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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 11 UE 1716/00
Rechtsgebiete: GG, SGB VI, Satzung Versorgungswerk Rechtsanw. Hessen


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art 6 Abs. 1
SGB VI § 56 Abs. 2 S. 3
Satzung Versorgungswerk Rechtsanw. Hessen § 17 Abs. 3 Nr. 4 b
§ 17 Abs. 3 Nr. 4 b der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen enthält keine Regelung über die Anerkennung einer Kindererziehungszeit, sondern eine auf weibliche Mitglieder beschränkte, in rechtsfehlerfreier Weise auf Gesichtspunkte des Mutterschutzes zurückgreifende Anrechnung einer Zusatzzeit von einem Jahr nach der Geburt eines lebenden Kindes als Ausgleich für die mit der Geburt des Kindes verbundenen beruflichen und familiären Belastungen und Nachteile. Für eine Ausweitung dieser Vergünstigung auf den Vater des Kindes ist auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und das Verfassungsgebot nach Art. 6 Abs. 1 GG kein Raum.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

11 UE 1716/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Rechts der freien Berufe

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch Richter am Hess. VGH Igstadt als Berichterstatter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers zu 2. gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1999 (Az.: 12 E 2401/97 [V]) wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 2. hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 2. darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Kläger sind Eheleute und Eltern der am 12. Mai 1993 geborenen T. D.. Der Kläger zu 2. ist ordentliches Mitglied des beklagten Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen. Die Klägerin gehörte dem Versorgungswerk bis Ende November 1995 an.

Der Kläger zu 2. beantragte am 25. März 1996 bei dem Beklagten die Zusatzzeit wegen Kindererziehung für die Geburt seiner Tochter von der Klägerin zu 1. auf ihn zu übertragen.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1996 lehnte das beklagte Versorgungswerk den Antrag mit der Begründung ab, nach § 17 der Satzung komme ausschließlich weiblichen Mitgliedern die Anrechnung einer Zusatzzeit von einem Jahr für die Geburt eines lebenden Kindes während der Mitgliedschaft des weiblichen Mitglieds zugute. Er - der Kläger zu 2. - sei zwar Mitglied des Versorgungswerkes, jedoch kein weibliches Mitglied, so dass die Anerkennung einer Zusatzzeit nach der Satzung ausgeschlossen sei.

Den Widerspruch des Klägers zu 2. gegen in den Bescheid vom 29. Mai 1996 wies das Versorgungswerk mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1997 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung sehe das Recht, die besondere Zusatzzeit von einem Jahr für jede Geburt eines lebenden Kindes zu beantragen, nur für weibliche Mitglieder des Versorgungswerks vor. Diese positive Diskriminierung der weiblichen Mitglieder verstoße weder gegen Art. 1 GG noch gegen primäre oder sekundäre Rechte nach europarechtlichen Bestimmungen. Die Satzung knüpfe in der vorgenannten Regelung nicht an der Erziehungsleistung für ein Kind an, wie es § 57 SGB VI tue. Vielmehr komme es ausschließlich auf die Geburt eines Kindes an. Da die Frauen die Kinder gebärten und nach der überwiegenden sozialen Übung in der Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls während des ersten Lebensjahres eines Kindes, auch die überwiegende Betreuung, insbesondere die Ernährung (durch Stillen) leisteten, sei die Privilegierung der weiblichen Mitglieder auf eine besondere Zusatzzeit eine sachgerechte Begünstigung der Frauen, die Mitglieder des Versorgungswerks seien. Hierin liege keine negative und zudem willkürliche Diskriminierung der männlichen Mitglieder. § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung begründe lediglich ein höchstpersönliches Antragsrecht des jeweiligen weiblichen Mitglieds, das nicht auf den Kindesvater übertragen werden könne. Unabhängig davon könne dem Übertragungsantrag des Klägers zu 2. in Bezug auf die Tochter auch deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil von einer jedenfalls stillschweigend schlüssigen Ausübung des Antragsrechts durch die Kindesmutter in der Halbjahresfrist nach der Geburt des Kindes auszugehen sei.

Am 26. August 1997 erhob der Kläger zu 2. bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage.

Zur Begründung trug er vor, die von dem Beklagten angeführte Satzungsvorschrift in § 17 Abs. 3 Nr. 4b verletze höherrangiges Recht, indem sie lediglich für weibliche Mitglieder nach der Geburt eines Kindes die Anrechnung eines Jahres Zusatzzeit vorsehe. Die Satzungsvorschrift intendiere einen Kinderlastenausgleich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zugleich solle ein Ausgleich in der Vorsorge für den Alters- und Invaliditätsfall im ersten Lebensjahr nach der Geburt eines Kindes gewährt werden, in der dieses einer vermehrten Betreuung und Fürsorge bedürfe und diese von dem Elternteil bzw. den Eltern zumindest bei eingeschränkter Berufstätigkeit tatsächlich zugewendet werde. Durch die ausschließliche Privilegierung weiblicher Mitglieder verletze die Satzungsvorschrift Bundesrecht. So werde etwa in § 1 Abs. 1 BErzGG, der ebenfalls Ausfluss des Kinderlastenausgleichs sei, die Leistung von Erziehungsgeld an den Berechtigten einzig daran gebunden, dass diesem für das Kind die Personensorge zustehe. Eine Differenzierung nach dem Geschlecht des Elternteils erfolge nicht. Weiterhin sehe § 23 Abs. 1 Nr. 1g SGB I für die gesetzliche Rentenversicherung einen Rechtsanspruch auf Leistungen für Kindererziehung ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht des Anspruchsberechtigten vor. Weiterhin werde nach § 56 SGB VI eine Kindererziehungszeit ohne Differenzierung nach dem Geschlecht dem Elternteil zugerechnet, der das Kind erzogen habe. Bei gemeinschaftlicher Erziehung erfolge die Anrechnung zu Gunsten eines Elternteils, wobei bei gemeinschaftlicher Erziehung die Eltern übereinstimmend erklären könnten, welchem Elternteil sie zuzuordnen sei. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Fällen der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk dort ein gleichwertiger Versicherungsschutz gewährt werden müsse. Da die Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 56 SGB VI auf Grund ihrer gemeinschaftlichen Erklärung eine Anrechnung der Kindererziehungszeit für ihre Tochter T. in der Versicherung des Klägers zu 2. beanspruchen könnten, müsse dies unter gleichen Voraussetzungen auch für den Bereich des Versicherungsschutzes bei dem Beklagten gelten. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und in der Rechtsanwaltsversorgung andererseits rechtfertigten die ausschließliche Privilegierung weiblicher Mitglieder im Versorgungswerk nicht.

Überdies verstoße die Satzungsvorschrift auch gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht lasse eine an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu und habe etwa in seiner Entscheidung zum Hausarbeitstag zum Ausdruck gebracht, dass eine Regelung mit unterschiedlicher Behandlung von Mann und Frau mit dem Gleichheitssatz dann nicht zu vereinbaren sei, wenn mit ihr nur ein Ausgleich für traditionsbedingt verfestigte Rollenverteilungen geschaffen werden solle. Damit sei die von dem Beklagten angeführte überwiegende soziale Übung in der Kindesbetreuung und -erziehung im ersten Jahr nach der Geburt unvereinbar, denn hierbei handele es sich um keine geschlechtsbedingte Eigenheit der Frau. Vielmehr könne diese Aufgabe in gleicher Weise auch der Kindesvater erfüllen.

Schließlich verstoße die Satzungsvorschrift auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Durch die Satzungsvorschrift werde die Gruppe der männlichen Mitglieder von der Anrechnung einer Zusatzzeit wegen Kindererziehung nach der Geburt eines Kindes ausgenommen und damit in ihrer Alters- und Invaliditätsvorsorge benachteiligt. Darüber hinaus bedinge die Satzung auch eine zumindest mittelbare Benachteiligung der Frauen, denn die Aufgabe oder Einschränkung des Berufes wegen Kindererziehung sei mit Nachteilen in der beruflichen Planung und im Fortkommen verbunden.

Nach alledem sei die Satzungsvorschrift des §17 Abs. 3 Nr. 4 b unwirksam, jedenfalls aber lückenhaft, so weit sie die Anrechnung einer besonderen Zusatzzeit wegen Kindererziehung für den Kindesvater nicht vorsehe. Diese Lücke sei durch analoge Anwendung des § 56 SGB VI zu schließen.

Der Kläger zu 2. beantragte,

den Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger zu 2. hinsichtlich seiner Versorgungsansprüche bei dem Beklagten mindestens ein Jahr Zusatzzeit wegen Kindererziehung der gemeinschaftlichen Tochter T. anzurechnen.

Das beklagte Versorgungswerk beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trug es vor, die eindeutige und zwingende Vorschrift des § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung weise die Zusatzzeit für die Geburt eines Kindes ausschließlich weiblichen Mitgliedern zu. Diese Satzungsbestimmung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Das Gesetz über die hessische Rechtsanwaltsversorgung enthalte keine Regelung über die sog. Kindererziehungszeit. Vielmehr sollten mit der Zusatzzeit typische Nachteile ausgeglichen werden, die gerade weibliche Mitglieder dadurch hätten, dass sie Kinder gebärten und erzögen. Der Hinweis auf die gesetzliche Rentenversicherung gehe fehl. Das Versorgungswerk beruhe nicht auf dem Generationenvertrag oder auf dem Umlageverfahren, sondern auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Dies bedeute, dass das Versorgungswerk die Rentenleistungen nicht aus den Beiträgen der derzeitigen Beitragszahler an die ältere Generation leiste, sondern die Leistungen des Versorgungswerkes würden durch die Beiträge der Mitglieder selbst finanziert. Anderes als in der gesetzlichen Rentenversicherung seien somit die Ansprüche der heutigen Beitragszahler nicht auf die Beitragszahlungen künftiger Generationen angewiesen. Die Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst hätten, Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung einzuführen oder aber Eltern eine Unterhaltssicherung für die Dauer der Kindererziehung zu gewähren, hätten mit der Einführung einer Zusatzzeit von einem Jahr in der Satzung des Beklagten nichts zu tun. Deshalb gehe die Argumentation der Kläger fehlt, wonach die Satzungsregelung gegen Art. 3 GG und die Bestimmungen des EWG-Vertrages verstoßen solle.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 8. September 1999 ab.

Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Übertragung eines rentensteigernden Versicherungsjahres seiner Ehefrau noch einen Anspruch aus eigenem Recht in Folge seiner Mitgliedschaft beim beklagten Versorgungswerk. Ein Übertragungsanspruch scheitere daran, dass die Klägerin zu 1. nach Beendigung ihrer Mitgliedschaft und teilweisen Beitragsrückerstattung selbst jegliche Versorgungsanwartschaften verloren habe. Darüber hinaus stehe dem Kläger zu 2. weder auf der Grundlage der Satzung noch auf Grund höherrangigen Rechts ein Anspruch auf Berücksichtigung einer Zusatzzeit wegen seiner Tochter T. zu. Auf den von ihm behaupteten Anspruch könne sich der Kläger zu 2. schon deshalb nicht berufen, weil er sich hierauf verspätet berufen habe. Zwar enthalte § 17 Abs. 3 Nr. 5b der Satzung keine Antragsfrist. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass die anrechenbare Kindererziehungszeit nach dieser Bestimmung ein Jahr betrage und deshalb nach der Geburt der Tochter T. mit Ablauf des Dezember 1993 geendet habe. Selbst bei entsprechender Anwendung von § 56 Abs. 2 SGB VI, wonach die rechtsgestaltende Wirkung der Erklärung der Eltern über die Zuordnung der Erziehungszeit im Bereich der Rentenversicherung für bis zu zwei Monate rückwirkend erfolgen könne, könne der Kläger zu 2. keinen Anspruch auf beitragsfreie Anrechnung von Kindererziehungszeiten mehr geltend machen.

Auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung liege nicht vor. Die Anerkennung und die Dauer der Kindererziehungszeiten sei in der Rentenversicherung durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt, die für die berufsständische Versorgung keine Geltung beanspruchen könnten. Während die gesetzliche Rentenversicherung nach dem auf dem Generationenvertrag ausgestalteten Umlageverfahren arbeite, beruhe das Alterssicherungssystem berufsständischer Versorgungseinrichtungen auf einem Anwartschaftsdeckungsverfahren, bei dem jedes Mitglied seine Altersversorgung durch eigene Beiträge finanziere. Die Kindererziehung habe in einem derartigen System nicht die gleiche bestandsichernde Bedeutung wie für die gesetzliche Rentenversicherung. Zwar seien bei der berufsständischen Versorgung auch großzügigere Regelungen hinsichtlich der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten denkbar. Ein durchsetzbarer Anspruch bestehe insoweit auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und 4 GG nicht.

Schließlich verstoße die Satzung des Beklagten auch nicht gegen europarechtliche Bestimmungen. Insbesondere enthalte § 17 Abs. 3 Nr. 5b der Satzung keine nach Art. 119 des EWG-Vertrages unvereinbare mittelbare Diskriminierung des Kindesvaters durch ungerechtfertigen Ausschluss von der Anrechnung einer besonderen Erziehungszeit. Aus der Präambel zur Richtlinie 97/7/EWG über die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ergebe sich, dass Bestimmungen zum Schutz der Frau wegen Schwangerschaft der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht entgegen stünden. Zugleich habe der EuGH im Hinblick auf die von Art. 1 der Richtlinie 86/613 EWG in Bezug genommene Richtlinie 76/207 EWG entschieden, dass ein nach der Schutzfrist gewährter Mutterschaftsurlaub der Mutter unter Ausschluss aller anderen Personen vorbehalten werden könne. Die Richtlinie begründe keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einen solchen Urlaub alternativ auch Vätern zu gewähren. Der dieser Rechtsprechung zu Grunde liegende Gedanke einer objektiv gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung von Mann und Frau sei auf die rentensteigernde Anrechnung von Kindererziehungszeiten übertragbar.

Auf den Antrag des Klägers zu 2. wurde die Berufung gegen den ihn betreffenden Teil des vorgenannten Urteils zugelassen.

Zur Begründung des zugelassenen Rechtsmittels trägt der Kläger zu 2. im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht der Vorinstanz könne dem von ihm geltend gemachten Anrechnungsanspruch nicht entgegen gehalten werden, dass die Erklärungsfrist gemäß § 56 Abs. 2 SGB VI nicht eingehalten worden sei. Diese Bestimmung sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Eine planwidrige Regelungslücke, die es als erforderlich erscheinen lassen könne, eine rentenversicherungsrechtliche Regelung über die Einhaltung einer Erklärungsfrist für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten analog heranzuziehen, liege nicht vor. Die Satzung habe in § 17 Abs. 3 Nr. 5 b gerade auf die Normierung einer Frist für die Geltendmachung des Anrechungsanspruchs verzichtet.

Die Satzung verstoße durch den Ausschluss des Kindesvaters von der Berücksichtigung der Kindererziehungszeit gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG sowie gegen Gemeinschaftsrecht.

Durch die Satzungsregelung nach § 17 Abs. 3 Nr. 5 b solle ein Kinderlastenausgleich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zum Ausdruck gebracht werden. Es werde dem Umstand Rechnung getragen, dass das Kind im ersten Jahr nach seiner Geburt vermehrter Betreuung und Fürsorge bedürfe. Insoweit werde ein Ausgleich für den Alters- bzw. Invaliditätsfall für die Eltern bzw. den Elternteil geschaffen, der bei eingeschränkter oder aufgegebener Berufstätigkeit die Fürsorge aufwende. Wenn die Satzung in § 17 Abs. 3 Nr. 5b die Zusatzzeit nur weiblichen Mitgliedern zubillige, werde in unzulässiger Weise an eine tradierte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau angeknüpft. Es gehöre nicht zu den geschlechtsbedingten Eigenheiten der Frau, im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes sich dessen Erziehung zu widmen und hierfür ihren Beruf aufzugeben oder einzuschränken. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und in der berufsständischen Versorgung andererseits rechtfertigten die Ungleichbehandlung bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nicht. Kinder hätten im Rahmen der Altersversorgung jeweils eine gleich hohe Bedeutung. Hierbei sei zu bedenken, dass auch die berufsständische Versorgung nicht allein an die eingezahlten Beiträge anknüpfe, sondern in einzelnen Bereichen zusätzliche oder beitragsfreie Zeiten und Umverteilungen vorsehe.

Die Satzung enthalte in den hier in Frage stehenden Bestimmungen weiterhin auch eine mit Art. 119 des EWG-Vertrages und der Richtlinie 79/7 EWG unvereinbare Diskriminierung. Die von dem Verwaltungsgericht herangezogenen Schutzbestimmungen für Mütter beträfen eine Richtlinie, die nur für selbständig Erwerbstätige gelte und deshalb - da im Versorgungswerk auch angestellte Rechtsanwälte beiderlei Geschlechts versichert seien - nicht zur Anwendung komme.

Der Kläger zu 2. beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1999 den Bescheid des beklagten Versorgungswerkes vom 29. Mai 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Versorgungswerkes vom 25. Juli 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger zu 2. hinsichtlich seiner Versorgungsansprüche bei dem Beklagten mindestens ein Jahr Zusatzzeit wegen Kindererziehung seiner Tochter T.D. anzurechnen.

Das beklagte Versorgungswerk beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor, die geltende Bestimmung des § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung sehe die Anrechung eines Zusatzjahres ausdrücklich nur für weibliche Mitglieder und nur im Hinblick auf die Geburt eines lebenden Kindes vor. Auf die Anrechnung eines "Kindererziehungsjahres" für ausgeschiedene weibliche Mitglieder in der bis zum 26. Juni 1991 geltenden Regelung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 könne sich der Kläger zu 2. nicht mehr stützen. Die geltende Satzung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Das Gesetz über die hessische Rechtsanwaltsversorgung sehe keine beitragsfreien Versicherungszeiten für weibliche oder männliche Mitglieder wegen der Geburt eines Kindes vor. Da die Satzung ausdrücklich an die Geburt des Kindes anknüpfe, sei wegen der natürlichen geschlechtsbezogenen Unterschiede hier eine Beschränkung der Begünstigung auf weibliche Mitglieder zulässig und verstoße nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Das Versorgungswerk sei auch nicht dazu verpflichtet, einen Kinderlastenausgleich zu schaffen. Vielmehr sei es seine alleinige Aufgabe, im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens eine ausreichende finanzielle Basis für die Versorgung seiner Mitglieder zu schaffen. Es obliege daher dem Gestaltungsermessen der Vertreterversammlung, darüber zu befinden, ob und welchen Personen wegen der Geburt eines Kindes eine beitragsfreie Zusatzzeit zuerkannt werde.

Gemeinschaftsrecht werde von der Regelung über die Zuerkennung von Zusatzzeiten im Versorgungswerk nicht berührt.

Dem Gericht liegen die den Kläger zu 2. und die Klägerin zu 1. betreffenden Vorgänge des beklagten Versorgungswerks vor. Diese Vorgänge waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30. September 2003, sowie auf die beigezogenen Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers zu 2., über die mit Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter des Senats entscheidet (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers zu 2. zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Anrechnung eines Versicherungsjahres wegen Kindererziehung. Die von dem Kläger zu 2. angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 29. Mai 1996 und 25. Juli 1997 sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Das erkennende Gericht lässt offen, ob dem Kläger zu 2. - wie die Vorinstanz angenommen hat - eine Berufung auf den von ihm geltend gemachten Anrechnungsanspruch schon deshalb verwehrt ist, weil der Antrag auf Berücksichtigung der Zusatzzeit wegen der Erziehung der Tochter T. des Klägers zu 2. erst nach Ablauf des anrechenbaren Zusatzjahres gestellt wurde.

Ob dem Kläger zu 2. entgegen gehalten werden kann, den Antrag auf Anrechnung der Zusatzzeit nicht rechtzeitig gestellt zu haben, erscheint deshalb zweifelhaft, weil dieser Antrag nach der einschlägigen Regelung des § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung des Beklagten vom 12. Oktober 1988 (JMBl. S. 788) in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung des Beklagten vom 26. Juni 1991 (JMBl. S. 124) nicht fristgebunden ist und die von dem Verwaltungsgericht befürwortete entsprechende Anwendung von § 56 Abs. 2 Satz 4 SGB VI bezüglich der Frist für die Abgabe einer Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeit aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen sein dürfte.

Die Übertragung rechtseinschränkender Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Recht der berufsständigen Versorgung begegnet wegen der grundlegenden Unterschiede der beiden Systeme bei der Finanzierung der Altersversorgung und der hierdurch bedingten rechtlichen Verschiedenheiten (vgl. hierzu: BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. -, BVerfGE 87, 1 [36 ff.]) bereits grundsätzlichen Bedenken. Selbst wenn man ungeachtet dessen eine analoge Anwendung der sozialrechtlichen Bestimmungen über die Kindererziehungszeit für möglich erachten sollte, würde sich eine solche entsprechende Anwendung im vorliegenden Fall gleichwohl als zweifelhaft darstellen.

Die in § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI geregelte Abgabe einer Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeit zu einem Elternteil ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 bis 6 SGB VI nur durch die Eltern gemeinsam und grundsätzlich mit Wirkung für künftige Kalendermonate sowie nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung möglich (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 3. April 2001 - B 4 RA 89/00 R -). Eine Übertragung dieser zeitlichen Begrenzung der Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeit dürfte sich schon deshalb verbieten, weil die hier in Frage stehende Bestimmung des § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung des Beklagten überhaupt keine Regelung über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten trifft, sondern vielmehr die Anerkennung einer Zusatzzeit für weibliche Mitglieder nach der Geburt eines Kindes beinhaltet. Zwar kamen nach der zum 24. Februar 1992 außer Kraft getretenen Bestimmung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung weibliche Mitglieder nach der Geburt eines Kindes in den Genuss der Anrechnung eines ausdrücklich als solchen bezeichneten Kindererziehungsjahres als anrechenbarem Versicherungsjahr, soweit die Mitgliedschaft aus Anlass der Geburt endete. Erkennbar sollte mit dieser Regelung in Anlehnung an die entsprechenden Vorschriften des § 56 SGB VI für ausgeschiedene weibliche Mitgliedern eine zumindest teilweise versorgungsrechtliche Anerkennung der in der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnenden Erziehungszeit herbeigeführt werden. Demgegenüber ist in der Regelung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 5b a. F. (nunmehr § 17 Abs. 3 Nr. 4b) von einem Kindererziehungsjahr nicht die Rede. Vielmehr wird in dieser Vorschrift auf Antrag einem weiblichen Mitglied "für jede Geburt eines lebenden Kindes während der Mitgliedschaft" ein Jahr als Zusatzzeit angerechnet. Bereits der unterschiedliche Wortlaut der Bestimmungen und die Anknüpfung an die Geburt des Kindes als maßgeblichem Privilegierungsgrund verdeutlicht, dass der Satzungsgeber mit der Regelung § 17 Abs. 3 Nr. 4b keine Anerkennung von Erziehungszeiten bezweckte, sondern vielmehr den spezifischen familiären und beruflichen Belastungen der dem Versorgungswerk angehörenden Frauen nach der Geburt Rechnung tragen wollte. Im Hinblick auf diese grundsätzlichen Unterschiede verbietet sich die Annahme, dass der Satzungsgeber nach Aufhebung der Regelung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 zum 24. Februar 1992 die Regelung über die Anerkennung eines Kindererziehungsjahres in die fortgeltende Bestimmung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4b integrieren wollte. Im Gegenteil ist - wie der Bevollmächtigte des beklagten Versorgungswerkes in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat - die frühere, aus der Satzung des niedersächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerkes übernommene Satzungsbestimmung über die Anrechnung eines Kindererziehungsjahres gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 a. F. zunehmend als problematisch betrachtet worden, da durch diese Regelung auch nach der Geburt eines Kindes ausgeschiedene weibliche Mitglieder in den Genuss zusätzlicher Vergünstigungen in der Versorgungsanwartschaft kamen. Durch die Streichung dieser Bestimmung sollte klargestellt werden, dass nur für Mitglieder des Versorgungswerkes anrechenbare Versicherungszeiten in der Versorgungsanwartschaft Berücksichtigung finden sollten. Die frühere Anrechnung eines Kindererziehungsjahres als zusätzlichem Versicherungsjahr ist damit ersatzlos entfallen.

Nach alledem spricht vieles dafür, dass der Antrag des Klägers zu 2. ohne Bindung an eine Frist gestellt werden konnte. Die vorstehend dargestellte Problematik bedarf für das vorliegende Verfahren indessen deshalb keiner abschließenden Erörterung, weil dem Kläger zu 2. jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf Übertragung der Zusatzzeit nach der Geburt seiner Tochter T. gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung des Beklagten zusteht.

Einen unmittelbar auf die vorgenannte Satzungsregelung gestützten Anspruch auf Berücksichtigung einer Zusatzzeit von einem Jahr nach der Geburt seiner Tochter T. kann der Kläger zu 2. schon deshalb nicht geltend machen, weil ein solcher Anspruch nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung nur weiblichen Mitgliedern zuerkannt wird. Auch eine Übertragung des lediglich der Klägerin zu 1. zustehenden Anspruchs auf Anerkennung der Zusatzzeit oder zumindest eine Geltendmachung dieses Anspruchs durch den Kläger zu 2. ist in der Satzung des Beklagten nicht vorgesehen und wegen des höchstpersönlichen Charakters dieses Anspruchs auch aus rechtsgrundsätzlichen Aspekten ausgeschlossen.

Entgegen der Ansicht des Klägers zu 2. besteht auch keine Verpflichtung des Beklagten, ihn - den Kläger zu 2. - mit Rücksicht auf den Gleichberechtigungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 2 GG bezüglich der Anrechnung der Zusatzzeit nach der Geburt der Tochter T. mit seiner Ehefrau gleichzustellen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bei einem feststellbaren Verstoß der Satzungsbestimmung des § 17 Abs. 3 Nr. 4b gegen Art. 3 Abs. 2 GG zwangsläufig ein Anspruch des Klägers zu 2. auf die durch diese Regelung gewährte Begünstigung unter dem Gesichtspunkt eines aus dem grundrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu entnehmenden "Teilhaberechts" anzuerkennen wäre (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1987 - 1 BvR 455/82 -, BVerfGE 74, 163 [179]). § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung ist nämlich mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 2 GG enthält das Verbot, rechtliche Differenzierungen nach dem Geschlecht der betroffenen Personen vorzunehmen, soweit nicht im Hinblick auf die objektiven biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses eine besondere Regelung erlaubt oder sogar geboten ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1953 - 1 BvL 106/53 -, BVerfGE 3, 225; Beschluss vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71 u. a. -, BVerfGE 37, 217; Beschluss vom 28. Januar 1987 - 1 BvR 455/82 -, BVerfGE 74, 163).

Diesem Grundsatz entspricht die hier in Frage stehende Regelung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4b, denn sie knüpft bei der von ihr gewährten geschlechtsspezifischen Begünstigung an objektiv biologische Besonderheiten, nämlich an die gerade für Frauen nach einer Geburt mit dem Zusammentreffen familiärer und beruflicher Anforderungen verbundenen Belastungen an. Damit greift die Regelung, anders als die von dem Kläger zu 2. zum Vergleich herangezogene Bestimmungen zum Hausarbeitstag, auf Gesichtspunkte des Mutterschutzes zurück, die unter dem Blickwinkel der verfassungsrechtlich normierten Gleichberechtigung von Mann und Frau unbedenklich sind. Somit wird in der Satzung bei der auf weibliche Mitglieder beschränkten Begünstigung in legitimer Weise auf ein spezifisches Schutzbedürfnis von Müttern und nicht etwa auf eine überkommene Rollenverteilung zwischen Mann und Frau abgestellt. Die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 1979 - 1 BvR 631/78 -, BVerfGE 52, 369, hierzu aufgestellten Grundsätze haben für den vorliegenden Fall keine Bedeutung.

Auch der Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet das beklagte Versorgungswerk nicht dazu, eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Anrechnung von Kindererziehungszeiten vorzusehen. Eine solche Verpflichtung besteht nicht einmal in Bezug auf (ehemals) dem Versorgungswerk angehörende weibliche Mitglieder. Um so weniger war der Satzungsgeber verfassungsrechtlich gehalten, eine den Vater des Kindes einbeziehende Regelung über die Berücksichtigung einer Kindererziehungszeit zu schaffen.

Zwar kann der Normgeber durch den Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG und durch das Sozialstaatsprinzip gehalten sein, Regelungen zu einem "Familienlastenausgleich" zu schaffen, um Nachteile auszugleichen, die sich etwa im Bereich der Altersversorgung durch fehlende Beitragsleistung während der Zeit einer erforderlichen Kinderversorgung und Kindererziehung einstellen. Art und Umfang dieser Verpflichtung sind allerdings wesentlich von dem Finanzierungssystem der in Frage stehenden Altersversorgung abhängig.

Handelt es sich, wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung, um ein umlagefinanziertes Alterssicherungssystem, muss unter dem Blickwinkel des Schutzgebotes nach Art. 6 Abs. 1 GG beachtet werden, dass bei Gleichheit von Beitragslast und Leistungsansprüchen Versicherte mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern in spezifischer Weise benachteiligt werden. Der Nachteil, den erziehende Versicherte erleiden, liegt in dem um die Kostenlast der Kindererziehung erhöhten Gesamtbeitrag zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Versicherungssystems. Während alle Mitglieder im Umlageverfahren durch die Beitragszahlungen die aktuellen Versorgungsleistungen finanzieren, wird von Versicherten mit Kindern durch die Aufziehung der künftigen Beitragszahler zusätzlich ein "generativer Beitrag" erbracht. Das mögliche Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende in die Versicherung einbringen, und dem Geldbeitrag der Kinderlosen muss ggf. durch Entlastung bereits bei der Bemessung der Beiträge, jedenfalls aber durch Anerkennung der geleisteten Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaften berücksichtigt und ausgeglichen werden. Auch in einem umlagefinanzierten Versorgungssystem besteht allerdings ein Gestaltungsspielraum des Normgebers bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts. Insbesondere müssen Versicherte mit Kindern nicht vollständig von der Beitragspflicht freigestellt werden (vgl. zum Obenstehenden: BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 C 9.01 -, NJW 2002, 2193, mit weiteren Nachweisen).

Eine vergleichbare Verpflichtung, mit Rücksicht auf das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG Nachteile von Beitragszahlern durch die Versorgung und Erziehung von Kindern auszugleichen, besteht für den Satzungsgeber im Bereich eines berufsständischen Versorgungswerkes nicht. Anders als bei einem auf dem Generationenvertrag beruhenden umlagefinanzierten Altersversorgungssystem erfolgt die Alterssicherung der Mitglieder hier auf der Grundlage des sog. offenen Deckungsplanverfahrens. Danach werden die Versorgungsleistungen grundsätzlich nur aus den von den Mitgliedern selbst geleisteten Beiträgen erbracht. Die möglichst vollständige Erbringung der Beiträge ist, da diese die alleinige Grundlage für die Finanzierung der Versorgungsleistungen darstellen, zur Abdeckung der für die Versorgung notwendigen Mittel unerlässlich. Für eine Beitragsfreistellung für Kindererziehende ist folglich auf der Basis eines solchen Finanzierungssystems grundsätzlich kein Raum. Die hierfür benötigten Mittel könnten nämlich allenfalls durch Verringerung der Versorgungsleistungen oder durch Erhöhung der Beiträge aufgebracht werden. Eine solche zu Lasten der Beitragszahler gehende Umverteilung wäre mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG ihrerseits verfassungsrechtlich bedenklich. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen keine Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfolgt (vgl. zum Obenstehenden: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2001 - 9 S 902/00 -; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 C 9.01 -, a. a. O.).

Der Ausschluss des Klägers zu 2. von der Berücksichtigung einer Zusatzzeit nach § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung verstößt schließlich auch nicht gegen Europarecht.

Das von dem Kläger zu 2. angeführte Diskriminierungsverbot nach Art. 141 (vormals Art. 119) des EG-Vertrages wird durch die beanstandete Satzungsbestimmung nicht berührt. Art. 141 Abs. 1 des EG-Vertrages fordert von den Vertragsstaaten die Verwirklichung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Unter "Entgelt" im Sinne der vorgenannten Regelung sind - wie Art. 141 Abs. 2 ausdrücklich klarstellt - nur die auf Grund eines Dienstverhältnisses zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer geschuldeten Grund- und Mindestlöhne und sonstigen Vergütungen zu verstehen. Um derartige Leistungen handelt es sich im vorliegenden Fall nicht.

Die Satzung des Beklagten beinhaltet entgegen der Ansicht des Klägers zu 2. auch keine mit der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit unvereinbare mittelbare Diskriminierung von männlichen Mitgliedern des Versorgungswerks. Die vorgenannte Richtlinie, die nach Art. 3 u. a. auch auf gesetzliche Systeme zur Absicherung von Selbständigen vor alters- und invaliditätsbedingten Risiken Anwendung findet und nach Art. 4 Abs. 1 eine an das Geschlecht anknüpfende unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. auch bezüglich der Beitragspflicht und der Berechnung der Beiträge verbietet, erlaubt in der Präambel ausdrücklich den Erlass von Bestimmungen zum Schutz von Frauen wegen Mutterschaft und zum Ausgleich "tatsächlich bestehender Ungleichheiten" gegenüber Männern. In Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie wird nochmals klar gestellt, dass Bestimmungen zum Schutz der Frau wegen Mutterschaft dem in Art. 4 Abs. 1 normierten Gleichbehandlungsgrundsatz nicht entgegen stehen. Es begegnet von daher keinen Bedenken, dass in der Satzung des Beklagten allein für weibliche Mitglieder ein weiteres Versorgungsjahr zum Ausgleich der mit der Mutterschaft einher gehenden beruflichen Nachteile und familiären Belastungen angerechnet wird.

Der Kläger zu 2. hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil er mit seinem Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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