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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.05.2006
Aktenzeichen: 11 UZ 795/06.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
Zur Frage, ob die Verweigerung einer Heiratsgenehmigung (hier: Sondergenehmigung nach § 1060 iranisches Zivilgesetzbuch) eine politische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG darstellen kann.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

11 UZ 795/06.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts - Iran

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Igstadt, Richter am Hess. VGH Debus

am 2. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 9. Februar 2006 (Az.: 5 E 3223/03.A) wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor des vorliegenden Beschlusses näher bezeichnete erstinstanzliche Urteil ist gemäß § 78 Abs. 4 AsylVfG statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Soweit sich die Klägerin im vorliegenden Zulassungsverfahren gegen die Abweisung ihrer auf Anerkennung als Asylberechtigte gerichteten Klage durch das Verwaltungsgericht richtet, mangelt es bereits an der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG erforderlichen Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe.

Die Vorinstanz hat sich in ihrem Urteil bezüglich der von der Klägerin erstrebten Asylanerkennung nach Art. 16 a Abs. 1 GG darauf gestützt, die Klägerin sei von dem Asylrecht bereits nach Art. 16 a Abs. 2 GG und § 26 a Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen, weil sie ihre Einreise auf dem Luftweg nicht habe nachweisen können. Hierzu enthält der Zulassungsantrag, der sich ausschließlich mit der von der Klägerin begehrten Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG befasst, keine Ausführungen.

Auch bezüglich der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG kann dem Zulassungsantrag kein Erfolg beschieden sein.

Insoweit begehrt die Klägerin die Zulassung der Berufung unter Berufung auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zur Klärung der Rechtsfrage

" ... ob die iranische Regelung des § 1060 ZGB, wonach ausschließlich iranische Frauen, nicht aber Männer für die Heirat mit einem Ausländer eine behördliche Eheschließungsgenehmigung benötigen, bei Verweigerung der Eheschließungsgenehmigung eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 und 3 AufenthG darstellt."

Diese Fragestellung und die hierzu in der Antragsschrift gegeben Erläuterungen rechtfertigen eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

Grundsatzbedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG kommt einem Asylstreitverfahren nur dann zu, wenn es eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und die über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Anhand des vorliegenden Einzelfalles könnte die von der Klägerin aufgeworfene Frage keiner grundsätzlichen Klärung zugeführt werden.

Allerdings ist die Klägerin von der im Zulassungsantrag benannten Regelung des iranischen Zivilgesetzbuches betroffen, denn sie konnte nach eigenen Angaben ihren Ehemann, einen afghanischen Staatsangehörigen, im Iran nur nach religiösem Ritus heiraten, mit ihm aber wegen der Verweigerung der nach § 1060 des iranischen ZGB erforderlichen Sondergenehmigung keine staatlich anerkannte Ehe schließen. Die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Versagung der staatlichen Anerkennung einer Heirat stellt, ebenso wie die Verhängung eines ausdrücklichen Eheschließungsverbotes oder die Sanktionierung einer im Ausland geschlossenen Ehe, eine staatliche Maßnahme dar, die über eine bloße Diskriminierung hinaus wegen der Schwere der hiermit einhergehenden Beeinträchtigung elementarer Menschenrechte die Schwelle des Verfolgungseingriffs überschreitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 1992 - BVerwG 9 C 143.90 -, BVerwGE 90, 127 [132,133]).

Unter den von der Klägerin geschilderten Umständen dürfte eine Verfolgung wegen Geschlechtzugehörigkeit im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG, anders als das Verwaltungsgericht meint, nicht schon mit Blick auf die im Iran allgemein herrschende Ungleichbehandlung von Frauen verneint werden können. Das potentielle Verbot einer zivilen Eheschließung betrifft nicht die Gesamtheit der weiblichen Bevölkerung im Iran, sondern nur diejenigen Frauen, die einen Ausländer heiraten wollen. Hierdurch sind die Frauen, denen nach § 1060 iranisches ZGB die zivile Eheschließung untersagt wird, als soziale Gruppe im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinreichend bestimmt (vgl. Marx, ZAR 2005, 177 [185].

Es fehlt indessen im vorliegenden Fall an der politischen Ausrichtung der staatlichen Maßnahme.

Die Tatsache, dass die Klägerin von der Weigerung der iranischen Behörden, ihr eine Sondergenehmigung für die Eheschließung mit einem Ausländer zu erteilen, deshalb - tatsächlich - in ihren unverfügbaren Menschenrechten verletzt und zudem als Frau benachteiligt wird, weil dieses Genehmigungserfordernis nur für Frauen, nicht aber für Männer gilt, reicht als solche für die Annahme einer politischen Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG nicht. Hierfür wäre erforderlich, dass die staatliche Maßnahme gerade darauf ausgerichtet wäre, die Klägerin in ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder in einem sonstigen asylrechtlich bedeutsamen Merkmal zu treffen. Hierfür liegen indessen keine Anhaltspunkte vor.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr und ihrem Ehemann sei die Eheschließungsgenehmigung durch die iranischen Behörden mit dem Argument verweigert worden, ihr Ehemann könne nicht im Iran leben und müsse bald nach Afghanistan zurückkehren. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, von der Regelung in § 1060 des iranischen ZGB werde in Fällen einer beabsichtigten Eheschließung mit afghanischen Staatsangehörigen durch Versagung der Sondergenehmigung aus einwanderungspolitischen Gründen Gebrauch gemacht, um eine baldige Rückkehr der als unliebsam empfundenen afghanischen Flüchtlinge in ihre Heimat zu gewährleisten. Gesichtspunkte, aus denen sich herleiten ließe, dass die der Klägerin für die Ablehnung ihres Genehmigungsantrages gegebene Begründung lediglich vorgeschoben worden sein könnte, um die mit der Ablehnung eigentlich oder zumindest auch gewollte Sanktionierung einer als verwerflich betrachteten Heiratsabsicht oder eine mit dieser Maßnahme tatsächlich (auch) beabsichtigte Diskriminierung der Klägerin als Frau zu verdecken, sind nicht ersichtlich. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere auch nicht aus den Darlegungen der Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrages.

Zielt aber der beeinträchtigende Eingriff nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 6. April 1992, a.a.O., Seite 133) ungeachtet einer mit dieser Maßnahme verbundenen faktischen Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung nicht auf eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten unveräußerlichen persönlichen Eigenschaften und Merkmale ab, sondern erfolgt diese Maßnahme aus anderen Gründen, kommt die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach der vorgenannten aufenthaltsrechtlichen Bestimmung nicht in Betracht.

Ob eine Abschiebung der Klägerin in den Iran wegen des gegen sie dort verhängten Heiratsverbots auf Grund einer anderen Abschiebungsschutzregelung in § 60 AufenthG untersagt sein könnte, etwa gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, bedarf keiner Erörterung, da die Klägerin insoweit keine Grundsatzfragen aufgeworfen und auch keine sonstigen Zulassungsgründe geltend gemacht hat.

Da die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat sie die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Infolge dessen entfällt auch die Notwendigkeit, für das Antragsverfahren einen Streitwert festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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