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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 12 A 1521/01
Rechtsgebiete: HVwVfG, LuftVG, VwGO, GVG, 16. BImSchV, BImSchG


Vorschriften:

HVwVfG § 36
HVwVfG § 48
HVwVfG § 49
HVwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 5
HVwVfG § 75
HVwVfG § 75 Abs. 2
HVwVfG § 75 Abs. 2 Satz 2
HVwVfG § 75 Abs. 2 Satz 4
HVwVfG § 75 Abs. 2 Satz 5
HVwVfG § 75 Abs. 3
HVwVfG § 75 Abs. 3 Satz 1
HVwVfG § 75 Abs. 3 Satz 2
LuftVG § 6
LuftVG § 6 Abs. 2 Satz 4
LuftVG § 9 Abs. 3
VwGO § 48 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
VwGO § 48 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 93 Satz 1
GVG § 17 Abs. 2 Satz 1
16. BImSchV § 1 Abs. 2 Nr. 2
BImSchG § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12 A 1118/01 12 A 1521/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Luftverkehrsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich, Richter am Hess. VGH Hassenpflug, Richter am Hess. VGH Schneider

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2004 für Recht erkannt: Tenor:

Die Verfahren 12 A 1118/01 und 12 A 1521/01 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben der Kläger zu 1/11 und die Klägerin zu 10/11 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger, die Stadt A-Stadt und ein privater Grundstückseigentümer, der im Südosten des Stadtteils Mörfelden wohnt, begehren aus Lärmschutzgründen die Verpflichtung des beklagten Landes, der beigeladenen Betreiberin des Verkehrsflughafens B-Stadt am Main aufzugeben, den Flugverkehr vom und zum Flughafen B-Stadt am Main in erster Linie durch ein Nachtflugverbot einzuschränken und - hilfsweise - baulichen Schallschutz und Entschädigungsleistungen anzuordnen.

Der Flughafen B-Stadt am Main ist vor dem 2. Weltkrieg angelegt worden. Die Betriebsgenehmigung, die mit einem allgemeinen Auflagenvorbehalt versehen ist, wurde mehrfach geändert und neu gefasst; insbesondere durch Bescheid des damaligen Hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 20. Dezember 1957. Auf der Grundlage weiterer Genehmigungen vom 27. Oktober 1960 und 3. Juni 1964 wurde die nördliche Start- und Landebahn (07 L/25 R) auf 3.900 m sowie die südlich parallel verlaufende Start- und Landebahn (07 R/25 L) auf 3.750 m verlängert.

Mit Bescheid vom 23. August 1966 genehmigte der Hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr im Zuge des geplanten Ausbaus des Flughafens die nochmalige Verlängerung der (parallelen) Start- und Landebahnen auf jeweils 4.000 m mit einer Verlegung der Schwellen 25 R und 25 L um ca. 600 bzw. 670 m nach Westen sowie die Anlage der Startbahn 18 (West) mit einer Länge von ebenfalls 4.000 m. Der Betrieb der Startbahn 18 ist auf Starts in Richtung Süden beschränkt.

Durch Beschluss vom 23. März 1971 stellte das Ministerium den Plan für die Errichtung der Startbahn 18 (West) und die Verlängerung des bestehenden Parallelbahnsystems im Wesentlichen entsprechend dem 1966 genehmigten Ausbauplan fest. In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ist ausgeführt, der Flughafen B-Stadt am Main habe sich zu einem der bedeutendsten Knotenpunkte des innerdeutschen und internationalen Luftverkehrs entwickelt. Die Erweiterung des Start- und Landebahnsystems sei notwendig, um das künftig zu erwartende hohe Verkehrsaufkommen abwickeln zu können; eine mögliche Kapazitätsgrenze werde damit zeitlich weit hinaus geschoben. Die Startbahn 18 (West) ermögliche eine Erhöhung der Kapazität auf 70 Flugbewegungen unter Instrumentenflugregeln in einer Spitzenstunde. Gesundheitsschäden durch Fluglärm seien nach den medizinischen Gutachten nicht zu erwarten.

Der Planfeststellungsbeschluss ist der Klägerin zu 2. gegenüber durch Zustellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 1981 (4 B 237 u. 238.80) bestandskräftig geworden. Der Kläger zu 1. hat diesen Planfeststellungsbeschluss nicht angefochten.

Durch Bescheid vom 24. Januar 1972 (StAnz. S. 219) stellte das Ministerium fest, dass eine Anpassung der Betriebsgenehmigung an den Planfeststellungsbeschluss nicht erforderlich sei.

Nach Inbetriebnahme der Startbahn 18 im Jahr 1984 ordnete das Ministerium durch mehrere Nachträge zur Betriebsgenehmigung, insbesondere durch Bescheid vom 16. Juli 1999 Einschränkungen des zivilen Nachtflugverkehrs an (hauptsächlich für nicht lärmzertifizierte Luftfahrzeuge, soweit sie nicht in B-Stadt den Schwerpunkt ihres Geschäfts- und Wartungsbetriebs hatten).

Anfang 2000 wurde ein bereits im Jahr 1998 eingeleitetes Mediationsverfahren zur künftigen Entwicklung des Verkehrsflughafens B-Stadt am Main abgeschlossen; die Mediationsgruppe legte einen Bericht mit einem Empfehlungspaket vor (Optimierung des vorhandenen Systems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau, Nachtflugverbot, Anti-Lärm-Paket, Regionales Dialogforum). Im Rahmen des Mediationsverfahrens wurden mehrere lärmphysikalische Gutachten eingeholt. Insbesondere in dem Gutachten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. - DLR - vom 14. Dezember 2000 ist die rechnerisch ermittelte Lärmbelastung in der Umgebung des Flughafens B-Stadt für den Betriebsfall 2000 (entspricht 460.000 Flugbewegungen pro Jahr) und den Prognosefall 200x (entspricht 500.000 Flugbewegungen pro Jahr) dargestellt. Auf der Grundlage dieser Ermittlungen ordnete das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (im Folgenden: Ministerium) durch mehrere Bescheide folgende weitere Einschränkungen und Ergänzungen der Betriebsgenehmigung an:

Zunächst begrenzte es durch vorläufigen Bescheid vom 26. April 2001 die Zahl der nächtlichen Flugbewegungen für die Dauer des Winterflugplans 2001/2002 auf insgesamt knapp 6.300 Flugbewegungen. Ferner verpflichtete es die Beigeladene durch denselben Bescheid, an Wohngebäuden in einem bestimmten Nachtschutzbereich baulichen Schallschutz zu gewähren. Das Gebiet wird durch Isophonen umhüllt, die eine Lärmbelastung von entweder 6 x 75 dB(A) oder einen nächtlichen Dauerschallpegel - leq(3) - von 55 dB(A) - jeweils außen - markieren. Mit dem baulichen Schallschutz soll erreicht werden, dass im belüfteten Rauminneren in zum Schlafen geeigneten Räumen bei geschlossenen Fenstern am Ohr des Schläfers ein Maximalpegel von 52 dB(A) Lmax nicht regelmäßig überschritten wird.

Durch Bescheid vom 24. September 2001 änderte das Ministerium die Beschränkung der Betriebsgenehmigung dahingehend ab, dass es bis zum März 2006 für die Zeit von 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr (Ortszeit) eine Lärmkontingentierung anordnete, nach der ein bestimmtes Lärmpunktekonto nicht überschritten werden darf. Die Lärmpunkte richten sich nach der Zuordnung der Luftfahrzeuge zu einer der sieben Lärmkategorien.

Nachdem der Genehmigungsbehörde weitere schalltechnische Gutachten vorgelegt worden waren, änderte sie die Betriebsgenehmigung durch Bescheid vom 25. November 2002 erneut ab, indem sie das durch Bescheid vom 26. April 2001 festgesetzte Nachtschutzgebiet erweiterte. Nach den Plänen (Anlage 1 und 1 C), die dem Bescheid vom 25. November 2002 als verbindliche Anlagen beigefügt sind, liegt ein Teil des Gebiets der Klägerin (Westrand des Stadtteils Mörfelden) in dem Nachtschutzgebiet. Zur Begründung des Bescheids führte das Ministerium im Wesentlichen aus, die Belastung der insoweit betroffenen Bevölkerung durch Fluglärm habe (ohne Berücksichtigung der militärischen Flüge) ein solches Ausmaß erreicht, dass bauliche Schallschutzmaßnahmen zur Vermeidung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen geboten seien.

Bereits mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 9. August 2000 hatte die Klägerin zu 2. bei dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung beantragt, "beschränkende Betriebsregelungen im Wege eines teilweisen Widerrufs der Genehmigung zur Anlage und zum Betrieb des Flughafens B-Stadt/Main vom 23.08.1966 wie folgt anzuordnen". Die folgenden Anträge betreffen in erster Linie ein Nachtflugverbot, hilfsweise Nachtflugbeschränkungen sowie Einschränkungen des Flugverkehrs am Tag und Maßgaben für die Berechnung des Fluglärms. Mit weiteren Schreiben vom 18. Dezember 2000, 31. Januar 2001 und 23. März 2001 hat die Klägerin ihre Eingabe ergänzt, Gutachten vorgelegt und insbesondere zu dem Entwurf des oben zitierten Bescheides des Ministeriums vom 26. April 2001 Stellung genommen.

Am 18. April 2001 hat die Klägerin zu 2. (unter dem damaligen Aktenzeichen 2 A 1120/01) Klage erhoben mit den bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Begehren. Zusätzlich zielt die Klage auf Einhaltung bestimmter Grenzwerte zum Schutz vor Kommunikationsstörungen und zum Schutz vor dem von dem Flughafen ausgehenden "Bodenlärm". Am 25. Mai 2001 hat die Klägerin zu 2. eine weitere Klage erhoben (2 A 1521/01), die auf Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2001 gerichtet ist, soweit er dem Begehren der Klägerin nicht entspricht. Durch Schriftsätze vom 25. Oktober 2001 hat sie den Bescheid des Ministeriums vom 24. September 2001 in das Verfahren einbezogen und, nachdem das Gericht die beiden Verfahren durch Beschluss vom 18. März 2002 verbunden hatte, durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2002 auch den Bescheid vom 25. November 2002.

Der Kläger zu 1. wandte sich bereits mit Schreiben vom 10. Oktober 2000 an den Fluglärmbeauftragten bei dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung im Wesentlichen mit dem Begehren, dafür Sorge zu tragen, dass die vorgeschriebenen Abflugverfahren eingehalten werden. Er hat ebenfalls am 18. April 2001 Klage erhoben und sich mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 27. August 2001 gegenüber dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung den Forderungen der Klägerin zu 2. mit der Maßgabe angeschlossen, dass er ausdrücklich eine Entschädigung in Höhe der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen beantragt hat. Mit Schriftsätzen vom 26. Oktober 2001 und 19. Dezember 2002 hat er die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 24. September 2001 und 25. November 2002 in das Gerichtsverfahren einbezogen.

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Klagen - stark zusammengefasst - vor: Das Begehren der Klägerin zu 2. habe sich schon im Verwaltungsverfahren auch auf die Gewährung von baulichem Schallschutz und Entschädigungsleistungen gerichtet; das komme in ihren Anträgen und Stellungnahmen deutlich zum Ausdruck. Der Beklagte habe die Fluglärmbelastung fehlerhaft ermittelt. Die Berechnungen nach AzB seien unrichtig, weil insbesondere Gegenanflüge und unterschwellige Flugereignisse nicht erfasst worden seien. Auch die schalltechnischen Auswirkungen des Kurvenflugs seien vernachlässigt worden. Diese Mängel, die durch das EMPA-Gutachten aufgezeigt worden seien, führten zu einer Mehrbelastung von ca. 4 dB(A). Da die Gutachten des Instituts deBAKOM diesen Fehlern nur teilweise Rechnung tragen würden, müssten die Ergebnisse mit einem (weiteren) Zuschlag von 2,5 dB(A) belegt werden. Daraus ergebe sich, dass das gesamte Stadtgebiet einer erheblichen, unzumutbaren und gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung durch Fluglärm ausgesetzt sei. Die Klägerin zu 2. werde auch in ihrer Planungshoheit verletzt, weil abgeschlossene Planungen nicht realisiert und begonnene Konzeptionen nicht zu Ende geführt werden könnten. Kommunale Wohnungen und kommunale Einrichtungen seien einer Lärmbelastung ausgesetzt, die eine bestimmungsgemäße Nutzung dieser Grundstücke nicht mehr erlaube. Die maßgeblichen Grenzwerte für Einzelschallereignisse würden schon nach den eigenen Messungen der Beigeladenen überschritten. Zu dem eigentlichen Fluglärm komme noch der von dem Flughafen ausgehende Bodenlärm hinzu, der schon für sich betrachtet die zulässigen Grenzwerte überschreite. Ihre Wohnimmobilien und kommunalen Einrichtungen, trägt die Klägerin zu 2. weiter vor, würden darüber hinaus durch den Schienen- und Straßenverkehrslärm erheblich belastet, so dass eine Gesamtbetrachtung des Verkehrslärms geboten sei. Aus einer Zusammenschau der Vorschriften über das luftverkehrsrechtliche Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren sowie der §§ 36 und 75 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - ergebe sich ein Anspruch auf Anordnung eines Nachtflugverbots, zumindest auf Einschränkung des Flugbetriebs über die in den Bescheiden vom 26. April und 24. September 2001 angeordneten Maßnahmen hinaus. Die Genehmigungsbehörde habe ihre Lärmschutzbelange fehlerhaft abgewogen und sei von unrichtigen Immissionsgrenzwerten ausgegangen. Das sog. Jansen-Kriterium sei durch die neueren Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung überholt. Es sei geboten, erheblich niedrigere Grenzwerte anzusetzen als sie der Beklagte bisher angenommen habe.

Die Kläger haben zur Darlegung ihrer Lärmbelastung mehrere Gutachten des Dipl.-Physikers Dr. Kühner, Gesellschaft für sensorische Messtechnik, deBAKOM, vorgelegt. Nach dem Gutachten vom 16. März 2001 (Anlage K 2 des Verfahrens 12 A 1521/01) werden auf Grund von Messungen, die Anfang 2001 durchgeführt worden sind, folgende - aufgerundete - Tag/Nacht-Mittelungspegel (bei einem Halbierungsquotienten q = 3) ausgewiesen:

 MP 1 (Walldorf West):53/48 dB(A)
MP 2 (Mörfelden Süd/Gräfenhäuser Str.)54/49 dB(A)
MP 3 (Mörfelden West/Hubertusstraße)57/51 dB(A)

In dem Gutachten vom 22. Dezember 2003 (Anlage K 11 des Verfahrens 12 A 1521/01) sind nach AzB 99 auf der Basis DES 99 errechnete Fluglärmbelastungen sowie "Fluglärmpegel 2003" ausgewiesen, die Zuschläge für unterschwellige Lärmereignisse und für Abweichungen von Messergebnissen enthalten. Wegen der Werte im Einzelnen und der Belastung durch Schienen- und Straßenverkehrslärm wird auf die Anlage zu dem Gutachten vom 22. Dezember 2003 (Anlage K 11b zu dem Verfahren 12 A 1521/01) verwiesen. Für zwei Wohnobjekte ergeben sich beispielsweise folgende Pegel:

 AzB 99/DES 99Fluglärm 2003
Hubertusstraße 4 (Asylbewerberunterkunft)57/53,759,4/54,7 dB(A)
A-Straße52,4/48,654,8/49,6 dB(A)

Der Kläger zu 1) stellt folgende Anträge:

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 26. April 2001, 24. September 2001 und 25. November 2002 verpflichtet:

I. Beschränkende Betriebsregelungen im Wege eines teilweisen Widerrufs der Genehmigung zur Anlage und zum Betrieb des Flughafens B-Stadt am Main vom 20. Dezember 1957 sowie im Wege der Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses für den Flughafen B-Stadt am Main vom 23. März 1971 um Auflagen wie folgt anzuordnen:

1. Ab dem 1. Januar 2003 wird in der Zeit von 22 Uhr bis 06 Uhr der Flugbetrieb dahingehend eingeschränkt, dass Starts und Landungen nur in Notfällen, Notsituationen oder aufgrund einer Entscheidung der Luftsicherheit bzw. der zuständigen Behörde bei kritischen Situationen bezüglich des Luftraumes zulässig sind.

2. Bis dahin wird von 22 bis 6 Uhr der Flugbetrieb dahingehend ausgerichtet, dass auf dem im Rubrum benannten Wohngrundstück des Klägers

- am Ohr eines Schläfers der maximale Einzelschallpegel von 52 dB(A) nicht häufiger als sechs mal pro Nacht überschritten wird,

- zur Begrenzung der Belastung aus vielen Schallereignissen unterhalb dieses Wertes ein Dauerschallpegel von 32 dB(A) am Ohr des Menschen in der Nacht nicht überschritten wird.

3. In der übrigen Zeit wird die Anzahl der Flugbewegungen dahingehend begrenzt, dass

- ab dem 1. Oktober 2002 ein Wert von 53 dB(A) (Dauerschallpegel, tagsüber, berechnet nach dem Verfahren der LAI, gültige Anleitung zur Berechnung von Fluglärm AzB 1984, Halbierungsparameter Leq (3) nicht überschritten wird,

- ab dem 1. Januar 2004 ein Wert von 50 dB(A) (Dauerschallpegel, tagsüber, berechnet nach dem Verfahren der LAI, gültige Anleitung zur Berechnung von Fluglärm AzB 1984, Halbierungsparameter Leq (3) nicht überschritten wird.

4. Die Kommunikation auf dem Grundstück des Klägers wird durch Einzelschallereignisse, die lauter als 57 dB(A) (LASMAX) sind, nicht mehr als 1 Stunde am Tag beeinträchtigt.

II. Hilfsweise wird beantragt:

Der Beklagte wird verpflichtet, die in I. 2 beantragten Maßnahmen zum Schutz des Klägers vor Fluglärm in der Nacht bis auf weiteres anzuordnen.

III. Weiter hilfsweise wird beantragt:

Der Beklagte wird verpflichtet, eine Entschädigung in Höhe der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen festzusetzen.

IV. Weiter hilfsweise wird beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu I. und II. zu bescheiden.

V. Abschließend wird hilfsweise beantragt (Schriftsatz vom 30. Dezember 2003), den Beklagten zu verpflichten, die Betriebsgenehmigung für den Flughafen B-Stadt am Main, hilfsweise den geltenden Planfeststellungsbeschluss, um die Anordnung zu ergänzen, dass die Beigeladene dem Kläger Entschädigung in Geld für den Fall bezahlt, dass passiver Schallschutz untunlich ist.

VI. Ferner wird hilfsweise beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, über die Ergänzung der Betriebsgenehmigung bzw. des Planfeststellungsbeschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Klägerin zu 2) stellt folgende Anträge:

"I. Hauptantrag

1. Ab dem 01.01.2005 wird in der Zeit von 22 Uhr bis 06 Uhr der Flugbetrieb dahingehend eingeschränkt, dass Starts und Landungen nur in Notfällen, Notsituationen oder aufgrund einer Entscheidung der Luftsicherheit bzw. der zuständigen Behörde bei kritischen Situationen bezüglich des Luftraumes zulässig sind.

2. Übergangsregelung

3. In der übrigen Zeit wird die Anzahl der Flugbewegungen dahingehend begrenzt, dass ab dem 01.01.2005 auf den in der Liste zu Ziffer 4 des Schriftsatzes vom 30.12.2003 bezeichneten Liegenschaften der Klägerin sowie in den ebenso bezeichneten Einrichtungen der Klägerin ein Wert von 50 dB(A) (Dauerschallpegel, tagsüber, berechnet nach dem Verfahren der LAI, gültige Anleitung zur Berechnung von Fluglärm AzB 1984, Halbierungsparameter Leq 3) nicht überschritten wird.

4. Die Kommunikation auf den in der Liste zu Ziffer 4 und der Liste zu Ziffer 5 des Schriftsatzes vom 30.12.2003 bezeichneten Liegenschaften der Klägerin, die zum Wohnen dienen, sowie in den ebenso bezeichneten Einrichtungen der Klägerin, die der Kinderbetreuung und Altenpflege dienen, wird durch Einzelschallereignisse, die lauter als 57 dB(A) (LASMAX) sind, nicht mehr als 1 Stunde am Tag beeinträchtigt.

5. Der vom Flughafen Rhein-Main verursachte Bodenlärm nachts beträgt nicht mehr als 45 dB(A) (außen) an den in der Liste zu Ziffer 6 des Schriftsatzes vom 30.12.2003 bezeichneten Liegenschaften.

II. Hilfsantrag zu I.1

Der Beklagte wird verpflichtet, ab dem 01.01.2005 ein Nachtstartverbot auf der Bahn 18 West in der Zeit von 22 bis 6 Uhr anzuordnen.

III. Hilfsantrag zu I.1 und II.

1. In der Zeit von 22 bis 6 Uhr wird ein Nachtschutzgebiet dahingehend ausgerichtet, dass

- am Ohr eines Schläfers der maximale Einzelschallpegel von 52 dB(A) nicht häufiger als sechs mal pro Nacht überschritten wird,

- ein Dauerschallpegel von 32 dB(A) am Ohr des Menschen in der Nacht nicht überschritten wird.

2. Hilfsweise hierzu wird für die in der Liste zu Nummer I.1 und der Liste zu Nummer I.2 des Schriftsatzes vom 30.12.2003 bezeichneten Liegenschaften der Klägerin sowie für die ebenso bezeichneten Einrichtungen der Klägerin, die alle dem Wohnen dienen, beantragt, die Betriebsgenehmigung, hilfsweise hierzu den geltenden Planfeststellungsbeschluss, um Schutzanordnungen zu ergänzen, die die Beigeladene verpflichten, der Klägerin Kosten für Maßnahmen passiven Schallschutzes zu erstatten.

3. Hilfsweise hierzu wird beantragt, dass Entschädigung in Geld bezahlt wird, sollte Schallschutz untunlich sein.

IV. Hilfsantrag zu I.2-4

1. Es wird beantragt, die Betriebsgenehmigung, hilfsweise hierzu den geltenden Planfeststellungsbeschluss, um Schutzanordnungen zu ergänzen, die die Beigeladene verpflichten, der Klägerin Kosten für Maßnahmen passiven Schallschutzes für die Anträge I.3 und I.5 betreffenden Wohngebäude und Einrichtungen, sofern es sich um Gebäude handelt, zu erstatten.

2. Hilfsweise hierzu wird beantragt, dass Entschädigung in Geld bezahlt wird, sollte Schallschutz untunlich sein.

V. Hilfsantrag zu I-IV.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Bescheide vom 26.04.2001, 24.09.2001 und 25.11.2002 verpflichtet, über die Anträge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden."

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erwidert: Die Klage sei schon unzulässig, soweit die Kläger die Aufhebung der Bescheide vom 26. April 2001, 24. September 2001 und 25. November 2002 begehrten; insoweit stehe ihnen kein Rechtsschutzinteresse zur Seite. Die Verpflichtungsanträge seien unbestimmt; es sei weder erkennbar, ob sie sich auf das Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren bezögen, noch sei feststellbar, für welche Immissionsorte die Immissionsgrenzwerte gelten sollten. Die klagende Stadt könne sich nicht auf eine abwehrfähige Rechtsposition berufen. Sie habe nicht dargelegt, dass sie in ihrer Planungshoheit verletzt werde oder dass die Funktion ihrer kommunalen Einrichtungen beeinträchtigt werde. Ansprüche auf Betriebsbeschränkungen scheiterten an der Sperrwirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG. § 75 Abs. 2 HVwVfG sei von der Rechtsfolge her nicht einschlägig, und im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor, insbesondere habe die Klägerin nicht rechtzeitig die Anordnung von Schutzvorkehrungen beantragt. Die Ermittlungen der Lärmwerte durch das Institut deBAKOM unterlägen in mehrerer Hinsicht Bedenken. Darüber hinaus ergebe sich, die Richtigkeit dieser Werte unterstellt, keine unzumutbare oder gar gesundheitsgefährdende Lärmbelastung. Die Klägerin zu 2) habe erstmals im Dezember 2003 die Gewährung passiven Schallschutzes beantragt. Der darin liegenden Klageerweiterung stimme er, der Beklagte, nicht zu. Die Klageänderung dürfe auch nicht als sachdienlich zugelassen werden. Die Anträge seien verfristet und im Übrigen auch unbegründet. Bei Anlagen, die nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses errichtet worden seien, lägen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG von vornherein nicht vor.

Die Beigeladene trägt vor, die Klagen seien schon unzulässig. Die Anträge seien nicht hinreichend bestimmt und den Klägern stehe keine Klagebefugnis zur Seite. Die Klägerin habe weder einen nachhaltigen Eingriff in ihre Planungshoheit noch eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer kommunalen Einrichtungen dargelegt. Die Klagen seien auch unbegründet. Eventuelle Ansprüche auf Teilwiderruf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung seien durch § 9 Abs. 3 LuftVG ausgeschlossen und im Übrigen lägen auch nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf vor. Der Fluglärm unterschreite deutlich die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze. Die von den Klägern geforderten Standards seien unrealistisch. Die Kläger könnten auch keinen Anspruch aus § 75 Abs. 2 HVwVfG herleiten. Die Anträge seien nicht fristgerecht gestellt worden. Die tatsächliche Entwicklung des Flugverkehrs von und zum Flughafen B-Stadt am Main sei voraussehbar gewesen. Summenpegel dürften nicht berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Berechnungsverfahren und Grenzwerte stünden der Vergleichbarkeit verschiedener Schallquellen entgegen. Der Ansatz eines Fluglärmmalus sei nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Schließlich unterschritten auch die Summenpegel die maßgebliche Sanierungsschwelle. Die von ihr zuletzt durchgeführten Berechnungen belegten, dass die Objekte einer Lärmbelastung (Mittelungspegel) von unter 60 dB(A) am Tag und unter bzw. nur knapp über 50 dB(A) in der Nacht liegen würden. Auch nach dem Pegelhäufigkeitskriterium sei eine gesundheitsgefährdende Störung der Nachtruhe nicht zu befürchten. Die Ermittlungen von deBAKOM beruhten auf methodischen Fehlern, wie zum Beispiel die Anwendung eines veralteten DES oder die Bewertung der unterschwelligen Flugereignisse mit + 1 dB(A). Methodisch fehlerhaft sei auch die Ableitung der Grenzwerte für Kommunikationsstörungen.

Wegen des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Behördenvorgänge (6 Ordner) des Beklagten verwiesen, die beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Verbindung der Klagen beruht auf § 93 Satz 1 VwGO. Die Verfahren betreffen sowohl vom Begehren als auch von der Begründung her im Wesentlichen denselben Gegenstand.

Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. begehren in erster Linie die Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen ein Nachtflugverbot und hilfsweise Einschränkungen des Flugbetriebs am Tag und in der Nacht mit dem Ziel aufzuerlegen, bestimmte Immissionsgrenzwerte an oder in ihren Wohnungen, Einrichtungen und Anlagen einzuhalten. Den Klägern steht jedoch kein Anspruch auf Anordnung von Flugbetriebsbeschränkungen zu, die über die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April und 24. September 2001 hinausgehen. Ein auf aktiven Schallschutz gerichteter Anspruch lässt sich weder auf einen Teilwiderruf der Betriebsgenehmigung nach § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG noch auf einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 HVwVfG noch auf eine Planergänzung nach § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG stützen.

Ansprüche auf Teilwiderruf der Betriebsgenehmigung für den Verkehrsflughafen B-Stadt am Main (in der Fassung vom 20. Dezember 1957 mit nachfolgenden Änderungen) scheitern schon an der Ausschlusswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG. Nach dieser Bestimmung sind Beseitigungs- oder Änderungsansprüche gegenüber festgestellten Anlagen ausgeschlossen, wenn der Plan rechtskräftig festgestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 ist gegenüber den Klägern unanfechtbar geworden, so dass sie - von noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen - den Betrieb des Flughafens und den davon ausgehenden Fluglärm grundsätzlich zu dulden haben. Denn soweit ein Flughafen (neben der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG) durch Planfeststellung zugelassen worden ist, konzentriert sich der Rechtsschutz lärmbetroffener Dritter auf die Vorschriften des Planfeststellungsrechts, auch wenn die Genehmigungsbehörde gegenüber dem Flughafenunternehmer Aufsichtsmaßnahmen nach § 6 LuftVG ergreifen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 <11 B 2.97> S. 5 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003 <6 A 8.03> - bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 <4 B 82.03> - sowie Urteil vom 2. Mai 1996, DVBl. 97, 73, 76; OVG Münster, Urteil vom 10. Juli 2003 <20 D 78/00.AK> S. 17 - bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2004 <4 B 95.03> -; sowie Urteile des 2. Senats des Hess. VGH vom 2. April 2003 <2 A 2646/01> S. 31 ff. - bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 <4 B 75.03> -, und vom 14. Oktober 2003 <2 A 2796/01> S. 23 ff. - bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 6. April 2004 <4 B 2.04>).

Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 deckt den gesamten aktuellen Flugbetrieb. Die volle flug- und sicherheitstechnisch mögliche Ausschöpfung der planfestgestellten Kapazität stellt keine planfeststellungsbedürftige Erweiterung des Flughafens dar. Da die Kapazität des Flughafens B-Stadt am Main durch die Start- und Landebahnen bestimmt wird und die Planfeststellung dieser Anlagen keine Kapazitätsbegrenzung enthält, bewirkt allein eine Ausweitung der Vorfeldflächen und Flugzeugstellplätze keine Änderung des Flughafens, die nur nach Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens zulässig gewesen wäre. Der gefestigten Rechtsprechung des 2. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs schließt sich der nunmehr für das Luftverkehrsrecht zuständige erkennende Senat ausdrücklich an. Auf die bisher ergangenen, oben zitierten Entscheidungen (insbesondere das Urteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 24 ff.) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Eine Verpflichtung des Beklagten zur Einschränkung des Flugbetriebs von und zum Flughafen B-Stadt am Main lässt sich auch nicht aus einem Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 ableiten. Nach §§ 48 und 49 HVwVfG können Verwaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen oder widerrufen werden. Diese Vorschriften sind auf Planfeststellungsbeschlüsse aber nur eingeschränkt anwendbar. Wegen der bereits beschriebenen Regelung des § 9 Abs. 3 LuftVG müssen Lärmbetroffene grundsätzlich die von dem festgestellten Flughafen ausgehenden Beeinträchtigungen dulden; ihnen steht grundsätzlich nur ein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen zu, wenn sich nach Unanfechtbarkeit des Plans nicht voraussehbare nachteilige Wirkungen des Vorhabens auf ihre Rechte ergeben (§ 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG). Auch ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens (nach § 51 HVwVfG) ist kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 72 Abs. 1 zweiter Halbsatz HVwVfG). Angesichts der dadurch gekennzeichneten erhöhten Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses kommt ein Anspruch auf Teilwiderruf des Plans nur in Betracht, wenn - erstens - ein Eingriff in ein Grundrecht zu befürchten und - zweitens - dieser Eingriff nur über einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses abzuwehren ist (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997, BVerwGE 105, 6, 11 ff.; Beschluss vom 19. August 1997 <11 B 2.97> S. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2003 <4 B 83.03> und Beschluss vom 26. Februar 2004 <4 B 95.03> S. 3; sowie Hess. VGH, Urteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 45 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist schon zweifelhaft, ob der Klä- gerin zu 2. als Kommune überhaupt eine grundrechtsgleiche Rechtsposition zusteht, bei deren Verletzung ein Teilwiderruf eines Planfeststellungsbeschlusses zu erwägen ist. Soweit sie sich auf kommunale Grundstücke beruft, die mit Wohnraum bebaut sind, scheidet eine grundrechtsgleiche Rechtsposition von vornherein aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1990 <4 B 146 bis 148.89> S. 24). Das privatrechtliche Eigentum stellt zwar einen Belang dar, der im Rahmen fachplanerischer Abwägungen zu berücksichtigen ist; hier geht es aber nicht um planerische Gestaltungen, sondern um einen Anspruch auf Teilwiderruf eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses, den die Rechtsprechung aus der Grundrechtsposition abgeleitet hat.

Soweit die Klägerin zu 2. sich auf Beeinträchtigungen kommunaler Einrichtungen und Verletzungen ihrer kommunalen Planungshoheit beruft, steht ihr zwar Art. 28 Abs. 2 GG zur Seite, aber auch die verfassungsrechtlich gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verschafft der Klägerin keine Rechtsposition, die sich mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und 14 Abs. 1 GG deckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, NVwZ 2001, 82, 85). Darüber hinaus vermag der Senat keine Verletzung der kommunalen Planungshoheit der Klägerin zu 2. zu erkennen. Sie beruft sich insoweit darauf, dass sie wegen des Fluglärms in Aussicht genommene Planungen nicht verwirklichen und begonnene Planungen nicht abschließen könne. Soweit die Klägerin ihre Planungsabsichten hinreichend konkretisiert und verfestigt hat, lässt sich kein nachhaltiger Eingriff in diese Planungen feststellen. Der Fluglärm schließt es wohl weitgehend aus, Wohngebiete auszuweisen, in denen die aus städtebaulicher Sicht wünschenswerten Lärmrichtwerte eingehalten werden. Gleichwohl kann die Klägerin mit entsprechenden Auflagen und Vorkehrungen von ihren bauplanerischen Kompetenzen Gebrauch machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001, NVwZ 2001, 1160, 1161 ff.). Die Planungen müssen auf den von dem Flughafen B-Stadt am Main ausgehenden Fluglärm ebenso Rücksicht nehmen wie auf andere tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten, die die Tauglichkeit eines Gebiets als Wohngebiet beeinflussen können.

Das Vorbringen der Klägerin gibt Veranlassung klarzustellen, dass der vorliegende Rechtsstreit nicht die Frage aufwirft, ob und in welchem Umfang der Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen einer planerischen Abwägung (z. B. für die Errichtung oder wesentliche Änderung eines Flughafens) auf kommunale Planungen Rücksicht zu nehmen. Der Konflikt zwischen dem Fluglärm von dem Flughafen B-Stadt am Main und kommunalen Planungen wird hier durch den Prioritätsgrundsatz gelöst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002, UPR 2003, 152, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Es wurde oben dargelegt, dass der aktuelle Flugbetrieb durch den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 gedeckt ist und dass diese Zulassung auf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung vom 23. August 1966 beruht. Seit diesem Zeitpunkt geht von dem Verkehrsflughafen B-Stadt am Main eine teils tatsächliche und teils (in Bezug auf zugelassene Kapazitätserweiterungen) plangegebene Vorbelastung aus, die die Klägerin als Trägerin der kommunalen Planungshoheit ebenso hinzunehmen und zu beachten hat, wie die lärmbetroffenen Einwohner.

Darüber hinaus steht der Klägerin zu 2. ein Anspruch auf Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 selbst dann nicht zu, wenn sie sich auf eine grundrechtsähnliche Rechtsposition berufen könnte und wenn diese Rechtsposition infolge des Fluglärms oder der Gesamtlärmbelastung verletzt werden würde. Denn diese - hier unterstellte - Rechtsverletzung könnte durch Gewährung passiven Schallschutzes für Wohnungen und kommunale Einrichtungen und, soweit passiver Schallschutz nicht möglich oder nicht tunlich ist, durch Festsetzung von Entschädigungen in Geld ausgeglichen werden. Denn von der für den Flughafenbetreiber einschneidenden Möglichkeit des Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses darf der Beklagte mit Rücksicht auf die Anforderungen, die sich aus dem ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben, nur Gebrauch machen, wenn sich der Grundrechtsverstoß nicht unter Einsatz weniger belastender Eingriffe beseitigen lässt. Hierzu rechnen namentlich die Maßnahmen des baulichen Schallschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2004 <4 B 95.03> S. 3).

Die klägerischen Anträge auf Einschränkung des Flugbetriebs lassen sich auch nicht mit Erfolg auf § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG stützen. Nach dieser Bestimmung kann ein Betroffener nachträglich Schutzvorkehrungen verlangen, wenn nicht voraussehbare Nachteile eines Vorhabens erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. An dieser Stelle muss nicht auf die Voraussetzungen dieses Planergänzungsanspruchs eingegangen werden; darauf ist im Zusammenhang mit Fragen des baulichen Schallschutzes zurückzukommen. Denn ein Anspruch auf Anordnung von Betriebsbeschränkungen lässt sich schon von der Rechtsfolge her nicht aus dieser Bestimmung herleiten. Die Kläger tragen zwar zu Recht vor, dass zu den Schutzvorkehrungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG auch grundsätzlich Anlagen des aktiven Schallschutzes (z. B. Schallschutzwände) zu rechnen sind. Bei der hier vorliegenden luftverkehrsrechtlichen Fallkonstellation könnte aktiver Schallschutz aber nur durch Anordnung von Betriebsbeschränkungen, also durch einen Eingriff der Planfeststellungsbehörde in den planfestgestellten und genehmigten Bestand des Flughafens gewährt werden. Die Anordnung würde sich nicht in einer Ergänzung des festgestellten Plans erschöpfen, sondern einen Teilwiderruf des Plans bedeuten. Als reine Schutzauflage würde eine solche Anordnung insoweit an Grenzen stoßen, als der Flughafenbetreiber in der Lage sein muss, die Auflage auch gegenüber den Benutzern, das heißt den Fluggesellschaften durchzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, BVerwGE 87, 332, 343; Wysk, ZLW 98, 456, 463 f.; Hess. VGH, Urteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 45 f.). Auch insoweit gelten für Eingriffsmaßnahmen in den Bestand des Flughafens die oben beschriebenen Einschränkungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Somit steht den Klägern insgesamt kein Anspruch auf Anordnung von Einschränkungen des Flugbetriebs zu, die über die Bescheide vom 26. April und 24. September 2001 hinausgehen, und zwar unabhängig davon, welches Schutzziel im Einzelnen mit dem insoweit erhobenen Antrag verfolgt wird (Nachtruhe, ungestörte Kommunikation etc.).

Die Klagen sind auch insoweit abzuweisen, als die Kläger hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten begehren, der Beigeladenen Maßnahmen des passiven (baulichen) Schallschutzes sowie Entschädigungsleistungen aufzuerlegen.

Allerdings ist der Hessische Verwaltungsgerichtshof entgegen der Auffassung der Beigeladenen zur Entscheidung über diese Anträge berufen. Der erkennende Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des 2. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 23. Dezember 2003 <2 A 2815/01 u. a.> S. 21 f.) an. Seine erstinstanzliche Zuständigkeit folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO (OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003, a.a.O. S. 7; davon geht auch das OVG Münster in seinem Teilurteil vom 10. Juli 2003, a.a.O., aus.). Denn Maßnahmen des passiven Schallschutzes und, falls solche Maßnahmen nicht möglich oder untunlich sind, Entschädigungsleistungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 4 HVwVfG, sind zwar nicht unmittelbarer Bestandteil des Flughafenbetriebs, sie "betreffen" aber den Betrieb des Flughafens im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO. Betriebsbeschränkungen aus Gründen des Lärmschutzes einerseits und Maßnahmen des passiven Schallschutzes sowie Entschädigungsleistungen andererseits stehen in einem engen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang. Angemessener Schallschutz auch nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses kann bei Flugplätzen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO regelmäßig nur durch eine Kombination aus aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen erreicht werden. Nur soweit Schallschutz durch Betriebsbeschränkungen nicht gewährleistet werden kann, kommt passiver Schallschutz oder als Surrogat eine Entschädigungsleistung in Betracht. In diesen Fällen kann passiver Schallschutz aber auch zur Ergänzung aktiver Schallschutzmaßnahmen geboten sein, um nicht voraussehbare nachteilige Folgen eines Vorhabens abzuwehren. Das gilt hier um so mehr, als die Kläger nicht ausschließlich nachträglichen passiven Schallschutz, sondern in erster Linie Betriebsbeschränkungen begehren.

Gerichtsentscheidungen, die zu den anderen Tatbeständen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO (bzw. § 5 VerkPBG) ergangen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 2000, NVwZ 2001, 206 <208>; Beschluss vom 18. Mai 2000, NVwZ 2000, 1168 <1169>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juli 2003, NVwZ 2003, 1283), dürfen nicht auf Flughäfen übertragen werden. Während die Nrn. 7 bis 9 des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO für Streitigkeiten um Planfeststellungsverfahren gelten, knüpft die Nr. 6 an das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb des Verkehrsflughafens, also an das Vorhaben selbst an. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO dient nicht nur der Beschleunigung von Verfahren und bestimmten verkehrspolitischen Anliegen. Diese Vorschrift will, wie sich insbesondere aus § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt, auch eine Konzentration von Verfahren dieser Art bei dem Oberverwaltungsgericht bzw. Verwaltungsgerichtshof erreichen.

Soweit in der Erhebung dieser Anträge eine Klageänderung liegt, ist sie zulässig. Während die Klage des Klägers zu 1. von Anfang an auch auf Gewährung passiven Schallschutzes gerichtet war, hat die Klägerin zu 2. den Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Anordnung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes oder zur Festsetzung von Entschädigungsleistungen in Bezug auf kommunale Wohnungen, Einrichtungen und sonstige Anlagen erstmalig mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2003 geltend gemacht. Die bis dahin im gerichtlichen Verfahren gestellten Anträge haben ausschließlich Flugbetriebsbeschränkungen zum Gegenstand. Etwas anderes lässt sich nicht daraus herleiten, dass in diesen Anträgen der Klägerin zu 2. auch an Innenpegel angeknüpft wird. Denn das Schutzniveau, das mit der Klage auf Anordnung von Betriebsbeschränkungen erreicht werden soll, kann sowohl durch Außen- als auch durch Innenpegel definiert werden.

Die in dieser Erweiterung liegende Klageänderung ist als sachdienlich zuzulassen (§ 91 Abs. 1 VwGO). Der für die Entscheidung über das erweiterte Begehren maßgebliche Sachverhalt ist rechtzeitig aufgeklärt worden, und die Beteiligten hatten ausreichend Gelegenheit, sich hierzu einzulassen. Angesichts dieser Umstände ist es aus Gründen der Prozessökonomie sinnvoll und geboten, das Verfahren insgesamt zu einem Abschluss zu bringen.

Die Anträge des Klägers und der Klägerin auf Anordnung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes oder, soweit passiver Schallschutz nicht möglich oder nicht tunlich ist, auf Festsetzung von Entschädigungsleistungen sind jedoch nicht begründet. Das gilt sowohl für die Beeinträchtigungen infolge nur des Fluglärms als auch für die Gesamtverkehrslärmbelastung durch den Flug-, Schienen- und Straßenverkehr. Im Folgenden wird zunächst nur auf die Anträge der Klägerin zu 2. und zunächst nur auf die Belastungen durch den Fluglärm eingegangen:

Für das Begehren der Klägerin zu 2. auf Anordnung passiven Schallschutzes kommt als gesetzliche Anspruchsgrundlage § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG in Betracht. Diese Vorschrift ist von ihrem zeitlichen Geltungsrahmen her anwendbar, weil der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 der Klägerin gegenüber nach Inkrafttreten des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (am 1. Januar 1977) bestandskräftig geworden ist. Fraglich ist allerdings, ob sich aus dieser Bestimmung auch ein Anspruch auf Einbeziehung bestimmter Objekte in ein durch Bescheid festgesetztes und bestimmte Ansprüche begründendes Nachtschutzgebiet herleiten lässt, wie die Klägerin zu 2. unter III. 1. beantragt. Diese Frage kann dahingestellt bleiben, weil sämtliche unter III. gestellten Anträge daran scheitern, dass die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 HVwVfG nicht erfüllt sind.

Ob die formelle Voraussetzung eines fristgerechten Antrags an die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 3 HVwVfG) gegeben ist, hängt davon ab, worin die nicht voraussehbare nachteilige Wirkung des Flughafens im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG zu sehen ist. Allein in der - zum Teil auch erheblichen - Steigerung der Flugbewegungszahlen und in einer eventuellen Zunahme des Fluglärms nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 können noch keine unvorhersehbaren Wirkungen des Flughafens im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG gesehen werden. Bei verständiger Würdigung der Situation müssen Anlieger eines Verkehrsflughafens damit rechnen, dass der Flughafen im Zuge der allgemeinen Entwicklung des Luftverkehrs bezüglich der technischen und baulichen Einrichtungen sowie insbesondere der Zahl der Flugbewegungen expandiert und dass die Kapazität im Rahmen der Zulassung erweitert und ausgeschöpft wird mit der Folge, dass auch die Lärmbelastung zunimmt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 6. August 2002 <2 A 828/01 und 3013/01> mit weiteren Nachweisen).

Ausweislich des Berufungsurteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 1980 - II OE 205/78 - (Tatbestand, Seite 4) haben die seinerzeit selbstständigen Städte Mörfelden und Walldorf gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 auch folgendes eingewendet:

" ... Beim Ausbau der neuen Startbahn würde der bereits jetzt beeinträchtigende Fluglärm eine solche Steigerung erfahren, daß die Gesundheit der Bürger der Gemeinde gefährdet und gemeindliche Einrichtungen in einer mit Art. 14 GG unvereinbaren Weise beeinträchtigt würden. Die kommunalen Entwicklungsmöglichkeiten würden entscheidend verschlechtert; bereits bebaute oder zu Bebauung bestimmte Flächen, aber auch Wald- und Erholungsflächen würden durch den Fluglärm derart beeinträchtigt, daß sie nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden könnten. Ferner seien die nachteiligen ökologischen und klimatologischen Auswirkungen der geplanten Maßnahme nicht hinreichend geprüft worden ... "

Darüber hinaus lässt sich - von gelegentlichen Schwankungen abgesehen - eine deutlich wahrnehmbare Zunahme des Fluglärms hier weder hinsichtlich der Mittelungspegel noch bezüglich der Höhe der Einzelschallereignisse feststellen. Das ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus den von der Beigeladenen vorgelegten Messergebnissen (Anlage 1 zu dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 28. November 2003, Bl. 508 ff. der Akte 12 A 1521/01), die auch aus dem von der Beigeladenen herausgegebenen "Fluglärmreport" (z. B. Ausgabe 1/2004) ersichtlich sind. Diese Messergebnisse werden zwar von den Klägern bestritten, aber selbst wenn diese Zahlen absolut betrachtet Bedenken unterliegen sollten, geben sie doch die Entwicklung der letzten 10 bis 14 Jahre zutreffend wieder. Auch hinsichtlich der Zahl der Flugbewegungen lässt sich nur ein kontinuierlicher Anstieg, aber keine atypische sprunghafte Steigerungsrate erkennen.

Eine nicht voraussehbare nachteilige Wirkung des Flughafens B-Stadt am Main vermag der Senat entgegen dem Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht darin zu erkennen, dass sich die Rahmenbedingungen für das Berechnungsverfahren AzB geändert hätten. Denn zum einen muss bei einer verständigen Betrachtung einer prognostischen Lärmberechnung und -bewertung damit gerechnet werden, dass sich die Eckdaten für ein Lärmberechnungsverfahren ändern. Zum anderen ist die Berechnung des Fluglärms nach AzB (wie jedes andere Berechnungsverfahren) darauf angelegt, dass die Berechnungsparameter in Bezug auf die Lärmemissionen des jeweiligen Fluggerätes an die Entwicklung der Flugzeuge anzupassen ist. Schließlich ist, worauf später ausführlich eingegangen wird, nicht zu erkennen, dass die AzB den tatsächlichen Fluglärm über den Grundstücken der Kläger in erheblichem oder nicht voraussehbarem Umfang unterschätzt.

Die Kläger sehen eine nicht voraussehbare nachteilige Wirkung des Flughafens weiterhin in den erst jetzt festgestellten Auswirkungen des Fluglärms auf die menschliche Gesundheit. Richtig ist, dass eine nicht voraussehbare nachteilige Wirkung eines Flughafens auch darin liegen kann, dass sich die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit des Fluglärms aufgrund neuer Erkenntnisse erst nachträglich herausstellt. Die neue wissenschaftliche Erkenntnis muss aber als gesichert angesehen werden können, das heißt, sie muss sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und allgemeine Anerkennung im Sinne eines Grundkonsenses gefunden haben (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 <4 B 82.03> S. 4). Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse haben die Kläger nicht dargelegt. In der Untersuchung "Spandauer Gesundheits-Survey" (WaBoLu-Heft 01/03, Herausgeber: Umweltbundesamt) werden keine konkreten Auswirkungen des Fluglärms auf die menschliche Gesundheit beschrieben. Der Forschungsbericht 2004-07/D des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. - DLR - (Nachtfluglärmwirkungen, Band 1, Zusammenfassung) enthält (ausdrücklich, vgl. S. 67) keine Aussage über die Wirkungen des nächtlichen Fluglärms auf die Gesundheit. Darüber hinaus sind die Erkenntnisse über fluglärmbedingte Aufwachreaktionen so kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung veröffentlicht worden, dass andere Wissenschaftler noch nicht Gelegenheit hatten, sich mit dieser Untersuchung auseinanderzusetzen, so dass von einem Grundkonsens schon aus zeitlichen Gründen nicht die Rede sein kann. Entsprechendes gilt für das Umweltgutachten 2004 (des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen - SRU -), soweit darin überhaupt eigene wissenschaftliche Erkenntnisse über Auswirkungen des Fluglärms wiedergegeben werden.

Ein nicht voraussehbarer, atypischer Geschehensablauf wäre bei dem Verkehrsflughafen B-Stadt am Main allerdings dann anzunehmen, wenn die Lärmbelastung die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze (also die Gesundheitsgefährdungs- bzw. Enteignungsschwelle) überschreiten würde. Denn vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 sind lärmtechnische und lärmmedizinische Gutachten eingeholt worden. Aufgrund dieser Gutachten ist die Planfeststellungsbehörde zu der Überzeugung gelangt, dass der zu erwartende Fluglärm die Betroffenen nicht in ihrer Gesundheit gefährdet. Diese Aussage der Planfeststellungsbehörde ist in langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht beanstandet worden. Deshalb durften die durch den Planfeststellungsbeschluss Betroffenen bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände davon ausgehen, keinem gesundheitsgefährdenden Fluglärm ausgesetzt zu werden (vgl. Knack/Dürr, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 75, Rdnr. 87). Eine Überschreitung dieser Schwelle, sei es infolge einer Zunahme des Fluglärms oder sei es infolge einer medizinisch gebotenen Neubewertung des Lärms, kann daher einen Anspruch auf Anordnung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes oder von Entschädigungsleistungen nach § 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 HVwVfG begründen.

Den Gesichtspunkt einer nicht vorhersehbaren gesundheitsgefährdenden Fluglärmentwicklung kann auch die Klägerin zu 2. als Eigentümerin von Wohnungen geltend machen. Ein eventueller Anspruch auf Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen leitet sich hier nämlich nicht als Lärmsanierungsanspruch unmittelbar aus den Grundrechten, auf die sich die Klägerin zu 2. nicht berufen kann, sondern aus § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG ab. Für kommunale Einrichtungen gelten ähnliche Maßstäbe. Wenn, wie dargelegt, eine Steigerung der Flugbewegungszahlen und eine damit einhergehende Zunahme des Fluglärms in der Nähe des Verkehrsflughafens nicht unvorhersehbar im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG ist, müssen die betroffenen Kommunen auch damit rechnen, dass ihre kommunalen Einrichtungen mehr als im Zeitpunkt der Planfeststellung durch Fluglärm beeinträchtigt werden. Eine bloße Zunahme der Störungen begründet daher keinen Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen. Etwas anderes gilt auch hier, wenn der Fluglärm ein Ausmaß erreichen sollte, das die Nutzung kommunaler Einrichtungen nicht nur erheblich beeinträchtigt, sondern unmöglich macht. In diesem Falle ist die Störung der kommunalen Einrichtung von gleicher Intensität wie ein Eingriff in Grundrechte. Das bedeutet, dass bei kommunalen Einrichtungen, die dem Wohnen oder dem dauernden Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind, auf die Gesundheitsgefährdungsschwelle abzustellen ist, allerdings mit der Maßgabe, dass je nach dem Bestimmungszweck der Einrichtung nur die Tageslärmbelastung maßgeblich ist.

Wenn also die nachteilige Wirkung des Fluglärms hier nur in einer Gesundheitsgefährdung oder in einer Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen von gleicher Intensität gesehen werden kann, kommt es für den Lauf der 3-Jahres-Frist des § 75 Abs. 3 Satz 2 HVwVfG auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit einer möglichen Gesundheitsgefährdung an. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Wirkung als Folge einer sich nur leicht und kontinuierlich verändernden Entwicklung eintreten kann und deshalb nur schwer als solche identifizieren lässt. In diesem Zusammenhang kommt dem Bescheid des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 ein nicht unerhebliches Gewicht zu. Wenn dort dargelegt wird, die von der Aufsichtsbehörde ergriffenen Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes sollten Beeinträchtigungen der Gesundheit abwehren, liegt darin auch ein Hinweis, dass nach Auffassung der zuständigen Aufsichtsbehörde der Fluglärm in diesen Fällen ein gesundheitsrelevantes Ausmaß erreicht haben könnte, mit der weiteren Folge, dass dieser Hinweis auch geeignet ist, die Frist des § 75 Abs. 3 Satz 2 HVwVfG in Gang zu setzen. Danach wären die Anträge der Klägerin im Dezember 2003 rechtzeitig gestellt worden, ohne dass es darauf ankäme, ob sich der Antrag nach § 75 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG auch auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes beziehen muss oder ob es ausreicht, wenn überhaupt nachteilige Lärmwirkungen geltend gemacht werden, ohne eine konkrete Schutzvorkehrung zu fordern. Diese Fragen bedürfen hier keiner abschließenden Beurteilung, weil die Ansprüche der Klägerin zu 2. auf Anordnung passiven Schallschutzes an den materiellen Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 HVwVfG scheitern.

Neben den Anforderungen aus § 75 Abs. 2 Satz 2 ist hier die Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 5 HVwVfG zu beachten. Nach dieser Bestimmung hat nämlich der Eigentümer des benachbarten (lärmbetroffenen) Grundstücks die Kosten für Schutzvorkehrungen (selbst) zu tragen, wenn diese Einrichtungen dadurch notwendig geworden sind, dass auf dem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind. Eine Veränderung im Sinne dieser Vorschrift liegt insbesondere vor, wenn ein unbebautes Grundstück nach dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens im März 1981 bebaut oder die Nutzung eines bebauten Grundstücks nach diesem Zeitpunkt geändert worden ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Bauherr bei der Planung und Errichtung einer Wohnung oder einer dem Aufenthalt von Menschen dienenden öffentlichen Einrichtung bauordnungsrechtlich gehalten ist, für den erforderlichen Schallschutz zu sorgen (vgl. z. B. für die aktuelle Rechtslage: § 14 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung - HBO - vom 18. Juni 2002, GVBl. I S. 274).

Zur Darlegung der tatsächlichen Lärmbelastung ihrer Wohnungen, Einrichtungen und sonstigen Anlagen hat die Klägerin zu 2. mehrere Gutachten ihres sachverständigen Beistandes, des Diplomphysikers Dr. Kühner von dem Institut deBAKOM, vorgelegt. Während die früheren Gutachten Messberichte zum Gegenstand hatten, beruhen die zuletzt genannten Zahlen auf Berechnungen nach den Verfahren AzB 99/DES 99 (vgl. Anlagen K 11a und 11b, Bl. 606 ff. der Akte 12 A 1521/01). Allerdings hat der Sachverständige Dr. Kühner die nach AzB mit einem Halbierungsquotienten von q = 3 errechneten Tag- und Nachtwerte mit einem Zuschlag von 1 dB(A) für sogenannte unterschwellige - von den AzB nach seiner Auffassung nicht erfasste - Lärmereignisse sowie die Tageswerte mit einem aus den Messergebnissen abgeleiteten Zuschlag von 1,4 dB(A) versehen. Demgegenüber hat die Beigeladene schalltechnische Berechnungen nach AzB 99 auf der Grundlage der Datenerfassungssysteme für 2001 bis 2003 vorgelegt, die somit auf den zeitnäheren Berechnungsgrundlagen beruhen (und die zumindest einen Teil der sogenannten unterschwelligen Lärmereignisse berücksichtigen). Bedenken gegen die rechnerische Richtigkeit der Ermittlungen der Beigeladenen sind nicht vorgetragen worden, die Kläger halten jedoch das Berechnungsverfahren nach AzB für insgesamt ungeeignet und meinen, dass über die schon eingerechneten Zuschläge hinaus eine weitere pauschale Erhöhung der Lärmwerte um 2,5 dB(A) geboten sei.

Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Das Berechnungsverfahren nach AzB stellt ein im Gesetz angelegtes (vgl. § 3 des Fluglärmschutzgesetzes vom 30. März 1971, BGBl. I S. 282) und anerkanntes Verfahren zur Ermittlung des Fluglärms dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 1990, VBlBW 1991, 171, 175 m.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 29. Juni 2001 <20 B 417/00> S. 13 f.). Verfahren zur Berechnung von Immissionen haben stets einen stark pauschalierenden Charakter. Sie müssen - und dürfen - in Kauf nehmen, dass einzelne Phänomene, die die Immissionsbelastung möglicherweise beeinflussen, außer Acht gelassen, unterbewertet, aber auch überbewertet werden können. Sie sind nur dann nicht mehr als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen, wenn sie die Wirklichkeit, das heißt die tatsächliche Immissionsbelastung, völlig unzulänglich abbilden (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. März 1999, NVwZ-RR 1999, 720; und vom 20. Dezember 2000, NVwZ-RR 2001, 360, 361). Derartige Abweichungen sind hier angesichts der ohnehin nicht auszuschließenden Unsicherheitsfaktoren nicht gegeben. Unterschwellige Lärmereignisse sind bewusst ausgeblendet, weil sie das Ergebnis grundsätzlich nicht erheblich beeinflussen.

Das Gericht legt allerdings - wie der sachverständige Beistand der Kläger und die Beigeladene - die AzB in der modifizierten Fassung aus dem Jahr 1999 zu Grunde, die auf einem Vorschlag des Umweltbundesamtes beruht und die aktuellen Fluggeräte berücksichtigt. Ein Rückgriff auf die AzB 1984, den die Kläger zunächst gefordert haben, verbietet sich, weil dann die Lärmbelastung auf der Basis der Lärmverursachung nicht oder kaum mehr verwendeter Flugzeugtypen und somit völlig unzulänglich abgebildet werden würde. Entgegen der Auffassung der Kläger darf bei der Ermittlung des Fluglärms auch nicht die Leitlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) vom 14. Mai 1997 herangezogen werden. Hierbei handelt es sich um eine Richtlinie, die der Länderausschuss für die für Immissionsschutz zuständigen Landesbehörden zur Bewältigung planerischer Aufgaben herausgegeben hat. Diese Maßstäbe zielen auf eine planerische Beurteilung, aber nicht auf die realistische Erfassung der Fluglärmbelastung.

Darüber hinaus - und darauf kommt es hier besonders an - stehen Immissionsgrenzwerte in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verfahren, in dem die Beurteilungspegel zu ermitteln sind. Lärmgrenzwerte erlangen ihre Aussagekraft nur im Zusammenspiel mit einem Mess- oder Berechnungsverfahren, in dem sie zu ermitteln sind und ohne das sie unbestimmt wären (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996, DVBl. 1996, 916, 917). Dementsprechend beziehen sich die in der Lärmwirkungsforschung zur Bestimmung der Gesundheitsgefährdungsgrenze erörterten Grenzwerte in der Regel (das heißt, soweit nicht auf Abweichendes hingewiesen wird) auf das Berechnungsverfahren nach AzB, so dass auch die Einhaltung dieser Grenzwerte nach diesem Verfahren zu beurteilen ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger lassen sich auch aus dem Gutachten der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt - EMPA - vom 23. Juni 2003 keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Berechnungen nach AzB herleiten. Das auf der Auswertung von Flugspuraufzeichnungen beruhende Berechnungsverfahren der EMPA (FLULA 2) gelangt nicht zu erheblich von dem Verfahren nach AzB abweichenden Ergebnissen. Soweit für das Gebiet der Klägerin zu 2. Differenzen von 4 dB(A) angesprochen werden (vgl. EMPA-Gutachten S. 45) beziehen sich diese Werte nach der Einzelauswertung der Messpunkte 57 (Mörfelden-West) und 77 (Mörfelden-Süd) in der Tabelle 2 der Beilage 11 zu dem Gutachten auf die Tagespegel, die im vorliegenden Zusammenhang vernachlässigt werden können, weil die Tagespegel, wie später noch ausführlich dargelegt wird, ganz deutlich unter der hier maßgeblichen Gesundheitsgefährdungsschwelle liegen. Bezüglich der Mittelungspegel für die Nacht differieren die Werte um ca. 2,5 dB(A) und nähern sich somit einer Größenordnung, die auch dem EMPA-Gutachten als Unsicherheitsfaktor immanent ist (vgl. Zusammenfassung, S. 2 und Ziff. 6.4.5.2, S. 49).

Auf dieser tatsächlichen Grundlage sind die der Klägerin gehörenden Wohnungen und zum Wohnen bestimmten öffentlichen Einrichtungen keiner gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung ausgesetzt. Das ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:

Die Grenze, ab der Fluglärm die Gesundheit gefährdet, ist nicht gesetzlich geregelt. In der Rechtsprechung sind unter Auswertung der Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung Grundsätze entwickelt worden, auf die hier zurückgegriffen werden kann. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. März 1993 (zu militärischem Flugverkehr) ist die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle bei Werten von 70 bis 75 dB(A) am Tag und von 60 bis 65 dB(A) in der Nacht anzusetzen (BGHZ 122, 76 <81>). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 5. Oktober 1990 ausgeführt, es liege auf der Hand und bedürfe keiner weiteren Erörterung in einem Revisionsverfahren, dass die von dem Erstgericht gebilligten Werte von 70/60 dB(A) nicht die Grenze der Enteignungsschwelle erreichten (NVwZ-RR 91, 129 <132>). Nach seinem Urteil vom 21. März 1996 (BVerwGE 101, 1 <11>) erreicht ein Gesamtbeurteilungspegel von 61 dB(A) tags und 53 dB(A) nachts "keineswegs jene Grenze, für die von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen wäre". Aber auch in jüngster Zeit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, Lärmwerte von 66 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts lägen "deutlich unterhalb eines Bereichs, der für die Annahme einer Gesundheitsgefährdung in Betracht" komme (Urteil vom 6. Juni 2002, NVwZ 03, 209 <210>) und dass eine Belastung von 67 dB(A) am Tag zu Recht als nicht gesundheitsgefährdend angesehen worden sei (Beschluss vom 29. April 2002 - 9 B 10.02 - Juris-Dok. S. 2). Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. Dezember 1998 (11 B 21.98) der These der dortigen Kläger, bei einem Dauerschallpegel von 65 dB(A) am Tag werde die Gesundheitsgefährdungsschwelle erreicht, entgegengehalten, eine solche Grenzziehung sei nach dem derzeitigen Stand der Lärmursachen- und Lärmwirkungsforschung keineswegs gesichert (vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 23. April 1997, NVwZ 98, 486; Urteil vom 27. Oktober 1998, BVerwGE 107, 313).

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat in seinem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 9. Mai 2003 einen Fluglärmmittlungspegel von 58 dB(A) in der Nacht als nicht gesundheitsgefährdend betrachtet. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 4. Juni 2002 auf die Werte 70 bis 75 und 60 bis 65 dB(A) abgestellt (ZLW 2003, 105 <119>; vgl. ferner die zusammenfassenden Darstellungen von Dolde, Rechtliche Aspekte des Fluglärmschutzes, in: Bewertung von Fluglärm, Herausgeber J. Ziekow, 2003, S. 37 ff.; sowie Koch/Wieneke, NVwZ 03, 1153).

Aus der Literatur zur medizinischen Bewertung von Lärmbeeinträchtigungen ist die gemeinsame Stellungnahme von Griefahn, Jansen, Scheuch und Spreng zu nennen (Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen, ZfL 2002, 171; vgl. ferner Griefahn, Extraaurale Lärmwirkungen und Bewertung von Fluglärm in: Bewertung von Fluglärm ... a.a.O., S. 27 ff.). Diese Aussagen beziehen sich zwar unmittelbar auf Lärmgrenzwerte, die bei dem Neubau oder der wesentlichen Änderung eines Flughafens einzuhalten sind (fachplanerische Erheblichkeitsschwelle), sie lassen aber auch Rückschlüsse auf die Gesundheitsgefährdungsschwelle zu, deren obere Grenze durch den "Kritischen Toleranzwert" für extraaurale Gesundheitsschäden und nächtliche Schlafstörungen markiert wird. Diese Autoren nehmen hierfür einen Wert von 70 dB(A) am Tag außen und von 40 dB(A) in der Nacht innen an, dem ein Wert von 55 dB(A) außen (bei spaltbreit geöffnetem Fenster) entspricht. Demgegenüber gehen Ortscheid/Wende (Umweltbundesamt, Fluglärmwirkungen, Berlin 2000) von einer Gesundheitsgefährdungsgrenze von 65/55 dB(A) aus. In einer neueren Stellungnahme führen diese Autoren aus, dass bei einer Fluglärmbelastung von mehr als 50 dB(A) in der Nacht Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr auszuschließen seien (Fluglärm: Schutzziele aus der Sicht des Umweltbundesamtes, in: Bewertung von Fluglärm ..., a.a.O. S. 9 ff.). Diese Darlegungen belegen jedoch nicht den juristischen Tatbestand einer Gefährdung der Gesundheit. Ähnliches gilt für die Aussage des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (Umweltgutachten 2002, BTDrs. 14/8792, S. 38 und 271 ff.; sowie für die Unterscheidung zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Zielwerten in dem Umweltgutachten 2004, Tz 664 - S. 505 -). Das Oberverwaltungsgericht Berlin weist in seinem Urteil vom 9. Mai 2003 (a.a.O. S. 14 f.) zutreffend darauf hin, dass der Rat von einem weiten Begriff der Beeinträchtigung ausgeht, "der sich orientiert an einem ganzheitlichen Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität". Die Empfehlungen beruhen auf einem präventivmedizinischen Ansatz und dienen der Begründung einer "risikobezogenen Vorsorgeentscheidung". Eine ähnliche Betonung der Prävention, ohne die Grenze der Gesundheitsgefährdung konkret zu bezeichnen, findet sich bei Maschke/Hecht/Wolf (Nächtliches Erwachen durch Fluglärm, Bundesgesundheitsblatt 2001, 1001). Demgegenüber unterscheiden Griefahn et. al. deutlich und nachvollziehbar zwischen Gesundheitsgefährdung und Vorsorge bzw. Prävention (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003, a.a.O. S. 15). Es wurde bereits oben dargelegt, dass weder die Untersuchung "Spandauer Gesundheits-Survey" (WaBoLu-Heft 01/03) noch der Forschungsbericht 2004-07/D der DLR eine klare Aussage über Gesundheitsgefährdungsgrenzen im Bezug auf Fluglärm enthält.

Die vorliegenden Verfahren geben dem Senat keine Veranlassung, die Grenzen genau zu bestimmen, ab der Fluglärm die Gesundheit gefährdet. Denn die hier maßgeblichen Lärmwerte liegen deutlich unter der Gesundheitsgefährdungsschwelle. Insoweit besteht für den Senat allerdings Anlass hervorzuheben, dass die Gesundheitsgefährdungsgrenze diejenige Schwelle markiert, ab der der Eintritt eines Schadens für die Gesundheit wahrscheinlich ist. Es mag zweifelhaft sein, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Bestimmung dieser Grenze anzulegen ist. Es geht hier aber nicht um sonstige Zumutbarkeitserwägungen, wie die Frage nach der Erheblichkeit von Belästigungen, der Einbuße von Lebensqualität oder der Inkaufnahme von Wertverlusten bei Immobilien.

Für die Beurteilung des Tageszeitraums (06.00 bis 22.00 Uhr) stellt der äquivalente Dauerschallpegel einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1998 <11 B 21.98>). Nach den vorstehenden allgemeinen Ausführungen zur Gesundheitsgefährdungsgrenze liegt ein Wert von 65 dB(A) schon im unteren Bereich der Bandbreite, ab der eine Gesundheitsgefährdung in Betracht kommt für die Grenze von 65 dB(A) für vegetative Beeinträchtigungen: Maschke, in: Stand der Erkenntnisse von Fluglärmwirkungen, Beschluss der Mediationsgruppe vom 26. November 1999 - Anl. K 23 zu dem Schriftsatz der Klägerin zu 2) vom 19. März 2004 - S. 5; ebenso - als Nahziel - SRU, Umweltgutachten 2004, Tz 664). Dieser Wert wird hier in allen Fällen deutlich unterschritten. Mit Ausnahme der Hausmeisterwohnung im Sportlerheim (Objekt Nr. 61 der Anlage K 11, Bl. 617 ff. der Akte 12 A 1521/01) auf die später zurückzukommen ist, liegt der Tagesmittelungspegel schon nach den Darlegungen der Klägerin zu 2. unter 60 dB(A), überwiegend sogar deutlich unter 60 dB(A), so dass die Gesundheitsgefährdungsgrenze selbst bei Unterstellung eines weiteren Zuschlags von 2,5 dB(A) bei weitem nicht erreicht wird.

Durch nächtlichen Fluglärm am stärksten betroffen sind neben dem Altenwohnheim Heidelberger Straße 4 (Objekt 19 der Anlage K 11), das in dem Nachtschutzgebiet liegt, so dass der Klägerin insoweit Anspruch auf passiven Schallschutz für Schlafräume zusteht, das Altenwohnheim Schubertstraße (Objekt 41), das Altenpflegeheim Schubertstraße (Objekt 44), die Dienstwohnung Kita Heidelberger Straße 2 (Objekt 20) und die Asylbewerberunterkunft Hubertusstraße 4 (Objekt 42). Hier reichen die nächtlichen Mittelungspegel sowohl nach den Berechnungen der Beigeladenen (vgl. Bl. 781 ff. der Akte 12 A 1521/01) als auch nach den Berechnungen der Klägerin zu 2. - allerdings ohne Zuschlag für unterschwellige Flugereignisse - an 55 dB(A) heran. Auch insoweit liegt schon bezüglich der Außenpegel nach der Einschätzung des erkennenden Senats noch keine Gesundheitsgefährdung vor (vgl. zu diesem Wert auch Umweltgutachten 2004, Tz 664, S. 505; Spandauer Gesundheits-Survey, Zusammenfassung S. III).

Das gilt auch für das Pegel-Häufigkeits-Kriterium. Maximalpegel von mehr als 75 dB(A) außen werden nach der hierzu allein vorliegenden Berechnung der Beigeladenen maximal an dem Objekt Heidelbergerstr. 4 (mit durchschnittlich ca. 3,5 mal) überschritten. Nach den Messergebnissen von deBAKOM wird ein Maximalpegel von 70 dB(A) außen auch an dem am stärksten betroffenen Messpunkt 3 nicht mehr als sechsmal erreicht (vgl. Gutachten vom 16. März 2001, S. 65, Anlage K 2).

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob sich aus dem bereits erwähnten DLR-Forschungsbericht 2004-07/D eine hinreichend konkrete Grenze für eine Gesundheitsgefährdung durch nächtlichen Flugverkehr herleiten lässt. Denn der verfassungsrechtliche Schutz der Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) schließt, wie das Bundesverwaltungsgericht jüngst bekräftigt hat (Beschluss vom 21. Januar 2004 <4 B 82.03> S. 6) nicht das Recht darauf ein, dass die maßgeblichen Werte bei (teilweise oder gelegentlich) geöffneten Fenstern eingehalten werden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es zumutbar, der Befürchtung, von dem nächtlichen Flugverkehr könnten gesundheitsbeeinträchtigende Schlafstörungen ausgehen, durch Schließen der Fenster zu begegnen. Dadurch können die Außenpegel um ca. 25 dB(A) (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 23. Dezember 2003 <2 A 2815/01> S. 30 f. m.w.N.) oder 28 dB(A) (DLR-Forschungsbericht a.a.O. S. 84) reduziert werden mit der Folge, dass weder unter dem Aspekt der Mittelungspegel (unter oder um 30 dB(A)) noch unter dem Aspekt der Maximalpegel (mittlerer Maximalpegel unter oder um 40 dB(A) auf der Basis des deBAKOM-Gutachtens vom 16. März 2001, S. 65) eine Gesundheitsgefährdung festzustellen ist.

Als Zwischenergebnis ist somit festzustellen, dass der Klägerin zu 2. kein Anspruch auf passiven Schallschutz für Wohnungen oder zum Wohnen bestimmte öffentliche Einrichtungen wegen einer unvorhersehbaren Gefährdung der Gesundheit der Bewohner oder Benutzer zusteht. Für einen großen Teil der Objekte (insbesondere die Objekte Nr. 41, 42 und 44) kommt hinzu, dass sie nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 errichtet worden sind, so dass dem Antrag auf Anordnung passiven Schallschutzes auch, wie dargelegt, § 75 Abs. 2 Satz 5 HVwVfG entgegensteht.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht der Aspekt der ungestörten Kommunikation. Der Schutz der Gesundheit umfasst nicht notwendig auch eine ungestörte Kommunikation. Eine erhebliche Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten kann allenfalls in Ausnahmefällen eine Gefahr für die Gesundheit indizieren. Hierfür sind konkrete Anhaltspunkte notwendig, die weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Im Gegenteil wird hier bezüglich der kommunalen Wohnungen und der dem Wohnen dienenden kommunalen Einrichtungen der von Griefahn (a.a.O. S. 34) genannte präventive Richtwert von 59 dB(A) am Tag und erst recht nicht der kritische Toleranzwert von 62 dB(A) überschritten.

Die Kinderbetreuungseinrichtungen der Klägerin zu 2. (Kinderhorte, Kindergärten und Kindertagesstätten) sind nach den Berechnungen von deBAKOM (ohne Zuschläge) einer Fluglärmbelastung am Tag zwischen 49 und 57 dB(A) ausgesetzt. Selbst unter Berücksichtigung der von Dr. Kühner eingerechneten Zuschläge liegen die Werte unter 60 dB(A). Diese Belastung begründet keinen Anspruch auf Gewährung passiven Schallschutzes. Es geht hier, wie oben dargelegt, nicht um die Frage, unter welchen Bedingungen Kinderbetreuungseinrichtungen störungsfrei oder jedenfalls ohne erhebliche Störung genutzt werden können. Wegen der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 sind Störungen - auch Störungen erheblicher Art - hinzunehmen. Mit Erfolg passiven Schallschutz geltend machen kann die Klägerin zu 2. im vorliegenden Verfahren nur unter der Voraussetzung, dass die Einrichtung sonst nicht mehr für den vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Das ist hier nicht der Fall. Soweit in der Lärmwirkungsforschung überhaupt spezielle Richtwerte für Kinderbetreuungseinrichtungen angegeben werden (vgl. Griefahn, a.a.O., S. 35 f.) beziehen sie sich auf Innenpegel, die auch die mittäglichen Ruhezeiten abdecken. Dieser Richtwert, der nicht die Funktionsfähigkeit der Einrichtung definiert, sondern die Schwelle beschreibt, bei der erhebliche Störungen vermieden werden, liegt - unter ausdrücklicher Berücksichtigung der "Besonderheiten des intermittierten Flugverkehrs... gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften" - bei 36 dB(A) innen. Bei Außenpegeln zwischen 49 und 59 dB(A) ergeben sich bei gekippten Fenstern Innenpegel von 34 bis 44 dB(A), die den "Präventiven Richtwert" (Griefahn, a.a.O.) nicht einhalten, aber auch nicht, was hier entscheidend ist, die Benutzbarkeit der Kinderbetreuungseinrichtung ausschließen. Im Übrigen kann der Präventionsrichtwert von 36 dB(A) bei allen Einrichtungen eingehalten werden, wenn die Fenster nur gelegentlich zum Lüften geöffnet werden. Trotz der zeitweiligen Nutzung von Außenanlagen ist insoweit auf Innenpegel abzustellen, weil die Außenpegel durch die anderen Schutzziele abgedeckt werden (Griefahn, a.a.O., S. 36). Darüber hinaus schließen Außenpegel zwischen 49 und 59 dB(A) nicht die Benutzbarkeit der Außenanlagen aus. Diese Anlagen werden nicht über die gesamte Tageszeit und nur bei entsprechender Witterung genutzt; im Übrigen besteht bei Außenanlagen von Kinderbetreuungseinrichtungen eine gegenüber Außenwohnbereichen erhöhte Lärmerwartung. Deshalb erreicht auch die Belastung der Spielplätze, die unter Berücksichtigung der Zuschläge zwischen 53 und 59 dB(A) liegt, kein Ausmaß, das die bestimmungsgemäße Nutzung dieser Anlagen ausschließt. Insoweit besteht also auch kein Anspruch auf Festsetzung einer Entschädigung in Geld.

Bezüglich der Hausmeisterwohnung im Sportlerheim hat die Klägerin zu 2. schon nicht die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Anordnung passiven Schallschutzes dargelegt (vgl. richterliche Verfügungen vom 5. Januar und 7. April 2004 (Bl. 629 ff. und 695 der Akte 12 A 1521/01)). Schon die postalische Bezeichnung der Wohnung ist nicht einheitlich. Die genaue Lage der Wohnung ist nicht dargelegt (vgl. Tabelle 1 zum Schriftsatz vom 19. März 2004, Bl. 661 der Akte 12 A 1521/01) oder das bezeichnete Flurstück (vgl. Bl. 745 und 747 der Akte 12 A 1521/01) lässt sich nicht dem Plan (Anlage K 18a) entnehmen. Die Einzeichnung dieses Objekts in der Anlage K 18a ist nach den Darlegungen des Bürgermeisters der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung unrichtig, weil sich das Sportlerheim nicht im Bereich der Tennisplätze, sondern zwischen den Sportplätzen befinden soll. Vor allem aber hat die Klägerin zu 2. nicht die baurechtlich zulässige Nutzung der im Außenbereich gelegenen Wohnung dargelegt. Die vorgelegten Genehmigungsurkunden beziehen sich entweder auf ein anderes Objekt (Anlage K 20 - laufende Nummer 61) oder lassen nicht erkennen, dass neben dem Sportlerheim auch eine Wohnung genehmigt ist (vgl. Bl. 745 der Akte 12 A 1521/01). Ein von der Klägerin zu 2. selbst ausgestellter Anerkennungsbescheid nach dem II. Wohnungsbaugesetz vermag die Genehmigung nicht zu ersetzen. Schließlich lässt sich den vorgelegten Unterlagen kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass sich das dem SKV Mörfelden eingeräumte Erbbaurecht nicht auf die Hausmeisterwohnung bezieht. Gleichwohl kann die Klägerin zu 2. für dieses Objekt, das in dem Nachtschutzgebiet des Bescheides des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 25. November 2002 liegt, aufgrund dieses Bescheides mit Erfolg einen Anspruch auf Gewährung passiven Schallschutzes gegenüber der Beigeladenen geltend machen, sofern sie die weiteren Voraussetzungen des Bescheides (insbesondere die baurechtlich zulässige Wohnnutzung) nachweist.

Ein Anspruch auf Anordnung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes besteht auch nicht für sonstige kommunale Einrichtungen in Form von baulichen Anlagen. Verwaltungsgebäude, Polizeigebäude, Vereinsräume, Jugendtreffs, Büchereien, Museen, Friedhofshallen, Stadthallen, Gaststätten etc. werden schon durch Außenmittelungspegel von unter oder allenfalls um 60 dB(A) keiner Lärmbelastung ausgesetzt, die die bestimmungsgemäße Nutzung der jeweiligen Einrichtung ausschließt. Im Übrigen ist es zumutbar, Einrichtungen dieser Art zumindest grundsätzlich mit geschlossenen Fenstern zu nutzen. Soweit diese Einrichtungen über 22.00 Uhr hinaus in Anspruch genommen werden, liegt keine mit Wohn- oder gar Schlafräumen vergleichbare Verwendung vor. Die nach dem Widmungszweck vorgesehene Verwendung wird bei Gaststätten, Stadthallen und ähnlichen Einrichtungen auch nach 22.00 Uhr nicht ausgeschlossen, wenn die Tageswerte eingehalten werden.

Hinsichtlich der Außenanlagen, bei denen passiver Schallschutz nicht möglich ist, steht der Klägerin zu 2. kein Anspruch auf Festsetzung einer Entschädigung wegen einer infolge des Fluglärms eingeschränkten Nutzbarkeit zu. Kommunale Anlagen wie Schwimmbäder, Sportplätze, Bolzplätze, Grünanlagen, Freiflächen und ähnliche Einrichtungen werden nicht über den gesamten Tageszeitraum genutzt und bei der Frequentierung von Anlagen dieser Art besteht eine gegenüber Außenwohnbereichen erhöhte Lärmerwartung. Angesichts dieser Umstände erreicht eine Fluglärmbelastung von deutlich unter 65 dB(A) am Tag keine Größenordnung, die eine Nutzung dieser Einrichtungen ausschließt. Für die Freifläche Frankfurter Straße 6 (Objekt Nr. 3 der Anlage K 11) ist keine Nutzungsform dargelegt, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass es sich bei dem Grundstück um eine kommunale Einrichtung handelt, für die Schallschutz begehrt werden kann.

Aus den vorstehenden Auführungen ergibt sich zwangsläufig, dass die Klägerin zu 2. aus § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG keinen Anspruch auf Einhaltung niedrigerer Grenzwerte herleiten kann. Der Senat vermag sich insbesondere nicht den Grenzwerten anzuschließen, die ihr sachverständiger Beistand Dr. Kühner vorschlägt. Herr Dr. Kühner ist Sachverständiger für Fragen der Schalltechnik, nicht aber für die Problematik der Auswirkung von Lärm auf die körperliche Unversehrtheit. Seine Ableitungen sind Hochrechnungen von Daten oder Annahmen, von denen der Senat nicht erkennen kann, ob diese schalltechnischen Schlussfolgerungen aus lärmmedizinischer Sicht gerechtfertigt sind. Die Anknüpfung an Guski (ZfL 2003, 14) ist für die hier entscheidende Frage nach einer Gesundheitsgefährdung nicht gerechtfertigt, weil schon Guski nicht, was aber geboten wäre, hinreichend zwischen Beeinträchtigungen und Gefährdungen der Gesundheit differenziert.

Es ist aus der Sicht des Senats auch nicht angebracht, für die Bestimmung der Gesundheitsgefährdungsgrenze auf andere Kriterien als den äquivalenten Dauerschallpegel sowie die Stärke und Häufigkeit von Einzelschallereignissen abzustellen. Soweit überhaupt gesicherte Erkenntnisse zu der Gesundheitsgefährdung durch Fluglärm vorliegen, beziehen sich diese auf die oben genannten Kriterien. Ein alleiniger Rückgriff auf andere Kriterien hieße, sich von einigermaßen gesicherten Erkenntnissen abzuwenden und mehr dem spekulativen Bereich zuzuwenden. Gerade die VDI-Richtlinie 3723, auf die sich die Kläger stützen, will Geräuscharten von Hintergrundgeräuschen abheben und so einen Beitrag zur Definition des Begriffs der Ortsüblichkeit liefern. Brauchbare Kriterien für die Definition der Gesundheitsgefährdungsgrenze lassen sich aus diesem Regelwerk entgegen der Auffassung der Kläger nicht herleiten.

Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin zu 2. auf Anordnung baulichen Schallschutzes auch nicht im Hinblick auf den Flugbetrieb der Turbopropmaschinen. Es lässt sich den von der Klägerin zu 2. vorgelegten Unterlagen entnehmen, dass eine Anzahl solcher Flugzeuge wohl regelmäßig über ihr Gebiet fliegt. Auch wenn diese Flugbewegungen nicht in die von den Beteiligten vorgelegten Lärmberechnungen eingegangen sein sollten, sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass diese Bewegungen in Relation zu der Gesamtbelastung ein Gewicht erlangen könnten, das zu einer Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsgrenze führen könnte. Das ergibt sich zum einen daraus, dass diese Flugzeuge den Stadtteil Walldorf überfliegen, der einer deutlich geringeren Belastung ausgesetzt ist als die problematischen Bereiche im Westen und Süden des Stadtteils Mörfelden. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass diese Flugbewegungen (mit einem erheblichen Anteil) auch auf die Nachtzeit entfallen, die hier unter dem Aspekt der Gesundheitsgefährdung allein problematisch sein könnte.

Der Klägerin zu 2. steht auch unter dem Aspekt der Summierung des Lärms verschiedener Verkehrsanlagen kein Anspruch auf Anordnung von baulichem Schallschutz oder Entschädigungsleistungen zu. Allerdings ist es der Klägerin nicht grundsätzlich verwehrt, sich neben dem Fluglärm auch auf den von Schienen und Straßen ausgehenden Verkehrslärm zu berufen:

Es stellt sich hier allerdings nicht die Frage, ob bei der Planfeststellung für die Errichtung oder wesentliche Änderung einer Verkehrsanlage im Rahmen der fachplanerischen Abwägung oder bei der Entscheidung über die Anordnung von Schutzvorkehrungen nach den fachplanerischen Auflagenvorschriften (z. B. § 9 Abs. 2 LuftVG) neben dem von dem zuzulassenden Vorhaben verursachten Verkehrslärm im Wege der Summierung auch der von anderen Verkehrsanlagen ausgehende Lärm als tatsächliche Vorbelastung zu berücksichtigen ist. Diese Frage ist grundsätzlich zu verneinen, weil den Vorschriften der 16. BImSchV eine streng selektive Betrachtung der einzelnen Verkehrsanlagen zugrunde liegt. Eine Ausnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. März 1996, BVerwGE 101, 1, 9 ff.) jedoch dann geboten, wenn in Fällen der Zulassung der Errichtung oder wesentlichen Änderung einer Verkehrsanlage entweder schon die tatsächliche Vorbelastung durch anderen Verkehrslärm oder die Gesamtbelastung aus dem vorhandenen und dem neu hinzutretenden Verkehrslärm die Gesundheitsgefährdungs- oder Enteignungsschwelle überschreitet. Verantwortlich für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle ist in diesem Fall der Träger des Vorhabens, das neu verwirklicht oder verändert werden soll.

Im vorliegenden Verfahren wird die Frage aufgeworfen, ob außerhalb eines Planfeststellungs- oder sonstigen Zulassungsverfahrens eine Gesamtbetrachtung mehrerer schon vorhandener Verkehrsanlagen geboten ist, oder - mit anderen Worten - ob eine Summierung der Lärmpegel mehrerer Verkehrsanlagen im Bereich der Lärmsanierung stattzufinden hat. Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Denn die aus Art. 2 Abs. 2 und 14 Abs. 1 GG abzuleitende Pflicht des Staates, Gesundheitsgefahren abzuwehren, die von dem Lärm der von ihm zugelassenen Verkehrsanlagen ausgeht, besteht auch außerhalb eines konkreten Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahrens. Überschreitet der von einer Verkehrsanlage ausgehende Lärm die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, steht den Betroffenen ein aus den Grundrechten resultierender Lärmsanierungsanspruch zu, soweit nicht schon ein Anspruch aus § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG oder ein vergleichbarer Genehmigungsergänzungsanspruch aus § 6 LuftVG gegeben ist. Für den Tatbestand der Grundrechtsverletzung ist unerheblich, ob der gesundheitsgefährdende Lärm von nur einer Anlage oder von mehreren Verkehrseinrichtungen ausgeht. Die Verantwortlichkeit eines (von mehreren) Emittenten für eine gesundheitsgefährdende Gesamtverkehrslärmbelastung hängt allerdings von mehreren Voraussetzungen ab:

Zunächst muss der in Anspruch genommene Emittent in tatsächlicher Hinsicht zu der gesundheitsgefährdenden Gesamtlärmbelastung beitragen. Das heißt, dass insgesamt eine die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze übersteigende Lärmbelastung vorliegen muss. Das bedeutet aber auch, dass das jeweilige Lärmkontingent kausal für eine eventuelle Überschreitung dieser Schwelle sein muss. Das ist nicht der Fall, wenn schon ein anderer oder mehrere andere Lärmbeiträge zu einer Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsgrenze führen. Das trifft hier z. B. auf die Wohnhäuser in der Ring- und Feststraße (Objekte Nr. 13 und 47 der Anlage K 11, die Gegenstand des Antrags III 2 in Verbindung mit Liste 1 sind) mit einer Belastung durch nächtlichen Schienenverkehrslärm in Höhe von 78,7 bzw. 72,9 dB(A) - Mittelungspegel ohne Schienenbonus - zu. Gegenüber dieser Belastung durch den Schienenverkehrslärm ist der nächtliche Fluglärm in einer Größenordnung von unter oder allenfalls um 50 dB(A) - selbst wenn er einen kausalen Beitrag für eine Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsgrenze liefern würde - schalltechnisch zu vernachlässigen mit der Folge, dass der - zudem alleinigen - Inanspruchnahme der Beigeladenen wegen einer eventuellen gesundheitsgefährdenden Gesamtverkehrslärmbelastung auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann.

Voraussetzung für die Summierung mehrerer Schallquellen ist darüber hinaus, dass - in rechtlicher Hinsicht - gegenüber allen Emittenten, die einen tatsächlichen kausalen Beitrag für eine gesundheitsgefährdende Lärmbelastung zu verantworten haben, grundsätzlich ein Abwehranspruch besteht, und zwar in dem Sinne, dass ein Anspruch bestehen würde, wenn der nur von dieser Anlage ausgehende Verkehrslärm die Gesundheitsgefährdungsschwelle übersteigen würde. Daraus ergibt sich, dass bei der Summierung der Lärm solcher Verkehrsanlagen außer Betracht zu bleiben hat, den der Betroffene generell, also auch im Falle einer Überschreitung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle, nicht (mehr) mit Erfolg abwenden kann. Bei Verkehrsanlagen, die aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses hergestellt worden sind, können eventuelle Abwehrrechte infolge Verfristung, Verwirkung, materieller Präklusion oder aus anderen Rechtsgründen ausgeschlossen sein. Ist also ein Anteil der Gesamtlärmbelastung trotz der tatsächlichen Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsgrenze zu dulden, darf dieser Lärmbeitrag auch nicht bei der Summenbildung gegenüber anderen Emittenten berücksichtigt werden. Der Anspruch auf Lärmsanierung (im weiteren Sinne) ist auch hinsichtlich eines einzelnen Lärmbeitrags nur begründet, wenn er auch gegenüber den anderen Emittenten besteht, die einen für die Überschreitung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze kausalen Lärmbeitrag liefern. Daraus ergibt sich, dass der Lärmsanierungsanspruch wegen einer verfassungswidrigen Gesamtverkehrslärmbelastung seiner Natur nach unteilbar ist. Die Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Erheblichkeit einzelner Lärmbeiträge einer verfassungswidrigen Gesamtlärmbelastung kann daher in verfahrensrechtlicher Hinsicht nur in einem einheitlichen Verfahren gegenüber allen Emittenten erfolgreich durchgesetzt werden. Die isolierte Geltendmachung eines - dem jeweiligen Lärmbeitrag entsprechenden - Teilbetrages gegenüber nur einem von mehreren für die verfassungswidrige Situation Verantwortlichen ist unzulässig oder zumindest unbegründet. Im Übrigen richtet sich der Anspruch auf Gewährung passiven Schallschutzes zwar letztlich auf einen Geldbetrag, der sich aber als Aufwendungsersatz für eine unteilbare physisch-reale Ausgleichsmaßnahme, nämlich den baulichen Schallschutz, erweist.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn mehrere Emittenten als Gesamtschuldner haften würden. Für eine gesamtschuldnerische Haftung der Verantwortlichen für vorhabensfremden Lärm fehlt aber ein dafür notwendiger gesetzlicher Zurechnungstatbestand.

Anspruchsgegner sind somit die Emittenten in ihrer Gesamtheit, und zwar die Vorhabenträger selbst, soweit Lärmsanierungsansprüche unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 und 2 Abs. 2 GG geltend gemacht werden, und entsprechend § 75 Abs. 3 HVwVfG die Rechtsträger der Planfeststellungs- oder Genehmigungsbehörden, soweit Plan- oder Genehmigungsergänzungsansprüche Gegenstand des Begehrens sind. Dass Lärmsanierungsansprüche aus Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Zivilgerichte fallen, steht wegen § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG einer einheitlichen Geltendmachung vor den Verwaltungsgerichten nicht entgegen.

Aus der Notwendigkeit, den Anspruch auf passiven Schallschutz wegen einer gesundheitsgefährdenden Gesamtverkehrslärmbelastung in einem einheitlichen Verfahren gegenüber allen Verantwortlichen Emittenten geltend zu machen, folgt die weitere verfahrensrechtliche Konsequenz, dass dieser Anspruch wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht mit Erfolg gerichtlich durchgesetzt werden kann, wenn er nicht zuvor rechtzeitig und hinreichend bestimmt gegenüber dem jeweiligen Vorhabensträger oder der zuständigen Planfeststellungs- oder Genehmigungsbehörde geltend gemacht worden ist. Schon an diesen verfahrensrechtlichen Erfordernissen scheitern die Ansprüche der Klägerin zu 2. wegen einer Gesamtverkehrslärmbelastung. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sie ihre Forderungen vor der Erweiterung der vorliegenden Klage gegenüber der Bahn AG oder dem jeweiligen Träger der Straßenbaulast oder der zuständigen Planfeststellungsbehörde geltend gemacht hat.

Neben diesem verfahrensrechtlichen Aspekt fehlen weitere Voraussetzungen für einen Anspruch auf Anordnung passiven Schallschutzes oder auf Festsetzung einer Entschädigung. Soweit oben - im Zusammenhang mit dem Begehren auf passiven Schallschutz nur wegen des Fluglärms - ausgeführt worden ist, dass schon die erforderlichen Darlegungen fehlen (Objekte 3 und 61) oder die Ansprüche an § 75 Abs. 2 Satz 5 HVwVfG scheitern (Bauplätze und nach 1981 errichtete Wohnungen und Einrichtungen), gelten diese Ausführungen auch im vorliegenden Zusammenhang. Die erforderliche Kausalität des Fluglärms für eine eventuelle gesundheitsgefährdende Gesamtverkehrslärmbelastung fehlt neben den bereits erwähnten Objekten 13 und 47 der Anlage K 11 auch bei den Objekten 7, 43, 46, 48, 51, 90 und 95 der Anlage K 11.

Im Übrigen überschreiten die ermittelten Summenpegel (ohne die von dem Sachverständigen Dr. Kühner vorgenommenen Zuschläge auf die nach AzB errechneten Werte) bei Berücksichtigung eines Fluglärmmalus von 5 dB(A) schon als Außenpegel nicht die Gesundheitsgefährdungsgrenze. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der sachverständige Beistand der Kläger hat die Summenpegel durch logarithmische Addition der äquivalenten Dauerschallpegel ermittelt. Das ist vom Ansatz her rechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts des verfassungsrechtlichen Gebots zur Abwendung einer gesundheitsgefährdenden Gesamtlärmbelastung müssen die unterschiedlichen Lärmarten "auf einen gemeinsamen schalltechnischen Nenner" gebracht werden. Dazu drängt es sich auf, den Fluglärm als äquivalenten Dauerschallpegel mit einem Halbierungsquotienten q = 3 zu ermitteln, um ihn so gemeinsam mit Schienen- und Straßenverkehrslärm beurteilen zu können.

Problematisch erscheint allerdings, ob der Sachverständige Dr. Kühner zu Recht einen Fluglärmmalus von 6 dB(A) in die Summenpegel eingerechnet hat. Zum einen ist zweifelhaft, ob für die Ermittlung der Gesundheitsgefährdungsgrenze überhaupt ein solcher Zuschlag gerechtfertigt ist. Auf der einen Seite soll mit dem Fluglärmmalus die besondere Lästigkeit des Fluglärms gegenüber anderen Verkehrslärmarten berücksichtigt werden; bei der Ermittlung der Gesundheitsgefährdungsgrenze kommt es aber nicht auf die subjektiv empfundene Lästigkeit, sondern die objektive Gefährlichkeit des Fluglärms an. Auf der anderen Seite liegen Stressfaktoren und Gesundheitsrisiken so dicht nebeneinander, dass eine klare Abgrenzung kaum möglich ist. Zum anderen ist die Höhe des Zuschlags nicht gerechtfertigt. Selbst wenn man mit Dr. Kühner auf den International Standard ISO/FDIS 1996-1 (aus dem Jahr 2003) zurückgreifen will, ist es nicht geboten, den dort vorgesehenen Rahmen von 3 bis 6 dB(A) voll auszuschöpfen. Denn weder die Höhe der Fluglärmpegel (Mittelungs- und Maximalpegel) noch die Art des Fluglärms geben hierzu Veranlassung.

Wenn die besondere Lästigkeit des Fluglärms bei der Ermittlung der Gesundheitsgefährdungsgrenze überhaupt zu berücksichtigen ist und in Form eines Zuschlags von 6 dB(A) in den Summenpegel eingerechnet wird, der also keinen realen, sondern einen fiktiven Wert beschreibt, ist es auch angemessen, diesen Aspekt bei der Ermittlung der Gesundheitsgefährdungsgrenze zu berücksichtigen. Danach sind Summenpegel, die unter 71 dB(A) am Tag und unter 61 dB(A) in der Nacht liegen, jedenfalls dann nicht gesundheitsgefährdend, wenn sie einen Fluglärmmalus von 6 dB(A) enthalten. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Gesundheitsgefährdungsgrenze verwiesen werden. Als wichtiges Argument kommt hier hinzu, dass § 1 Abs. 2 Nr. 2 16. BImSchV einen deutlichen Hinweis darauf enthält, dass die insoweit vergleichbare Lärmsanierungsschwelle durch diese Werte markiert wird.

Soweit der Anspruch der Klägerin zu 2. nicht schon aus den oben dargelegten anderen Gründen (keine Darlegung, keine Kausalität etc.) scheitert, werden die Richtwerte von 71 dB(A) am Tag und - soweit es sich um zum Wohnen oder Schlafen bestimmte Räume handelt - von 61 dB(A) in der Nacht nicht überschritten. Hinzu kommt auch hier, dass, soweit Wohnungen und zum Aufenthalt bestimmte öffentliche Einrichtungen betroffen sind, die Innenpegel durch teilweises oder vollständiges Schließen der Fenster deutlich unter die maßgeblichen Werte reduziert werden können. Auch unter dem Aspekt der Lärmsanierung wegen einer Gesamtverkehrslärmbelastung gewährleistet Art. 2 Abs. 2 GG keinen Anspruch auf Schlaf bei (teilweise) geöffnetem Fenster.

Aus den vorstehenden Ausführungen zu den Anträgen der Klägerin zu 2. ergibt sich zwangsläufig, dass auch dem Kläger zu 1. kein Anspruch auf Anordnung von Maßnahmen des baulichen Schallschutzes zusteht. Das folgt schon allein daraus, dass die Fluglärmbelastung (von ca. 55 dB(A) am Tag und ca. 50 dB(A) in der Nacht) und die Gesamtlärmbelastung (61/56 dB(A)) weit unter der Grenze der Gesundheitsgefährdung liegen.

Unbegründet ist die Klage der Klägerin zu 2. auch insoweit, als sich ihre Anträge auf die Bodenlärmimmissionen beziehen. Ihr Antrag (I 5), an den in der Liste 6 (S. 13 des Schriftsatzes vom 30. Dezember 2003, Bl. 577 der Akte 12 A 1521/01) aufgeführten Anwesen einen Immissionsgrenzwert von 45 dB(A) einzuhalten, geht schon ins Leere, weil dieser Wert nach dem eigenen Vortrag der Klägerin zu 2. nicht überschritten wird (vgl. Liste 6, Spalte 6). Darüber hinaus besteht auch keine gesetzliche Grundlage für dieses Begehren. Soweit sich der Anspruch auf Betriebsbeschränkungen richten sollte, steht ihm § 9 Abs. 3 LuftVG entgegen (vgl. im Einzelnen Hess. VGH, Urteil vom 23. Dezember 2003 <2 A 2815/01> S. 18 ff.). Insoweit kann die Klägerin zu 2. aber auch keine Maßnahmen des aktiven oder passiven Schallschutzes beanspruchen. Die durch die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutze gegen Lärm - TA-Lärm) vorgegebenen Grenzwerte sind hier weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Nach § 2 Abs. 2 BImSchG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für Flugplätze. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung dieses Gesetzes - wie die TA-Lärm - nicht auf Flughäfen anzuwenden sind (OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2002, NVwZ-RR 2002, 493, 494; Hess. VGH, Urteil vom 23. Dezember 2003 <2 A 2815/01> S. 19 ff.).

Schließlich besteht unter dem Aspekt der Bodenlärmimmissionen auch kein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG. Bodenlärmimmissionen gehören zu den üblichen Betriebsabläufen eines Verkehrsflughafens und sind deshalb nicht unvorhersehbar im Sinne dieser Vorschrift. Eine nicht vorhersehrbare gesundheitsgefährdende Lärmbelastung durch Bodenlärmimmissionen ist auch dann nicht festzustellen, wenn man von den von der Klägerin genannten Belastungen durch Flug- und Bodenlärm ausgeht.

Da den Klägern nach allem keine Ansprüche auf Anordnung von weitergehenden Betriebsbeschränkungen oder Maßnahmen des passiven Schallschutzes zustehen, können sie durch die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001, 24. September 2001 und 25. November 2002 nicht in ihren Rechten verletzt sein, so dass ihnen auch kein Anspruch auf Neubescheidung (vgl. Hilfsanträge des Klägers zu 1. zu IV. und zu VI und Hilfsantrag der Klägerin zu 2. zu V.) zusteht.

Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, ihnen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich somit am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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