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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.03.2000
Aktenzeichen: 11 TG 3096/99
Rechtsgebiete: BGB, VwGO, VwVfG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 193
VwGO § 57 Abs. 2
VwVfG § 31 Abs. 3
ZPO § 222 Abs. 2
Für den Widerruf des Prozessvergleichs als Prozesshandlung gilt § 222 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 57 Abs. 2 VwGO entsprechend. Soweit der Prozessvergleich materiell-rechtlich als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist, findet auch § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG Anwendung. § 31 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 VwVfG sind in diesen Fällen nicht einschlägig.
Gründe:

Die von dem Senat mit Beschluss vom 11. Oktober 1999 - 11 TZ 716/99 - zugelassene Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 23. Februar 1998 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 1998 abgelehnt und festgestellt, dass das Verfahren beendet sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das erstinstanzliche Eilverfahren nicht durch den in der Verhandlung vor der Berichterstatterin im erstinstanzlichen Verfahren am 30. Oktober 1998 geschlossenen Vergleich beendet worden. Da zudem überwiegende Gründe dafür sprechen, dass die oben genannte Verfügung der Antragsgegnerin rechtswidrig ist und an der von der Antragsgegnerin angeordneten sofortigen Vollziehung dieser Verfügung deshalb kein öffentliches Interesse besteht, war auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen diese Verfügung wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Durch den obengenannten Vergleich vom 30. Oktober 1998 war das erstinstanzliche Eilverfahren nicht beendet worden, da der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit per Telefax am Montag, dem 16. November 1998, bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingegangenem Schriftsatz diesen Widerruf wirksam widerrufen hatte. Das Verwaltungsgericht ist in seinem angefochtenen Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen, der am 30. Oktober 1998 geschlossene Vergleich sei rechtskräftig geworden, weil der Widerruf dieses Vergleichs durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin verspätet gewesen sei. Dieser der Antragstellerin in dem obengenannten Vergleich unter 5. vorbehaltene Widerruf war wirksam, auch wenn er erst einen Tag nach dem dort genannten Datum bei dem Verwaltungsgericht eingegangen ist. In dem Vergleich war der Antragstellerin unter 5. vorbehalten, "diesen Vergleich bis zum 15. November 1998 (Datum des Eingangs des Schriftsatzes bei Gericht) zu widerrufen".

Die Frist für den Widerruf dieses Vergleichs ist sowohl nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO als auch nach § 193 BGB eingehalten worden. Der Inhalt dieser Regelungen ist für die Beurteilung des Ablaufs einer Frist für den Widerruf eines Prozessvergleichs - wie im vorliegenden Falle - heranzuziehen. Dazu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der in dem hier streitbefangenen Prozessvergleich vom 30. Oktober 1998 unter 5. getroffenen Regelung um die Vereinbarung einer "Frist" im Rechtssinne handelt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht dagegen nicht, dass für das Ende der Frist ein bestimmter "Endtermin" bestimmt worden ist. Mit seiner Auffassung, im vorliegenden Falle hätten die Beteiligten "keinen Zeitraum bestimmt, sondern für die letztmögliche Abgabe einer Prozesserklärung ein festes Enddatum vereinbart", geht das Verwaltungsgericht fehl. Eine "Frist" ist ein abgegrenzter, bestimmter oder jedenfalls bestimmbarer Zeitraum, ein "Termin" ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Rechtswirkung eintritt (Heinrichs in: Palandt, BGB, 59. Aufl. 2000, § 186 Rdnr. 3, 4). Fristen im Rechtssinne bezeichnen rechtserhebliche Zeiträume, in denen bestimmte Handlungen oder Willenserklärungen vorgenommen werden müssen, die Rechtsfolgen haben sollen (Meissner in: Schoch u. a., VwGO, Stand: März 1999, § 57 Rdnr. 9). Der Qualifizierung eines Zeitraums als Frist steht nicht entgegen, dass das Ende dieses Zeitraums nicht nur durch die allgemeine Angabe von Wochen, Tagen oder Jahren bestimmbar ist, sondern datumsmäßig genau bestimmt ist. Fristen können deshalb auch mit einem festen Enddatum bestimmt werden (Eyermann/J. Schmidt, 10. Aufl. 1998, § 57 Rdnr. 3). Auch eine "Widerrufsfrist", deren Ende durch einen datumsmäßig genau bestimmten Tag bezeichnet ist, ist eine Frist im Rechtssinne (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 221 Rdnr. 9). Das Verwaltungsgericht verkennt, dass die Beteiligten in dem Prozessvergleich keinen bestimmten Zeitpunkt für den Widerruf des Prozessvergleichs bestimmt haben, sondern einen Zeitraum, innerhalb dessen der Prozessvergleich widerrufen werden konnte; der Umstand, dass das Ende dieses Zeitraums mit einem datumsmäßig festgelegten Termin bestimmt worden war, ändert nichts daran, dass für die Möglichkeit eines Widerrufs "bis zum" 15. November 1998 ein Zeitraum bestimmt worden war, nach dessen Ende bestimmte Rechtswirkungen eintreten sollten, und der deshalb als "Frist" im Rechtssinne zu qualifizieren ist.

Auf diese Frist kann sowohl § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO als auch § 193 BGB entsprechend oder unmittelbar angewendet werden. Nach beiden Vorschriften endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag - wie hier relevant - fällt. Sowohl die prozessualen Normen als auch die materiell-rechtliche Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches können hier wegen der Doppelnatur des Prozessvergleichs als Prozesshandlung und materiell-rechtlichen Vertrages über den Streitgegenstand des Prozesses herangezogen werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 106 Rdnr. 10; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach u. a., ZPO, 58. Aufl. 2000, Anhang zu § 307 ZPO Rdnr. 4). Soweit deshalb der Widerruf des Prozessvergleichs eine Prozesshandlung ist, ist auf ihn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts § 57 Abs. 2 i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO anwendbar. Zwar ist die Widerrufsfrist in einem Prozessvergleich keine "prozessuale" Frist (Hartmann, a. a. O., § 222 Rdnr. 2), § 222 ZPO deshalb unmittelbar nicht anwendbar. Die Wirksamkeit eines Widerrufs eines Prozessvergleichs ist aber als Prozesshandlung nach den prozessualen Vorschriften zu beurteilen (Hartmann, a. a. O., Anhang zu § 307 ZPO Rdnr. 11). Als für eine prozessuale Handlung maßgebliche Frist handelt es sich damit auch um eine eigentliche "Frist", auf die § 57 VwGO grundsätzlich Anwendung findet (Czybulka in: Sodann/Ziekow, VwGO, Stand: November 1999, § 57 Rdnr. 7; Eyermann/J. Schmidt, a. a. O., § 57 Rdnr. 2; Stein/Jonas/Roth, a. a. O., vor § 214 ZPO Rdnr. 20). Somit ist auf die Widerrufsfrist für einen Prozessvergleich im Verwaltungsstreitverfahren § 222 Abs. 2 ZPO anwendbar (Kopp/Schenke, a. a. O., § 106 Rdnr. 17; Bader/von Albedyll, VwGO, 1999, § 57 Rdnr. 4). § 222 ZPO gilt auch für den Widerruf eines Prozessvergleichs, dessen Ende durch Benennung eines Endzeitpunkts datumsmäßig genau bestimmt ist (Stein/Jonas/Roth, a. a. O., § 222 Rdnr. 3, 14 und 17). Soweit deshalb zu berücksichtigen ist, dass Prozessvergleich und damit auch der Widerruf eines Prozessvergleichs Prozesshandlungen darstellen, ist § 222 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 57 Abs. 2 VwGO mit der Folge anwendbar, dass die Frist für den Widerruf eines Prozessvergleichs, in dem als Fristende ein Datum bestimmt ist, das auf einen der in § 222 Abs. 2 ZPO genannten Tage fällt, erst am nächsten Werktag abläuft.

Aber auch soweit man den Prozessvergleich als materiell-rechtlichen Vertrag qualifiziert und die Fristberechnung sich somit nach materiell-rechtlichen Vorschriften richtet, gilt im Ergebnis das Gleiche. Da es sich bei dem hier geschlossenen Prozessvergleich um eine Vereinbarung über den Inhalt von Pflichten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Hundehaltung nach Maßgabe der Hundeverordnung handelt, dürfte dieser Vergleich materiell-rechtlich als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 55 HVwVfG zu qualifizieren sein. Danach kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2 HVwVfG, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält. Nach § 54 Satz 2 HVwVfG kann die Behörde, statt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde. Im vorliegenden Falle sollte der Inhalt des Prozessvergleichs zu maßgeblichen Teilen an die Stelle der streitbefangenen Verfügung zur Hundehaltung, deren sofortigen Vollzug die Antragsgegnerin angeordnet hatte, treten. Zudem wurden die grundsätzlich nach der öffentlich-rechtlichen Vorschrift der Hundeverordnung bestehenden Pflichten der Antragstellerin näher ausgestaltet. Da somit vom Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages auszugehen ist, gelten dafür gemäß § 62 Satz 1 HVwVfG grundsätzlich die übrigen Vorschriften des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und ergänzend gemäß § 62 Satz 2 HVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. Zu Fristen und Terminen regelt § 31 Abs. 1 HVwVfG, dass für deren Berechnung die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend gelten, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist. Nach § 31 Abs. 3 HVwVfG endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist. Dabei bestimmt § 31 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG den Grundsatz, während § 31 Abs. 3 Satz 2 HVwVfG nur ausnahmsweise anzuwenden ist, wenn für eine solche Handhabung bei ermessensfehlerfreier Gewichtung hinreichend gewichtige Gründe sprechen (Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 31 Rdnr. 14). Da es sich bei der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 2 HVwVfG um die Grundlage für eine einseitige Bestimmung des Fristendes durch die Behörde an den "Betroffenen" handelt, die nur ausnahmsweise zulässig ist, ist diese Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang, in dem die Beteiligten ein bestimmtes Datum für das Ende der Frist in einem Vergleich vereinbart haben, nicht anzuwenden. Es bleibt deshalb bei der grundsätzlichen Regel des § 31 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG, die wiederum § 193 BGB entspricht, der u. a. für die Berechnung von Fristen in § 31 Abs. 1 HVwVfG für entsprechend anwendbar erklärt wird. Die Anwendung des § 31 Abs. 5 HVwVfG, nach dem der von einer Behörde gesetzte Termin auch dann einzuhalten ist, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt, kommt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht in Betracht. Die Fallgestaltung, dass die Behörde einseitig einen Termin festsetzt, der auf einen Sonntag fällt, ist gerade nicht mit der hier gegebenen Konstellation vergleichbar, bei der die Prozessbeteiligten gleichberechtigt und einvernehmlich das Ende der Frist für den Widerruf eines Prozessvergleichs vereinbaren. Soweit daher der Prozessvergleich als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren und insoweit eine materiell-rechtliche Frist heranzuziehen ist, gilt auch insoweit der Inhalt der Regelung des § 193 BGB, hier gemäß § 62 Satz 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 oder § 31 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG (im Ergebnis für die Anwendung des § 193 BGB auf die Widerrufsfrist für einen Prozessvergleich ähnlich: Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 794 ZPO Rdnr. 10 c; OLG München, U. v. 10.03.1975 - 20 U 1121/75 -, NJW 1975, 933).

Damit gilt für den Widerruf eines Prozessvergleichs der Inhalt der Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO oder des § 193 BGB, da jedenfalls der beiden Vorschriften zugrunde liegende Rechtsgedanke auf den Widerruf eines Prozessvergleichs anzuwenden ist. Auch der Umstand, dass § 193 BGB und § 222 Abs. 2 ZPO gleichzeitig novelliert wurden, zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber für alle in Betracht kommenden Erklärungen, bei denen dem Erklärenden die volle Ausschöpfung der Frist möglich sein sollte, das Fristende anstelle des Sonnabends und Sonntags auf den nächsten Werktag legen wollte (BGH, U. v. 21.06.1978). Da das Ende der Frist für den Widerruf des Prozessvergleichs auf Sonntag, den 15. November 1998, festgesetzt worden war, lief somit die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages ab, an dem der Widerruf des Bevollmächtigten der Antragstellerin per Telefax bei dem Verwaltungsgericht einging.

Der Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und festgestellt hat, dass das Verfahren durch den Vergleich beendet sei, war deshalb aufzuheben. Auch wenn das Verwaltungsgericht somit nicht in der Sache entschieden hat, sieht der Senat von einer Zurückverweisung der Sache in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (zur Zulässigkeit vgl. Kopp/Schenke, VwGO a.a.O., § 150 Rdnr. 2) ab, da insbesondere unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes eine Zurückverweisung nicht tunlich erscheint. In der Sache ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die oben genannte Verfügung der Antragsgegnerin wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Denn diese Verfügung ist wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Verfügung nicht ausreichend konkret bestimmt, auf welche Hunde sich die Anordnungen in der Verfügung beziehen sollen. Ein Verwaltungsakt muss nach § 37 Abs. 1 HVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis ist insbesondere auch im Hinblick auf die Vollziehung bzw. Vollstreckung eines Verwaltungsakts erforderlich (Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 37 Rdnr. 2). Es muss für den Betroffenen und einen objektiven verständigen Dritten erkennbar sein, auf welche Personen, Tiere oder Gegenstände sich der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts bezieht (Kopp, VwVfG, a.a.O., § 37 Rdnr. 5). Eine Maßnahme mit vollstreckbarem Inhalt muss grundsätzlich so bestimmt sein, dass sie unmittelbar geeignete Grundlage für die zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme sein kann. Zwar genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, insbesondere aus der von der Behörde gegebenen Begründung des Verwaltungsakts, im Wege der Auslegung der Regelungsgehalt konkretisiert werden kann (Kopp, VwVfG, a.a.O., § 37 Rdnr. 8). Auch nach diesen Grundsätzen ist aber der Tenor der Verfügung im Hinblick auf die betroffenen Hunde, für die die dort getroffenen Maßnahmen gelten sollen, weder aus der Begründung noch aus dem Gesamtzusammenhang der Vorgeschichte, wie sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der von dem Senat beigezogenen Verwaltungsakte ergibt, konkret bestimmbar. In der Verfügung wird lediglich auf die "auf Ihrem Grundstück gehaltenen Hunde" bzw. "die von Ihnen gehaltenen Hunde" abgestellt, ohne dass auch nur im Ansatz konkretisiert würde, um welche Hunde es sich handelt. Es wird weder eine Zahl von Hunden genannt noch die Rasse der Hunde bezeichnet.

Im Hinblick auf die als Rechtsgrundlage für die Verfügung heranzuziehende Norm des § 3 Abs. 2 bis 4 der Gefahrenabwehrordnung über das Halten von Hunden - HundeVO - vom 15. August 1997 (GVBl. I 1997, 279) ist aber die Feststellung erforderlich, dass ein bestimmter Hund "gefährlich" ist. Nach § 3 Abs. 2 HundeVO hat derjenige, der einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten Besitztums laufen lässt, diesen anzuleinen. Wer einen Hund hat, der sich als bissig erwiesen hat, hat diesem einen Maulkorb anzulegen, der das Beißen verhindert, wenn er ihn außerhalb des eingefriedeten Besitztums führt oder laufen lässt (§ 3 Abs. 3 HundeVO). Wird ein gefährlicher Hund auf einem Grundstück oder in einem Zwinger gehalten, müssen diese so eingezäunt und gesichert sein, dass Personen außerhalb dieser Grundstücke und Zwinger nicht gefährdet werden können, insbesondere ein Entweichen des gefährlichen Hundes ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 4 HundeVO). Alle diese Vorschriften, die die Maßnahmen ermöglichen, die die Antragsgegnerin unter Nr. 1. bis 3. der Verfügung getroffen hat, setzen voraus, dass ein Hund gefährlich bzw. bissig ist. Das erfordert aber eine individuelle Feststellung im Hinblick auf einen konkreten Hund. Daran fehlt es hier. In der Begründung führt die Antragsgegnerin nur aus, dass die Antragstellerin auf ihrem Anwesen seit November 1989 mehrere Hunde halte. Nachdem seit 1997 keine Vorfälle mehr gemeldet worden seien, hätten Hunde der Antragstellerin am 23. und 29. Januar 1998 ihr Anwesen unbeaufsichtigt verlassen und sich frei auf Dorfstraßen von Hangenmeilingen bewegt. Aus diesen Darlegungen ist nicht zu entnehmen, um welche Hunde es sich handeln soll. Dies lässt sich auch nicht anhand der Bezugnahme in der Verfügung auf die Haltung von Hunden durch die Antragstellerin seit November 1989 feststellen. Ausweislich der Verwaltungsakte hat im November 1989 ein Postzusteller durch einen Rechtsanwalt bei der Antragsgegnerin vortragen lassen, dass er von einem "Kampfhund" angefallen und gebissen worden sei, der zu dem Anwesen Oberstraße 16 gehöre, dessen Eigentümerin die Antragstellerin sei. Ausweislich eines Vermerks vom 29. Januar 1990 gab eine Einwohnerin von Hangenmeilingen an, sie sei am 24. Januar 1990 von einem Hund angefallen worden, ohne verletzt worden zu sein, dessen Eigentümer C. J., der frühere Ehemann der Antragstellerin, sei. In der Folgezeit ergingen Anhörungsschreiben an die Antragstellerin im Hinblick auf den Erlass von Maßnahmen zur Hundehaltung. Unter dem 24. Februar 1992 erließ die Antragsgegnerin eine der hier streitbefangenen Verfügung ähnliche Verfügung, die mit der hier zugrunde liegenden Verfügung vom 29. Januar 1998 aufgehoben wurde. Auch damals war jeweils nur von den "von Ihnen gehaltenen Hunden" die Rede. Laut Feststellung des Landrates des Landkreises Limburg-Weilburg, Staatliches Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen vom 21. August 1995 wurden auf dem Grundstück des C. J. und seiner (damaligen) Ehefrau, der Antragstellerin, an diesem Tage sieben ausgewachsene Hunde und vier Welpen gehalten, für die ein Zwinger mit angrenzendem kleinen Stall zur Verfügung stehe. Unter den erwachsenen Tieren waren zwei Bullterrier-Rüden, drei Miniatur-Bullterrier-Hunde sowie ein schwarzer Mischlingshund und ein älterer Schäferhund. Der Ernährungs- und Pflegezustand der Tiere sei nicht zu beanstanden gewesen. Ein Jagdhund und ein Labrador hätten Freunden des Ehepaars gehört und seien nur vorübergehend zur Pflege gewesen; auch der schwarze Mischlingshund solle demnächst wieder abgegeben werden. Die Hunde hätten ein freundliches Verhalten gezeigt. Die Art der Hundehaltung sei als durchaus artgerecht im Sinne des Tierschutzgesetzes und der Hundeverordnung zu bezeichnen. In einem Schreiben unter dem 3. Februar 1998 legt C. J. dar, dass er Halter der Hunde gewesen sei, auf den sich frühere Beanstandungen der Antragsgegnerin bezogen hätten. Zwei Tiere, auf die sich die Vorkommnisse vor 1992 bezogen hätten, lebten seit September 1995 nicht mehr in Hangenmeilingen. Der Hund, der den Postzusteller gebissen habe, sei von ihm gehalten und Ende 1992 eingeschläfert worden.

Angesichts dieser dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin zu entnehmenden Umstände kann auch im Hinblick auf den gesamten Zusammenhang der Vorgeschichte nicht entnommen werden, auf welche Hunde sich die angeordneten Maßnahmen beziehen sollen. Aufgrund der unwidersprochenen Darlegungen des C. J. spricht einiges dafür, dass jedenfalls ein Teil der Hunde von ihm gehalten wurde. Zum anderen wurden ausweislich der Feststellungen des Landrats des Landkreises Limburg-Weilburg vom 21. August 1995 elf Hunde auf dem Grundstück gehalten; es gibt keinerlei Feststellungen der Antragsgegnerin oder andere weitere Erkenntnisse aus der Verwaltungsakte darüber, welche dieser Hunde oder welche anderen Hunde sich derzeit auf dem Grundstück der Antragsstellerin befinden. Auf dieser Grundlage ist auch unter Heranziehung aller anderen Erkenntnismöglichkeiten nicht bestimmbar, welche Hunde der Antragstellerin als gefährlich bzw. bissig im Sinne der Hundeverordnung zu qualifizieren sind. Dies ist aber, individualisiert für einen konkreten Hund, für die Anwendung der Maßnahmen nach § 3 der HundeVO - wie oben dargelegt - erforderlich.

Die Verfügung der Antragsgegnerin ist insoweit mangels Bestimmbarkeit rechtswidrig, aber entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin nicht nichtig. Nichtig ist ein Verwaltungsakt wegen Unbestimmtheit insbesondere dann, wenn er völlig unverständlich und undurchführbar ist oder wenn nicht einmal der Adressat der Verfügung erkennbar ist (Kopp, VwVfG, a.a.O., § 37 Rdnr. 13). Im vorliegenden Falle leidet die Verfügung nicht an einem so schweren und offensichtlichen Mangel, dass sie deshalb gemäß § 44 Abs. 1 HVwVfG nichtig wäre. Der Mangel der Unbestimmtheit ist im vorliegenden Falle vielmehr durch nachträgliche Klarstellungen und damit Änderungen des Verwaltungsakts im Rahmen des Widerspruchsbescheides behebbar. Diese Feststellungen können im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides getroffen werden. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass auch im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Hunde die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 HundeVO durch konkrete Ereignisse zu belegen sind. Dabei kann es sich, wenn diese Vorfälle bestimmten Hunden zugerechnet werden können, entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin durchaus auch um weiter zurückliegende Ereignisse handeln. Dafür kann durchaus ein einmaliger Vorfall, der die Gefährlichkeit eines Hundes zeigt, ausreichend sein (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, B. v. 10.12.1992 - 1 S 2690/92 -, NVwZ -RR 1993, 187). Nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt schon das Anspringen von Menschen durch Hunde das Tatbestandsmerkmal "in gefahrdrohender Weise" gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 HundeVO, wenn der Hund den angegriffenen Menschen nicht verletzen will, der Mensch sich aber - objektiv nachvollziehbar - durch das Anspringen in seinem körperlichen oder seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt sieht (B. v. 21.10.1996 - 11 TE 2638/96 -). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kann in dem Widerspruchsbescheid die Begründung des angegriffenen Verwaltungsakts im Hinblick auf maßgebliche Vorfälle und Ereignisse ergänzt werden.

Da die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 1998 in der derzeitigen Form rechtswidrig ist, besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung nicht. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen diese Verfügung war deshalb im Hinblick auf die Nummern 1. bis 3. der Verfügung wiederherzustellen und im Hinblick auf die von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Vollstreckungsregelung der Androhung eines Zwangsgeldes anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat folgt insoweit der Begründung für die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung (§ 122 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

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