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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.03.2000
Aktenzeichen: 11 TG 990/00
Rechtsgebiete: TierSchG


Vorschriften:

TierSchG § 4 A
Ob "zwingende Vorschriften" einer Religionsgemeinschaft das Schächten von Tieren (Schlachten ohne Betäubung) im Sinne des § 4 a TierSchG vorschreiben, bedarf einer objektiven Feststellung, etwa auf Grund sachverständiger Stellungnahmen von nach allgemeiner Auffassung der Religionsgemeinschaft dazu berufener Organe oder Personen.

Die objektive Feststellung, ob das Schächten zu den zwingenden Vorschriften des Islam gehört, kann nicht dadurch ersetzt werden, dass ein regionaler Zusammenschluss von Muslimen, der sich zum Islam "in seiner ganzen Vielfalt" bekennt; eine Fatwa (religiöses Gutachten) von ihm berufener Rechtsgelehrter für sich für verbindlich erklärt.


Gründe:

Die Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt wird zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Beschlusses bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 146 Abs. 4, Abs. 6 VwGO), wie unten näher ausgeführt wird. Der Senat entscheidet wegen der Dringlichkeit der Sache mit dem gleichen Beschluss auch über die zugelassene Beschwerde des Antragsgegners. Eine einheitliche Entscheidung über die Rechtsmittelzulassung und die Beschwerde ist im Hinblick auf die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten, falls sonst unwiederbringliche Rechtsverluste einzutreten drohen (VGH Baden-Württemberg, B. v. 12.02.1997 - 7 S 430/97 -). Da am Tag der Entscheidung des Senats der Antragsteller auf der Grundlage der von dem Verwaltungsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung mit dem Schächten von Tieren beginnen will, ist eine Entscheidung dringlich.

Die zugelassene Beschwerde ist auch begründet, weil das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem im Tenor seines Beschlusses genannten Inhalt zu Unrecht stattgegeben hat. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch für den Erlass der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht. Das Verwaltungsgericht ist allerdings im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der notwendige Anordnungsgrund vorliegt. Denn im Hinblick auf das zwischen den Beteiligten streitige Rechtsverhältnis wäre bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller im Hinblick auf sein Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG und damit eine einstweilige Anordnung notwendig. Insoweit käme auch grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache in Betracht. Diese kann aber nicht, wie von dem Antragsteller beantragt und von dem Verwaltungsgericht antragsgemäß durch Verpflichtung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geregelt, darin bestehen, dass der Antragsgegner zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung verpflichtet wird. Denn zur vorläufigen Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses reicht es aus, dass der Antragsgegner verpflichtet würde, das Schächten als insoweit erlaubte Handlung zu dulden (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 18. April 1997 - 11 TG 1449/97 -, s. Volltext in: JURIS, § 4 a Abs. 2 TierSchG, "Schächten").

Der mit dieser Maßgabe zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber nicht begründet, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz, 1. Alternative TierSchG hat. Das Schächten eines Tieres zu rituellen Zwecken, für das der Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung beantragt, fällt unter die 1. Alternative der oben genannten Vorschrift, die die Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG gewährleisten soll, so weit sie durch zwingende Vorschriften der Religionsgemeinschaft vorgeschrieben wird (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 18. April 1997; a. a. O.). Der Antragsteller hat insoweit nicht glaubhaft machen können, dass ihm zwingende Vorschriften seiner Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben. Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsteller als Mitglied der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen e. V. - IRH Frankfurt - zu der Frage, ob ihm seine Religionsgemeinschaft das Schächten "zwingend" vorschreibe, eine andere Begründung dafür als in dem oben genannten Verfahren Hess. VGH - 11 TG 1449/97 -, in dem der Antragsteller sich auf eine Fatwa des "Islamischen Arbeitskreises Hessen" vom März 1997 bezog, vorträgt. Aber der Antragsteller hat mit seinen Vorbringen im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft gemacht, dass ihm seine Religionsgemeinschaft das Schächten zwingend vorschreibt.

Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss, der sich zur inhaltlichen Begründung im Wesentlichen auf das Urteil der gleichen Kammer vom 9. September 1999 - 3 E 952/99 (3) - bezieht, davon aus, dass es sich bei der IRH im Sinne des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG um eine Religionsgemeinschaft handelt. Allerdings bestehen Zweifel, ob im Sinne der von dem Bundesverwaltungsgericht insoweit aufgestellten Erfordernisse (BVerwG, U. v. 15.06.1995 - 3 C 31/93 -, NVwZ 1996, 61) die IRH "nach innen in der Lage ist, ihre Mitglieder zwingenden Vorschriften zu unterwerfen". Der Antragsteller hat zwar im zweitinstanzlichen Verfahren unter Hinweis auf die Stellungnahme seines Bevollmächtigten im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht 3 C 40.99 vom 7. März 2000 vortragen lassen, dass die Mitglieder der IRH mit dem Eintritt in diese Organisation die von der IRH ausgearbeitete "Darstellung der Grundlagen des Islam" und auch der Glaubensregelungen, die für die IRH maßgeblich und bindend seien, anerkennen. Für den Inhalt der Glaubensregein ist bedeutsam, dass die IRH nach eigenen Angaben Nachfolgeorganisation des Islamischen Arbeitskreises Hessen ist, der 1997 nach dreijähriger Arbeit aufgelöst wurde. Der Mitgliederkreis der IRH setzt sich nach dem Vortrag des Antragstellers ebenso wie der des ehemaligen IAK aus islamischen Organisationen verschiedener Ethnien, Kulturkreise und Interessenverbände zusammen, insbesondere aus allen türkischen Dach-Organisationen und allen afghanischen, albanischen, arabischen, bengalischen, bosnischen, deutschen, marokkanischen, pakistanischen und u. ä. moslemischen Organisationen. Die IRH repräsentiert nach der Darstellung der in der Revisionserwiderungsschrift vom 7. März 2000 in Bezug genommenen Klageschrift vom 30. September 1998 im Verfahren Verwaltungsgericht Darmstadt 3E 2064/98 (3) "die Vielfalt der Muslime in Hessen". Die für die Mitglieder verbindliche Darstellung der Grundlagen des Islam" dokumentiere den religiösen Konsens der Muslime in Hessen. Nach dieser Selbstdarstellung der IRH ist Gegenstand der für sie maßgeblichen religiösen Lehre der Islam; wie er in seiner ganzen Vielfalt von Muslimen verstanden wird. Auf dieser Grundlage ist nicht glaubhaft gemacht, dass die IRHin der Lage wäre, bei Beachtung der verschiedenen Ethnien, Kulturkreise und Organisationen, die Muslime in Hessen repräsentieren, ihre Mitglieder der rituellen Handlung des Schächtens von Opfertieren als zwingende religiöse Pflicht zu unterwerfen. Gerade wenn die IRH die Vielfalt der von den Muslimen in Hessen anerkannten Lehren des Islam repräsentiert, ist es erforderlich, objektiv festzustellen, dass für den gesamten Islam in seiner breiten Vielfalt das Schächten von Tieren eine zwingende religiöse Pflicht ist.

Der Antragsteller hat zudem jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass ihm zwingende Vorschriften seiner durch den Islam gebundenen Religionsgemeinschaft das Schächten von Opfertieren vorschreiben. Nach dem Vortrag der Bevollmächtigten des Antragstellers in der Revisionserwiderung vom 7. März 2000 gibt es im Hinblick auf die Lehren des Islam sowohl zwischen Sunniten und Schiiten als auch innerhalb dieser beiden Religionsgruppen Unterschiede in der islamischen Lehre. Der Pluralismus sei geradezu "islamimmanent". Wenn nach der eigenen Darstellung des IRH die muslimische Lehre in ihrer ganzen Vielfalt Gegenstand der religiösen Grundlagen des IRH ist, muss nach den Vorgaben des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG festgestellt werden, ob auch unter Berücksichtigung des islamimmanenten Pluralismus und der Vielfalt der islamischen Lehre es zu den unabdingbaren Grundlagen des Islam gehört, das Schächten von Opfertieren als zwingende religiöse Pflicht zu definieren. Da nach dem Vortrag der IRH die "Darstellung der Grundlagen des Islam" den religiösen Konsens der Muslime in Hessen dokumentiert; ist davon auszugehen, dass diese Grundlagen zwingende Glaubensinhalte des Islam umfassen. Dies kann nur bedeuten, dass derjenige sich nicht mehr als Muslim bezeichnen kann, der diese zwingenden Grundlagen religiösen Konsenses nicht anerkennt. Darüber besteht Einigkeit bei den Muslimen in Hessen und insoweit stellen sie eine Einheit dar. Ein Pluralismus religiöser Auffassungen im Sinne eines Abweichens oder Nichtakzeptierens dieser zwingenden Grundlagen religiösen Konsenses ist insoweit nicht möglich, ohne sich außerhalb des so verstandenen Islam zu stellen. Daraus ergibt sich, dass es schon nach dem eigenen Vortrag der IRH bestimmte Grundlagen für die islamischen Lehren gibt, die für jeden Muslimen unverzichtbar sind. Daneben gibt es außerhalb dieser Grundlagen im Hinblick auf einzelne religiöse Fragen einen gewissen Pluralismus der Lehrmeinungen, die durch Rechtsschulen konkretisiert werden. Diese Rechtsschulen vertreten, wie der Bevollmächtigte des Antragstellers in der Revisionserwiderungsschrift ausführt, zu bestimmten rechtlichen Fragen unterschiedliche Meinungen und diese Meinungen können im Rahmen des dem islamimmanenten Pluralismus auch nebeneinander vertreten werden. Entscheidend ist aber in diesem Zusammenhang, dass die IRH sich für ihre religiöse Grundlage auf die allgemeinen Grundlagen des Islam bezieht, die für alle in der IRH zusammengeschlossenen Muslime, die die Vielfalt der Muslime in Hessen insgesamt repräsentieren, unabdingbar verbindlich sind. Ob zu diesen zwingenden, für jeden Muslim verbindlichen Glaubensinhalten auch die religiöse Pflicht zum Schächten von Opfertieren gehört, ist damit noch nicht festgestellt. Gerade weil es neben den für jeden Muslimen verbindlichen Glaubensinhalten und zwingenden religiösen Pflichten auch Glaubenslehren und Vorschriften gibt, die innerhalb des Islam einem gewissen Pluralismus unterliegen, bedarf es im Sinne des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG der objektiven Feststellung, welche der religiösen Lehren und Pflichten des Islam zu den unabdingbar zwingenden Inhalten gehören, also für den vorliegenden Fall der Feststellung, ob das Schächten von Opfertieren zu den zwingenden Vorschriften des Islam gehört.

Auch wenn nach Darstellung des Antragstellers es jedenfalls im sunnitischen Islam keine allgemein anerkannten religiösen Autoritäten gibt, die verbindlich über zwingende religiöse Pflichten entscheiden könnten, kann doch festgestellt werden, ob das Schächten von Opfertieren nach allgemeiner bzw. weit überwiegender Überzeugung im Islam zu den zwingenden Glaubensvorschriften gehört oder ob es sich dabei um einen rituellen, traditionell beachteten Brauch handelt, der aber keine zwingende religiöse Pflicht darstellt. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass der Fiqh-Rat des IRH zu der Auffassung gelangt sei, dass das Schächten eines Opfertieres anlässlich des jährlichen Opferfestes eine zwingend vorgeschriebene rituelle Handlung darstelle. Diese Fatwa des Fiqh-Rats, die nur empfehlenden Charakter hatte, hat dadurch verbindlichen Charakter erhalten, dass die Organe der IRH dieses beschlossen haben. Maßgeblich dafür, dass der Antragsteller das Schächten als für ihn zwingende Vorschrift ansieht, war somit der Beschluss der IRH. Dies bedeutet, dass es letztlich von der religiösen Auffassung der Mehrheit der einzelnen Mitglieder der IRH abhängt, ob ein religiöser Glaubensinhalt, der nicht Teil der allgemeinen Grundlagen des Islam ist, als zwingende religiöse Vorschrift angesehen wird. Damit stellt sich die Sachlage aber im Ergebnis nicht anders dar als in dem dem Beschluss des Senats vom 18. April 1997 - 11 TG 1449/97 - zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hat der Senat festgestellt, dass der Fiqh-Rat des IRH Hessen quasi in eigener Sache feststelle, ob er das Schächten von Opfertieren als zwingendes islamisches Gebot qualifiziere. Dies bedeutet in der Sache, dass jeder einzelne Muslim für sich feststellen könnte, was zu den zwingenden religiösen Vorschriften des Islam gehört. Dies entspricht nicht der Konzeption von der Verbindlichkeit grundlegender islamischer Lehren, wie sie der Antragsteller im Hinblick auf die für alle in der IRH zusammengeschlossenen Muslime hinsichtlich der "Darstellung der Grundlagen des Islam" selbst vorgetragen hat. Wenn es im Hinblick auf die zwingenden Vorschriften des Islam einen Pluralismus gäbe, der diese zur Disposition des einzelnen Muslimen stellte, würde der Begriff der Grundlagen des Islam seinen Sinn verlieren. Es ist vielmehr zugrunde zu legen, dass es auch für eine Religionsgemeinschaft wie die IRH, die sich zu den allgemeinen Grundlagen des Islam bekennt, unabänderliche zwingende Lehrmeinungen des Islam gibt, im Hinblick auf die ein Pluralismus unterschiedlicher Meinungen nicht möglich wäre, ohne dass die Vorstellung von allgemeinen und zwingenden Glaubensinhalten zerfiele. Eine Feststellung, was zu diesen zwingenden Grundlagen des Islam bei aller Vielfalt der Muslime gehört, wird von der IRH selbst für möglich und erforderlich gehalten, wie ihr Vortrag belegt, dass die Darstellung der Grundlagen des Islam den religiösen Konsens der Muslime in Hessen dokumentiere und dieses Dokument religiöse Grundlage der IRH bilde. Damit macht die IRH selbst deutlich, dass der Inhalt der zwingenden Grundlagen des Islam auch unter Berücksichtigung der Vielfalt der Muslime einer objektiv verbindlichen Feststellung zugänglich ist. Diese Feststellung ist im vorliegenden Falle erforderlich im Hinblick auf die Frage, ob das Schächten von Opfertieren zu den zwingenden religiösen Vorschriften des Islam gehört.

Diese Feststellung. wird nicht dadurch entbehrlich, dass die Mehrheit der Mitglieder der IRH eine entsprechende Fatwa des Fiqh-Rates der IRH für sich für verbindlich erklärt. Damit ist noch keine Aussage dazu getroffen, ob das Schächten von Opfertieren objektiv zu den zwingenden religiösen Vorschriften des Islam gehört. Diese Feststellung kann nur durch die Einholung entsprechender sachverständiger Äußerungen von Experten und religiösen Autoritäten, etwa hochrangigen muslimischen Rechtsgelehrten oder Würdenträgem, erfolgen. Soweit der Antragsteller meint, es könne insoweit nicht auf die Ansicht religiöser Autoritäten über den Inhalt der islamischen Glaubensvorschriften ankommen, hat das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber schon in seinem oben genannten Urteil (U. v. 15.06.1995 - 3 C 31/93 -, a. a. O.) festgestellt, dass eine solche individuelle Sicht, die auf die jeweilige subjektive - wenn auch als zwingend empfundene - religiöse Überzeugung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft abstelle, mit dem Regelungsgehalt des Gesetzes nicht vereinbar sei. § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG liege erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass die Religionsgemeinschaft als solche bestimmte Anordnungen mit dem Anspruch unbedingter Verbindlichkeit getroffen habe oder von einer ihr übergeordneten Instanz als getroffen ansehe. Für eine Relativierung im Sinne der Maßgeblichkeit individueller religiöser Überzeugungen lasse dieser Wortlaut keinen Raum. Dementsprechend hat der Senat in seinem oben genannten Beschluss vom 18. April 1997 darauf hingewiesen, dass durch Einholung verschiedener Stellungnahmen geistlicher und religiöser Autoritäten des Islams festzustellen ist, ob das Schächten von Opfertieren zu den zwingenden religiösen Vorschriften des Islams gehört. Auch im Hinblick auf die Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG sieht § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG vor, dass eine Ausnahmegenehmigung nur zu erteilen ist, wenn zwingende Vorschriften der Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben. Insoweit geht das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. September 1999 - 3 E 952/99 (3) - fehl, wenn es ausführt, es könne nicht Aufgabe eines staatlichen Gerichts in einem religiös neutralen Staat sein, verbindlich aufgestellte Regeln einer Religionsgemeinschaft auf ihre inhaltliche Vereinbarkeit mit den schriftlichen Überlieferungen und Glaubensbekenntnissen zu überprüfen. Damit wird das Verwaltungsgericht den Anforderungen des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG nicht gerecht. Die Vorschrift fordert eine objektive Feststellung, ob zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben. In der Auslegung durch das Verwaltungsgericht würde diese Feststellung auf den Vortrag des einzelnen reduziert, dass er selbst als Angehöriger einer Religionsgemeinschaft das Schächten von Opfertieren für zwingend halte. Dieses Abstellen auf die individuelle subjektive - wenn auch als zwingend empfundene - religiöse Überzeugung ist aber, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem oben genannten Urteil vom 15. Juni 1995 festgestellt hat, mit dem Regelungsgehalt des Gesetzes nicht vereinbar.

Es ist somit insgesamt festzustellen, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass das Schächten von Opfertieren zu den zwingenden religiösen Vorschriften des Islams gehört. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht vor.

Da der Senat mit diesem Beschluss sowohl über die Zulassung der Beschwerde des Antragsgegners als auch über die Beschwerde des Antragsgegners selbst entschieden und auf diese Beschwerde den verwaltungsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, bedarf es einer Entscheidung über den Aussetzungsantrag des Antragsgegners nicht mehr. Dieser Antrag ist durch die Entscheidung über die Beschwerde gegenstandslos geworden.

Der Antragsteller hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, da er mit seinem Rechtsschutzbegehren keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 1 VwGO). Insoweit ergänzt der Senat gemäß § 118 Abs. 1 VwGO den vorab den Beteiligten übersandten Tenorbeschluss dahingehend, dass der Antragsteller auch die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2; 20 Abs. 3 GKG. Der Senat legt dabei ebenso wie das Verwaltungsgericht zugrunde, dass das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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