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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 11 UE 3488/04
Rechtsgebiete: HundeVO


Vorschriften:

HundeVO § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt.
HundeVO § 2 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt.
HundeVO § 2 Abs. 2 Nr. 3
Ein "anderes Tier" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO kann auch ein (anderer) Hund sein.

Eine Schädigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO liegt grundsätzlich bei jeder Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres unabhängig von der Schwere der körperlichen Beeinträchtigung vor. Außer Betracht bleiben nur ganz geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer.

Als Schädigung sind im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO sämtliche (noch) auf den Biss zurückzuführende körperliche Beeinträchtigungen des gebissenen Tieres zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob diese unmittelbar nach dem Biss aufgetreten sind oder sofort feststellbar waren.

Gefährlich ist ein Hund unter den Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 HundeVO unabhängig davon, ob sein Verhalten Ausdruck einer besonderen, nicht artgemäßen Aggressionsbereitschaft ist (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 19. November 2004 - 11 UZ 2947/04 -).


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

11. Senat

11 UE 3488/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Polizeirechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Igstadt, ehrenamtlicher Richter Klapp, ehrenamtlicher Richter Matzeit

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. Juli 2004 - 10 E 5578/03 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Beklagten vom 28. Juli 2003, mit der der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der HundeVO eingestuft wurde.

Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. Juli 2004 wird auf den Tatbestand dieses Urteils Bezug genommen, dessen Inhalt sich der Senat in vollem Umfang zu Eigen macht (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hob mit dem vorgenannten Urteil den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 und den Widerspruchsbescheid des Landrats des Wetteraukreises vom 30. Oktober 2003 auf. Zur Begründung seiner Entscheidung führte die Vorinstanz im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Anfechtungsklage der Klägerin sei begründet, denn die angefochtenen Bescheide stellten sich als rechtswidrig dar und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Der von der Behörde hinsichtlich der Feststellung des Rottweilerrüden "Z.-M." der Klägerin herangezogene Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO sei nicht erfüllt. Nach den durchgeführten Zeugenvernehmungen könne nicht festgestellt werden, dass der Hund der Klägerin am 13. Juni 2003 den Hund des Zeugen S., einen Border-Collie namens "B.", im Sinne der oben genannten Bestimmung durch einen Biss geschädigt habe. Eine solche Schädigung habe der Hund des Zeugen bei Gesamtschau der Zeugenangaben nicht erlitten. Fest stehe lediglich, dass der Border-Collie durch den Zusammenstoß mit "Z.-M." oberflächliche Wunden in Form zweier kleiner Löcher an der linken Halsseite davongetragen habe. Dies lasse auf einen Biss schließen. Eine weitere Behandlung habe aber nicht stattgefunden. Erst drei Tage später sei der Hund nach Aussage des behandelnden Tierarztes mit einem Hämatom im Bissbereich erneut vorgestellt worden. Es habe sich nach Angaben von Dr. R. nicht um einen außergewöhnlichen Vorfall gehandelt, sondern um einen Standardfall. Die in Behördenakten in Form eines Vermerks vom 26. März 2003 festgehaltene Bemerkung des Tierarztes, der Border-Collie sei ziemlich gebeutelt gewesen und habe Glück gehabt, dass die Bisswunde nicht einige Zentimeter tiefer gelegen habe, habe Dr. R. in seiner Zeugenvernehmung nicht bestätigt. Bei dieser habe der Tierarzt nur von einem leichten, nicht lebensbedrohenden Schockszustand gesprochen. Es stehe danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Hund des Zeugen S. als Folge einer artgerechten Auseinandersetzung zwischen den Hunden nur leichte Blessuren erlitten habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem sich aus den Aussagen der verschiedenen Zeugen feststellbaren Geschehensablauf. Weder der Zeuge S. noch die Zeugin K. hätten bekunden können, dass "B." gegenüber "Z.-M." eine artübliche Unterwerfungsgestik gezeigt habe. Im Übrigen hätten beide Zeugen lediglich ausgesagt, dass der Rottweiler der Klägerin zu dem Border-Collie gekommen sei und dass es eine Auseinandersetzung zwischen den Hunden gegeben habe. Wenn die Beklagte hierin einen Angriff gesehen habe, komme es hierauf nicht an, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO einen solchen nur als Ausschlussmerkmal kenne und nicht im Sinne eines Verhaltenstatbestandes. Unklar sei geblieben, wie es anschließend zu der leichten Verletzung des Border-Collie des Zeugen S. gekommen sei. Während dieser bei seiner Zeugenaussage erklärt habe, die Leine seines Hundes losgelassen zu haben, habe die Zeugin K. überzeugend geschildert, dass der Zeuge S. die Leine die gesamte Zeit über gehalten habe. Entsprechend der früheren Erklärung dieses Zeugen bei der Erstattung der Anzeige könne es deshalb möglich sein, dass er mit Leinenreißen und Einsatz von Pfefferspray versucht habe, ins Geschehen einzugreifen, und seinem Hund hierdurch die Verletzungen selbst beigebracht habe. Hierauf komme es aber nicht an. Nach den Einlassungen des Zeugen Dr. R. könne nicht auf ein inadäquates Aggressionsverhalten des Rottweilers geschlossen werden. Hätte ein solches vorgelegen, wären - so das Verwaltungsgericht - entsprechend stärkere Hautperforationen entstanden. Auch wenn der eigentliche Verlauf der Auseinandersetzung nicht habe aufgeklärt werden können, müsse aufgrund des vorliegenden Schadensbildes von einer Auseinandersetzung im üblichen Ritualbereich ausgegangen werden. Etwas anderes folge auch nicht aus den von der Beklagten zur Begründung ihrer Verfügung angeführten weiteren Vorfällen. Soweit hier ursprünglich von Bissverletzungen die Rede gewesen sei, habe sich auch hier herausgestellt, dass es sich lediglich um Kratzer gehandelt habe. Eine Grundaggressivität von "Z.-M." könne auch nicht aus dem mit ihm durchführten Wesenstest abgeleitet werden. Die Aussage des Gutachters zu einem von ihm beobachteten aggressiven Verhalten des Hundes ließen nicht zureichend erkennen, ob sich diese Aggression im Bereich des artgerechten Verhalten bewege oder Ausdruck eines inadäquaten Aggressionsverhaltens sei. Die Feststellung des Gutachters, der Hund berge bei Belastungen in Verbindung mit mangelnder Sicherheit eine gesteigerte Gefährlichkeit, sei mit anderen Erkenntnissen des Gutachters unvereinbar. Wegen dieser Widersprüche sei das Gutachten letztlich nicht verwertbar.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19. November 2004 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, die von der Vorinstanz auf er Basis der von ihr durchgeführten Beweisaufnahme getroffene Feststellung, es mangele an den Voraussetzungen für die Einordnung des Hundes der Klägerin als gefährlicher Hund nach § 2 Abs. 2 Nr. 2,1. Alt. HundeVO, sei nicht tragfähig. Nach der vorgenannten Bestimmung seien Hunde gefährlich, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Dies treffe auf den Hund der Klägerin ohne weiteres zu. Dass dieser den Hund des Zeugen S. gebissen habe, sei unstreitig. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin, ihr Hund sei auf "B." zugelaufen, habe dann abgedreht und sei seinerseits von dem Border-Collie angegriffen und verletzt worden, stehe in Widerspruch zu den vorliegenden Zeugenaussagen und den Angaben des behandelnden Tierarztes, der die Verletzungen am Hund des Zeugen S. festgestellt habe. Wenn das Verwaltungsgericht ungeachtet der auch von ihm konstatierten Blessuren beim Border-Collie des Zeugen S. das Vorliegen einer Schädigung verneine, begegne dies gravierenden Bedenken. Ein Biss im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO verlange nicht das Zufügen einer blutenden Wunde, sondern lediglich das Zuschnappen der Kiefer eines Hundes an einem menschlichen oder - wie hier - tierischen Körper. Auch soweit das Gericht annehme, die dem Border-Collie des Zeugen S. zugefügten Wunden seien ihrer Art und Schwere nach nicht ausreichend, um eine Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung annehmen zu können, seien seine Erwägungen rechtsfehlerhaft. Mit dem Begriff der Schädigung greife der Verordnungsgeber auf den polizeirechtlichen Schadensbegriff zurück. Ein Schaden liege danach grundsätzlich bei jeglicher Verletzung rechtlich geschützter Rechtsgüter vor. § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO meine hierbei einen Schaden in der Form der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres, die vorliege, wenn ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert werde. Für die Annahme, dass lediglich Funktionsstörungen besonderer Schwere erfasst oder lediglich für die Gesundheit des Tieres besonders gefährliche Verletzungen Berücksichtigung finden sollten, biete die Vorschrift keine Grundlage. Im Gegenteil sei anzunehmen, dass der Verordnungsgeber einen weitgehenden Schutz vor Hunden mit übersteigerter Aggression angestrebt habe und deshalb grundsätzlich jeden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres als Schädigung habe erfassen wollen. Danach hätte das Verwaltungsgericht - so die Beklagte - eine Schädigung bereits wegen der dem Border-Collie bei dem Vorfall unmittelbar zugefügten Bisswunden annehmen müssen. Jedenfalls mit Rücksicht auf das später im Bissbereich aufgetretene Hämatom hätte eine Schädigung des gebissenen Hundes nicht in Abrede gestellt werden dürfen. Hierbei sei unerheblich, dass diese Bissfolge erst wenige Tage nach dem Beißvorfall aufgetreten und festgestellt worden sei. Es könne auch kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Verletzungen bei "B." durch den Rottweiler der Klägerin verursacht worden seien. Bei der Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Verletzungen hätten auch durch das Zurückreißen des Hundes durch den Zeugen entstanden sein können, handele es sich um eine durch den Geschehensablauf nicht begründbare Hypothese. Rechtsfehlerhaft habe das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung weiterhin darauf abgestellt, dass der Border-Collie keine artübliche Unterwerfungsgestik gezeigt habe. Dabei habe es verkannt, dass dieses Tatbestandsmerkmal in der zweiten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO in einem Alternativverhältnis zur ersten Alternative stehe, wonach es ausreiche, dass der durch den Biss geschädigte Hund den anderen Hund nicht seinerseits angegriffen habe. Diese Voraussetzung liege hier unzweifelhaft vor, denn aus den Zeugenaussagen ergebe sich eindeutig, dass dem Beißvorfall kein aggressives Verhalten des Border-Collies vorausgegangen sei. Erheblichen Bedenken begegne ferner die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Zu Unrecht habe es dem Aktenvermerk der Zeugin Q., wonach der Zeuge Dr. R. am Tage des Vorfalls telefonisch erklärt habe, der Border-Collie sei ziemlich gebeutelt gewesen und er habe Glück gehabt, dass die Bisswunde nicht 3 bis 5 cm tiefer gelegen habe, keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, es möge sein, dass der Tierarzt am Telefon allgemeine Aussagen gemacht habe, die die Verwaltungsangestellte zu Unrecht dem konkreten Vorfall zugeordnet habe, sei angesichts der im Vermerk enthaltenen konkreten Angaben unschlüssig. Fehlerhaft habe das Verwaltungsgericht des Weiteren angenommen, dass es zur Einordnung von "Z.-M." als gefährlicher Hund der Feststellung einer tatsächlichen Gefährlichkeit im Sinne einer Grundaggressivität des Hundes bzw. eines Mindestmaßes an übersteigertem Verletzungswillen bedürfe. Die Forderung nach zusätzlicher Überprüfung, ob das Beißverhalten eines Hundes Ausdruck einer übersteigerten Aggressionsbereitschaft sei, finde in der Verordnung keine Grundlage. § 2 Abs. 2 HundeVO stelle für die Einstufung eines Hundes als gefährlich nach seinem Wortlaut nur auf die in Nrn. 1 bis 3 der Bestimmung genannten Voraussetzungen ab. Die von dem Verwaltungsgericht vertretene Auslegung werde auch Sinn und Zweck der Regelung nicht gerecht. Diese solle sicherstellen, dass auf ein durch ein Verhalten des Hundes nach außen erkennbar gewordenes Gefahrenpotential rasch ohne die Notwendigkeit weiterer aufwändiger Ermittlungen reagiert werden könne. Diese Ermittlungen habe der Verordnungsgeber bewusst dem nachfolgenden Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis zum Halten des Hundes vorbehalten. Auch zur Abgrenzung von einem artgerechten Verhalten bedürfe es einer gesonderten Feststellung besonderer Aggressivität nicht. Derartige artgemäße Verhaltensweisen habe der Verordnungsgeber in beiden Alternativen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO bereits berücksichtigt. Selbst wenn man aber unterstelle, § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO setze eine besondere Aggressivität des Hundes voraus, begegne die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - so die Beklagte - durchgreifenden Bedenken. Die Aussagen der Zeugen H. und U. zu den weiteren Vorfällen am 20. November und 4. Dezember 2003 hätten nämlich die geringe Reizschwelle des Rottweilers im Umgang mit körperlich unterlegenen Hunden belegt. Aus dem Gutachten über die mit dem Hund durchgeführte Wesensprüfung ergebe sich zudem, dass er auch in unbedrängten Situationen auf andere Hunde aggressiv reagiere.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. Juli 2004 - 10 E 5578/03 - in der durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12. August 2004 berichtigten Fassung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, der Tatbestand für die Annahme eines gefährlichen Hundes nach der ersten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO sei entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht erfüllt. Der hierin verwendete Begriff umfasse Hunde nicht. Dies folge aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO, wonach Hunde dann gefährlich sind, wenn sie durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie unkontrolliert andere Tiere hetzen oder reißen. Mit "anderen Tieren" könnten nicht Hunde gemeint sein, denn nach allgemeinem Sprachgebrauch hetzten oder rissen Hunde ihre Artgenossen nicht, sondern nur andere Tiere, wie etwa Hasen oder Rehwild. Da "andere Tiere" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO Hunde nicht erfasse, könne dies bei Nr. 2 der Vorschrift nicht anders sein. Es müsse deshalb unterschieden werden zwischen Vorfällen mit "anderen Tieren" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO und Vorfällen mit Hunden, die allein nach der zweiten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO zu beurteilen seien. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass Rangkämpfe unter Hunden arttypisch mit Beißereien verbunden seien. Wolle man einen Hund nur wegen eines Bisses bei einer solchen Auseinandersetzung als gefährlich betrachten, müsse dieses Verdikt letztlich jeden Hund treffen. Auch das OVG Nordrhein-Westfalen sei in einem Beschluss vom 6. März 1997 davon ausgegangen, dass eine Bissigkeit im Sinne der NWGefHuVO nicht bereits bei jeder Beißerei zwischen Hunden vorliege. Das Beißen als artgemäße Verhaltensweise könne nur im Zusammenhang mit den Begleitumständen eine Bissigkeit begründen. Komme § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO nicht zur Anwendung, komme es, anders als von der Beklagten angenommen, auf das Vorliegen eines von "Z.-M." ausgehenden Angriffs auf den Border-Collie des Zeugen Scheid nicht an. Aber auch auf die zweite Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO könne - so die Klägerin - nicht zurückgegriffen werden. Ihr Hund habe "B." nicht trotz erkennbar gewordener Unterwerfungsgestik gebissen, denn der Hund des Zeugen S. habe, wie aus der Aussage dieses Zeugen und den Angaben der Zeugin K. hervorgehe, keine derartige Verhaltensweise an den Tag gelegt. Zwar habe der Sachverhalt auch durch die Beweisaufnahme nicht aufgeklärt werden können. Keiner der vernommenen Zeugen habe indessen bekundet, dass "Z.-M." den Hund des Zeugen S. trotz Unterwerfungsgeste gebissen habe. Es habe, wie auch aus den Aussagen der Zeugen S. und Dr. R. deutlich werde, lediglich ein artgerechter Rangkampf zwischen den beiden Rüden stattgefunden. Im Übrigen komme es auf das Vorliegen einer Unterwerfungsgestik auch nicht an. Die auf Konrad Lorenz zurückgehende Geste, wonach beim Rangkampf der unterlegene Hund seine Kehle darbiete und der andere Hund symbolisch zuschnappe, ohne durchzubeißen, sei zwischenzeitlich widerlegt. Nach neueren Untersuchungen sei in Wahrheit der zuschnappende Hund der unterlegene, während sich der siegreiche Hund abwende. Schließlich müssten bei der Beurteilung des Vorfalls auch die rassespezifischen Charaktereigenschaften der beiden Hunde Berücksichtigung finden. Während beim Border-Collie bekannt sei, dass er in bestimmten Situationen zum Beißen neige, werde dem Rottweiler eine solche Eigenschaft nicht zugeschrieben.

Dem Senat liegen die das vorliegende Verfahren betreffenden Gerichtsakten (Blatt 1 bis 381), die Gerichtsakte des Verfahrens 11 TG 1334/04 und die von der Beklagten in diesem Verfahren vorgelegten Behördenvorgänge (1 Hefter, Blatt 1 bis 87) vor. Sämtliche vorgenannten Vorgänge waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Anfechtungsklage der Klägerin abweisen müssen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 und der Widerspruchsbescheid des Landrats des Wetteraukreises vom 30. Oktober 2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin folglich nicht in ihren Rechten.

Zu Recht wird in dem angefochtenen Bescheid vom 28. Juli 2003 der Hund der Klägerin "Z.-M." als gefährlicher Hund im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) eingestuft. Gefährlich ist ein Hund, bei dem die Gefährlichkeit - wie bei dem Rottweiler der Klägerin - nicht bereits auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO aufgeführten Hunderassen oder -gruppen oder wegen ihrer Abstammung von einem Hund einer solchen Rasse oder Gruppe vermutet wird, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO dann, wenn er ein anderes Tier durch Biss geschädigt hat, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen bezüglich des Hundes der Klägerin vor.

Die Bedenken der Klägerin an der Anwendbarkeit der vorgenannten Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen es Schädigungen geht, die einem Hund durch den Biss eines anderen Hundes zugefügt wurden, teilt der Senat nicht.

Der Begriff "anderes Tier" in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO meint auch (andere) Hunde. Aus der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO folgt entgegen der Ansicht der Klägerin nichts Gegenteiliges. Nach dieser Bestimmung sind auch die Hunde gefährlich, die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie unkontrolliert andere Tiere hetzen oder reißen. Der auch hier verwendete Begriff des anderen Tieres zielt, wie die Klägerin zutreffend bemerkt, nicht auf Hunde, sondern auf Individuen anderer Tierarten ab. Nach dem für die Auslegung maßgebenden üblichen Sprachgebrauch bezeichnet das Hetzen und Reißen im Zusammenhang mit Hunden ein Nachstellen und Töten von Wild oder kleineren (anderen) Haustieren (z.B. Katzen). Eine Verfolgung und Tötung von Artgenossen durch Hunde wird dagegen üblicherweise nicht mit diesen Begriffen gekennzeichnet. Hieraus folgt indessen nicht, dass mit Rücksicht auf diese Deutung der Begriff "anderes Tier" aus Gründen der Normsystematik auch in § 2 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. HundeVO in der Weise auszulegen wäre, dass die Schädigung eines Hundes durch den Biss eines anderen Hundes nicht erfasst wird.

§ 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO kennzeichnet eine spezifische Art der Gefährlichkeit von Hunden durch nicht beherrschbaren Ausbruch ihres Jagdtriebes, der in der Regel nicht auf andere Hunde, sondern auf Tiere gerichtet ist, die der Hund als Beute betrachtet. Diese besondere Zielrichtung der Bestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO ist auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. HundeVO nicht übertragbar. Durch diese Regelung soll der durch von bissigen Hunden ausgehenden allgemeinen Gefährlichkeit für andere Tiere begegnet werden. Da sich Beißattacken von Hunden letztlich gegen Tiere aller Spezies in gleicher oder ähnlicher Weise richten können, ist kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, Hunde als Opfer von Bissen anderer Hunde aus dem Regelungsbereich der ersten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO auszunehmen. Gegen eine solche Auslegung spricht der aus der Bestimmung deutlich zum Ausdruck kommende Wille des Verordnungsgebers, alle Tiere möglichst umfassend vor Schädigungen durch bissige Hunde zu bewahren. Wollte man Bissverletzungen, die einem Hund durch einen anderen Hund beigebracht werden, nicht als Ausgangspunkt für die Einstufung eines Hundes als gefährlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO ansehen, würden gerade besonders angriffslustige Hunde außer Betracht gelassen, deren besondere Aggressionsbereitschaft gegenüber anderen Hunden dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass sie einen anderen Hund ohne ein von diesem ausgegangenes Angriffsverhalten gebissen haben. Ein solches Ergebnis wäre auch mit Blick auf § 2 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. HundeVO nicht zu rechtfertigen. Danach ist nämlich ein Hund (schon) dann als gefährlich zu betrachten, wenn er im Rahmen einer üblichen und artgemäßen Auseinandersetzung mit einem anderen Hund, der möglicherweise ein aggressives oder provozierendes Verhalten des anderen Hundes vorausgegangen ist, diesen trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik beißt.

Aus der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 6. März 1997 - 5 B 3201/96 -, Juris, folgt nichts anderes. Zwar nimmt das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss an, dass eine Bissigkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht bereits bei jeder Beißerei zwischen Hunden vorliegt. Das Beißen als artgemäße Verhaltensweise des Hundes könne - so das OVG Nordrhein-Westfalen - nur im Zusammenhang mit den gesamten Begleitumständen eine "Bissigkeit" begründen. Allerdings weist es, was die Klägerin unerwähnt lässt, darauf hin, dass sich bei einem Beißvorfall zwischen Hunden sich ein Hund insbesondere dann als bissig erweise, wenn er einen anderen Hund gebissen und verletzt habe, ohne selbst von diesem angegriffen worden zu sein oder wenn er einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen hat. Damit geht das OVG Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Vorschriften des dortigen Landesrechts von den gleichen Grundsätzen aus wie der Senat.

Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach dem Inhalt der Behördenakten und nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme darstellt, liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO in Bezug auf den Hund der Klägerin vor.

Fest steht danach zunächst, dass "Z. M. "den Border-Collie des Zeugen S. am 23. Juni 2003 gebissen hat. Dass "B." an diesem Tag durch den Hund der Klägerin einen Biss im linken Halsbereich erhalten hat, wird durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen S. und K. und des ebenfalls als Zeugen vernommenen Tierarztes Dr. R. belegt. Aus den Angaben der Klägerin, die sich lediglich im Verwaltungsverfahren näher zu den Umständen des Beißvorfalls am 23. Juni 2003 geäußert hat, folgt nichts anderes. Ihre Einlassung, "Z. M." sei auf den Hund des Zeugen S. zugelaufen, habe dann aber abgedreht und sei seinerseits von dem Border-Collie angefallen und verletzt worden, steht in Widerspruch zu den genannten Aussagen der Zeugen S. und K. und wird durch die Erklärung des Zeugen Dr. R., der eine Bissverletzung bei dem Hund des Zeugen S. bestätigt, widerlegt.

Durch den Biss wurde der Hund des Zeugen S. im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO geschädigt. Durch den Biss von "Z.-M." trug "B." eine Verletzung an der linken Halsseite in Form zweier kleiner Wunden davon. Bereits hierdurch war eine Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung eingetreten.

Mit dem Begriff der Schädigung greift der Verordnungsgeber auf den polizeirechtlichen Schadensbegriff zurück. Ein Schaden im ordnungsrechtlichen Sinne liegt bei jeglicher Verletzung geschützter Rechtsgüter vor. Bei der Schädigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO ist ein Schaden in der besonderen Form der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres gemeint. Sonstige durch den Biss am Tier entstehende (Sach-) Schäden (z.B. durchbissenes Halsband, Beschädigung einer Decke) bleiben außer Betracht (vgl. Bodenbender, HSGZ 2004, 63 [66]). Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres ist dann anzunehmen, wenn bei ihm ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert wird (vgl. zur Gesundheitsverletzung im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB: BGH, Urteil vom 30. April 1991 - VI ZR 178/90 -, NJW 1991, 1948 [1949]).

Ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand war schon durch die dem Hund des Zeugen Scheid bei der Beißattacke des Rottweilers der Klägerin unmittelbar beigebrachte Verletzung eingetreten.

Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber annimmt, die Verletzungen, die der Hund des Zeugen S. bei dem Vorfall erlitten hat, seien von ihrer Art und Schwere nicht ausreichend, um von einer Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung ausgehen zu können, kann dem nicht gefolgt werden.

Eine Schädigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO liegt grundsätzlich bei jeder Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Hundes unabhängig von der Schwere der erlittenen Verletzung oder der sonstigen durch den Biss eingetretenen körperlichen Störung vor. Für die Annahme, dass für eine Schädigung eine körperliche Verletzung oder Funktionsstörung von besonderer Schwere erforderlich ist, lässt sich der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO nichts entnehmen. Ebenso wenig gibt die Vorschrift einen Anhaltspunkt dafür, dass lediglich für die Gesundheit des Tieres besonders gefährliche Verletzungen oder besonders schwer wiegende Funktionseinschränkungen Berücksichtigung finden sollen. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber einen weitgehenden Schutz vor Hunden mit offenbar gewordener übersteigerter Aggression angestrebt hat und deshalb mit dem Begriff der Schädigung jeglichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des gebissenen Tieres erfassen wollte.

Wegen des Bezugs zum ordnungsrechtlichen Schadensbegriff, der bloße Belästigungen, Unbequemlichkeiten und sonstige geringfügige Nachteile außer Betracht lässt (vgl. Hornmann, HSOG, Anm. 26 zu § 11 HSOG), sind Schädigungen allerdings von Beeinträchtigungen und Nachteilen abzugrenzen, die so belanglos und unerheblich sind, dass sie die Grenze der bloßen Belästigung nicht überschreiten. Ganz geringfügige Verletzungen wie einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer stellen deshalb keine Schädigung dar (vgl. Bodenbender, a.a.O.). Um eine solch unerhebliche Verletzung handelte es sich im vorliegenden Fall aber nicht. Bei der durch den Biss von "Z.-M." verursachten Wunde handelte es sich nicht um unbedeutende oberflächliche Kratzer. Vielmehr hatten die Zähne des Rottweilers das Fell und die Haut des Border-Collie durchdrungen und - wenn auch kleinere - Fleischwunden verursacht. Derartige Verletzungen sind schon wegen des möglichen Auftretens weiterer gesundheitlicher Störungen (Komplikationen bei der Wundheilung, Infektionen, Hämatome u.s.w.) ohne weiteres als Schädigung zu betrachten.

Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb von einer Schädigung von "B." durch den Biss des Rottweilers auszugehen, weil durch den Biss tatsächlich eine solche weitere gesundheitliche Störung des gebissenen Hundes eingetreten war. An der Bisswunde hatte sich ein Hämatom gebildet, das von dem behandelnden Tierarzt Dr. R. mit Tabletten und der Injektion entzündungshemmender Mittel behandelt werden musste. Selbst wenn man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen und der Auffassung sein sollte, dass die unmittelbare Bissverletzung des Border-Collie und der durch den Vorfall bedingte Schockzustand des Hundes als geringfügig und deshalb nicht als Schädigung zu betrachten sind, verbietet sich diese Betrachtungsweise jedenfalls im Hinblick auf die bei dem Hund später eingetretene, erheblich schwerer wiegende Gesundheitsbeeinträchtigung.

Sollte das Verwaltungsgericht darüber hinaus der Auffassung gewesen sein, das Hämatom sei deshalb für die Frage einer Schädigung des gebissenen Hundes unerheblich, weil diese gesundheitliche Störung erst einige Tage nach dem Beißvorfall aufgetreten ist, könnte auch dieser Sichtweise nicht gefolgt werden. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO setzt lediglich voraus, dass die Schädigung durch den Biss des Hundes verursacht wurde. Zu berücksichtigen sind daher sämtliche (noch) auf den Biss zurückzuführende körperliche Beeinträchtigungen des gebissenen Tieres, unabhängig davon, ob diese unmittelbar nach dem Biss aufgetreten sind oder sofort feststellbar waren.

Dass das bei "B." aufgetretene Hämatom durch den Biss des Hundes der Klägerin verursacht wurde, kann unter den vorliegenden Umständen nicht zweifelhaft sein. Wie sich aus den Erklärungen des behandelnden Tierarztes Dr. R. bei seiner Zeugenvernehmung am 23. Juni 2004 ergibt, zeigte sich die Unterblutung nämlich im Bissbereich. Unter diesen Umständen stellt sich die von dem Verwaltungsgericht an einer späteren Stelle seines Urteils (Seite 8, 2. Absatz) in den Raum gestellte Möglichkeit, dass das Hämatom - allein - durch den Zeugen S. beim Zurückreißen seines Hundes mit der Leine verursacht worden sein könnte, als reine Hypothese dar, die durch den erkennbaren Geschehensablauf nicht zu begründen ist.

Auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO, dass der das andere Tier schädigende Biss erfolgt ist, ohne dass der Hund selbst angegriffen wurde, ist erfüllt.

Nach den - auch insoweit übereinstimmenden - Aussagen der Zeugen S. und K. wurde "B." von dem Hund der Klägerin ohne vorangehende Begegnung der beiden Hunde unvermittelt angegriffen. Ein von "B." ausgehender Angriff auf den Hund der Klägerin oder auch nur ein von ihm möglicherweise als Aggression zu erkennendes Verhalten des Border-Collie ist nach dem sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahmen ergebenden Sachverhalt auszuschließen. Nach den Bekundungen der Zeugen S. und K. lag der Hund vor dem Beißvorfall angeleint zwischen den im Gespräch vertieften Zeugen. Auch der Zeuge L., der nach seinen Angaben von dem Vorfall selbst nichts mitbekommen hat, hat bekundet, dass der Border-Collie, nachdem der Hund der Klägerin fortgebracht worden sei, an der Leine gewesen sei. Es spricht von daher nichts für die von der Klägerin der Behörde gegenüber vorgetragene Version, wonach ihr Hund auf "B." zugelaufen sei, dann aber kurz vor ihm abgedreht habe und dann seinerseits von dem Hund des Zeugen S. von hinten angefallen worden sei.

Sind somit, soweit ersichtlich, sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO erfüllt, bedarf es für die Feststellung der Gefährlichkeit von "Z. M." nicht etwa noch der weiteren Prüfung, ob das von dem Hund gezeigte Verhalten eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft erkennen lässt. Die gegenteilige Ansicht der Vorinstanz, das zur Schädigung eines anderen Hundes führende Beißverhalten eines Hundes sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO nur dann bedeutsam, wenn sich dieses Verhalten nicht im Rahmen einer artgemäßen Auseinandersetzung zwischen Hunden bewegt habe, sondern Ausdruck einer besonderen Aggressivität des betreffenden Hundes sei, findet in der Verordnung keine Grundlage.

Das Verwaltungsgericht stellt durch seine Rechtsansicht an die Gefährlichkeit eines Hundes nach § 2 Abs. 2 HundeVO zusätzliche Anforderungen, die sich weder aus der vorgenannten Bestimmung selbst noch aus ihrem rechtlichen Kontext herleiten lassen. § 2 Abs. 2 HundeVO stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut ("Gefährlich sind auch die Hunde, die ...") bezüglich der Gefährlichkeit eines Hundes allein auf die unter Nrn. 1 bis 3 der Bestimmung im einzelnen normierten Tatbestandsmerkmale ab. Einer zusätzlichen Feststellung, dass aus dem in diesen Vorschriften erfassten Verhalten eine besondere, nicht artgerechte Aggressivität zu Tage treten muss, bedarf es danach nicht. Die Notwendigkeit einer solchen Feststellung kann auch nicht etwa aus der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO hergeleitet werden. Diese Vorschrift enthält lediglich eine allgemeine Definition des gefährlichen Hundes ("Gefährlich sind Hunde, die durch Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere in ihren Wirkungen vergleichbare, mensch- oder tiergefährdende Eigenschaft besitzen"). Erst durch die nachfolgenden Regelungen wird festgelegt, unter welchen spezifischen Voraussetzungen die in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO allgemein beschriebenen Eigenschaften für die Gefährlichkeit eines Hundes anzunehmen sind. Durch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 HundeVO hat der Verordnungsgeber zu erkennen gegeben, dass er diese Eigenschaften bei Erfüllung der hierin geregelten Tatbestandsmerkmale ohne weiteres als gegeben erachtet. Es ist deshalb nicht zulässig, den Anwendungsbereich dieser speziellen Regelung durch Rückgriff auf die allgemeine Begriffsdefinition nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO einzuschränken.

Die Forderung nach einer zusätzlichen Überprüfung, ob das Beißverhalten eines Hundes Ausdruck einer übersteigerten Aggressionsbereitschaft ist, ist schließlich auch mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HundeVO nicht vereinbar. Die Bestimmung soll sicherstellen, dass auf ein durch das Verhalten des Hundes nach außen zu Tage getretenes Gefährdungspotential rasch durch entsprechende Maßnahmen reagiert werden kann. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Behörde schon für die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes aufwändige Ermittlungen hinsichtlich der Charaktereigenschaften des Hundes durchführen müsste. Diese Ermittlungen hat der Verordnungsgeber bewusst dem nachfolgenden Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis zum Halten des gefährlichen Hundes vorbehalten.

Anders als das Verwaltungsgericht meint, ist die gesonderte Feststellung einer besonderen, nicht artgerechten Aggressivität des Hundes im Rahmen von § 2 Abs. 2 HundeVO auch nicht mit Rücksicht auf die Abgrenzung zu einer Beißerei in Folge einer zwischen Hunden üblichen Auseinandersetzung notwendig. Durch das Erfordernis, dass der Hund ohne einen auf ihn selbst ausgeübten Angriff gebissen haben muss, hat der Verordnungsgeber in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO bereits Situationen berücksichtigt, in denen sich ein Hund durch Beißen gegen den Angriff eines anderen Hundes zur Wehr setzt. Auch in der zweiten Alternative des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO konzediert der Verordnungsgeber, dass es Raufereien zwischen Hunden als Ausdruck artgerechten Verhaltens geben kann. Hier wird ein Beißen nämlich nur dann als Ausgangspunkt für die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes genommen, wenn dieser bei einer Auseinandersetzung mit einem anderen Hund seine Aggression trotz artüblicher Unterwerfungsgestik des anderen Hundes nicht beendet.

Soweit sich das Verwaltungsgericht nachfolgend mit der Frage auseinandersetzt, ob der Hund des Zeugen S. bei dem Angriff eine artübliche Unterwerfungsgestik gegenüber dem Hund der Klägerin gezeigt habe, beziehen sich diese Ausführungen auf die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO. Diese Bestimmung ist indessen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Wie bereits ausgeführt, erfasst diese Bestimmung ein im Verlauf von Rangstreitigkeiten oder sonstigen Auseinandersetzungen zwischen Hunden aufgetretenes übersteigertes Aggressionsverhalten eines Hundes, das sich in einem Zubeißen trotz erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik des anderen Hundes geäußert hat. Eine solche Rangelei zwischen dem Hund der Klägerin und dem des Zeugen S. war der Beißattacke des Rottweilers aber gerade nicht vorausgegangen. Vielmehr hatte der Hund der Klägerin den Border-Collie unvermittelt und überraschend angegriffen, ohne dass der gebissene Hund überhaupt Gelegenheit zu einer Abwehrreaktion oder Unterwerfungsgeste gehabt hätte. In Folge dessen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine solche Unterwerfungsgestik des gebissenen Hundes unterblieben ist.

Die Klägerin hat als Unterlegene die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO, 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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