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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.08.2005
Aktenzeichen: 11 TG 955/05
Rechtsgebiete: HundeVO


Vorschriften:

HundeVO § 7 S. 1
HundeVO § 7 S. 3
Zu den der sachverständigen Person zur Durchführung von Wesensprüfungen nach § 7 HundeVO obliegenden Verpflichtungen gehört auch und insbesondere die Pflicht, die zuständige Ordnungsbehörde davon zu unterrichten, dass eine positive Wesensprüfung nicht bescheinigt worden ist (§ 7 Satz 3 HundeVO). Personen, die keine Gewähr dafür bieten, dass sie die zuständige Behörde rechtzeitig über die Nichterteilung der Bescheinigung über die durchgeführte Wesensprüfung unterrichten, kann die Benennung als sachverständige Person verweigert oder diese Stellung nach erfolgter Benennung durch Widerruf entzogen werden.

Die Pflicht zur Unterrichtung der Ordnungsbehörde nach § 7 Satz 3 HundeVO besteht auch dann, wenn die Wesensprüfung wegen einer schon vor Prüfungsbeginn erkennbaren Bissigkeit und sonstigen deutlich zu Tage tretenden gravierenden Verhaltensauffälligkeit des Hundes überhaupt nicht begonnen werden kann, weil die Prüfung absehbar nicht ohne erhebliche Gesundheitsgefahren für den Prüfer und in den Ablauf des Wesenstests einzubeziehende Personen und Tiere durchgeführt werden kann.

Zur Mitteilung der Behörde über die nicht erfolgte Ausstellung einer Bescheinigung über eine positiv verlaufene Wesensprüfung ist die sachverständige Person oder Stelle auch dann verpflichtet, wenn der Hundehalter bzw. die Hundehalterin ihr Einverständnis mit der Weitergabe des Prüfungsergebnisses (noch) nicht erklärt hat.

Wird ein Tierarzt oder eine Tierärztin als sachverständige Person nach § 7 HundeVO tätig, unterliegt er/sie hinsichtlich der Offenbarung der bei der Wesensprüfung bekannt gewordenen Tatsachen keiner Schweigepflicht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

11 TG 955/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Polizeirechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Igstadt

am 24. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 15. März 2005 (Az.: 10 G 148/05) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den im Tenor der vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschluss ist zulässig, insbesondere ist das Rechtsmittel innerhalb der gesetzlichen Fristen gemäß §§ 147 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingelegt und begründet worden. Die Beschwerde bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Antragstellerin gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 3. Januar 2005 vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Die Vorinstanz ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich die vorgenannte Verfügung, mit der unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Benennung der Antragstellerin als sachverständige Person in der Liste "Sachverständige Personen bzw. Stellen zur Durchführung von Wesensprüfungen und Sachkundeprüfungen nach der Hundeverordnung" widerrufen wurde, als rechtmäßig erweist und dass sich ihre Vollziehung als dringlich darstellt. Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass im Hinblick hierauf das Suspensivinteresse der Antragstellerin hinter das vorrangige öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Widerrufsverfügung zurückzutreten hat. Gegen diese Feststellungen bestehen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, das der Senat allein zu prüfen hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keine rechtlichen Bedenken.

Wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss rechtsfehlerfrei darlegt, findet die - in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende - Verfügung des Antragsgegners ihre Rechtsgrundlage mangels spezieller Widerrufsregelung im HSOG oder in der HundeVO in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HVwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft u.a. dann widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Bei der am 31. Januar 2003 nach entsprechender Bewerbung erfolgten Benennung der Antragstellerin als sachverständige Person in der Liste "Sachverständige Personen bzw. Stellen zur Durchführung von Wesensprüfungen und Sachkundeprüfungen nach der Hundeverordnung" handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 26. Juli 2004 - 10 E 605/04 -, Juris). Die dem Erlass dieses Verwaltungsakts zu Grunde liegenden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bereits dadurch entfallen, dass es die Antragstellerin unterlassen hat, die zuständige Ordnungsbehörde darüber zu informieren, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen am 29. Juni 2004 vor dem Beginn eines Wesenstests durch den zu prüfenden Hund gebissen worden war und es die Antragstellerin im Hinblick hierauf abgelehnt hatte, die Wesensprüfung durchzuführen. Durch dieses Versäumnis hat die Antragstellerin eine den sachverständigen Personen nach § 7 HundeVO auferlegte Verpflichtung in schwerwiegender Weise verletzt. Die Erfüllung dieser Verpflichtung zählt zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Benennung als Sachverständige für die Durchführung von Wesensprüfungen nach der HundeVO.

Die Benennung als sachverständige Person zur Durchführung von Wesensprüfungen nach § 7 Satz 1 HundeVO kann im Benehmen mit dem Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. und der Landestierärztekammer Hessen nur dann erfolgen, wenn die betreffende Person über die ausreichende Sachkunde und Zuverlässigkeit verfügt und gewährleistet ist, dass der oder die Sachverständige die Wesensprüfung nach den vom Regierungspräsidium Darmstadt - wiederum im Benehmen mit dem Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. und der Hessischen Landestierärztekammer -festgelegten Standards durchführt und die ihm durch Gesetz und die Hundeverordnung auferlegten (weiteren) Verpflichtungen erfüllt. Zu diesen Verpflichtungen gehört auch und insbesondere die Pflicht, die zuständige Ordnungsbehörde davon zu unterrichten, dass eine positive Wesensprüfung nicht bescheinigt worden ist (§ 7 Satz 3 HundeVO). Personen, die keine Gewähr dafür bieten, dass sie die zuständige Behörde rechtzeitig über die Nichterteilung der Bescheinigung über die durchgeführte Wesensprüfung unterrichten, kann das Regierungspräsidium Darmstadt die Benennung als sachverständige Person verweigern oder diese Stellung nach erfolgter Benennung durch Widerruf entziehen.

Entgegen ihrer mit der Beschwerde nochmals bekräftigten Ansicht war die Antragstellerin nach § 7 Satz 3 HundeVO verpflichtet, die zuständige Behörde auf schnellstem Wege davon in Kenntnis zu setzen, dass ihre Mitarbeiterin schon bei der Vorbereitung der Wesensprüfung von "Lord" gebissen worden war und die Prüfung wegen der besonderen Aggressivität des Hundes nicht durchgeführt werden konnte. Die von der Antragstellerin gegen das Bestehen der Mitteilungspflicht ins Feld geführten Argumente sind sämtlich nicht stichhaltig.

Zunächst kann sich die Antragstellerin nicht darauf zurückziehen, sie sei zur Information der Ordnungsbehörde deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil die Wesensprüfung am 29. Juni 2004 überhaupt noch nicht begonnen gehabt habe. Die Regelungen in den gemäß § 7 Satz 2 HundeVO durch das Regierungspräsidium Darmstadt festgelegten Standards zur Durchführung der Wesensprüfung gemäß der HundeVO (vgl. Abschnitt 3 der geltenden Fassung vom 30. Mai 2005, StAnz. S. 2243; Abschnitt 4 der zum Zeitpunkt der fehlgeschlagenen Wesensprüfung am 29. Juni 2004 geltenden Fassung vom 13. Oktober 2003) über den Beginn und den Ablauf der Wesensprüfung sollen lediglich einen gleichmäßigen und geordneten Prüfungsverlauf gewährleisten. Auf die Mitteilungspflicht der sachverständigen Person nach § 7 Satz 3 HundeVO haben diese Bestimmungen keinen Einfluss. Diese Unterrichtungspflicht besteht unabhängig von dem formellen Beginn der Wesensprüfung jedenfalls dann, wenn die sachverständige Person - wie im vorliegenden Fall die Antragstellerin - zum Zwecke der Durchführung der Prüfung mit dem Hund und dessen Halter bereits zusammengetroffen war. In einem derartigen Fall muss der Sachverständige die zuständige Behörde über die Nichterteilung einer Bescheinigung über eine positiv verlaufene Wesensprüfung nicht nur dann informieren, wenn er nach (vollständig) durchgeführter Wesensprüfung zum Ergebnis gelangt, dass für den Hund eine positive Bescheinigung nicht erteilt werden kann oder wenn sich der Sachverständige nach einer Prüfung, die wegen Gefährdung von Personen oder Tieren durch den zu begutachtenden Hund oder aus anderen Gründen (etwa wegen Hinweisen, dass dem Hund Psychopharmaka verabreicht wurden) vorzeitig abgebrochen werden musste, außerstande sieht, eine positive Wesensprüfung zu bescheinigen (vgl. Abschnitt B 2 a) der Standards zur Durchführung der Wesensprüfung gemäß der HundeVO vom 30. Mai 2005. Der Prüfer hat die Behörde vielmehr auch dann zu unterrichten, wenn der Wesenstest - wie im vorliegenden Fall - wegen einer schon vor Prüfungsbeginn erkennbaren Bissigkeit oder sonstigen deutlich zu Tage tretenden gravierenden Verhaltensauffälligkeit des Hundes überhaupt nicht begonnen werden kann, weil die Prüfung absehbar nicht ohne erhebliche Gesundheitsgefahren für den Prüfer und in den Ablauf des Wesenstests einzubeziehende Personen und Tiere durchgeführt werden kann. In diesem Fall steht, ohne dass es hierzu weiterer Prüfungen oder Feststellungen bedürfte, von Anfang an fest, dass eine Wesensbegutachtung kein positives Ergebnis erbringen kann. Es versteht sich von selbst und bedarf entgegen der Auffassung der Antragstellerin keiner besonderen rechtlichen Klärung, dass der Sachverständige die Behörde auf Grund der ihm durch § 7 Satz 3 HundeVO auferlegten Verpflichtung von dem Scheitern der Bemühungen zur Durchführung der Prüfung unverzüglich zu unterrichten hat. Die Mitteilung an die Behörde ist in diesem Fall von besonderer Wichtigkeit und Dringlichkeit, weil ein Hund, wegen dessen außergewöhnlicher Aggressivität eine Wesensbegutachtung nicht einmal versucht werden kann, eine akute Gefahr für Menschen und Tiere darstellt, der durch unverzügliche Maßnahmen der Behörde begegnet werden muss.

Die Antragstellerin durfte sich - und auch dies ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Klärung und Erörterung - auch nicht wegen des fehlenden Einverständnisses der Hundehalterin zur Weitergabe des Prüfungsergebnisses gehindert sehen, ihrer Mitteilungspflicht nach § 7 Satz 2 HundeVO auf schnellstem Wege nachzukommen. Die vorgenannte Bestimmung macht die Unterrichtung der Behörde durch den Sachverständigen über die nicht erfolgte Ausstellung einer Bescheinigung nicht von dem vorherigen Einverständnis der Hundehalterin oder des Hundehalters zur Weitergabe des negativen Prüfungsergebnisses abhängig. Auch die Standards zur Durchführung der Wesensprüfung gemäß der HundeVO sehen nicht vor, dass der Prüfer das Ergebnis des Wesenstests nur mit Einverständnis der Hundehalterin bzw. des Hundehalters an die Behörde weitergeben darf. Vielmehr schreiben diese vor, dass die sachverständigen Personen oder Stellen die zuständige Ordnungsbehörde bei negativen Prüfungsergebnissen oder bei Abbruch der Wesensprüfung unverzüglich per Telefon, Telefax oder E-Mail zu informieren haben (Abschnitt 2 a) der geltenden Fassung, Abschnitt 3 a) der Standards in der zum Zeitpunkt des Beißvorfalls geltenden Fassung vom 13. Oktober 2003). Es wäre mit dem Gefahrenabwehrcharakter der Verordnung auch schlichtweg unvereinbar, wenn die Halterin oder der Halter des Hundes durch die Verweigerung des Einverständnisses zur Weitergabe des Prüfungsergebnisses die Unterrichtung der Behörde über ein negatives Ergebnis der Prüfung verhindern könnte. Der Sachverständige ist folglich, soweit er - wie die Antragstellerin - sein Tätigwerden nicht von der vorherigen Vorlage der Einverständniserklärung abhängig macht, nach § 7 Satz 2 HundeVO ungeachtet einer vor Beginn oder im Verlauf der Prüfung erklärten Weigerung der Halterin bzw. des Halters zu einer unverzüglichen Unterrichtung der Behörde über die negativ verlaufene Wesensprüfung verpflichtet. Im Fall der Antragstellerin ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, ob sich die Halterin des Hundes gegen eine Information der Ordnungsbehörde überhaupt gewehrt hätte. Es hätte, falls die Antragstellerin tatsächlich der Meinung gewesen sein sollte, die Behörde nicht ohne Einverständnis der Hundehalterin informieren zu können, zumindest nahe gelegen, die Halterin um Zustimmung zur Mitteilung des Beißvorfalls zu bitten. Dies ist ersichtlich nicht geschehen.

Die fehlende Einverständniserklärung der Hundehalterin ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht mit Rücksicht auf ihre Schweigepflicht als Tierärztin bedeutsam. § 2a Nr. 1 der Berufsordnung der Landestierärztekammer Hessen vom 3. November 1993, zuletzt geändert durch Beschluss der Delegiertenversammlung vom 30. April 2003, schreibt vor, dass der Tierarzt über alle Tatsachen Schweigen zu bewahren hat, die ihm bei der Ausübung seines Berufes anvertraut und bekannt werden, soweit berechtigte Belange dies erfordern. Nach § 2a Nr. 3 der Berufsordnung besteht die Schweigepflicht nicht, wenn öffentliche Belange die Bekanntgabe seiner Feststellungen erforderlich machen. Selbst wenn man die Tätigkeit als Sachverständige nach § 7 HundeVO als Teil der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin als Tierärztin ansehen wollte, wäre das Verschweigen des Vorfalles am 29. Juni 2004 nicht von berechtigten Belangen der Hundehalterin oder der Antragstellerin im Sinne des § 2a Nr. 1 der Berufsordnung gedeckt. Vielmehr war die Offenbarung des Geschehens im überragenden öffentlichen Interesse zwingend erforderlich, so dass die Antragstellerin nach § 2a Nr. 3 der Berufsordnung insoweit keiner Schweigepflicht unterlag.

Die Antragstellerin durfte von der Mitteilung des Beißvorfalls im Vorfeld der beabsichtigten Wesensprüfung auch nicht deshalb absehen, weil sie, wie sie in ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 7. Januar 2005 vorträgt, eine behandlungsbedürftige Erkrankung des Hundes vermutete. Die Gründe, die nach Einschätzung der Antragstellerin zu dem von "Lord" am 29. Juni 2004 gezeigten aggressiven Verhalten geführt haben, sind in Bezug auf ihre Verpflichtung, der Behörde diesen Tatbestand auf schnellstem Wege zur Kenntnis zu bringen, unerheblich. Bei der Wesensprüfung handelt es sich nicht um eine allgemeine Analyse des Verhaltens eines Hundes durch den Sachverständigen und auch nicht um eine tierärztliche Begutachtung. Die Prüfung dient allein der Klärung, ob sich der zu prüfende Hund inadäquat aggressiv gegenüber Menschen und anderen Tieren, insbesondere anderen Hunden, verhält und deshalb im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO gefährlich ist (vgl. Abschnitt B 1 der Standards zur Durchführung der Wesensprüfung vom 30. Mai 2005). Liegt, wie im vorliegenden Fall, ein derartiges Aggressionsverhalten - aus welchen Gründen auch immer - unzweifelhaft vor, darf der Wesensprüfer mit Rücksicht auf den auch ihm überantworteten Schutz der öffentlichen Sicherheit nicht deshalb davon absehen, die Behörde unverzüglich zu unterrichten, weil er aus kynologischer oder tierärztlicher Sicht oder aus anderen Gründen andere als ordnungsrechtliche Maßnahmen für sinnvoll erachtet. Dies schließt es nicht aus, dass von dem Sachverständigen auf etwaige für die Verhaltsaufälligkeit des Hundes verantwortliche Erkrankungen hingewiesen und entsprechende Therapievorschläge unterbreitet werden. Die tierärztliche Behandlung darf indessen nicht in den Vordergrund der Wesensprüfung treten und die erforderliche Feststellung eines inadäquaten Aggressionsverhaltens in den Hintergrund drängen oder gar verhindern. Die Antragstellerin hätte sich folglich nicht damit begnügen dürfen, der Hundehalterin in einem - nur dieser - ausgehändigten "Beobachtungsbericht" eine Behandlung der von ihr vermuteten Erkrankungen zu empfehlen und der Halterin im Übrigen lediglich an die Hand zu geben, den Hund künftig an der Leine zu führen und mit einem Maulkorb auszustatten. Diese Maßnahmen konnten von der Antragstellerin bei sachgerechter Betrachtung wegen der fehlenden Möglichkeit, auf das Verhalten der Hundehalterin regulierend und kontrollierend Einfluss zu nehmen, auch dann nicht als ausreichend betrachtet werden, wenn sie tatsächlich angenommen haben sollte, dass für den Hund bereits eine Maulkorbpflicht angeordnet worden war. Da die Antragstellerin allerdings zum damaligen Zeitpunkt diesbezüglich keine zuverlässigen Erkenntnisse besaß, wäre auch aus diesem Grund eine Kontaktaufnahme mit der Behörde unumgänglich gewesen.

Durch die Missachtung der nach alledem bestehenden Pflicht zur unverzüglichen Information der Behörde über ihre Weigerung, die Wesensprüfung mit "Lord" wegen der ihrer Mitarbeiterin durch den Hund zugefügten Bissverletzung durchzuführen, sind die der Benennung der Antragstellerin als sachverständige Person nach § 7 Satz 1 HundeVO zu Grunde liegenden Voraussetzungen unabhängig davon entfallen, ob der Antragstellerin aus den von dem Antragsgegner und dem Verwaltungsgericht angeführten weiteren Gründen sonstige Fehler bei der Ausübung ihrer Tätigkeit als Wesensprüferin anzulasten sind.

Allerdings stellt nicht jede mit Mängeln behaftete Begutachtung des Sachverständigen und nicht jeder Verstoß gegen die ihm nach der HundeVO und den auf der Grundlage der Verordnung erlassenen Standards zur Durchführung der Wesensprüfung obliegenden Pflichten seine Eignung als sachverständige Person nach § 7 Satz 1 HundeVO in Frage. Anderes gilt indessen bei einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, die - anders als etwa eine geringfügige Abweichung von den Prüfungsstandards oder eine bloße Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit - durchgreifende Zweifel an der grundsätzlichen Eignung als sachverständige Person begründet (vgl. Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 26. Juli 2004 - 10 E 605/04 -, Juris). Eine derartige gravierende Missachtung der der Antragstellerin als Wesensprüferin auferlegten Verpflichtungen liegt auf Grund ihres Verhaltens anlässlich der fehlgeschlagenen Wesensprüfung am 29. Juni 2004 vor. Die Antragstellerin hat es durch die unterbliebene Information der Behörde letztlich sehenden Auges in Kauf genommen, dass durch den Hund weitere Menschen gebissen werden und andere Tiere zu Schaden kommen. Das Unterlassen der erforderlichen Mitteilung an die Behörde wiegt um so schwerer, als der Antragstellerin aus den ihr von der Behörde zur Durchführung der Wesensprüfung übersandten Unterlagen bekannt war, dass "Lord" bereits zuvor mehrere Menschen gebissen hatte, und die Antragstellerin in ihrem "Beobachtungsbericht" selbst angenommen hat, das Zubeißen des Hundes ohne vorherige Provokation sei trotz des Erregungszustandes des Hundes nicht nachvollziehbar und offenbar darauf zurückzuführen, dass das Tier keine Beißhemmung erlernt habe. Unter diesen Umständen war es besonders leichtfertig, das weitere Vorgehen allein in die Hand der Hundehalterin zu legen und sich darauf zu verlassen, dass diese der Empfehlung zur tierärztlichen Behandlung und zur Anlegung von Leine und Maulkorb nachkommen würde. Damit liegt es letztlich auch in der Verantwortung der Antragstellerin, dass kurze Zeit nach dem Beißvorfall am 29. Juni 2004 nochmals ein Mensch durch den Hund gebissen wurde.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass dem Antragsgegner bei dem Widerruf der Benennung als sachverständige Person nach § 7 Satz 1 HundeVO Ermessensfehler unterlaufen sind. Der Antragsgegner war insbesondere nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehalten, die Antragstellerin zunächst auf ihre Pflichtverletzung hinzuweisen oder eine "Abmahnung" auszusprechen. Hierzu hätte allenfalls dann Veranlassung bestanden, wenn die Antragstellerin zu erkennen gegeben hätte, dass sie aus dem Vorfall - auch und insbesondere im Hinblick auf den nachfolgenden weiteren Beißvorfall - die erforderlichen Konsequenzen für ihre Tätigkeit als Wesensprüferin gezogen hat. Eine solche Einsicht hat die Antragstellerin indessen zu keinem Zeitpunkt gezeigt. Sie beharrt vielmehr - nach wie vor - auf ihrem Standpunkt, zu einer Information der Behörde nicht verpflichtet gewesen zu sein und alles ihr nach Lage der Dinge Obliegende veranlasst zu haben. Ein Wesensprüfer, der es - wie die Antragstellerin - schon bei offenkundiger Gefährlichkeit eines Hundes unterlässt, die zuständige Behörde zu informieren, ohne zumindest im Nachhinein das Erfordernis einer Mitteilung anzuerkennen, weckt zwangsläufig Zweifel an seiner Bereitschaft oder Fähigkeit - insbesondere auch bei weniger offensichtlichen oder schwerwiegenden Fällen übersteigerter Aggressivität bei Hunden - die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten und bei seiner Entscheidung, ob eine positive Wesensprüfung bescheinigt werden soll, den Schutz der Öffentlichkeit vor gefährlichen Hunden in notwendigem Umfang zu berücksichtigen. Der Antragsgegner konnte deshalb ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass es bei der Antragstellerin offensichtlich an der für die Tätigkeit als sachverständige Person nach der HundeVO notwendigen Unvoreingenommenheit Hunden gegenüber fehlt, die auch durch einen Hinweis auf die Verpflichtungen des Wesensprüfers oder durch eine "Abmahnung" nicht zu verändern wäre.

Der Widerruf der Benennung als sachverständige Person erweist sich auch nicht wegen der Folgen dieses Verwaltungsakts für die Antragstellerin als unverhältnismäßig. Der Widerruf lässt die Befugnis der Antragstellerin zur Ausübung ihres Berufs als Tierärztin unberührt und beinhaltet folglich keinen Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 26. Juli 2004, a.a.O.). Dem Interesse der Antragstellerin, weiter der vergüteten Nebentätigkeit als Wesensprüferin nachgehen zu können, hat der Antragsgegner unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an dem Widerruf der Benennung zu Recht kein maßgebliches Gewicht beigemessen.

Schließlich begegnet es entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Widerrufsverfügung für sofort vollziehbar erklärt wurde. Der Widerruf der Benennung erweist sich als dringlich, da die Antragstellerin aus den bereits dargelegten Gründen keine Gewähr dafür bietet, dass es bei einer Fortführung ihrer Tätigkeit als sachverständige Person nicht erneut zu gravierenden Pflichtverletzungen oder erheblichen Mängeln bei der Wesensbegutachtung mit erheblichen Folgen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kommt. Dass der sofortigen Durchsetzung des Widerrufs keine in besonderer Weise schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin entgegenstehen, hat der Antragsgegner in der Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zutreffend dargelegt.

Da die Antragstellerin mit ihrem Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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