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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.2003
Aktenzeichen: 12 TG 2339/03
Rechtsgebiete: AuslG, EUVisaVO, SDÜ


Vorschriften:

AuslG § 3
AuslG § 8
AuslG § 17
AuslG § 23
EUVisaVO
SDÜ Art. 20
1. Rumänische Staatsangehörige gehören nicht zu der Gruppe der Positivstaater, die nach deutschem Recht ohne Visum als Besucher einreisen und sich bis zu drei Monaten in Deutschland aufhalten dürfen, ihnen ist aber kraft Gemeinschaftsrechts sowohl das Überschreiten der EU-Außengrenzen (ausgenommen im Vereinigten Königreich und Irland) für einen kurzfristigen Aufenthalt als auch der anschließende Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengen-Vertragsstaaten bis zur Dauer von drei Monaten innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Einreise erlaubt.

2. Es spricht sehr viel dafür, dass eine bereits bei der Einreise bestehende Absicht des Drittstaatsangehörigen, den Aufenthalt über die danach vorgesehene visumfreie Dauer hinaus auszudehnen (z.B. Beispiel nach der Eheschließung mit einem Unionsbürger), der gemeinschaftsrechtlichen Visumfreiheit für Kurzaufenthalte anders als nach deutschem Recht entgegensteht mit der Folge, dass sich die Einreise als rechtswidrig darstellt.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 TG 2339/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Lehmann, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich

am 29. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. August 2003 untersagt, vor der Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin vom 14. Juli 2003 gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 7. Juli 2003 Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin zu ergreifen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4 000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde weiterhin vorläufigen Rechtsschutz gegenüber dem ausländerbehördlichen Bescheid vom 16. April 2003 über die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung und die Androhung der Abschiebung begehrt, erweist sich diese mangels Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 VwGO) und im Übrigen auch wegen Fortfalls des Rechtsschutzinteresses als unzulässig. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend entschieden hat, scheitert die von der Antragstellerin begehrte Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung schon am Ablauf der Dreimonatsfrist nach Beendigung des visumfreien Aufenthalts und im Übrigen auch daran, dass der angestrebte zeitlich und gegenständlich begrenzte Aufenthaltszweck der Eheschließung inzwischen überholt ist. Hiergegen hat die Antragstellerin mit der Beschwerde keine Bedenken vorgebracht, gleichwohl aber den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausdrücklich auch hinsichtlich des Bescheids vom 16. April 2003 aufrecht erhalten.

Hinsichtlich des ausländerbehördlichen Bescheids vom 7. Juli 2003 über die ehebezogene Aufenthaltserlaubnis ist die Beschwerde nach der hier angezeigten Auslegung der förmlichen Anträge zulässig und zum Teil auch begründet.

Soweit die Antragstellerin ihren Rechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Versagung der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis weiterverfolgt, ist dieser, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, unzulässig, ohne dass es in diesem Zusammenhang auf die Erlaubtheit der Einreise (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG) ankommt. Der zugrunde liegende Genehmigungsantrag (Anwaltsschriftsatz vom 30. Juni 2003, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 4. Juli 2003) hat nämlich eine Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 2 oder 3 AuslG nicht ausgelöst, weil die Antragstellerin damals aufgrund des Bescheids vom 16. April 2003 weiterhin ausreisepflichtig und noch nicht ausgereist war (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 AuslG). Auch insoweit stellt sich die Beschwerde dem Wortlaut der Anträge nach als unzulässig dar, da Einwände gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Ausschluss der gesetzlichen Aufenthaltsrechts- oder Duldungsfiktion aufgrund von § 69 Abs. 2 Nr. 3 AuslG nicht erhoben werden. Hinzu kommt, dass in dem zweiten Bescheid die Abschiebung nicht angedroht ist, die Antragstellerin sich also nicht mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen deren gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzug wenden kann.

Unter diesen Umständen ist der Rechtsschutzantrag der Antragstellerin in einen solchen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorübergehenden Untersagung der Abschiebung umzudeuten (§ 123 Abs. 1 VwGO), weil dies dem erkennbaren Willen der Antragstellerin entspricht (vgl. §§ 82, 86 Abs. 3, 88 VwGO). Zwar hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin einen dahingehenden Antrag ausdrücklich weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren formuliert, sondern mit der Beschwerde nur Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich beider Ablehnungsbescheide gestellt. Die Beschwerdebegründung zielt aber inhaltlich so eindeutig auf die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach der am 26. Juni 2003 erfolgten Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen ab, dass hier nicht allein auf die Einhaltung der formellen Antragserfordernisse nach § 80 Abs. 5 VwGO abgestellt werden kann. Im Interesse einer sachgerechten Antragstellung kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass das Verwaltungsgericht die nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis gerichteten Anträge ebenso als unzulässig angesehen hat wie den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis, sich aber gleichwohl an anderer Stelle, nämlich im Rahmen der sachlichen Überprüfung des Bescheids vom 16. April 2003, im Einzelnen zur Aussichtslosigkeit des Antrags auf eine ehebezogene Aufenthaltsgenehmigung geäußert hat. Wenn sich die Antragstellerin bei dieser nicht leicht durchschaubaren Verfahrenskonstellation mit der Beschwerdebegründung auf den aktuell allein interessierenden Wunsch nach einer auf ihre Ehe gestützten Aufenthaltsgenehmigung konzentriert und ohne Zweifel auf dieser Grundlage einen vorläufigen weiteren Verbleib in Deutschland anstrebt, dann kann sie trotz anwaltlicher Vertretung nicht an ihren formellen Beschwerdeanträgen festgehalten werden. Angesichts der Eilbedürftigkeit dieses Verfahrens wird darauf verzichtet, die Beteiligten auf diese Antragsauslegung hinzuweisen. Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass sie ihr Vorbringen in inhaltlicher Hinsicht unter diesem formalen Gesichtspunkt ändern oder ergänzen könnten.

Der Beschwerde ist insoweit stattzugeben, als der Antragsgegnerin Abschiebungsmaßnahmen bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juli 2003 zu untersagen sind, weil sonst die Verwirklichung eines der Antragstellerin wahrscheinlich zustehenden Aufenthaltsrechts zumindest wesentlich erschwert werden könnte und ihr dadurch voraussichtlich wesentliche Nachteile entstehen würden (§ 123 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen, nämlich über das Widerspruchsverfahren hinaus, ist die Beschwerde dagegen unbegründet.

Zumindest nach dem Beschwerdevorbringen sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass der Antragstellerin ein sicherungsfähiger Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung des Visumverfahrens, also ohne vorherige Ausreise zusteht.

Zwischen den Beteiligten ist nach dem beiderseitigen Vorbringen in diesem Verfahren unstreitig, dass die Antragstellerin nach ihrer Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen A. am 26. Juni 2003 grundsätzlich die von ihr unter dem 30. Juni 2003 beantragte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des ehelichen Zusammenlebens verlangen kann (§§ 17, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG).

Soweit die Ausländerbehörde in dem zeitweiligen unrechtmäßigen Aufenthalt einen Ausweisungsgrund erblickt (§§ 46 Nr. 2, 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), der die Versagung der Aufenthaltserlaubnis im Wege des Ermessens ermöglicht (§ 17 Abs. 5 AuslG), hat die Rechtsverfolgung der Antragstellerin gewisse Erfolgsaussichten. Zum einen ist jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht sicher, ob überhaupt ein Ausweisungsgrund objektiv vorliegt. Der Antragstellerin könnte nämlich, wie nachfolgend auszuführen ist, ein rechtliches Abschiebungshindernis zur Seite stehen, das ihr einen Duldungsanspruch vermittelt und den Tatbestand des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG auch ohne den Besitz einer Duldungsbescheinigung entfallen lässt (dazu BVerfG-Kammer, 06.03.2003 - 2 BvR 397/02 -, EZAR 355 Nr. 34 = InfAuslR 2003, 185), oder der Regelverstoß könnte als einmalig oder im Hinblick auf die Bedeutung der Ehe als geringfügig anzusehen sein und daher nicht zur Ausweisung taugen (§ 46 Nr. 2 AuslG). Zum anderen ist bis zur Klärung der näheren Umstände der Einreise der Antragstellerin und deren Pläne für eine Eheschließung nicht abschließend darüber zu befinden, ob die Ausländerbehörde von dem ihr nach § 17 Abs. 5 AuslG eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

Soweit sich die Ausländerbehörde an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis deswegen gehindert sieht, weil die Antragstellerin ohne das erforderliche Visum eingereist sei (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) und die Aufenthaltserlaubnis auch nicht ausnahmsweise vom Inland aus einholen dürfe (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG i.V.m. § 9 DVAuslG), kann ihr grundsätzlich in rechtlicher Hinsicht zugestimmt werden. Gegen die tatsächlichen Annahmen bestehen allerdings aufgrund des Antrags- und des Beschwerdevorbringens so erhebliche Bedenken, dass es angezeigt erscheint, die insoweit maßgeblichen Tatsachen zunächst im Widerspruchsverfahren aufzuklären.

Ob die Antragstellerin ohne das erforderliche Visum, also unerlaubt eingereist ist und ihr daher eine Aufenthaltsgenehmigung ohne vorherige Ausreise grundsätzlich nicht erteilt werden darf (§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1, 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ob dies entsprechend der Auffassung der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts von einer schon bei der Einreise am 1. Dezember 2002 bestehenden Absicht zur Eheschließung abhängt und ob die Antragstellerin diese Absicht tatsächlich schon bei der Einreise hegte, ist im Ergebnis offen und kann jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht endgültig geklärt werden.

Die Antragstellerin ist rumänische Staatsangehörige und benötigte daher nach deutschem Recht als Negativstaaterin für Einreise und Aufenthalt eine Aufenthaltsgenehmigung in der Form des Visums. Hiervon wäre sie für einen Aufenthalt bis zu drei Monaten allenfalls befreit gewesen, wenn Rumänien zu den "Positivstaaten" gehörte; denn sie besaß einen gültigen Nationalpass und hat keine Erwerbstätigkeit aufgenommen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage I DVAuslG). Rumänien war und ist aber in der Anlage I zur DVAuslG nicht aufgeführt. Daher kann der Ausländerbehörde und dem Verwaltungsgericht nicht in der Feststellung gefolgt werden, die Antragstellerin gehöre als Rumänin zu dem privilegierten Personenkreis der Positivstaater.

Im Übrigen kann auch nicht ohne weiteres der in den angegriffenen Entscheidungen vertretenen Auffassung zugestimmt werden, eine über den Besuchsaufenthalt von längstens drei Monaten hinausgehende Absicht des weiteren Verbleibs oder einer Erwerbstätigkeit führe zum Fortfall der Visumbefreiung. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats kommt es auf eine derart überschießende Willensrichtung nicht an. Der Aufenthalt eines Positivstaaters wird zwar sofort mit Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder nach Ablauf der drei Monate rechtswidrig; weder die Erwerbstätigkeit noch das Überschreiten des visumfreien Zeitraums wirken sich aber auf die Erlaubtheit der Einreise und des sich daran anschließenden Aufenthalts aus (Renner Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 8 AuslG, Rdnr. 8 m. Nachw. d. Rspr.; anders allerdings Nr. 8.1.2. AuslG-VwV). Die von vornherein bestehende Absicht eines längeren Verbleibs oder einer Erwerbstätigkeit löst bei einem Negativstaater die Zustimmungsbedürftigkeit des Visums aus, wie sich aus dem ausdrücklich auf die innere Willensrichtung abstellenden Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DVAuslG ergibt - "aufhalten will" und "ausüben will" -, berührt aber bei einem Positivstaater angesichts der objektiven und eine bestimmte Absicht außer Acht lassenden Formulierungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG - "für Aufenthalte bis zu drei Monaten" und "keine Erwerbstätigkeit (§ 12) aufnehmen" - nicht die Befreiung vom Visumzwang für Einreise und kurzfristigen Aufenthalt. Mit dieser zeitlich und gegenständlich begrenzten Ausnahme von der Genehmigungspflicht (aufgrund § 3 Abs. 1 Satz 2 AuslG) ist der Positivstaater allerdings für einen weiteren Aufenthalt nicht von der in § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG vorgeschriebenen Einhaltung des Visumverfahrens befreit. Dies bestimmt sich allein nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AuslG i.V.m. § 9) DVAuslG.

Grundlegend anders stellt sich die Rechtslage aufgrund der einschlägigen unmittelbar anwendbaren europäischen Rechtsvorschriften dar, die Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht weder ihrem Wortlaut noch ihrem Inhalt nach erwähnt und offenbar in vollem Umfang vernachlässigt haben, obwohl diesen der Vorrang vor dem innerstaatlichen deutschen Recht zukommt. Rumänien war zunächst in der in der ersten Hälfte des Monats April 2001 in Kraft getretenen Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen kein Visum benötigen, mit dem Vermerk enthalten: "Siehe Artikel 8 Absatz 2", was bedeutete, dass die Visumfreiheit noch von einer vorherigen Entscheidung des EU-Rats abhängig war (Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Anlage II VO/EG Nr. 539/2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1 - EUVisaVO -; dazu allgemein Hess. VGH, 07.02.2003 - 12 TG 212/03 -, EZAR 011 Nr. 18). Diese Ratsentscheidung ist sodann im Dezember 2001 mit der VO/EU Nr. 2414/2001 (ABl. L 327 vom 12.12.2001, S. 1) erlassen worden mit der Folge, dass rumänische Staatsangehörige seit dem 1. Januar 2002 an der Grenze für Kurzaufenthalte keines Visums mehr bedürfen. Da der Visumzwang nach europäischem Rechtsverständnis nur den Grenzübertritt und nicht den anschließenden Aufenthalt betrifft (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 EUVisaVO, Fahrenbacher, ZAR 2002, 58; Welte, ZAR 2003, 273; Westphal/Stoppa, ZAR 2002, 315), widerspricht die danach für rumänische Staatsangehörige bestehende Visumfreiheit an den Außengrenzen der EU-Staaten (ausgenommen das Vereinigte Königreich und Irland) nicht in vollem Umfang dem oben festgestellten Visumzwang für eben diese Personen nach deutschem Recht. Als Zwischenergebnis ist danach festzuhalten: Rumänische Staatsangehörige benötigen für das Überschreiten der Außengrenzen kein Visum. Insoweit geht die EUVisaVO der DVAuslG und § 3 Abs. 1 AuslG vor.

Die wegen der gegenständlichen Beschränkung des Vorrangs verbleibende Frage der Erlaubnis für den der Einreise über die EU-Außengrenze nachfolgenden Aufenthalt ist mit Hilfe des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) zu beantworten (dazu u. zu Folgendem näher Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 2. Aufl., 2001, S.136 ff.). Nach Art. 1 Abs. 2 EUVisaVO sind zwar Drittstaatsangehörige von der Visumpflicht "für einen Aufenthalt, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet, befreit". Die Visumpflicht bezieht sich aber nach der in Art. 1 Abs. 1 EUVisaVO vorangestellten Definition nur auf das "Überschreiten der Außengrenzen Mitgliedstaaten" und damit nicht auf den anschließenden Aufenthalt. Diese Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass die EUVisaVO auf Art. 62 Nr. 2 Bst. b Ziff. i EG gestützt, wonach der EU die Kompetenz hinsichtlich des Überschreitens der Außengrenzen für "Visa für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monate" zusteht. Dagegen hat die Vorschrift des Art. 62 Nr. 3 EG über die Zuweisung der Kompetenz für die Festlegung der Bedingungen, unter denen Drittstaater im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten während eines solchen Kurzaufenthalts Reisefreiheit genießen, als Grundlage für die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den EU-Rechtsrahmen gedient (Beschluss des Rates vom 20.05.1999, ABl. L 176 vom 10.07.1999, S. 17, 20). Hiernach richtet sich der Aufenthalt im Anschluss an die Einreise nach Art. 20 Abs. 1 SDÜ, wonach sich sichtvermerksfreie Drittstaater bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der ersten Einreise frei im Schengen-Gebiet bewegen dürfen (zum früheren Verhältnis von Schengen-Visum und deutschem Recht vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, 26.11.2001 - 18 B 242/01 -, EZAR 017 Nr. 19).

Stellt sich danach der Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland im Anschluss an die Einreise über eine EU-Außengrenze aufgrund Art. 20 Abs. 1 SDÜ in dem dort beschriebenen zeitlichen Rahmen grundsätzlich als rechtmäßig dar, bleibt wie im deutschen Recht die Frage nach Bedeutung und Rechtsfolgen eines etwa bei ihr schon für den Zeitpunkt des Grenzübertritts feststellbaren Willens zur Eheschließung mit einem Deutschen und damit zum mehr als nur kurzfristigen Verbleib in Deutschland. Weder in der bisherigen Rechtsprechung des Senats noch vom Bundesverwaltungsgericht oder anderen Oberverwaltungsgerichten ist geklärt, welchen Einfluss ein solchermaßen überschießender Willen auf die Rechtmäßigkeit der Einreise und des Aufenthalts hat. Sehr viel spricht dafür, dass die Absicht, den Aufenthalt über die erlaubte Zeit hinaus auszudehnen, die Visumfreiheit und damit auch den erlaubnisfreien Kurzaufenthalt im Schengen-Gebiet entfallen lässt (so auch Westphal/Stoppa, aaO, S. 137. Die Kompetenz der EU umfasst nämlich nur Visa "für geplante Aufenthalte" von bis zu drei Monaten Dauer (Art. 62 Nr. 2 Bst. b Ziff. i EG), und das Visum ist als Genehmigung für die Einreise "zum Zwecke eines Aufenthalts" von bis zu drei Monaten definiert (Art. 2 EUVisaVO). Diese Wortlaute folgen aus der Begrenztheit des der EU zukommenden Regelungsumfangs, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er nur den Einreisevorgang und diesen nur für einen zeitlich begrenzten Aufenthaltszweck umfasst.

Nach alledem ist die Befreiung vom Genehmigungserfordernis für Einreise und Kurzaufenthalt nach Gemeinschaftsrecht davon abhängig, ob die Antragstellerin beim Überschreiten der EU-Außengrenzen (wahrscheinlich nach der Landung mit dem Flugzeug in Deutschland) bereits die spätere Eheschließung und damit einen längeren Aufenthalt in Deutschland beabsichtigt hat. Hierzu fehlt es bisher an brauchbaren Anhaltspunkten. Insbesondere ist nicht festgestellt, ob die Antragstellerin ihre Wohnung und ggf. ihre Arbeitsstelle in Rumänien gekündigt und ob sie über den Reisebedarf hinaus Bekleidung, andere Gebrauchsgegenstände, Wertsachen und Urkunden sowie finanzielle Mittel mitgeführt hat. Ungeklärt ist auch, ob sie schon in Rumänien Heiratsvorbereitungen getroffen und hierfür notwendige Unterlagen nach Deutschland mitgebracht hat. Für eine von vornherein bestehende Absicht eines Daueraufenthalts spricht die Erklärung in dem Schriftsatz vom 15. Mai 2003, die Antragstellerin und Herr A. seien bereits seit Frühjahr 2002 verlobt und ein Paar, Herr A. habe bereits am 1. November 2002 das örtliche Standesamt wegen eines Merkblatts für die Eheschließung aufgesucht und beide gemeinsam dann am 16. Dezember 2002 zur Anmeldung der Eheschließung. Wenn demgegenüber nunmehr mit der Beschwerde geltend gemacht wird, sie hätten sich im Frühjahr 2002 während eines Aufenthalts des Herrn A. in Rumänien kennen gelernt und dann in Brief- und Telefonverbindung mit einander gestanden und die Antragstellerin sei bei der Einreise keineswegs unverrückbar zur Eheschließung entschlossen gewesen, sondern habe zunächst prüfen wollen, ob sie diese Verbindung eingehen wolle, dann kann diese Darstellung der inneren Willenslage mangels gegenteiliger objektiver Umstände jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht entkräftet werden. Hierzu bedarf es vielmehr der weiteren Aufklärung insbesondere der oben genannten persönlichen Verhältnisse im Widerspruchsverfahren.

Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Antragstellerin schon bei der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt geplant hat, kann ihr nicht sofort eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, weil sie, wie Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht richtig erkannt haben, für den Daueraufenthaltszweck der Führung ihrer Ehe im Inland ungeachtet der Art ihrer Einreise grundsätzlich der Visumpflicht unterliegt (§ 3 Abs. 3 AuslG). Ob sich die Antragstellerin insoweit auf einen der in § 9 DVAuslG enumerativ aufgeführten Befreiungstatbestände berufen kann, erscheint dem Senat nicht sicher. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die dort in Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 enthaltene Regelung auf die Antragstellerin nicht anwendbar, weil sie nicht zu der Gruppe der Positivstaatern zählt. Sie hat aber, wie bereits ausgeführt, sehr wahrscheinlich durch ihre Eheschließung einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis erworben (§§ 17, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), und insoweit kommt es auch nicht auf eine erlaubte Einreise an (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG). Es erscheint dem beschließenden Senat aber nicht sicher, ob der Aufenthalt der Antragstellerin die insoweit verlangten weiteren Anforderungen erfüllt. Ihr Aufenthalt war nämlich im Zeitpunkt des Antrags vom 30. Juni 2003 weder rechtmäßig noch gestattet noch geduldet im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAuslG, und die damals bestehende Ausreisepflicht und die Abschiebungsandrohung vom 16. April 2003 waren zu diesem Zeitpunkt allem Anschein nach vollziehbar (§ 9 Abs. 2 Satz 2 DVAuslG). Insofern könnte sich aber nach dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren eine Änderung ergeben haben, die Anlass zur Aussetzung der Abschiebung aus Rechtsgründen und zur Erteilung einer Duldung jedenfalls für den gegenwärtigen Zeitpunkt gibt (§§ 55 Abs. 2, 56a AuslG) und damit als Aufenthaltsgrundlage für eine Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung des Visumverfahrens bietet (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG).

Ob der Antragstellerin bei Nichterfüllung der Voraussetzungen für eine ehebezogene Aufenthaltserlaubnis wegen Bestehens nicht selbst zu vertretender Abschiebungshindernisse eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden könnte oder müsste (§ 30 Abs. 3 AuslG), kann hier offen bleiben. Gerade beim Eingreifen absoluter Versagungsgründe kommt ein Rückgriff auf diese Vorschrift in Betracht (dazu BVerwG, 09.12.1997 - 1 C 19.96 -, BVerwGE 106, 13 = EZAR 020 Nr. 8). Dies kann aber nicht dahin verstanden werden, dass beim Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Nachzug (§§ 17, 18 AuslG) im Falle des Absehens vom Visumverfahren (§ 9 Abs. 2 DVAuslG) bei Ehegatten immer hilfsweise die Möglichkeit einer Aufenthaltsbefugnis zu prüfen ist. Denn zunächst ist zugrunde zu legen, dass der Gesetz- und der Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften den Anforderungen des Eheschutzes aus Art. 6 GG Genüge getan haben und nicht über den Umweg von Abschiebungshindernissen, die nur auf der Nichterfüllung der Nachzugsvoraussetzungen und der Unzumutbarkeit von Trennungszeiten beruhen, ein neuer Zuwanderungskanal für Ehegatten eröffnet wird. Ungeachtet dessen würde sich die von der Ausländerbehörde ausgesprochene und vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig gewertete Ablehnung einer Aufenthaltsbefugnis bei summarischer Überprüfung ebenso wie die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als fehlerfrei darstellen, wenn sich die Voraussetzungen für eine Duldung und damit für das Absehen vom Visumverfahren nicht nachweisen lassen.

Wie die Antragstellerin unter Berufung auf Telefonate mit Bediensteten des rumänischen Konsulats in Bonn schlüssig und nachvollziehbar darlegt, drohen ihr nämlich bei einer Rückkehr nach Rumänien wegen des ungenehmigten Auslandsaufenthalts empfindliche Sanktionen in der Weise, dass eine Ausreisesperre von mindestens einem Jahr verhängt und ihr Reisepass nicht verlängert wird. Ob dieses Vorbringen zutrifft, ist bisher nicht zureichend aufgeklärt. Die Ausländerbehörde hat zwar in einem Aktenvermerk über ein Telefonat mit dem Leiter der Visastelle der deutschen Botschaft in Bukarest dessen gegenteilige Darstellung festgehalten ("Das ist absoluter Blödsinn und völlig aus der Luft gegriffen."). Diese Feststellungen sind der Antragstellerin vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht bekannt gegeben worden, so dass sie hierzu zunächst nicht Stellung nehmen konnte. Vor allem aber liegt eine Antwort auf das Schreiben des Bevollmächtigten an die deutsche Botschaft in Rumänien vom 22. August 2003 bisher nicht vor, mit der Aufschluss über die rumänischen Staatsangehörigen nach einem illegal ausgedehnten Auslandsaufenthalt drohenden Sanktionen gegeben werden könnte. Zuverlässige sonstige Informationen über diesen Fragenkomplex, insbesondere über die rumänische Rechtslage und die dort geübte Straf- und Verwaltungspraxis, liegen dem Senat nicht vor. Eine Klärung kann am besten in dem laufenden Widerspruchverfahren erfolgen. Ein Auskunftsersuchen des Senats an das Auswärtige Amt würde die Entscheidung über Gebühr verzögern.

Unter diesen Umständen ist bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht nur ein sicherungsfähiger Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsgenehmigung wahrscheinlich als gegeben anzusehen, sondern gleichzeitig auch ein Anordnungsgrund. Bis zur Klärung der geltend gemachten Abschiebungshindernisse stehen einem Sofortvollzug der angedrohten Abschiebung rechtliche Hindernisse entgegen, weil die Antragstellerin an der (tatsächlichen, wenn auch noch nicht unbedingt rechtlich abgesicherten) Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann in Deutschland auf möglicherweise längere Dauer gehindert wird. Daher erscheint die Abschiebung der Antragstellerin jedenfalls bis zu einer zuverlässigen Feststellung im Widerspruchsverfahren, ob ihr bei einer Rückkehr in Rumänien die von ihr behaupteten staatlichen Repressionen drohen, nicht vertretbar. Die mit einer sofortigen Rückkehr nach Rumänien für die Antragstellerin verbundenen Aufwendungen und Gefahren sind als gewichtiger einzuschätzen als die vorübergehende Hinnahme eines weiteren Aufenthalts ohne gesicherte Rechtsgrundlage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des Visumzwangs hat daher vorläufig hinter die ehebedingten privaten Belange der Antragstellerin zurückzutreten.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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