der Antragsteller wegen einschlägiger Straftaten im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) und b) WaffG - der vorsätzlichen Straftaten unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB sowie wegen der fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315 Abs. 1 c Nr. 1 a) Abs. 3 Nr. 2 StGB - verurteilt worden ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten liegt nicht nur "eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat lediglich in Höhe von 30 Tagessätzen" vor. Nach dem maßgeblichen Tenor des amtsgerichtlichen Urteils ist wegen der oben genannten Straftaten eine Verurteilung zu einer Gesamtstrafe von 65 Tagessätzen erfolgt.

Auch die Verurteilung zu einer "Gesamtstrafe" von mindestens 60 Tagessätzen wegen der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftaten begründet die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Dies kann der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG entnommen werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Waffengesetz 2003 wird die Festsetzung von 60 Tagessätzen auf der Rechtsfolgen-Seite als Maßstab für die Anknüpfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit im Falle einer Erstverteilung als "Mittelweg" bezeichnet, der im Kompromiss mit den Ländern gefunden worden sei. Er trage der Tatsache Rechnung, dass gemessen an der Praxis der Gerichte Verurteilungen zu 60 Tagessätzen bei einer Geldstrafe durchaus ein erhebliches Unwerturteil enthielten. Dies setze einiges Gewicht der "konkreten Tat" voraus, so dass bei einer Grenze von 60 Tagessätzen Bagatelltaten nicht erfasst würden(BT-Drs. 14/7758, 54). Für den Gesetzgeber kam es somit nicht nicht auf die Verwirklichung eines Straftatbestandes, sondern maßgeblich auf die "Verurteilung" wegen einer "konkreten Tat" mit den in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Deliktsarten an. In seiner Stellungnahme dazu hat der Bundesrat seine Forderung, die Zahl der erforderlichen Tagessätze von 60 auf 30 zu reduzieren, damit begründet, dass bei Beibehaltung der Grenze von 60 Tagessätzen künftig in vielen Deliktsgruppen nur noch Erst-Verurteilungen mit einem auf besonders schwere Begleitumstände zurückgehenden, außergewöhnlich hohen Strafausspruch zulässigkeitsrelevant seien. In Anbetracht der quantitativen Bedeutung der dann bereits tatbestandlich von der Regelvermutung ausgeschlossenen (Erst-)Verurteilungen würde dies unter praktischer Umkehrung des bisherigen Regel-/Ausnahmeverhältnisses dazu führen, dass dem überwiegenden Teil der derzeit vom Erwerb oder weiteren Besitz erlaubnispflichtiger Schusswaffen auszuschließenden Straftäter künftig der Erwerb oder weitere Besitz dieser Gegenstände behördlich gestattet werden müsse. Bei einer Absenkung der Strafmaßgrenze auf 30 Tagessätze wären von der Regelvermutung tatbestandlich nur Erstverurteilungen ausgeschlossen, die einen außergewöhnlich geringfügigen Strafausspruch aufwiesen und daher die allgemeine Unterstellung eines "Bagatellfalls" auch sachlich rechtfertigten (BT-Drs. 14/7758, 105).

Auch in dieser Begründung des Bundesrates wird entscheidend auf die tatsächlich erfolgte "Verurteilung" zu einer bestimmten Zahl von Tagessätzen abgestellt und nicht auf den Ansatz von Einzelstrafen, die je nach strafrechtlicher Bewertung der Begehung der Straftaten in Ideal- oder Realkonkurrenz gemäß §§ 52, 53 StGB bei Bejahung der Realkonkurrenz zu einer "Gesamtstrafe" zusammengefasst werden. In ihrer Gegenäußerung, in der sie den Vorschlag einer Herabsetzung der Zahl der Tagessätze ablehnt, hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, als Folge der Neubestimmung der Unzuverlässigkeit in Bezug auf Straftaten sei es geboten, wegen der Ausweitung der Tatbestandsseite auf der Rechtsfolgenseite die Tagessatzgrenze für Erstverurteilungen für Geldstrafen so anzusetzen, dass nicht nur außergewöhnlich geringfügige, sondern gemessen an der Spruchpraxis der Gerichte geringfügige Strafaussprüche von Gesetzes wegen außer Betracht blieben. Insbesondere beim "Massendelikt" der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt führe dies zu sachgerechten Ergebnissen. Erstmalige Verurteilungen wegen dieses Tatbestandes begründeten nur dann die Regelvermutung der Unzulässigkeit, wenn besondere Umstände, etwa eine gesteigerte Aggressivität des Täters oder die Verursachung von Schäden hinzuträten (BT-Drs. 14/7758, 128). Gerade dieser Hinweis auf besondere Umstände im Zusammenhang mit der Trunkenheitsfahrt deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber für die Begründung der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht auf die Verwirklichung eines Tatbestandes im strafrechtlichen Sinne, sondern auf die Verurteilung wegen der nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG einschlägigen Straftatbestände abstellt.

Auf dieser Grundlage ist auch unter Aspekten der Gesetzessystematik davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Waffengesetzes mit dem Bezug auf eine "Verurteilung" wegen Verwirklichung der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftatbestände nicht darauf abstellen wollte, ob die Verurteilung auf Straftatbeständen beruhte, die im konkreten Fall in Tateinheit oder Tatmehrheit verwirklicht wurden. Ausschlaggebend ist insoweit allein, dass eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgte, die über der auf der Tatbestandsseite geregelten Mindesthöhe für den Eintritt der Rechtsfolge liegt. So kommt es auch bei § 17 Abs. 4 Nr. 1 Bundesjagdgesetz, der ausweislich der Gegenäußerung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG nachgebildet worden ist (BT-Drs. 14/7758, 128), auf die Tatsache der Verurteilung als solche an, nicht aber auf die Tat in ihrer strafrechtlichen dogmatischen Einordnung (vgl. Bay. VGH, U. v. 20.10.1994 - 19 B 94.1483 -, BayVBl. 1995, 401 <402>). Auch bei der Ausweisung eines Ausländers wegen besonderer Gefährlichkeit gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG aufgrund der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz u. a. wird im Hinblick auf die Frage, ob eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe erfolgt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, die Verurteilung zu einer "Gesamtfreiheitsstrafe" in der genannten Mindesthöhe als ausreichend angesehen. Dieser Ausweisungstatbestand sei erfüllt, wenn der Ausländer wegen verschiedener in Tatmehrheit begangener Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden sei (Bay. VGH, U. v. 23.09.2002 - 24 B 02.153 - InfAuslR 2003, 58 <59>). Entscheidend ist insoweit, dass gegen den Verurteilten nur "eine" Strafe verhängt wird, da bei der Gesamtstrafenbildung die Einzelstrafen in der Gesamtstrafe aufgehen. Durch die Gesamtstrafenbildung nach § 54 StGB habe in einer Gesamtschau eine zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und des Verhältnisses der einzelnen Straftaten zueinander stattgefunden; deshalb sei allein auf die Gesamtstrafe abzustellen, ohne die jeweiligen Einzelstrafen zu berücksichtigen (OVG des Saarlandes, B. v. 10.02.2000 - 9 V 25/99 - juris, Volltext). Da nur "eine" Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgt sei, könne es im Rahmen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG keinen Unterschied für die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Ausländers machen, ob er tateinheitlich wegen "einer" Tat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der erwähnten Mindesthöhe verurteilt worden sei, weil sich alle Handlungen auf eine Gesamtmenge eines bestimmten Betäubungsmittels bezogen hätten, oder ob der Ausländer bei Begehung der Taten in Tatmehrheit im Wege der Bildung einer Gesamtstrafe wegen gleichartiger Handlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer solchen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei (VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.03.2003 - 11 S 525/03 -, NVwZ-RR 2003, 595). Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit eines Ausländers sei nicht danach zu differenzieren, ob er in einer Hauptverhandlung wegen mehrerer tatmehrheitlich begangener Delikte nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt werde oder eine solche Verurteilung erst im Wege einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung erfolgen könne. Maßgeblich sei nur, dass die Verurteilung auf einer Gesamtstrafe beruhe, in die nur Einzelstrafen wegen der Verwirklichung eines Delikts nach dem Betäubungsmittelgesetz im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG eingegangen seien.

Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG soll die Bestimmung nicht nur dann gelten, wenn der Betroffene wegen einer einzigen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sei, sondern in gleicher Weise auch dann, wenn eine derartige Verurteilung wegen mehrerer Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz erfolgt sei. Es komme nicht darauf an, ob der Betroffene wegen eines einzigen oder wegen mehrerer Rauschgiftdelikte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sei (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 12.09.2002 - 3 Bf 277/99 -, InfAuslR 2003, 420). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat den Tatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG in Fällen als erfüllt angesehen, in denen ein Ausländer wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war (BVerwG, U. v. 26.02.2002 - 1 C 21/00 -, InfAuslR 2002, 338). Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenso im Beamtenrecht die Frage bejaht, ob die zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führende Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bei einer Gesamtfreiheitsstrafe in dieser Höhe wegen mehrerer vorsätzlicher Rechtsverletzungen vorliege. Ein Beamter, der durch mehrere Rechtsverstöße eine Freiheitsstrafe von insgesamt einem Jahr oder mehr verwirklicht habe, habe sich für den öffentlichen Dienst nicht weniger untragbar gemacht als ein Beamter, der eine solche Strafe bereits durch einen einzigen Rechtsverstoß verwirklicht habe. Als "eine vorsätzliche Tat" im Sinne der beamtenrechtlichen Regelung sei das dem Strafausspruch wegen vorsätzlichen Handelns insgesamt zugrunde liegende Verhalten anzusehen (BVerwG, B. v. 10.06.1992 - 2 B 88/92 u. a. -, Buchholz 239.1 § 59 BeamtVG Nr. 2). Bei einem Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften v.a. aus dem ordnungsrechtlichen Bereich, die an strafrechtliche Verurteilungen nach dem Maßstab der Höhe der Strafe rechtliche Folgen knüpfen, ist festzustellen, dass unter "Strafe" auch die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe zu verstehen ist. Danach kann auch für die Beurteilung der vorliegend erheblichen Frage davon ausgegangen, dass die Verurteilung zu einer "Gesamtstrafe" von mindestens 60 Tagessätzen den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG erfüllt.

Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, wie sie aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zu § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG (a.a.O. S. 128) deutlich wird. Danach sollen gemessen an der Spruchpraxis der Gerichte "geringfügige Strafaussprüche" von Gesetzes wegen außer Betracht bleiben. Maßgeblich soll also der Strafausspruch im Rahmen einer Verurteilung und nicht die Verwirklichung einzelner Straftatbestände sein. Da Strafaussprüche nach dem Strafgesetzbuch bei in Tatmehrheit begangenen Straftaten gemäß § 53 StGB bei gleichzeitiger Aburteilung zwingend durch Bildung einer Gesamtstrafe erfolgen, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch die Fälle einer "Gesamtstrafe" von mindestens 60 Tagessätzen wegen der Verwirklichung von in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftatbeständen in den Regelungsbereich dieser Norm einbeziehen wollte. Verwirklicht ein Täter mehrere Straftatbestände und wird deshalb zu einer (Gesamt-) Strafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt, kann von einem geringfügigen Strafausspruch, der im Hinblick auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit außer Betracht zu bleiben hätte, nicht mehr gesprochen werden. Würde ein Täter, der im Rahmen eines einheitlichen Tatkomplexes mehrere Straftatbestände verwirklicht hätte, unter Einsatz mehrerer Einzelstrafen von 50 Tagessätzen zu einer Gesamtstrafe von erheblich mehr als 60 Tagessätzen verurteilt, ohne dass dies im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit berücksichtigt werden könnte, könnten bei der Bewertung der Anforderungen an die waffenrechtlichen Zuverlässigkeit, die entgegen der nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Gesetz verfolgten "Verschärfung" der Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern (BT-Drs 14/7758, 1) im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insbesondere bei Trunkenheitsfahrten gegenüber der früheren Rechtslage schon deutlich reduziert worden sind, gewichtige strafrechtliche Verstöße im Rahmen der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG nicht mehr berücksichtigt werden.

Das Waffengesetz 2003 hat zu einer erheblichen Verringerung der Zuverlässigkeitsanforderungen im Falle des von der Bundesregierung so bezeichneten "Bagatelldelikts" der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt bei einer Verurteilung unter 60 Tagessätzen geführt, weil im Unterschied zu der bis 2003 geltenden Rechtslage nicht mehr die einmalige rechtskräftige Verurteilung wegen einer gemeingefährlichen Straftat wie der Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB ausreicht (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG in der bis zum März 2003 geltenden Fassung), sondern eine (Erst-)Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 60 Tagessätzen erforderlich ist, um die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit zu begründen. Nach der obengenannten Begründung des Gesetzentwurfes durch die Bundesregierung sollen solche "Bagatell-Taten" für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr von Bedeutung sein. Im vorliegenden Falle hat das Amtsgericht wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,3 Promille eine Einzelstrafe von 50 Tagessätzen in Ansatz gebracht. Nach Auffassung der Bundesregierung führt bei dem "Massendelikt" der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt nur die Normierung der Mindeststrafhöhe von 60 Tagessätzen zu sachgerechten Ergebnissen im Hinblick auf die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit. Unter dem Gesichtspunkt der mit der Neufassung des Waffenrechts vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigten "Verschärfung" der waffenrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen ist deshalb davon auszugehen, dass gemäß dieser Zwecksetzung auch die rechtskräftige Verurteilung zu einer Gesamt-Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen wegen der Begehung von in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftaten die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit begründet.

Dies gilt im vorliegenden Falle für den Antragsteller, der zu einer Gesamtstrafe von 65 Tagessätzen verurteilt worden ist. Nach den Feststellungen des insoweit rechtskräftigen Strafbefehls fuhr der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von ca. 2,3 Promille mit seinem Pkw, kam dabei von der Fahrbahn ab und stieß gegen einen geparkten Pkw, an dem ein Schaden in Höhe von ca. 4.000,-- € entstand. Obwohl der Antragsteller den Unfall bemerkt habe, habe er mit dem Fahrzeug die Unfallstelle verlassen, ohne seinen Pflichten zu genügen. Die strafgerichtliche Bewertung dieses Tatkomplexes führte zu der Gesamtstrafe von 65 Tagessätzen. Der Umstand, dass die Gesamtstrafe aus Einzelstrafen von 50 und 30 Tagessätzen gebildet wurde, beruht auf der Qualifizierung, dass unter den Gesichtspunkten von Ideal- und Realkonkurrenz gemäß §§ 52, 53 StGB die Dauerstraftat der Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB regelmäßig endet, wenn sich der Täter nach einem von ihm verursachten Unfall zur Flucht entschließt. Eine solche Dauerstraftat werde durch den Unfall abgeschlossen. Wenn der Täter der sich aus § 142 StGB ergebenden Wartepflicht zuwider weiterfährt, handelt es sich um einen neuen Fahrentschluss und damit auch im Hinblick auf die Weiterfahrt im Zustand der Fahruntüchtigkeit um eine rechtlich selbständige Handlung (BGH U. v. 17.02.1967 - 4 Str 461/66 -, BGHSt 21, 203 [204]). Nach strafrechtlicher Dogmatik besteht somit in diesen Fällen Realkonkurrenz im Sinne des § 53 StGB (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 316 Rdnr. 56). Da die dem Antragsteller gegenüber verhängte Gesamtstrafe von 65 Tagessätzen sich ausschließlich auf Straftaten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG bezieht, ist die Antragsgegnerin zu Recht vom Vorliegen der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen.

Die Beschwerde ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten auch nicht deshalb begründet, weil dem Kläger nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und einem Kurs zur Verbesserung verkehrsgerechten Verhaltens die Fahrerlaubnis wieder erteilt worden sei. Dies gilt unabhängig davon, ob ein dem Verurteilten günstiges medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten im Einzelfall die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG im Einzelfall ausnahmsweise widerlegen kann (Hess. VGH. U. v. 20.11.1994 - 11 UE 1498/93 -). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Gutachten gerade im Hinblick auf die Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheitsfahrten nicht auf einer vollständigen Tatsachengrundlage beruhe, weil der Antragsteller im Rahmen der Exploration den Gutachtern von zwei Verurteilungen im Jahre 1977 wegen Straßengefährdung durch Trunkenheit, davon einmal in Tateinheit mit unerlaubten Entfernen vom Unfallort und im Jahre 1978 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr, nichts berichtet habe. Da das Gutachten insoweit auf unvollständigen Tatsachengrundlagen beruht, ist es gerade in diesem maßgeblichen Gesichtspunkt nicht aussagekräftig. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers kommt es für die medizinisch-psychologische Anamnese nicht darauf an, ob diese Verurteilungen nach den Vorschriften des Bundeszentralregisters getilgt worden sind. Für die medizinisch - psychologische Bewertung der Gutachter können rechtskräftige Verurteilungen wegen Trunkenheitsfahrten durchaus von erheblicher Bedeutung sein, auch wenn sie inzwischen aus dem Bundeszentralregister getilgt worden sind.

Zudem ist unabhängig davon darauf hinzuweisen, dass das Gutachten in seiner abschließenden Stellungnahme zu dem Ergebnis kommt, es sei "zu erwarten, dass Herr ... mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird". Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis werde daher nicht befürwortet. Die Verhaltensprognose könne jedoch durch die Teilnahme an einem wissenschaftlich auf seine Wirksamkeit überprüften und amtlich anerkannten Nachschulungskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer günstig beeinflusst werden. Auch wenn der Antragsteller den Nachschulungskurs erfolgreich absolviert hat, ist nicht ersichtlich, dass die zusammenfassende Feststellung des Gutachtens, der Antragsteller werde mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen, eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG begründen könnte.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil seine Beschwerde ohne Erfolg bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 47, 72 GKG. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen dazu im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66, Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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