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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.02.2005
Aktenzeichen: 11 UZ 1879/04
Rechtsgebiete: HSOG, StVZO


Vorschriften:

HSOG § 6
StVZO § 27 Abs. 3 S. 1
Unterlässt es der Veräußerer eines Fahrzeugs entgegen § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO, der Zulassungsstelle den Namen und die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, trifft ihn grundsätzlich keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit für das spätere rechtswidrige Abstellen des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 18. Mai 1999 - 11 UE 343/98 -, NJW 1999, 3650).
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

11 UZ 1879/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Polizeirechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Debus, Richter am Hess. VGH Igstadt

am 14. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. April 2004 (Az.: 2 E 1346/02) wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 247,07 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag der Beklagten ist gemäß § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Keiner der in der Begründung des Zulassungsantrages geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigt die erstrebte Zulassung des Rechtsmittels.

Erfolglos beruft sich die Beklagte zunächst darauf, die Richtigkeit des angefochtenen Urteils erster Instanz begegne ernstlichen Zweifeln im Sinne des Zulassungstatbestandes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Hinreichende, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernstlich in Frage stellende Zweifel liegen dann vor, wenn von dem die Zulassung der Berufung beantragenden Beteiligten ein tragender Rechtssatz oder erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten angegriffen werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822, und vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163).

Einen das Urteil des Verwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz oder für diese Entscheidung erhebliche tatsächliche Feststellungen mit schlüssigen Erwägungen in Frage zu stellen, ist der Beklagten in ihrem Zulassungsantrag nicht gelungen.

Erfolglos rügt die Beklagte zunächst die Feststellung des Verwaltungsgerichts, an der Verantwortlichkeit der Klägerin für das Abstellen des von ihr veräußerten Fahrzeugs ohne erforderliche Zulassung fehle es deshalb, weil der Pkw zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht angemeldet gewesen sei und es folglich an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Meldeverpflichtung des Veräußerers gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO mangele. Hierbei hat die Vorinstanz zwar, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, die Regelung gemäß § 27 Abs. 4a Nr. 1 StVZO unberücksichtigt gelassen, wonach bei Fahrzeugen, die, wie im vorliegenden Fall, noch nicht gemäß § 27 Abs. 6 Satz 2 StVZO als endgültig aus dem Verkehr zurückgezogen, sondern (noch) als vorläufig stillgelegt gelten, lediglich die Meldepflicht des Erwerbers, nicht jedoch die des Veräußerers entfällt. Bei dieser von der Beklagten zu Recht beanstandeten Feststellung handelt es sich indessen nicht um eine entscheidungstragende Erwägung. Das Verwaltungsgericht hat nämlich im Anschluss an seine Darlegungen zum Fehlen der Meldeverpflichtung der Klägerin ausgeführt, dass auch bei Annahme einer solchen Verpflichtung der Klägerin, der Zulassungsbehörde gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO den Namen und die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin für das Abstellen des nicht zugelassenen Fahrzeugs mangels Kausalzusammenhangs zwischen ihrem pflichtwidrigen Unterlassen und der eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit fehle. Im Hinblick auf diese weitere, die Entscheidung selbstständig tragende Begründung des Urteils könnten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nur dann vorliegen, wenn auch gegen die Richtigkeit dieser alternativen Begründung gewichtige Gegenargumente vorgebracht worden wären. Ernstliche Zweifel müssen nämlich gegen die Ergebnisrichtigkeit des Urteils bestehen; es genügt nicht, wenn sich einzelne Begründungselemente der Entscheidung als fragwürdig darstellen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Gegen die von dem Verwaltungsgericht zusätzlich gegebene Begründung für das von ihm angenommene Fehlen der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin für das Abstellen des von ihr veräußerten Kraftfahrzeugs ohne erforderliche Anmeldung sind von der Beklagten keine gewichtigen Gegenargumente vorgebracht worden. Die Vorinstanz hat sich in ihrer Entscheidung auf das Urteil des Senats vom 18. Mai 1999 - 11 UE 343/98 -, NJW 1999, 3650, gestützt. In diesem Urteil hat der Senat bezüglich der Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers eines Fahrzeugs für die durch das rechtswidrige Abstellen des Fahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr Folgendes ausgeführt:

" Danach kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seiner Pflicht, die richtige Adresse des Käufers zu erfahren und diese der Zulassungsstelle mitzuteilen, ausreichend genügt hat. Wenn das Verwaltungsgericht ausführt, der Kläger habe insoweit "etwas leichtfertig" gehandelt, ist dies rechtlich dahin zu qualifizieren, dass der Kläger fahrlässig die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nach § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO zur Übermittlung der richtigen Adresse des Erwerbers an die Zulassungsstelle verletzt hat.

Diese Sorgfaltspflichtverletzung, die nach § 69 a Abs. 2 Nr. 12 StVO als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden kann, war aber nicht ursächlich für die hier eingetretene Gefahr durch Abstellen des schrottreifen Fahrzeugs auf einem öffentlichen Parkplatz. Nach der im Polizeirecht von der h. M. zugrunde gelegten Theorie der unmittelbaren Verursachung verursacht nur die Person verantwortlich eine Gefahr, die mit ihrem Handeln selbst die Grenze zur konkreten Gefahr unmittelbar überschreitet (Hornmann, a. a. O.,

§ 6 Rdnr. 28). Dies setzt in jedem Falle voraus, dass das Verhalten des vermeintlichen Störers, hier das Unterlassen des Klägers, der Zulassungsstelle die richtige Adresse des Erwerbers mitzuteilen, jedenfalls äquivalent kausal für den Eintritt der Gefahr ist. Kausal ist danach nur die Ursache, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Auflage 1996, E 60). So liegt es aber im vorliegenden Falle nicht. Denn auch wenn der Kläger seine Mitteilungspflicht nach § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO durch Mitteilung der richtigen Adresse an die Zulassungsstelle erfüllt hätte, hätte es zu der hier maßgeblichen Gefahr des illegalen Abstellens eines schrottreifen Kraftfahrzeugs kommen können. Das Verhalten des Klägers war somit für die eingetretene Gefahr nicht conditio sine qua non, d. h. die Gefahr ist unabhängig von dem Verstoß des Klägers gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO eingetreten. Die polizeiliche Gefahr realisierte sich nicht aufgrund des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens des Klägers, sondern durch die maßgebliche Handlung desjenigen, der das Fahrzeug ohne Zulassung auf dem öffentlichen Parkplatz abgestellt hat (Verhaltensstörer), oder desjenigen, der in diesem Zeitpunkt Halter oder Eigentümer des Kraftfahrzeugs war (Zustandsstörer). Beides war der Kläger jedenfalls nicht. Insoweit hat sich durch den Verstoß des Klägers gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO nicht die Gefahr realisiert, deren Beseitigung die unmittelbare Ausführung der Abschleppmaßnahme nach § 8 Abs. 1 HSOG diente. Das Verhalten des Klägers war für diese Gefahr somit polizeirechtlich nicht ursächlich (vgl. zu der vergleichbaren Fallgestaltung, dass die Übermittlung der Adresse des Erwerbers an die Zulassungsstelle völlig unterlassen wurde: Sächsisches OVG, U. v. 20.05.1996 - 3 S 342/95 -, NJW 1997, 2253).

Demgegenüber kann die Ursächlichkeit eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO für das spätere straßenrechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs nicht rein "normativ" begründet werden (so VGH Baden-Württemberg, U. v. 19.01.1996 - 5 S 2104/95 -, DVBl. 1996, 1055). Auch wenn in diesem Urteil nicht verkannt wird, "dass der Kläger mit diesem Unterlassen keine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne für den später durch einen Dritten bewirkten straßenrechtswidrigen Zustand infolge des Abstellens des nicht zugelassenen Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum gesetzt" hat, kann diese Verursachungslücke nicht durch eine wertende Betrachtungsweise überbrückt werden. Denn das Vorliegen der "naturwissenschaftlichen", jedenfalls äquivalenten Kausalität ist Voraussetzung auch für die Bejahung einer Verursachung im Polizeirecht. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung dient ebenso wie die Theorie der rechtswidrigen Verursachung oder die Adäquanztheorie der Einschränkung der reinen Äquivalenztheorie, nach der nur Bedingungen, die für das Eintreten des Erfolges nicht hinweggedacht werden können, als gleichwertig kausal für den Erfolg qualifiziert werden. Ist aber festzustellen, dass eine Bedingung im Sinne der Äquivalenztheorie gar nicht kausal war, weil sie hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, kann auch polizeirechtlich eine Kausalität nicht bejaht werden. Andernfalls würde das Erfordernis der Ursächlichkeit des Verhaltens eines Störers für eine polizeirechtliche Gefahr aufgegeben. Zwar mag der Gesetzgeber in beschränktem Umfang normativ Zurechnungen ohne den Nachweis einer zumindest äquivalenten Kausalität regeln können. Dies hat er aber für den vorliegenden Zusammenhang des Verstoßes gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO und der Haftung für die Kosten des rechtswidrigen Abstellens eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht getan. Dann kann die Kausalitätslücke nicht durch die normative Wertung eines Gerichts geschlossen werden."

Diesen Feststellungen hält die Beklagte in ihrem Zulassungsantrag gegenteilige Erwägungen des Verwaltungsgerichts Bremen in dessen Urteil vom 12. Januar 2000 - 5 K 2059/99 - (NVwZ-RR 2000, 593) entgegen. Die von dem Verwaltungsgericht Bremen für seine abweichende Auffassung gegebene Begründung enthält aber keine die dargestellten Überlegungen des Senats durchgreifend in Frage stellenden Gesichtspunkte. Das Verwaltungsgericht Bremen geht im Gegensatz zum Senat in seinem oben genannten Urteil deshalb von einer Mitursächlichkeit des früheren Eigentümers für das rechtswidrige Abstellen des veräußerten Fahrzeugs bei Verletzung der Meldeverpflichtung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO aus, weil es nach seiner Auffassung auf der Hand liegt, dass die Unmöglichkeit, für einen Gesetzesverstoß zur Verantwortung gezogen zu werden, die Bereitschaft steigere, ihn zu begehen. Das Verhalten der Klägerin jenes Verfahrens sei deshalb - so das Verwaltungsgericht Bremen - mitursächlich für das regelwidrige Abstellen des Pkw. Für die Vermutung, dass das Fahrzeug auch ohne die Nachlässigkeit der Klägerin (gemeint ist die Klägerin jenes Verfahrens) verbotswidrig "entsorgt" worden wäre, seien keine Argumente ersichtlich. Angesichts des Verhältnisses der Gesamtzahl der jedes Jahr zu verwertenden Pkw zur Zahl der illegal abgestellten Fahrzeuge sei ein solches Vorgehen jedenfalls nicht die Regel. Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen.

Das Verwaltungsgericht Bremen unterstellt, dass der Halter zum unerlaubten Abstellen des Fahrzeugs im Regelfall dadurch veranlasst wird, dass die Mitteilung seiner Daten an die Zulassungsstelle unterbleibt und er somit sicher gehen kann, dass er ohne das Risiko, für die Kosten der Beseitigung, Verwahrung und Verwertung haftbar gemacht zu werden, das Fahrzeug durch Deponierung im öffentlichen Verkehrsraum entsorgen kann. Für diese Annahme besteht indessen keine Grundlage, denn der Halter muss grundsätzlich damit rechnen, dass der Veräußerer seiner gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO nachkommt und der Zulassungsstelle den Namen und die Anschrift des Erwerbers anzeigt. Für den Regelfall besteht somit zwischen dem Versäumnis des Veräußerers und dem ordnungswidrigen Verhalten des Halters kein ursächlicher Zusammenhang. Ob eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt ist, wenn Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber vorliegen, bei dem durch den Veräußerer die Mitteilung an die Zulassungsstelle bewusst unterlassen wird, um dem Erwerber die Zurücklassung des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 18. Februar 2000 - 3 Bf 679/98 -, NJW 2000, 2600 [2601]), kann für den vorliegenden Fall offen bleiben. Die Beklagte hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die auf ein solches Zusammenwirken der Klägerin mit dem Erwerber des Pkw hindeuten könnten.

Auch für eine Zulassung der Berufung wegen der von der Beklagten darüber hinaus geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist kein Raum. Für den Senat besteht aus den bereits dargelegten Gründen keine Veranlassung, sich (erneut) in grundsätzlicher Weise mit der Frage zu befassen, ob die Nichterfüllung der Meldeverpflichtung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO durch den Veräußerer eine Verantwortlichkeit nach § 6 HSOG für die durch das rechtswidrige Abstellen des Fahrzeugs eingetretene polizeirechtliche Gefahr oder Störung begründet.

Da die Beklagte mit ihrem Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat sie die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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