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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 11 UZ 2462/00.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwGO
Vorschriften:
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3 | |
VwGO § 116 Abs. 2 | |
VwGO § 117 Abs. 4 | |
VwGO § 138 Nr. 6 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Asylrechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch
Präsidenten des Hess. VGH Dr. Heitsch, Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans
am 14. November 2001 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 16. Mai 2000 - 5 E 30843/95.A (3) - wird abgelehnt.
Der Kläger hat auch die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gründe:
Der gemäß § 78 Abs. 4 AsylVfG statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt ist nicht begründet. Der von dem Bevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 6 VwGO liegt nicht vor.
Der mit Schriftsätzen vom 27. Mai 2000 im Hinblick auf den ausgefertigten und am 26. Mai 2000 dem Klägerbevollmächtigten zugestellten Tenor des Urteils und vom 1. November 2000 im Hinblick auf das zugestellte vollständige Urteil vom 16. Mai 2000 eingelegte Zulassungsantrag ist zulässig. Dies gilt schon für den Zulassungsantrag vom 27. Mai 2000. Rechtsmittel sind auch gegen ergangene Entscheidungen möglich, wenn Rechtsmittelfristen noch nicht in Lauf gesetzt wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, Rdnr. 19 vor § 124). Ebenso wie Rechtsmittel gegen verkündete Entscheidungen auch schon vor Zustellung der vollständigen Entscheidung möglich sind, ist ein Rechtsmittel gegen ein Urteil auch schon nach Übergabe des Urteilstenors an die Geschäftsstelle gemäß §§117 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbsatz, 116 Abs. 2, 2. Halbsatz VwGO, die die Verkündung insoweit ersetzt (BVerwG, B. v. 24.06.1971 - I CB 4/69 -, NJW 1971, 1854), zulässig. Aus dem Umstand, dass die Geschäftsstelle im vorliegenden Falle fehlerhaft und contra legem den gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO ihr übergebenen Urteilstenor ausgefertigt und den Beteiligten zugestellt hat, dürfen diesen durch diese rechtswidrige Verfahrensweise keine Nachteile im Hinblick auf die Frage einer notwendigen Rechtsmitteleinlegung entstehen. Fehler des Gerichts, die - wie hier - in einer prozessordnungswidrigen Verfahrensweise liegen, dürfen nicht zu Nachteilen der Beteiligten im Hinblick auf die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Einlegung von Rechtsmitteln führen (BGH, U. v. 17.04.1996 - VIII ZR 108/95 -, NJW 1996, 1969). Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist somit jedenfalls zulässig (so im Ergebnis auch Hess. VGH, B. v. 07.12.2000 - 9 UZ 3323/00.A -, AuAS 2001, 116, für eine ähnliche Verfahrenssituation, bei der allerdings im Unterschied zum vorliegenden Falle das vollständige, mit Gründen versehene Urteil nicht den Beteiligten zugestellt worden war).
Der Zulassungsantrag ist aber nicht begründet, da der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 6 VwGO nicht vorliegt. Denn die im Tenor genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen versehen. Das mit Gründen versehene, vollständige Urteil ist den Beteiligten ausweislich der Zustellungsnachweise in der Gerichtsakte wirksam zugestellt worden. Ausweislich der Verfügung der Geschäftsstelle sind die Ausfertigungen des bei ihr am 5. Juli 2000 eingegangenen Urteils am 11. Juli 2000 zur Post gegeben worden. Laut Empfangsbekenntnis ist die Ausfertigung des Urteils vom 16. Mai 2000 bei dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten am 12. Juli 2000, bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ebenfalls am 12. Juli 2000 und bei dem Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des von ihm so ausgefüllten Empfangsbekenntnisses erst am 18. Oktober 2000 eingegangen. Das den Beteiligten zugestellte, mit Gründen versehene Urteil ist auch im Sinne der Rechtsprechung zu § 138 Nr. 6 VwGO rechtzeitig innerhalb der Frist von fünf Monaten der Geschäftsstelle übergeben worden (vgl. dazu grundsätzlich BVerfG, B. v. 17.11.1999 - 11 C 7/99 - NVwZ-RR 2000, 317), da das vollständige, von dem Einzelrichter unterschriebene Urteil am 5. Juli 2000, etwas über sechs Wochen nach der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2000, bei der Geschäftsstelle eingegangen ist.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers kann nicht zu Grunde gelegt werden, dass trotz Zustellung des vollständigen, mit Gründen versehenen, rechtzeitig abgefassten, unterschriebenen und der Geschäftsstelle übergebenen Urteils das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt nicht mit Gründen versehen sei, weil die Geschäftsstelle vorher fehlerhaft den ihr gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO von dem Einzelrichter übergebenen Urteilstenor ausgefertigt und den Beteiligten zugestellt hatte. Dieser Fehler der Geschäftsstelle führt nicht dazu, dass danach nicht mehr ordnungsgemäß das Verfahren der Zustellung des nicht verkündeten Urteils gemäß § 116 Abs. 2 VwGO durchzuführen gewesen wäre. Ein schützenswertes Interesse der Beteiligten, dass ihnen wegen dieses Fehlers der Geschäftsstelle das vollständige Urteil gemäß dem in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Verfahren nach § 117 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz, § 116 Abs. 2 VwGO nicht mehr wirksam zugestellt werden könnte, besteht außer im Hinblick auf eine sofortige und wirksame Einlegung des Rechtsmittels - wie oben dargelegt - nicht. Im Hinblick auf dadurch möglicherweise ausgelöste Unsicherheiten, ob es sich bei dem ausgefertigten und zugestellten Tenor um die Zustellung des Urteils im Sinne des § 116 Abs. 2 VwGO handeln solle, werden die Beteiligten ausreichend dadurch geschützt, dass sie schon dagegen sofort und wirksam den Zulassungsantrag stellen können. Ein darüber hinausgehendes Interesse der Beteiligten daran, dass ihnen das entsprechend der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensweise der Geschäftsstelle später, innerhalb der Fünfmonatsfrist, übergebene vollständige Urteil nicht mehr wirksam zugestellt werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Erst mit der Zustellung des vollständigen Urteils ist das Urteil "erlassen" (Kopp/Schenke, a.a.O., § 117 Rdnr. 19a). Die gemäß § 116 Abs. 2 VwGO vorgesehene Zustellung des Urteils kann durch die Zustellung der Urteilsformel nicht ersetzt werden (Kopp/Schenke, a.a.O., § 116 Rdnr. 10). § 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nach dem die Ausfertigung eines Urteils auch ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe erfolgen kann, ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht anwendbar, statt dessen gilt § 168 Abs. 2 VwGO (Hartmann in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 59. Aufl. 2001, § 317 Rdnr. 18). Danach können den Beteiligten nur für die Vollstreckung auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht. Der gesetzlich vorgesehenen, ordnungsgemäßen Verfahrensweise nach §§ 117 Abs. 4, 116 Abs. 2 VwGO entspricht somit nur die Zustellung eines vollständigen, mit Gründen und einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteils an die Beteiligten. Diese nach der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehene Verfahrensweise hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Falle eingehalten. Damit sind auch die gesetzlich vorgesehenen Wirkungen der ordnungsgemäßen Zustellung des vollständigen Urteils eingetreten. Daran ändert nichts, dass die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts vorher fehlerhaft den ihr gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO übergebenen Urteilstenor den Beteiligten zugestellt hatte. Dadurch wurden die gesetzlich vorgesehenen Anforderungen an das Verfahren über die Zustellung des vollständigen Urteils gemäß § 116 Abs. 2 VwGO nicht verändert. Dieses Verfahren hat das Verwaltungsgericht ordnungsgemäß durchgeführt. Ein schützenswertes und durchgreifendes Interesse der Beteiligten daran, dass die gesetzlichen Wirkungen der ordnungsgemäß durchgeführten Zustellung des vollständigen Urteils nach § 116 Abs. 2 VwGO ihnen gegenüber nicht eintreten sollten, ist über das Interesse an einer wirksamen Rechtsmitteleinlegung hinaus nicht ersichtlich.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Zulassungsantrag ohne Erfolg bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 78 Abs. 5 Satz 2, 80 AsylVfG).
Ende der Entscheidung
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