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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 11 UE 52/07
Rechtsgebiete: ARB 1/80, Richtlinie 2004/38/EG, RL 2004/38/EG


Vorschriften:

ARB 1/80 Art. 14
ARB 1/80 Art. 6
ARB 1/80 Art. 7
Richtlinie 2004/38/EG Art. 28
RL 2004/38/EG Art. 21
1. Der Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige, die sich auf eine Rechtsposition aus Art. 6 oder 7 ARB berufen können, richtet sich seit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Frist für die Umsetzung der RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) unmittelbar nach Art. 28 dieser Richtlinie.

2. Eine zum Zeitpunkt der Abschiebung rechtmäßige, jedoch nicht bestands- oder rechtskräftig gewordene Abschiebung unterbricht nicht die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne von Art. 21 RL 38/2004/EG. Die Vollziehung einer wegen Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung und Abschiebungsandrohung nicht bestands- oder rechtskräftig gewordenen Abschiebung bringt die Rechtsposition aus Art. 7 ARB nicht zum Erlöschen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UE 52/07

Verkündet am: 25. Juni 2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -11. Senat - durch

Richterin am Hess. VGH Thürmer als Vorsitzende, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich, Richter am Hess. VGH Debus, ehrenamtliche Richterin Weißbach und ehrenamtliche Richterin Wolf

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls der Kostengläubiger nicht seinerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... 1976 in B-Stadt geborene Kläger, dem am 9. Februar 1993 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, hielt sich bis zu seiner Abschiebung im Jahr 2004 in Deutschland auf. Im Jahr 1992 erlangte er den Hauptschulabschluss, schloss seither aber weder eine Ausbildung ab noch übte er seither eine längerfristige Tätigkeit aus.

Seit dem 16. Lebensjahr konsumierte der Kläger Drogen. Er wurde mehrfach stationär psychiatrisch behandelt; in den Jahren 1997 und 1998 wurden eine hebephrene Schizophrenie und Polytoxikomanie diagnostiziert. Bis zum Jahr 2000 folgten zehn weitere stationäre Behandlungen und eine Rehabilitationsmaßnahme, die jeweils vom Kläger abgebrochen wurden oder aufgrund des Absetzens der Medikamente erfolglos blieben.

Seit Mitte 1997 beging der Kläger zudem eine Reihe von Straftaten, darunter Diebstahl, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Erschleichen von Leistungen, die im Jahr 1998 durch zwei Strafbefehle mit Geldstrafe geahndet wurden. Mit Urteil vom 6. November 2001 ordnete das Landgericht B-Stadt die Unterbringung des Klägers im Maßregelvollzug an. Dem lag eine schwere Körperverletzung zugrunde, für die infolge der Schizophrenie Schuldunfähigkeit festgestellt wurde. Seit dem 14. Juli 2000 bis zu seiner Abschiebung hielt sich der Kläger in der Klinik für forensische Psychiatrie in Haina auf.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2003 verfügte die Ausländerbehörde des Beklagten die Ausweisung des Klägers unter Anordnung des Sofortvollzugs und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung stützte sie sich auf die Vielzahl begangener Straftaten sowie die erhebliche Steigerung der Gefährlichkeit des Klägers und sah aufgrund der bestehenden gesteigerten Wiederholungsgefahr die Schwelle bei erhöhtem Ausweisungsschutz als überschritten an. Die Privilegierung nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses EG/Türkei (ARB) schloss die Ausländerbehörde aus, da der Kläger älter als 21 Jahre sei und auch keine Berufsausbildung absolviert habe. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004 zurückgewiesen.

Am 25. Februar 2004 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben, am 8. Juni 2004 wurde er in sein Heimatland Türkei abgeschoben. Zur Begründung der Klage führte er aus, schon infolge der Unterbringung in der Psychiatrie habe er keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dargestellt; seit 2003 sei kein aggressives Verhalten mehr bei ihm feststellbar. Die Entscheidung der Ausländerbehörde sei ermessensfehlerhaft, da außerdem Duldungsgründe nach § 55 Abs. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) vorlägen, denn seine ärztliche Versorgung in der Türkei sei unter anderem wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht gesichert. Dies sei im späteren Verlauf dadurch bestätigt worden, dass entgegen der Bekundungen der Ausländerbehörde bei der Durchführung der Abschiebung weder die notwendige Aufnahme durch medizinisches Personal am Flughafen erfolgt noch die erforderliche stationäre Unterbringung in einem Krankenhaus in der Türkei möglich gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Ausweisungsverfügung des Landrates des Landkreises Waldeck-Frankenberg vom 10.10.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 03.02.2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die nach der Abschiebung vom Kläger angestrengten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter anderem wegen der aus seiner Sicht fehlerhaften Abschiebung blieben erfolglos.

Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Urteil vom 26. Juli 2005 nach Anhörung eines Diplom-Psychologen zur Entwicklung des Gesundheitszustandes des Klägers in der mündlichen Verhandlung den Bescheid der Ausländerbehörde und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Ausweisung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei, da Duldungsgründe nach § 55 AuslG nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Angesichts der Erkrankung des Klägers hätte sorgfältig ermittelt werden müssen, ob ihm bei Abschiebung Gesundheitsgefahren drohten.

Mit Beschluss vom 3. Januar 2007 hat der Senat die Berufung auf den Antrag des Beklagten hin zugelassen.

Der Beklagte begründet seine Berufung damit, dass die Ausländerbehörde das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe, insbesondere seien ausführliche Ermittlungen zur Frage der medizinischen Weiterversorgung in der Türkei angestellt worden. Schließlich sei die Prognose der Ausländerbehörde durch den tatsächlichen Verlauf bestätigt worden, da sich der Gesundheitszustand des Klägers auch ohne stationäre Behandlung in der Türkei gebessert habe. Selbst wenn man Art. 7 und 14 ARB anwenden würde, sei die daraus herrührende Rechtsposition des Klägers erloschen, da er Deutschland für einen erheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlassen habe.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26.07.2005 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Seiner Ansicht nach liegen die Voraussetzungen des Art. 14 ARB vor, da Art. 7 ARB auch volljährige Personen erfasse und seine Mutter ständig dem regulären Arbeitsmarkt angehört habe. Bis zu seiner Abschiebung habe er mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt. Nach den Entscheidungen von EuGH und Bundesverwaltungsgericht könne auch die erfolgte Abschiebung nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB zum Verlust seiner hieraus folgenden Rechtsposition - des Aufenthaltsrechts - führen. Daran ändere die Abschiebung schon deshalb nichts, da er nicht aufgrund eigener freier Willensentscheidung ausgereist sei. Außerdem sei die nunmehr unmittelbar anwendbare europäische Freizügigkeitsrichtlinie (RL) 2004/38/EG maßgeblich, und die nach Art. 28 der RL erforderliche außergewöhnlich schwere Straftat habe der Kläger gar nicht begangen. Ferner habe sich erwiesen, dass es an den erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei fehle, denn bis heute sei keine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik in der Türkei möglich gewesen. Er, der Kläger, sei durch ein Mitglied der Familie seiner Tante, in der er untergebracht gewesen sei, misshandelt worden, deshalb weggelaufen und habe nur infolge intensiver Suche nach 14 Tagen verwahrlost und ausgemergelt aufgefunden werden können. Eine weitere in der Türkei lebende Schwester seiner Mutter sei nach ihrer Bandscheiben-Operation nicht zu seiner Betreuung in der Lage, und es fehle an finanziellen Mitteln für eine anderweitige Unterbringung in der Türkei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten 12 TG 646/04 und 12 TG 2506/04 (je ein Band) sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefter) Bezug genommen, die beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Verfügung der Ausländerbehörde des Beklagten vom 10. Oktober 2003 im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die in dieser Verfügung ausgesprochene Ausweisung des Klägers ist inzwischen aufgrund veränderter rechtlicher Maßstäbe rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten.

Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig, da er sich auf die Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 und Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG - Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) berufen kann und damit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren die seit Ablauf der Umsetzungsfrist am 30. April 2006 unmittelbar geltende Vorschrift des Art. 28 RL 2004/38/EG auf ihn anwendbar ist.

Die Geburt des Klägers in Deutschland ist zu behandeln wie eine Zuzugsgenehmigung im Sinne von Art. 7 ARB (EuGH, Urteil v. 11.11.2004 - C-467/02 -, Cetinkaya), und er erfüllt damit die Voraussetzungen nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Danach haben Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates der Europäischen (Wirtschafts-) Gemeinschaft angehörigen türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworbenen Rechte schließen jeweils ein Aufenthaltsrecht ein, indem sie es voraussetzen (vgl. EuGH, Urteile vom 3. Oktober 1994 - C-355/93 [Eroglu] - InfAuslR 1994, 385 Rdnr. 20 und 23, vom 19. November 1998 - C-219/97 [Akman] - InfAuslR 1999, 3 Rdnr. 24, vom 16. März 2000 - C-329/97 2000, 217 [Ergat] - InfAuslR 2000, 217 Rdnr. 42, vom 22. Juni 2000 - C-65/98 [Eyüp] - InfAuslR 2000, 329 Rdnr. 40 sowie vom 16. Januar 2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209 Rdnr. 20). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Beschäftigung auch ausgeübt wird oder nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - C-467/02 [Cetinkaya] - DVBl. 2005, 103 Rdnr. 29 sowie vom 16. Januar 2006 - C-502/04 [Torun] = a.a.O. Rdnr. 26). Des Weiteren ist es unerheblich, ob der Familienangehörige bzw. der Elternteil noch dem regulären Arbeitsmarkt angehört bzw. noch ordnungsgemäß beschäftigt ist oder nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 11. November 2004 - C-467/02 [Cetinkaya] - a.a.O. Rdnr. 18 ff. und vom 19. November 1998 - C-219/97 [Akman] - a.a.O. Rdnr. 49). Ebenso wenig führt die zwischenzeitlich eingetretene Volljährigkeit des Klägers zum Verlust des Rechts aus Art. 7 ARB (EuGH, 07.07.2005 - C-373/03 - (Aydinli)).

Der Kläger hat seinen hieraus folgenden Anspruch auch nicht deshalb verloren, weil er aufgrund der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus seit dem 14. Juli 2000 dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland bis zu seiner Abschiebung im Juni 2004 nicht zur Verfügung stand. Nach der Rechtsprechung des EuGH sowie dem folgend des Bundesverwaltungsgerichts gehen die nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworbenen Rechte auch nicht infolge einer längerfristigen Inhaftierung wieder verloren (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - C-467/02 [Cetinkaya] Rdnr. 36; vom 7. Juli 2005 - C-373/03 [Aydinli] - DVBl. 2005, 1256 Rdnr. 27 sowie vom 16. Januar 2006 - C-502/04 [Torun] Rdnr. 26; vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2005 - 1 C 5.04 - DVBl. 2006, 376, 377).

Die Rechtsposition aus Art. 7 ARB ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht infolge des langjährigen zwischenzeitlichen Aufenthalts des Klägers in seinem Heimatland erloschen. Das auf Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 beruhende Aufenthaltsrecht erlischt nur in zwei Fallgruppen, nämlich in den Fällen des Art. 14 ARB 1/80 bei bestandskräftiger Ausweisung und Abschiebung oder bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe. Weder der eine noch der andere Fall liegt hier vor, da die Ausweisung keine Bestandskraft erlangt hat und das Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats wegen einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung aus einem zwingenden Grund erfolgt ist.

Die auf §§ 45, 46 Ziffer 2, 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG (a.F.) gestützte Verfügung des Beklagten ist rechtswidrig, denn sie wird im Ergebnis den Anforderungen nicht gerecht, die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren an eine Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger zu stellen sind. Türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition aus Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 erworben haben, dürfen nur aufgrund einer Ermessensentscheidung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werden. Eine solche Ermessensentscheidung hat die Ausländerbehörde des Beklagten vorliegend zwar getroffen und sie ist - unabhängig davon, dass aus ihrer Sicht dem Kläger eine Rechtsposition aus ARB nicht zur Seite stand - unter Aufstellung einer Gefahrenprognose auf der Grundlage der Häufung der begangenen Straftaten und insbesondere der sich im zuletzt begangenen Straftatbestand erkennbaren Steigerung der Gefährlichkeit des Klägers auch von dem Vorliegen "schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit" ausgegangen. Die Ausweisung des Klägers muss zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung des Beklagten jedoch weiter erhöhten Anforderungen genügen. Wie bereits ausgeführt, genießt der Kläger aufgrund seiner Rechtsstellung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger den Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und darf nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ausgewiesen werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, liegt die Schwelle für das Eingreifen dieses Vorbehalts mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 deutlich höher (Hess. VGH, Beschluss vom 12.07.2006 - 12 TG 494/06 - InfAuslR 2006, 393, 394; Beschluss vom 04.05.2007 - 11 UZ 1218/06 -). Erforderlich sind im Fall des Klägers nunmehr "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit". Dies ergibt sich aus Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG.

Diese Vorschrift findet auch Anwendung auf den Ausweisungsschutz von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen.

Da die Vorschriften der Art. 6 bis 16 ARB 1/80 und damit auch Art. 14 Abs. 1 der schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familien dienen und sich an Art. 39, 40 und 41 EG orientieren (EuGH, Urteil v. 10.02.2000 - C-340/97 [Nazli] Slg. 2000 I-957), hat der EuGH hierzu in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die im EG-Vertrag verankerten Freizügigkeitsrechte so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer übertragen werden müssen, die eine Rechtsstellung nach dem ARB 1/80 besitzen (siehe zuletzt Urteil v. 02.06.2005 - C-138/03 -, DVBl. 2005, 1437; ferner Urteil v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] DVBl. 2005, 113; vgl. auch Dörig, DVBl. 2005, 1226). Wegen der Übereinstimmung des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 mit dem des Art. 39 Abs. 3 EG und im Hinblick auf das Ziel der Assoziationsvereinbarung mit der Türkei stellt der EuGH in seiner Rechtsprechung bei der Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehenen Beschränkung von Rechten nach dem Assoziationsbeschluss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit darauf ab, wie die gleiche Beschränkung der Rechte von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ausgelegt wird (siehe - zeitlich vor der ausdrücklich dahingehenden Rechtsprechung des EuGH bereits OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.04.1993 - 18 B 4386/92 - InfAuslR 1993, 288). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es deshalb nahe, den gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz für nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte Türken in gleicher Weise materiell-rechtlich zu begründen und auszugestalten wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (BVerwG, Urteil v. 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, InfAuslR 2005, 26). Dementsprechend haben der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht die konkreten Einzelheiten des Ausweisungsrechts aus der Richtlinie 64/221/EWG als Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG hergeleitet (Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung, Berücksichtigung neuer Umstände und weitere Behördenentscheidung).

Mit der Richtlinie 2004/38/EG ist - unter Aufhebung früherer Richtlinien - die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet bzw. konkretisiert worden. So ist den Begründungserwägungen zu entnehmen, dass mit der Richtlinie auch das Ziel verfolgt wird, die Umstände genauer zu definieren, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ausgewiesen werden können (Erwägung 22). Die Wirkung derartiger Maßnahmen soll gemäß dem Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt werden, damit der Grad der Integration der Betroffenen, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedsstaat, Alter, Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Situation und die Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigt werden können (Erwägung 23).

Mit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG in nationales Recht am 30. April 2006 (Art. 40 Abs. 1 der RL) gilt diese unmittelbar, und die Einzelheiten des Ausweisungsschutzes richten sich nunmehr nach Art. 28 dieser Richtlinie als weiterer Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG. Art. 28 der Richtlinie sieht einen gestuften Schutz vor Ausweisung vor; nach Art. 28 Abs. 2 darf der Aufnahmemitgliedstaat gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen. Demgegenüber darf nach Art. 28 Abs. 3 gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn die Unionsbürger ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben (lit. a) oder minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig (lit. b).

Nach dem Verständnis des Richtliniengebers und bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH und diesem folgend des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Richtlinie 2004/38/EG eine weitere Konkretisierung und Ausgestaltung von Art. 39 Abs. 3 EG dar. Nach Art. 40 EG trifft der Rat durch Richtlinien und Verordnungen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG herzustellen. Die Richtlinie 2004/38/EG ist ausweislich der Präambel unter anderem auch auf die Ermächtigung in Art. 40 EG gestützt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Rat mit der Richtlinie 2004/38/EG über seine Befugnisse aus Art. 40 EG hinausgegangen ist. Dies hat der EuGH auch in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Freizügigkeitsgewährleistung nicht zugrunde gelegt, obwohl manche Konkretisierung bzw. Ausgestaltung der Freizügigkeitsgewährleistung im verfahrensrechtlichen Bereich wie etwa das "Vier-Augen-Prinzip" in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG weniger naheliegend aus Art. 39 EG bzw. dem früheren Art. 48 ableitbar erscheinen als die nach der Dauer des Aufenthalts gestuften Ausweisungseinschränkungen in Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG.

Der EuGH hat ferner die Ausgestaltungen und Konkretisierungen der Freizügigkeitsgewährleistungen etwa in Art. 10 der VO 1612/68 (Urteil v. 30.09.2004 - C-275/02 - [Ayaz]) oder in Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG (Urteil v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya]; DVBl. 2005, 103 oder in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG (Urteil v. 02.06.2005 - C-163/03 - [Dörr und Ünal], InfAuslR 2005, 289) ebenfalls auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen und spricht von einer Konkretisierung der Freizügigkeitsgewährleistung durch Richtlinien der EU, die deshalb auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anzuwenden seien (BVerwG, Urteil v. 03.08.2004, a.a.O.).

Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass dies bei der Richtlinie 2004/38/EG anders zu sehen sein könnte (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12.07.2006, a.a.O.; so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.12.2006 - 7 A 10924/96 - juris Rdnr. 25 bis 27; VG Karlsruhe, Beschluss vom 09.03.2007 - 6 K 2907/06 - juris Rdnr. 7; VG Oldenburg, Urteil vom 16.05.2007 - 11 A 3898/05 - juris Rdnr. 22; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.05.2007 - 18 B 2389/06 - juris Rdnr. 13 m.w.N. - Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 4, D 5.2 Art. 14 Rdnr. 11 ff.). Vielmehr erscheint die "Stufenfolge" der Ausweisungseinschränkungen, die Art. 28 vorsieht, das Erfordernis von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bei Daueraufenthaltsberechtigten (Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie) und das grundsätzliche Ausweisungsverbot unter anderem nach zehnjährigem Aufenthalt mit der Möglichkeit der Ausnahme bei zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit (Art. 28 Abs. 3 lit. a) als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes naheliegender und zwangloser aus Art. 39 Abs. 3 EG und der Ermächtigung in Art. 40 EG ableitbar als etwa die oben erwähnten verfahrensrechtlichen Konkretisierungen.

Diese Rechtsauffassung des Senats wird auch nicht durch die vom Beklagten in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern entkräftet, wonach der in Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG geregelte materielle Ausweisungsschutz für Unionsbürger nicht auf türkische ARB-Berechtigte übertragbar sein soll. Dem Argument, bei der Unionsbürger-RL handele es sich um den Ausdruck einer Fortentwicklung des Rechts, ist entgegenzuhalten, dass die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts den gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz für Assoziationsberechtigte in gleicher Weise materiellrechtlich begründet und ausgestaltet (gesehen) hat wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger. Die dabei verwendete Formulierung "so weit wie möglich" spricht für eine Verlängerung dieser Rechtsprechungslinie und stellt nicht den Ansatzpunkt für eine Differenzierung oder einen Abzweig dar (so aber OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rdnr 32.). Es besteht somit kein Anhalt für die Annahme, dass der Ausweisungsschutz assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger anders als seither vom Ausweisungsschutz für Unionsbürger abgekoppelt werden soll.

Da der Ausweisungsschutz des Klägers wegen dessen mehr als zehnjährigem Aufenthalt in Deutschland damit nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie zu bestimmen ist, kann seine Ausweisung nur noch aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen. Aus den in der Richtlinie verwendeten Begriffen der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit und der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit lässt sich der Schluss ziehen, dass mit dem letzteren Begriff eine über die schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit hinausgehende Voraussetzung für eine zulässige Ausweisung vorliegen muss.

Bei der Frage, wie der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit im Einzelnen zu definieren ist, hat der Senat in seinen bisherigen Entscheidungen auch berücksichtigt, wie im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union bei der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit näher bestimmt werden. Nach dem inzwischen vom Bundestag verabschiedeten Art. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Bundestagsdrucksachen 16/5065, 16/5027 - können nach § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde oder wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn von dem Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht. Dabei ist davon auszugehen, dass die Berechtigung zur Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen auch hiernach nicht auf Fälle einer Gefahr für die Sicherheit des Staates beschränkt ist.

Die für die Ausweisung des Klägers nach alledem erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit liegen nicht vor.

Die der Ausweisung zugrunde gelegten Straftaten erfüllen weder von der Schwere der einzelnen Delikte her gesehen noch in der Häufung die oben dargestellten Anforderungen. Die über viele Jahre zu beobachtende Häufung von kleineren Straftaten seitens des Klägers bleibt angesichts der Geringfügigkeit der einzelnen Delikte auch bei der Gesamtbetrachtung hinter der hier zu verlangenden Schwere der von ihm ausgehenden Gefahr zurück. Dies gilt auch für die zuletzt begangene Tat, für die aufgrund der Schuldunfähigkeit des Klägers keine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgt ist. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, dass die von ihm zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung ausgehende Gefahr maßgeblich auf seine psychische Erkrankung sowie den früheren Drogenmissbrauch zurückzuführen sein dürfte; außerdem ist von der grundsätzlichen Behandelbarkeit dieser Erkrankung auszugehen. Während sich in den ersten Jahren der Therapie noch kaum Behandlungserfolg feststellen ließ, ergibt die Entwicklung in der letzten Zeit, insbesondere nachdem sich der Kläger seit seiner Abschiebung in der Türkei bei Familienangehörigen aufgehalten hat, Anhaltspunkte für eine Besserung seines gesundheitlichen Gesamtzustandes. Damit lässt sich die Feststellung, dass von ihm zum heutigen Zeitpunkt eine derart schwerwiegende Gefährdung ausgeht, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, nicht treffen. Vielmehr bestehen sogar Anhaltspunkte für eine möglicherweise günstige Prognose, da der Kläger nach den jetzigen Erkenntnissen die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung offenbar akzeptiert und sich in einer für ihn bedrohlichen Situation nicht aggressiv verhalten hat, sondern aufgrund eher defensiver Reaktion sogar in eine ihn selbst gefährdende Lage geraten ist, als er der für ihn bedrohlichen Situation durch eine Art Flucht zu entgehen suchte. Die in seinem Heimatland fortgeführte medikamentöse Behandlung hat demnach möglicherweise sogar zu einer Besserung seines Gesamtzustandes geführt, so dass zum heutigen Zeitpunkt eventuell auch auf der Grundlage allein von Art. 14 ARB eine für ihn günstige Gefahrenprognose zu stellen ist. Nähere Feststellungen hierzu erlauben die diesbezüglichen Bekundungen der Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens allerdings nicht, da ihre Äußerungen zum einen durch das persönliche und finanzielle Interesse an einer Rückkehr ihres Sohnes subjektiv beeinflusst sind und es ihr zum anderen an der erforderlichen psychiatrischen Fachkenntnis mangelt. Auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse kann eine mehr als schwerwiegende Gefährdung im Sinne von Art. 28 Abs. 3 lit a RL 2004/38/EG aber nicht festgestellt werden.

Da der Verlust der dem Kläger zustehenden Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 nur aufgrund einer bestandskräftigen Ausweisung und Abschiebung eintreten kann, hat er diese auch nicht infolge der Vollziehung der Abschiebung am 8. Juni 2004 verloren. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Vollziehung der Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt als rechtmäßig zu beurteilen war, da - wie der Senat schon mehrfach in den insoweit vom Kläger betriebenen Eilverfahren entschieden hat - sich die hierfür maßgebliche Abschiebungsandrohung sowie die ihr zugrunde liegende Ausweisung zum damaligen Zeitpunkt als offensichtlich rechtmäßig dargestellt haben, weil insbesondere die geltend gemachten Duldungsgründe aus § 55 AuslG (a. F.) nicht ersichtlich waren. Aufgrund der Ermittlungen der Ausländerbehörde vor der Durchführung der Abschiebung konnte zum damaligen Zeitpunkt von der psychiatrischen Behandlung des Klägers in der Türkei ausgegangen werden, und es waren hinreichende Vorkehrungen getroffen worden, um diese vom Eintreffen am Flughafen an sicherzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren tatsächlichen Verlauf nach Ankunft des Klägers in der Türkei, denn letztlich hat sich die offenbar allein realisierbare ambulante Behandlung durch Versorgung mit den notwendigen Medikamenten als erfolgreich erwiesen. Die nach dem Vorbringen des Klägers zu einem späteren Zeitpunkt eingetretenen Umstände, insbesondere die Misshandlung durch Betreuungspersonen und eine dem folgende zeitweise Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kann dem Beklagten nicht mehr zugerechnet werden, da schon der zeitliche Ablauf, jedenfalls aber die Eingriffe Dritter den Kausalitätsrahmen sprengen.

Zu einer anderen Beurteilung gelangt der erkennende Senat auch nicht auf der Grundlage von Art. 21 der RL 38/2004/EG. Nach dieser Norm stellt jede rechtmäßig vollstreckte Ausweisungsverfügung gegen den Betroffenen eine Unterbrechung des Aufenthalts dar. Allein infolge der zum Abschiebungszeitpunkt als rechtmäßig zu beurteilenden Vollstreckung ist der Aufenthalt des Klägers in Deutschland jedoch nicht in rechtlich relevanter Weise unterbrochen worden, wie der Beklagte meint. Die Regelung ist nämlich dahingehend auszulegen, dass als in diesem Sinne rechtmäßig nur diejenige Vollstreckung anzusehen ist, der eine nach der nationalen Rechtsordnung bestands- oder rechtskräftig gewordene Ausweisung zugrunde liegt. Hierfür spricht vor allem die Regelung in Art. 31 dieser Richtlinie, wonach der Betroffene gegen die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen können muss, auch wenn ihm währenddessen verboten werden kann, sich im Staatsgebiet des Aufnahmestaates aufzuhalten (Art. 31 Abs. 1 und 4 der RL). Eine im Verfahrensverlauf erfolgende gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausweisung führt zum Wegfall der rechtlichen Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und mithin zur Rechtswidrigkeit der Vollstreckung selbst. Dem Betroffenen würde anderenfalls die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der verfügten Ausweisung durch die - im Eilrechtsschutzverfahren möglicherweise als rechtmäßig erscheinende - Abschiebung unmöglich gemacht, da er mit einer rechtlich wirksamen Unterbrechung des Aufenthalts auch seine Rechtsposition aus Art. 14 ARB und damit aus Art. 28 RL 38/2004/EG verlieren würde. Dies würde jedoch Art. 31 Abs. 4 RL 38/2004/EG eindeutig widersprechen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da es hier entscheidungserheblich auf die Anwendung von Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG ankommt.

Ende der Entscheidung

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