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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 12 TG 1564/99
Rechtsgebiete: GG, BVFG, AuslG
Vorschriften:
GG Art. 116 Abs. 1 | |
BVFG § 4 | |
BVFG § 7 Abs. 2 | |
BVFG § 8 | |
BVFG § 15 | |
BVFG § 21 | |
BVFG §§ 26 ff. | |
AuslG § 40 | |
AuslG § 42 Abs. 6 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Ausländerrechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Pertek
am 20. Februar 2001 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. April 1999 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 5. November 1998 wiederhergestellt.
Der Antragsgegner hat - unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch insoweit - die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind kasachische Staatsangehörige, denen das Bundesverwaltungsamt am 12. November 1996 einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ausgestellt hat, wonach die Antragstellerin zu 1) Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 BVFG und der Antragsteller zu 2) nichtdeutscher Ehegatte im Sinne von § 7 Abs. 2 BVFG ist. In dem Aufnahmebescheid wird darauf hingewiesen, dass mit seiner Ausstellung noch keine endgültige Feststellung über die Eigenschaft als Spätaussiedler getroffen sei und hierüber nach der Aufnahme im Bundesgebiet in einem anderen Verwaltungsverfahren entschieden werde. Die Antragsteller reisten am 23. Januar 1997 mit diesem Aufnahmebescheid und einem entsprechenden Visum der Deutschen Botschaft in Almaty in das Bundesgebiet ein. Am 24. Januar 1997 erhielten sie in der Außenstelle des Bundesverwaltungsamts in Friedland einen Registrierschein und wurden dem Land Hessen zugewiesen. Anschließend beantragten sie bei der Flüchtlingsdienststelle des Landkreises Waldeck-Frankenberg die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung. Dieser Antrag wurde mit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 20. Juli 1998 mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin verfüge entgegen ihren Angaben im Aufnahmeverfahren weder über aktive noch über passive deutsche Sprachkenntnisse und habe auch nicht in anderer Weise glaubhaft gemacht, dass bestätigende Merkmale der deutschen Kultur vermittelt worden seien.
Die Ausländerbehörde forderte die Antragsteller mit Schreiben vom 10. September 1998 zur Vorlage ihrer kasachischen Reisepässe auf und drohte ihnen mit Verfügung vom 30. Oktober 1998 ihre Abschiebung an. Mit Verfügung vom 5. November 1998 wurde ihnen aufgegeben, ihre kasachischen Reisepässe bis spätestens zum 30. November 1998 bei der Ausländerbehörde abzugeben, und gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der Aufforderung zur Passvorlage angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, die Antragsteller seien Ausländer im Sinne von § 1 Abs. 2 AuslG, da sie nicht die Rechtsstellung von Deutschen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG erworben hätten. Diese Rechtsstellung erwerbe ein Spätaussiedler, der nicht deutscher Staatsangehöriger sei, nur dann mit der Aufnahme im Bundesgebiet, wenn seine Spätaussiedlereigenschaft in einem gesonderten Verwaltungsverfahren später positiv festgestellt werde. Mit der Ablehnung des Antrags auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung sei festgestellt worden, dass die Antragsteller nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme nach dem BVFG erfüllten. Der Aufnahmebescheid und der Registrierschein seien nur vorläufiger Natur und dienten lediglich der Durchführung des Aufnahmeverfahrens. Auf sie könne nur der vorläufige Rechtsschein gestützt werden, dass die Inhaber Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG seien. Dieser Rechtsschein könne jedoch widerlegt werden, was vorliegend durch die Versagung der Spätaussiedlerbescheinigung geschehen sei. Infolge dessen werde den Antragstellern gemäß § 40 Abs. 1 AuslG aufgegeben, ihre kasachischen Reisepässe bei der Ausländerbehörde vorzulegen, da diese zur Durchsetzung und Überwachung der Ausreiseverpflichtung benötigt würden und gemäß § 42 Abs. 6 AuslG bis zur Ausreise durch die Ausländerbehörde in Verwahrung genommen werden sollten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass andernfalls die bestehende Ausreiseverpflichtung nach Ablauf der Ausreisefrist nicht zeitnah durchgesetzt werden könne.
Den hiergegen beantragten vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 16. April 1999 unter Bestätigung der Rechtsauffassung der Ausländerbehörde abgelehnt. Auf Antrag der Antragsteller hat der früher zuständige 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs die Beschwerde wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen. Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten ihre jeweilige Rechtsauffassung bekräftigt und zusätzlich begründet.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig und begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die ausländerbehördliche Verfügung vom 5. November 1998 zu Unrecht abgelehnt. Die Anordnung der Abgabe der kasachischen Reisepässe der Antragsteller bei der Ausländerbehörde erweist sich nämlich als sehr wahrscheinlich rechtswidrig, und im Hinblick darauf sind vorrangige öffentliche Belange, die es gebieten, den Rechtsschutzanspruch der Antragsteller einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten, nicht feststellbar (vgl. dazu BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23,155/73 -, BVerfGE 35, 382; BVerfG - Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 09.11.1995 - 12 TG 2783/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).
Es spricht sehr viel dafür, dass die auf §§ 40, 42 Abs. 6 AuslG gestützte Aufforderung zur Passvorlage deshalb rechtswidrig ist, weil die Antragstellerin zu 1) als Spätaussiedlerin und der Antragsteller zu 2) als deren Ehegatte im Bundesgebiet Aufnahme gefunden und daher die Rechtsstellung von Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG ("Statusdeutsche") erworben haben. Das Verhältnis zwischen dem Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG und der Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG ist zwar in Schrifttum und Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt; der Senat neigt jedoch aufgrund gewichtiger Argumente zu der Auffassung, dass die Einreise eines Spätaussiedlers mit einem Aufnahmebescheid im Aufnahmeverfahren zum Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft nach Art. 116 Abs. 1 GG führt und die Ablehnung einer Spätaussiedlerbescheinigung diesen Status nicht nachträglich entfallen lässt.
Gemäß Art. 116 Abs. 1 GG ist Deutscher im Sinne des Grundgesetzes vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Gemäß § 4 Abs. 1 BVFG ist Spätaussiedler in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor (1.) seit dem 8. Mai 1945 oder (2.) nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder (3.) seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben, seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG ist der Spätaussiedler Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Sein nichtdeutscher Ehegatte, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden hat, und seine Abkömmlinge erwerben diese Rechtsstellung mit der Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG). Nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten Spätaussiedler zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft auf Antrag eine Bescheinigung. Die Entscheidung über die Ausstellung dieser Bescheinigung ist für alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch die Ausstellungsbehörde beantragen. Wenn diese dem Antrag nicht entsprechen will, so entscheidet darüber die gemäß § 21 BVFG errichtete zentrale Dienststelle oder die von dieser bestimmte Behörde des Landes, in welchem die Bescheinigung ausgestellt worden ist. Nach § 15 Abs. 2 BVFG erhalten der Ehegatte und die Abkömmlinge des Spätaussiedlers zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BVFG auf Antrag eine Bescheinigung. Im Übrigen gilt Absatz 1 von § 15 BVFG entsprechend.
Personen, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler verlassen wollen, um im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, wird nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 27 ff. BVFG ein Aufnahmebescheid erteilt (§ 26 BVFG). Einen Aufnahmebescheid erhalten gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Der Ehegatte und die Abkömmlinge dieser Personen sind auf Antrag in den Aufnahmebescheid einzubeziehen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG).
Diese Regelungen sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Rechtsentwicklung, die oft nur im Wege schwieriger Kompromisse zustande gekommen ist und gerade deswegen bei Feststellung der gegenwärtigen Rechtslage und des Inhalts der geltenden Rechtsvorschriften als wesentlich zu berücksichtigen ist.
In Art. 116 Abs. 1 GG ist nicht bestimmt, in welcher Weise Flüchtlinge und Vertriebene Aufnahme im Gebiete des Deutschen Reichs nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 finden können. Zunächst gab es auch kein dementsprechendes formelles Aufnahmeverfahren. Die Übersiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit im Zuge des D 1-, D 1 A - oder D 3-Verfahrens und mit Hilfe eines Registrierscheins (zu den Rechtsgrundlagen vgl. Haberland, Eingliederung von Aussiedlern und Zuwanderern, 4. Aufl., 1988, S 94 ff.; Liessner, Aussiedler 1988, S. 1 ff, 20 ff.) erfüllte nicht ohne Weiteres die Voraussetzungen der Aufnahme im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG, weil es an dahingehenden gesetzlichen oder anderen hierfür ausreichenden Vorschriften fehlte und die Eigenschaft als Vertriebener allgemeinverbindlich im Verfahren über die Ausstellung eines Vertriebenenausweises festgestellt wurde (vgl. dazu § 15 BVFG a. F.; keine konstitutive Bedeutung: Maunz in Maunz/Dürig, GG, Art. 116 Rdnr. 25). Ob es sich bei den früher üblichen Verfahren nur um eine vorläufige Entscheidung über die deutsche Volkszugehörigkeit und den Vertriebenenstatus oder um eine "Aufnahme" im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG handelte, war unklar (vgl. dazu Liesner, a.a.O.; Nr. 9 der Richtlinien für die Prüfung der Staatsangehörigkeit und Namensführung der Aussiedler im Grenzdurchgangslager Friedland vom 29.7.1976, Text bei Liesner, a.a.O., S. 66 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl., 1998, Art. 116 GG Rdnr. 72 ff.).
Soweit nicht eine Aufnahmemöglichkeit nach Inkrafttreten des Grundgesetztes rundweg abgelehnt wurde (Lichter, StAZ 1954, 241; Ridder in Alternativkommentar zum Grundgesetz, 1984, Art. 116 Rdnr. 8), wurde für die Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als maßgeblich angesehen, ob der Bewerber als deutscher Volkszugehöriger seitens einer staatlichen Stelle auf Dauer aufgenommen wurde (Häußer/Kapinos/Christ, Die Statusfeststellung nach dem BVFG, 1990, Einf. Rdnr. 39 ff.; Hailbronner/Renner, a.a.O., Rdnr. 74 ff.; Kimminich in Bonner Kommentar, Art. 116 Anm. 6 b; Lichter/Hoffmann, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., 1966, S. 28; Lübbe-Wolff in Dreier, GG, Bd. 3, 2000, Art. 115 Rdnr. 36; v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 116 Rdnr. 46; Maßfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht von 1870 bis zur Gegenwart, 2. Aufl., 1955, S. 87 f.; Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Art. 116 Rdnr. 45 ff.; Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, 1997, Art. 116 Rdnr. 59 ff.; Sachs, GG, 1996, Art. 116 Rdnr. 11; BVerwG, 12.05.1992 - 1 C 37.90 -, BVerwGE 90, 181 = EZAR 270 Nr. 3; Hess. VGH, 16.07.1999 - 12 UE 2818/98 -, EZAR 280 Nr. 5 = ESVGH 49, 303). Teilweise wurde die Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamts im D 1-Verfahren als Aufnahmeakt anerkannt (VGH Baden-Württemberg, 27.01.1999 - 13 S 1616/96 -, EZAR 280 Nr. 1 = DVBl. 1999, 1216).
Ein förmliches Aufnahmeverfahren wurde erstmals mit Wirkung vom 1. Juli 1990 für Aussiedler eingeführt. Zunächst war schon Mitte 1989 die Verteilung der vermehrt ankommenden Aussiedler mit dem Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes (BGBl. I, S. 1378) erleichtert worden. Sodann wurde Mitte 1990 das Aufnahmeverfahren für Aussiedler erstmals durch das Aussiedleraufnahmegesetz (vom 26.06.1990, BGBl. I, S. 1142) - AAG - geregelt und später mit Wirkung vom 1. Januar 1993 dahin geändert, dass nur noch Spätaussiedler Aufnahme finden können (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I, S. 2094). Seither wird Personen, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler verlassen wollen, um in Deutschland ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, ein Aufnahmebescheid erteilt (§ 26 BVFG). Diesen Bescheid erhalten, wie oben ausgeführt, auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG). Das Aufnahmeverfahren findet vor dem Bundesverwaltungsamt statt. Diese zentrale Bundesbehörde bestimmt für das Aufnahmeverfahren das aufnehmende Bundesland und erlässt nach Zustimmung des aufnehmenden Landes den Aufnahmebescheid, wobei das Land die Zustimmung (auch dann) verweigern kann, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 BVFG nicht erfüllt sind (§ 28 BVFG).
Es spricht nach Auffassung des Senats sehr viel dafür, dass die Zulassung der Einreise eines deutschen Volkszugehörigen im Aufnahmeverfahren eine Aufnahme im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG darstellt und die Statusdeutscheneigenschaft vermittelt (Ebenso: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, demn. 3. Aufl., 2001, Art. 116 GG Rdnr. 4, 29, 31, 63, 71 ff., § 7 StAG Rdnr. 16 ff., § 40a StAG Rdnr. 4; Lübbe-Wolff, a.a.O., Art. 116 Rdnr. 37; Peters, NVwZ 2000, 1372; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 3 /4, 6/87 ff.; v. Schenkendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, § 26 BVFG n. F. Anm. 1 a; Silagi, ZAR 2000, 3; Vedder in von Münch/Kunig, GG; 3. Aufl., 1996, Art. 116 Rdnr. 49; BVerwG, 29.04.1997 - 9 C 4.96 -, EZAR 270 Nr. 8; ebenso wohl auch BVerwG, 21.12.1992 - 9 B 466/97 -; VGH Baden-Württemberg, 28.01.1999 - 13 S 1616/96 -; VGH Baden-Württemberg, 04.03.1999 - 13 S 1228/96 -, Ls. in DVBl. 1999, 1231 u. FamRZ 2000, 485; VGH Baden-Württemberg, 11.03.1998 - 13 S 1855/96 -; betr. "Aufnahme" ebenso VG Stuttgart, 09.02.2000 - 7 K 3475/99 -, NVwZ-RR 2000, 724; VG München, 23.08.2000 - 28 K 00.1565 -. A. A.: OVG Hamburg, 05.05.2000 - 4 Bs 75/00 -, demn. EZAR 280 Nr. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, 23.03.1995 - 2 A 4117/94 -; OVG Rheinland-Pfalz, 10.02.1999 - 11 B 10148/99 -, EZAR 280 Nr. 2; VG Arnsberg, 21.06.2000 - 1 K 5698/98 - und - 1 K 5699/98 -. Offengelassen von: VGH Baden-Württemberg, 29.04.1999 - 13 S 2710/98 -, NVwZ-RR 1999, 690 = StAZ 1999, 243 m. Anm. Silagi).
Weder der Wortlaut der §§ 4, 8, 15, 26 - 28 BVFG noch deren systematische Stellung im BVFG enthalten einen Hinweis auf eine "Vorläufigkeit" des Aufnahmebescheids. Insbesondere die oben wiedergegebenen Regelungen in § 27 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG können als unmissverständliche Bestätigung der statusrechtlichen Bedeutung des Aufnahmebescheids angesehen werden. Zudem legen es sowohl die umfassende Prüfung durch das hierfür besonders sachkundige Bundesverwaltungsamt als auch die Mitwirkung des aufnehmenden Bundeslandes bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Spätaussiedlereigenschaft nahe, in dem Aufnahmebescheid das Ergebnis einer abschließenden Prüfung und Feststellung der Voraussetzungen für die Aufnahme eines deutschen Volkszugehörigen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG zu sehen.
Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte lediglich vorläufige Feststellung sind auch der Entstehungsgeschichte nicht zu entnehmen. Erkennbar ging das Bestreben des Gesetzgebers nach der Öffnung der Grenzen in Osteuropa dahin, den Zuzug von deutschen Volkszugehörigen ohne die Bestimmung eines endgültigen Schlusstermins und ohne eine formelle Änderung des Art. 116 Abs. 1 GG zu begrenzen und auf eine längere Zeitdauer zu verteilen. Diesem Zweck diente nicht nur die Festlegung einer jährlichen Zuwanderungsquote (von zunächst etwa 226 000 und jetzt nur etwa 103 000 Personen; vgl. § 27 Abs. 3 BVFG a. F. und n. F.), sondern auch die Vorbereitung der Unterbringung für die Zeit nach der Einreise. Die gegen Ende der 1980er Jahre erheblich angestiegenen Zuzugszahlen (dazu Haberland, Eingliederung von Aussiedlern, 5. Aufl., 1991, S. 18 f.) ließen es als unzweckmäßig und letztlich untragbar erscheinen, weiterhin den ungeregelten Zuzug von Personen mit (angeblich) deutscher Volkszugehörigkeit zuzulassen, den Aufenthalt während eines länger andauernden Feststellungsverfahrens zu gestatten (vgl. dazu Begründung des Entwurfs für das AAG, BT-Drs. 11/6937, S. 5) und sodann nach einem möglicherweise negativen Ausgang des Verfahrens die Ausreise und Abschiebung der abgelehnten Personen durchzusetzen (dazu Haberland, Eingliederung von Aussiedlern, 6. Aufl., 1994, S. 18 f, 21 ff.; BT-Drs. 12/3212). Stattdessen sollte nicht nur der Zuzug quotenmäßig begrenzt, sondern auch in einem zentral organisierten Verfahren von einer mit besonderer Sachkunde ausgestatteten Behörde vor der Einreise festgestellt werden, ob der jeweilige Bewerber im Falle einer Einreise nach Deutschland als Aussiedler oder Spätaussiedler angesehen werden konnte (vgl. Begründung des AAG, BT-Drs. 11/6937, S. 6). Die damit vorgenommenen grundlegenden Änderungen für das Prüfungsverfahren und für das Aufenthaltsrecht in Deutschland waren insbesondere deswegen angezeigt, weil nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und den Veränderungen innerhalb der Sowjetunion auch deutschstämmigen Personen weitestgehend Ausreisefreiheit gewährt wurde und es deshalb nicht mehr geboten erschien, Personen, die angaben, Spätaussiedler zu sein, die sofortige Einreise und die erst anschließende Prüfung der Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaussiedler zu ermöglichen. Zudem war mit den grundlegenden Veränderungen der innenpolitischen Situation in den ehemaligen Vertreibungsgebieten auch die innere Rechtfertigung dafür entfallen, dass seit 1966 ausreisepflichtige Angehörige von Ostblockstaaten in aller Regel nicht in ihre Heimatstaaten abgeschoben wurden, sondern zunächst Duldungen und später Aufenthaltserlaubnisse erhalten hatten (vgl. dazu Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., 1993, § 55 AuslG Rdnr. 2 m.w.N). Bei Aufrechterhaltung der früheren Zuzugsverfahren hätte zwar unter diesen Umständen nach einem negativen Ausgang des Verfahrens zur Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft die dann bestehende Ausreiseverpflichtung zwangsweise durchgesetzt werden können, dies hätte aber erfahrungsgemäß nach in der Regel längerem Inlandsaufenthalt zu nicht unbeträchtlichen Durchsetzungsschwierigkeiten geführt (dazu ausführlich Folz/Kremer, ZAR 1990, 167).
Der Wille des Gesetzgebers, mit dem Aufnahmeverfahren die Grundlage für eine Aufnahme im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG zu schaffen, kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Zuweisung eines Spätaussiedlers nach der Aufnahme an einen vorläufigen Wohnort als Eingriff in die nur Deutschen gewährleistete Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebiets verstanden und deshalb ausdrücklich das Grundrecht der Freizügigkeit eingeschränkt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler vom 26.02.1996, BGBl. I S. 225, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.1997, BGBl. I S. 3222). Handelte es sich bei Personen, die im Aufnahmeverfahren nach Deutschland eingereist sind, nicht um deutsche Staatsangehörige oder um Statusdeutsche, hätte es dieser ausdrücklichen Grundrechtseinschränkung nicht bedurft (vgl. Art. 19 Abs. 1 GG; Häußer/Kapinos/Christ, Die Statusfeststellung nach dem BVFG, 1990, Einf. Rdnr. 8; Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BR-Drs. 249/89, S. 9: "Aussiedler ... sind Deutsche. Von dem grundgesetzlich jedem Deutschen verbürgten Recht auf jederzeitige freie Einreise ... haben sie im Zusammenhang mit der Aufnahme Gebrauch gemacht.").
Die Auffassung des Gesetzgebers über die Rechtswirkungen der Einreise eines Spätaussiedlers im Aufnahmeverfahren hat schließlich auch dazu geführt, dass die Bestimmungen des früheren § 94 BVFG über die Zusammenführung von Familienangehörigen von Vertriebenen durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (a.a.O.) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 mit der Begründung aufgehoben worden sind, diese seien durch die Rechtsentwicklung entbehrlich geworden, weil der weitaus größte Teil der begünstigten Angehörigen ohnehin selbst die Voraussetzungen für die Feststellung der Spätaussiedler erfülle und darüber hinaus durch das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene neue Ausländergesetz eine bundesrechtliche Regelung über den Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen getroffen worden sei; diese Regelung gelte uneingeschränkt auch für die Familienangehörigen eines Spätaussiedlers, der Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sei (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3212, S. 27). Damit haben Bundesregierung und Gesetzgeber unmissverständlich ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht, dass Spätaussiedler nach der Einreise im Aufnahmeverfahren Statusdeutsche sind und nicht erst nach Erteilung der Spätaussiedlerbescheinigung.
Gegen diese Auslegung kann nicht ins Feld geführt werden, dass deutschen Volkszugehörigen, die einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz besitzen, abweichend von den §§ 2 bis 8 der Arbeitsaufenthalteverordnung eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden kann (§ 10 AAV). Wie der Wortlaut dieser Vorschrift deutlich macht, sind lediglich Personen betroffen, die einen Aufnahmebescheid besitzen, nicht jedoch Personen, die mit einem Aufnahmebescheid im Aufnahmeverfahren nach Deutschland eingereist sind. Wer lediglich einen Aufnahmebescheid besitzt, aber von ihm nicht durch Einreise unter Berufung auf diesen Aufnahmebescheid Gebrauch macht, erwirbt mit der Einreise nicht die Statusdeutscheneigenschaft. Für die Möglichkeit der Einreise eines deutschen Volkszugehörigen, der bereits einen Aufnahmebescheid besitzt, aber diesen nicht zu gebrauchen wünscht, besteht ein praktisches Bedürfnis, weil dieser deutsche Volkszugehörige unter Umständen nur vorab erkunden will, ob er nach einer Einreise im Aufnahmeverfahren eine Wohnung, eine Arbeitsstelle und andere Grundlagen für ein Leben in Deutschland zu finden vermag. Unter Umständen beabsichtigt er auch, während eines solchen Aufenthalts oder eines Verwandtenbesuchs vorübergehend eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Deshalb kann deutschen Volkszugehörigen, die einen Aufnahmebescheid besitzen, auch abweichend von §§ 2 bis 8 der Anwerbestoppausnahmeverordnung eine Arbeitserlaubnis erteilt werden (§ 10 ASAV).
Gegen diese Gesetzesauslegung wird teilweise eingewandt, dass Spätaussiedler zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft auf Antrag eine Bescheinigung hierüber erhalten und die Entscheidung über die Ausstellung dieser Bescheinigung für alle Behörden und Stellen verbindlich ist, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach dem BVFG oder einem anderen Gesetz zuständig sind (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG). Hieraus wird die Folgerung gezogen, dass das Bundesverwaltungsamt durch den Aufnahmebescheid über die Spätaussiedlereigenschaft und die deutsche Volkszugehörigkeit lediglich vorläufig entscheidet und die endgültige Entscheidung das örtliche Vertriebenenamt im Bescheinigungsverfahren trifft (z. B. OVG Hamburg u. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dieser Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.
Während der Aufnahmebescheid ausschließlich Auskunft über die Eigenschaft eines Spätaussiedlers im Falle der Einreise gibt und die Grundlage für die Teilnahme am Aufnahmeverfahren bildet, dient die Bescheinigung nach § 15 BVFG ebenso wie der frühere Vertriebenenausweis zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft und ist für alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach dem BVFG oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Die Spätaussiedlerbescheinigung wirkt lediglich deklaratorisch und ist, falls eine andere als die Ausstellungsbehörde deren Bescheid nicht für zutreffend hält, von der Ausstellungsbehörde zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern oder aufzuheben (§15 Abs. 1 Satz 3 BVFG). Demgegenüber bedurfte es für den Aufnahmebescheid keiner ausdrücklichen Regelung der Bindungswirkung, weil er lediglich für das Aufnahmeverfahren Bedeutung hat und hieran auch das aufnehmende Land beteiligt ist und die Einreise aufgrund des Aufnahmebescheids im Aufnahmeverfahren zum Erwerb des Status nach Art. 116 Abs. 1 GG führt, der schon seiner Natur nach allgemein verbindlich wirkt und dessen Bestand allein nach den für die Deutscheneigenschaft geltenden allgemeinen Regeln überprüft werden darf.
Schließlich können gegen die hier vertretene Auffassung nicht mit Erfolg die staatsangehörigkeitsrechtlichen Veränderungen für Statusdeutsche aufgrund des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I, S. 1618) mit Erfolg eingewandt werden. Nach § 7 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erwirbt ein Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, mit der Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder 2 BVFG die deutsche Staatsangehörigkeit, und nach § 40a StAG hat jeder Statusdeutsche mit Wirkung vom 1. August 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erworben, wobei der Staatsangehörigkeitserwerb für einen Spätaussiedler, seinen nichtdeutschen Ehegatten und seine Abkömmlinge im Sinne von § 4 BVFG von der Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung vor diesem Zeitpunkt abhängt. Mit diesen Regelungen sollten die bis dahin möglichen Verfahren zur Einbürgerung von Statusdeutschen nach § 6 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. Februar 1955 (BGBl. I, S. 65; zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15.07.1999, a.a.O.) für Vergangenheit und Zukunft erübrigt werden. Es kann fraglich erscheinen, aus welchem Grund die automatische Überleitung von Spätaussiedlern in die deutsche Staatsangehörigkeit sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft von einer Spätaussiedlerbescheinigung abhängig gemacht worden ist (vgl. dazu Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, demn. 3. Aufl., 2001, § 7 StAG Rdnr. 16 f.; Silagi, ZAR 2000, 3). Angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Erklärung hierfür im Gesetzgebungsverfahren ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber Statusdeutsche nicht ohne eine förmliche Bestätigung in die deutsche Staatsangehörigkeit überführen wollte und ihm der Aufnahmebescheid hierfür nicht ausreichend erschien, da dieser allein noch nichts über den Rechtsstatus besagt, sondern für den Statuserwerb zusätzlich die tatsächliche Aufnahme des Spätaussiedlers in Deutschland erforderlich ist. Ungeachtet dessen rechtfertigen aber die Neuregelungen des §§ 7, 40a StAG nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe der Einreise im Aufnahmeverfahren und damit im Aufnahmebescheid keine rechtliche Bedeutung im Rahmen von Art. 116 Abs. 1 GG zumessen wollen. Im Gegenteil: Die Überleitung in die deutsche Staatsangehörigkeit setzt gerade außer der Erteilung der Spätaussiedlerbescheinigung den zuvor erfolgten Statuserwerb voraus, und hierfür kommt als konstitutiver Akt nach geltendem Recht allein die Aufnahme im Aufnahmeverfahren in Betracht.
Nach alledem neigt der beschließende Senat zu der Auffassung, dass der Gesetzgeber durch die Einführung eines vom Ausland aus zu beantragenden und von einer zentralen Bundesbehörde nach Prüfung der persönlichen Angaben, der vorgelegten Nachweise und zusätzlicher amtlicher Aufklärung zu erteilenden Aufnahmebescheids und eines formalisierten Aufnahmeverfahrens die Grundlage für eine Aufnahme im Bundesgebiet im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG hat schaffen wollen. Mit Wortlaut, Sinn und Zweck des zentralen Aufnahmeverfahrens vor einer Bundesbehörde wäre es nicht vereinbar, dem Aufnahmebescheid und damit auch der Aufnahme lediglich einen vorläufigen Charakter zuzusprechen und die endgültige Entscheidung über die Eigenschaft als Statusdeutscher den örtlich zuständigen Vertriebenenämtern der Länder zu übertragen mit der Folge, dass diese außer über die Spätaussiedlereigenschaft auch über den Deutschenstatus - unter Umständen unter Abweichung von den Feststellungen des Bundesverwaltungsamts - befinden könnten. Dem widerspricht auch nicht der dem Aufnahmebescheid überlicherweise - wie auch im vorliegenden Fall - beigefügte Hinweis auf die Entscheidung über die Spätaussiedlereigenschaft "in einem anderen Verwaltungsverfahren".
Der beschließende Senat kann zwar für seine Rechtsauffassung nicht auf eine ausdrückliche Klärung des Verhältnisses zwischen Aufnahmebescheid und Spätaussiedlerbescheinigung durch das Bundesverwaltungsgericht verweisen, sieht sich aber insbesondere durch zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts letztlich bestätigt. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 1997 (a.a.O.) im Falle eines 1991 nach Erteilung eines Aufnahmebescheids nach Deutschland eingereisten kasachischen Staatsangehörigen ausgeführt: "Die Aufnahme im Sinne des Art. 116 GG erfolgt nunmehr durch die Erteilung eines Aufnahmebescheids nach §§ 26, 27 BVFG, wobei dahinstehen kann, ob dies der einzige Weg ist, um Aufnahme im Sinne des Art. 116 GG finden zu können... . Dem Kläger ist nämlich ein - nicht zurückgenommener - Aufnahmebescheid erteilt worden." In dem Urteil vom 19. April 1994 - 9 C 20.93 - (BVerwGE 95, 311 = NVwZ 1994, 1107 = DVBl. 1994, 935 = DÖV 1994, 1043 = VBlBW 1994, 480) heißt es zum Verhältnis zwischen Aufnahmebescheid und Vertriebenenausweis unter anderem: "Die für die Ausstellung zuständige Behörde hat ... die notwendigen Feststellungen eigenständig und auf Behördenebene letztverantwortlich zu treffen, so dass die im Aufnahmeverfahren erfolgte Prüfung der Voraussetzung der deutschen Volkszugehörigkeit nur eine vorläufige sein kann. Demgegenüber erschöpft sich der Regelungsinhalt des Aufnahmebescheids in der 'Aufnahme' und die positive Äußerung des aufnehmenden Landes dazu in der 'Zustimmung'. Lediglich als Vorfrage haben das Bundesverwaltungsamt und das aufnehmende Land die deutsche Volkszugehörigkeit zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist indessen lediglich der Grund für die von ihnen getroffene Entscheidung. Sie gehört jedoch nicht zu ihrem Regelungsinhalt... . Das bedeutet, dass zwar bei Vorliegen eines Aufnahmebescheids wegen der ihm insoweit zukommenden Tatbestandswirkung im Ausweiserteilungsverfahren nicht in Frage gestellt werden kann, dass das Verlassen des Vertreibungsgebiets im Wege der Aufnahme bzw. im Wege des Aufnahmeverfahrens erfolgt ist, jedoch eine Bindung, wie sie in § 15 Abs. 5 BVFG a. F. vorgesehen ist, hinsichtlich der Frage der deutschen Volkszugehörigkeit im Verhältnis zum Bundesverwaltungsamt und zur Zustimmungsbehörde nicht besteht." Aus diesen beiden Entscheidungen wird deutlich, dass auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Voraussetzungen und Inhalt des Aufnahmebescheids einerseits und der Spätaussiedlerbescheinigung bzw. des Vertriebenenausweises andererseits sich grundlegend unterscheiden und dass auch die Rechtsfolgen beider Bescheide vom Gesetzgeber unterschiedlich ausgestaltet sind und infolge dessen einzelne Inzidentfeststellungen in dem jeweiligen Erteilungsverfahren keine Bindungswirkung gegenüber dem anderen Verfahren besitzen. Argumente für eine "Vorläufigkeit" des Aufnahmebescheids und der statusrechtlichen Folgen der Aufnahme können daraus nicht abgeleitet werden.
Da es sich bei der Antragstellerin zu 1) nach alledem sehr wahrscheinlich um eine Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit handelt, erweist sich die ausländerbehördliche Aufforderung zur Vorlage ihres kasachischen Passes als sehr wahrscheinlich rechtswidrig. Dasselbe gilt für den Kläger zu 2), der als Ehemann sehr wahrscheinlich an dem Statuserwerb der Klägerin zu 1) teilgenommen hat.
Obwohl sich der ausländerbehördliche Bescheid vom 5. November 1998 danach nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist, überwiegen die privaten Interessen der Antragsteller daran, ihren kasachischen Pass der Ausländerbehörde zunächst nicht vorlegen zu müssen, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angegriffenen Verfügung. Wären die Antragsteller zur sofortigen Vorlage ihrer Reisepässe gezwungen und würden diese von der Ausländerbehörde in Verwahrung genommen, liefen die Antragsteller Gefahr, von der Ausländerbehörde weiter als Ausländer behandelt und mit Hilfe der in Verwahrung genommenen Pässe abgeschoben zu werden. Dies kann ihnen nicht zugemutet werden, weil damit zumindest vorübergehend die Rechtsfolgen des Statuserwerbs nach Art. 116 Abs. 1 GG gefährdet wären.
Die Entscheidungen über die Kosten des gesamten Verfahrens und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 analog GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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