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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.10.2003
Aktenzeichen: 12 TG 2390/03
Rechtsgebiete: AuslG, EMRK, GG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 8 Abs. 2
AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 47 Abs. 1
EMRK Art. 8
GG Art. 6 Abs. 1
VwGO § 48 Abs. 1
VwGO § 55 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
1. Der Regelungen des deutschen Ausländerrechts über Zuzug, Aufenthalt und Ausweisung von Familienangehörigen entsprechen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK.

2. Können familiäre Belange nach diesem System nicht berücksichtigt werden, z. B. bei einer Ist-Ausweisung, kommt zum Schutz von Ehe und Familie die Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis in Betracht.

3. In diesem Fall ist die Vereinbarkeit der Ausweisungsfolgen mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK im Verfahren um die Abschiebung zu prüfen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 TG 2390/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich

am 13. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Mit der Beschwerde wird ausweislich des Antrags in dem Schriftsatz vom 19. September 2003 vorläufiger Rechtsschutz ausschließlich gegen den Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung und der dort enthaltenen Abschiebungsandrohung begehrt, nicht jedoch hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis in dem ausländerbehördlichen Bescheid vom 8. November 2002. Das Verwaltungsgericht hat bezüglich der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis die Zulässigkeit des Rechtsschutzantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO unterstellt und diesen Antrag als unbegründet angesehen und abgelehnt. Mit der Beschwerde wird der verwaltungsgerichtliche Beschluss insoweit nicht angegriffen mit der Folge, dass dem beschließenden Senat eine Überprüfung insoweit verwehrt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Die Beschränkung auf die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung ergibt sich nicht nur aus dem insoweit eindeutig formulierten Beschwerdeantrag, sondern auch aus den einleitenden Bezeichnungen des Beschwerdegegenstands in den Schriftsätzen vom 23. August 2003 ("wegen Ausweisung") und vom 19. September 2003 ("wegen Abschiebung") sowie aus der Beschränkung der Beschwerdebegründung auf das Vorliegen eines rechtlichen Abschiebungshindernisses aufgrund von Art. 8 EMRK.

2. Bei dieser Auslegung kann die Beschwerde hinsichtlich der Ausweisungsverfügung schon deswegen keinen Erfolg haben, weil der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz insoweit unzulässig ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht, ohne dass dies von der Beschwerde beachtet wird, zutreffend ausgeführt hat, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ausweisungsverfügung deshalb unzulässig, weil die Ausländerbehörde insoweit nicht die sofortige Vollziehung angeordnet hat und dem Widerspruch damit von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).

Im Übrigen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung, die als Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 16 Hess. AGVwGO), zwar statthaft, es erscheint aber fraglich, ob in diesem Zusammenhang überhaupt Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden können. Selbst wenn nämlich eines der Abschiebungshindernisse nach §§ 51, 53, 54 und 55 AuslG festgestellt wird, hindert dies nicht den Erlass einer Abschiebungsandrohung (§ 50 Abs. 3 Sätze 1 und 3 AuslG), und zwar auch bei nicht auf einen Zielstaat bezogenen Hindernissen wie den hier nach § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geltend gemachten. Damit ist auch eine Bezeichnung des Staats ausgeschlossen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG; VGH Baden-Württemberg, 04.03.1999 - 13 S 742/98 -, EZAR 044 Nr. 15). Außerdem spricht gegen die Zulässigkeit der hier vorgebrachten Einwände im Rahmen der Überprüfung der Abschiebungsandrohung, dass die in § 55 Abs. 2 AuslG genannten Duldungsgründe grundsätzlich bereits bei der Entscheidung über die Ausweisung zu berücksichtigen sind (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG). Allerdings ist eine derartige Berücksichtigung von Abschiebungshindernissen bei der Entscheidung über die Ausweisung ausgeschlossen, wenn es sich wie hier um eine Ist-Ausweisung oder gegebenenfalls um eine Regel-Ausweisung handelt, bei der die Ausweisung der Ausländerbehörde zwingend vorgeschrieben und eine Beachtung der in § 45 Abs. 2 AuslG genannten Gründe allenfalls bei der Feststellung einer von der Regel des § 47 Abs. 2 AuslG abweichenden atypischen Fallkonstellation möglich ist (dazu Hess. VGH, 14.03.1996 - 12 TG 360/96 -, EZAR 030 Nr. 5 = ESVGH 46, 203 = AuAS 1996, 136). Schließlich wird - was hier zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen sein könnte - vereinzelt die Ansicht vertreten, das Verbot des Eingriffs in das Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK sei ohnehin nicht im Zusammenhang mit der Ausweisung, sondern nur bei der Bewertung der Abschiebungsandrohung als der letztlich den Aufenthalt beendenden Maßnahme zu berücksichtigen (vgl. Sennekamp, ZAR 2002, 136). Alle diese Fragen können hier jedoch letztlich offen bleiben, weil der auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützte Rechtsschutzantrag - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend angenommen hat - jedenfalls hilfsweise dahin auszulegen ist (§§ 88, 122 VwGO), dass der Antragsteller nach § 123 Abs. 1 VwGO die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum vorläufigen Unterlassen der Abschiebung begehrt.

3. Die Beschwerde bleibt jedoch auch dann ohne Erfolg, wenn zugunsten des Antragstellers angenommen wird, ein aus Art. 8 EMRK folgendes Abschiebungshindernis sei im vorliegenden Beschwerdeverfahren entweder im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 Abs. 1 VwGO zu überprüfen. Im Ergebnis zutreffend hat nämlich das Verwaltungsgericht entschieden, dass sich der Antragsteller für einen wenigstens vorläufigen weiteren Verbleib in Deutschland nicht mit Erfolg auf seine familiären Bindungen zu seiner als asylberechtigt anerkannten Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern berufen kann. Zu Unrecht meint der Antragsteller dagegen (unter Bezugnahme auf VG Sigmaringen, 30.06.2003 - 3 K 1104/03 -), der Schutz der gelebten Eltern-Kind-Beziehung begründe in seinem Fall trotz bestehender Ausreisepflicht aufgrund einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung ein rechtliches Abschiebehindernis.

Das System des Aufenthaltsrechts stellt sich hinsichtlich des Familienschutzes wie folgt dar:

Die Vorschriften des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und des Art. 8 EMRK gewährleisten unmittelbar weder Zuzugs- noch Aufenthaltsrechte von Eltern oder Kindern. Der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staats zum Schutz der Familie entspricht jedoch ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (BVerfG, 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1 = EZAR 105 Nr. 20). Dabei kommt es entscheidend nicht auf formal-rechtliche Beziehungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Einzelfall an (BVerfG-Kammer, 31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 -, EZAR 622 Nr. 37 = NVwZ 2000, 59). Unerheblich ist, ob die konkrete Betreuung auch von anderen Personen erbracht werden kann; denn der spezifischere Erziehungsbeitrag des Vaters ist nicht schon wegen entsprechender Betreuungsleistungen der Mutter entbehrlich, sondern kann eine eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben (BVerfG-Kammer, 01.08.1996 - 2 BvR 1119/96 -, FamRZ 1996, 1266; BVerfG-Kammer, 31.08.1999, a.a.O.). Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass angesichts der in Art. 6 Abs. 2 GG gewährleisteten und vom Staat zu respektierenden Autonomie der Eltern bei der konkreten Umsetzung ihrer elterlichen Pflichten und Rechte und der Ausgestaltung der gemeinsam getragenen Elternverantwortung die Erfüllung objektiv messbarer und bestimmbarer Mindestkriterien für die Annahme aufenthaltsrechtlich schützenswerter Betreuungsleistungen nicht verlangt werden kann (BVerfG-Kammer, 30.01.2002 - 2 BvR 231/00 -, EZAR 020 Nr. 18 = NVwZ 2002, 849).

Danach erfordern weder die verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie noch die menschenrechtliche Verpflichtung zur Achtung des Privat- und Familienlebens die Gewährung bestimmter Zugangs- und Aufenthaltsrechte von Familienangehörigen in einem bestimmten Verfahren. Vielmehr ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei in der Wahl der Mittel und Verfahren zum Zwecke der Berücksichtigung familiärer Interessen. Von dem ihm dabei zukommenden Ermessen hat er im Rahmen des allgemeinen Aufenthaltsrechts Gebrauch gemacht. Die Vorschriften der §§ 17 ff. AuslG über den Familiennachzug und der §§ 45 Abs. 2, 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 AuslG über den familienbezogenen Ausweisungsschutz stellen in hinreichender Weise sicher, dass der nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotene Schutz von Ehe und Familie bei den Entscheidungen über Zuzug, Aufenthalt und Ausweisung angemessen berücksichtigt wird. Familiäre Bindungen werden sowohl bei der Ermessensausweisung (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) als auch bei der Feststellung einer atypischen Fallgestaltung im Rahmen der Regelausweisung (dazu Hess. VGH, 14.03.1996, a.a.O.) berücksichtigt. Nur bei der Ist-Ausweisung ist eine Überprüfung im Lichte des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK nicht vorgesehen; hier verwehrt die gesetzliche Konstruktion jede Art von Verhältnismäßigkeitskontrolle (dazu Hess. VGH, 23.09.1996 - 13 TG 1316/96 -, NVwZ-RR 1997, 126 = FamRZ 1997, 748 = AuAS 1997, 3). Allerdings ist bei allen Arten von Ausweisung den Erfordernissen des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK noch dadurch Rechnung getragen, dass diese nicht auf Dauer einer erneuten Aufenthaltserlaubnis entgegensteht, sondern die Sperrwirkung auf Antrag oder von Amts wegen befristet (§ 8 Abs. 2 AuslG) und damit die Zeit des zwangsweisen Auslandsaufenthalts und der Trennung der Familie entsprechend verkürzt werden kann.

Falls es ausnahmsweise trotz einer gesetzeskonformen Versagung einer sonstigen Aufenthaltsgenehmigung und trotz einer rechtlich gebotenen Ausweisung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK nicht verantwortet werden kann, eine in Deutschland gelebte familiäre Gemeinschaft überhaupt, wenn auch nur kurzfristig zu trennen, kann ein Abschiebungshindernis im Sinne von §§ 30 Abs. 3, 55 Abs. 2 AuslG in Betracht gezogen werden, das die Erteilung einer Duldung und einer Aufenthaltsbefugnis ermöglicht (vgl. dazu BVerwG, 09.12.1997 - 1 C 19.96 -, BVerwGE 106, 13 = EZAR 020 Nr. 8). So kann zum Beispiel beim Ausschluss einer familienbezogenen Aufenthaltserlaubnis aufgrund von § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG in Betracht kommen (BVerwG, 04.06.1997 - 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35 = EZAR 021 Nr. 5). Teilweise wird in Fällen dieser Art die Erteilung einer Duldung befürwortet, damit ein Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zunächst einmal eingeleitet oder durchgeführt werden kann (VGH Baden-Württemberg, 05.07.1999 - 13 S 1101/99 -, EZAR 045 Nr. 11 = NVwZ-Beil. 1999, 97; ähnlich VGH Baden-Württemberg, 29.03.2001 - 13 S 2346/00 -, EZAR 043 Nr. 49 = InfAuslR 2001, 283). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es dem gesetzlichen System von Aufenthaltsgenehmigung, Ausweisung, Abschiebung und Duldung zuwiderliefe, wenn ein sonst nicht bestehendes Aufenthaltsrecht über eine unzulässigerweise dauernd erneuerte Duldung und eine dann erteilte Aufenthaltsbefugnis erreicht werden könnte (im Ergebnis ebenso GK-AuslR, § 55 AuslG Rdnr. 23.2; Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 AuslG Rdnr. 17 f.; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rn: 7/404 ff., 627 ff.). Zumindest gilt dies bei aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK abgeleitete Bedenken gegen die Auswirkungen des Vollzugs der Abschiebung, die sich einzig und allein als notwendige Folge der mit der Ausweisung verfügten Beendigung des Aufenthalts darstellen (vgl. dazu näher VGH Baden-Württemberg, 09.07.2002 - 11 S 2240/01 -, EZAR 045 Nr. 21 = AuAS 2003, 2). Mit der Argumentation, jede Trennung eines Elternteils von minderjährigen Kindern beeinträchtige das Kindeswohl und greife damit in den grundgesetzlichen und menschenrechtlichen Schutz von Ehe und Familie unzulässigerweise ein, wird das gesetzliche Aufenthaltsrechtssystem insgesamt in Zweifel gezogen und letztlich die mangelnde Berücksichtigung des Kindeswohls in den Vorschriften des § 48 AuslG über den besonderen Ausweisungsschutz als grundsätzlich nicht ausreichend gewertet.

Nach alledem ist die Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung darin zu sehen, dass im Rahmen der Ist-Ausweisung familiäre Belange außer Betracht bleiben, weil der Gesetzgeber bei den Fallgruppen des § 47 Abs. 1 AuslG angesichts der besonderen Gefährlichkeit allgemein eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie eine Güter- und Interessenabwägung durch die Ausländerbehörde nicht für geboten gehalten hat (vgl. dazu Nr. 47.0.1.3, 47.1.0.1, 47.1.0.3 Satz 3 AuslG-VwV). Soll unter diesen Umständen der aus Art. 6 Abs. 1 GG und aus Art. 8 EMRK folgende Familienschutz nicht gänzlich leerlaufen, muss in Fällen der vorliegenden Art mittels eingehender Prüfung von rechtlichen Duldungsgründen nach § 55 Abs. 2 AuslG gewährleistet werden, dass nicht durch den Vollzug einer Ausweisung verfassungs- und menschenrechtlich nicht gebilligte Folgen für das Familienleben eintreten. Aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG ist die Prüfung rechtsstaatlicher Grundsätze (insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) auf Duldungsgründe und die Befristung der Ausweisungswirkungen beschränkt (so ausdrücklich auch Nr. 47.1.0.3 Satz 2 AuslG-VwV). Diese Konstruktion ist mit den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 2 EMRK vereinbar, weil mit diesen Normen nicht zwingend vorgegeben ist, auf welche Weise und insbesondere auf welcher Verfahrensstufe der Schutz des Ehe- und Familienlebens berücksichtigt wird (zur Prüfung von Art. 8 EMRK im Rahmen von § 55 Abs. 2 AuslG vgl. Nr. 55.2.5 AuslG-VwV). Entscheidend ist nur, dass das Ehe- und Familienleben nicht durch zwangsweise Trennung der Familienmitglieder den dort festgelegten materiellen Kriterien zuwider beeinträchtigt wird.

Im Falle des Antragstellers geht es nicht um vorläufige und kurzfristige Abschiebungshindernisse, sondern darum, dass er zunächst auf Dauer aus Deutschland ausgewiesen ist und er damit nach seiner Ausreise eine Rückkehr zu seiner Familie mit Hilfe einer ihm nach §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 2 AuslG zustehenden Aufenthaltserlaubnis nur erreichen kann, wenn zuvor die Wirkungen der Ausweisung befristet worden sind (§ 8 Abs. 2 AuslG). Der Antragsteller wendet sich damit nicht gegen kurzfristig infolge einer Trennung von seiner Familie auftretende Schwierigkeiten in den persönlichen Beziehungen zu seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern, also vollstreckungsbedingte Beeinträchtigungen des Ehe- und Familienlebens, die im Abschiebungsverfahren ungeachtet der materiellen Grundlagen der zu vollstreckenden Ausreisepflicht stets beachtet werden müssen, sondern gegen das Getrenntleben aufgrund seiner Ausreiseverpflichtung überhaupt. Damit kann er nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze zwar eine Überprüfung anhand von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 2 EMRK erreichen, letztlich kann er aber mit seinem Vorbringen nicht durchdringen, wie schon die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben. Dabei ist es für das Ergebnis ohne Bedeutung, dass die Ausländerbehörde familiäre Belange zusätzlich auch insofern berücksichtigt hat, als sie hilfsweise einen Erfolg der Einbürgerungsanträge der Ehefrau und/oder der Kinder des Antragstellers unterstellt und daher auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG die Möglichkeit einer Ausnahme von der Regelausweisung (vgl. §§ 47 Abs. 3 Satz 1, 48 Abs. 1 AuslG) untersucht hat.

Bei Anwendung der oben dargestellten Grundsätze auf den Fall des Antragstellers ist vorab festzustellen, dass dieser über kein Aufenthaltsrecht in Deutschland (mehr) verfügt und ausgewiesen ist und damit eine zumindest zeitweilige Trennung von seiner Ehefrau und von seinen minderjährigen Kindern einhergeht. Dabei handelt es sich um die gewöhnlichen Folgen der Ausweisung eines Familienvaters, die nach dem oben beschriebenen aufenthaltsrechtlichen System letztlich nur dadurch zeitlich begrenzt werden können, dass dem Antragsteller nach Befristung der Wirkungen der Ausweisung der Nachzug zu seiner Ehefrau erlaubt werden kann. Die Notwendigkeit der Ausreise und die damit verbundene zeitweilige Trennung der Familienmitglieder sind - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vereinbar, obwohl familiäre Bindungen in Fällen der vorliegenden Art bei der Ausweisung selbst nicht berücksichtigt werden können. Im Lichte dieser Normen nicht zu beanstanden sind die mit dem Vollzug der Ausreisepflicht verbundenen Trennungsfolgen aber auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände und Verhältnisse des Antragstellers und seiner Familie. Sie sind insbesondere im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

Aus der Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ergeben sich nur begrenzte Folgen für die staatliche Regulierung des Familiennachzugs (vgl. dazu Weichselbaum, ZAR 2003, 359 m. N. aus der Rspr. des EGMR), und im Rahmen der Überprüfung eines Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist auch nicht die Einwanderungspolitik des Aufenthaltsstaats zu kontrollieren (EGMR, 21.06.1988 - Nr. 3/1987/126/177, EZAR 935 Nr. 2 = InfAuslR 1993, 84). Das verfolgte Ziel muss aber mit der Schwere des Eingriffs in das Recht auf Achtung des Familienlebens in der Weise abgewogen werden, dass festgestellt wird, ob ein Eingriff notwendig in einer demokratischen Gesellschaft ist, also einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und insbesondere zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist (EGMR, a.a.O.). So kann etwa die Ausweisung unverhältnismäßig wirken, wenn der Ausländer im zweiten Lebensjahr eingereist ist, über zwanzig Jahre in seiner Familie oder nicht weit von ihr gelebt hat und die vorgeworfenen Straftaten einige Besonderheiten aufweisen, vor allem ausnahmslos in der Jugendzeit begangen sind (EGMR, 18.02.1991 - 26/1989/186/246, EZAR 935 Nr. 3 = InfAuslR 1991, 149 - Moustaquim). Als nicht verhältnismäßig erweisen kann sich eine Ausweisung auch dann, wenn die Ehegatten seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet sind und in dem Aufenthaltsstaat leben, keine Beziehung zu dem Heimatstaat des ausländischen Partners haben und die Vollziehung der Ausweisung die Ehe gefährden würde (EGMR, 26.03.1992 - 55/1990/246/317 -, EZAR 935 Nr. 4 = InfAuslR 1993, 86 - Beldjoudi). Unverhältnismäßig kann auch die Abschiebung eines mehrfach straffällig gewordenen Ausländers sein, der im Alter von fünf Jahren in den Aufenthaltsstaat übergesiedelt ist, dort seit dreißig Jahren zusammen mit seiner Familie lebt und aufgrund besonderer Umstände auf seine Familie angewiesen, weil er von Geburt an taubstumm und im Übrigen Analphabet ist und weder die Sprache des Herkunftsstaats seiner Eltern noch die Gebärdensprache beherrscht (EGMR, 13.07.1995 - Nr. 18/1994/465/564 -, EZAR 935 Nr. 5 = InfAuslR 1996, 1 - Nasri). Darüber hinaus kann die Abschiebung eines volljährigen Ausländers, der im Aufenthaltsstaat geboren ist, dort seine Ausbildung erhalten hat und eine eigene Familie gegründet hat und dessen Eltern und Geschwister ebenfalls dort leben, unverhältnismäßig sein, wenn er keine Bindungen zum Herkunftsland seiner Eltern mehr hat und seine minderjährigen Kinder die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaats besitzen (EGMR, 26.09.1997 - 25/1996/704/896 -, EZAR 935 Nr. 8 = NVwZ 1998, 164 - Mehemi). Schließlich kann das Aufenthaltsverbot gegen den ehelichen Vater eines minderjährigen Kindes nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 2 EMRK ungerechtfertigt sein, wenn nur eine vergleichsweise geringe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht und die Belange der zurückbleibenden Familienangehörigen nicht hinreichend gewürdigt wurden (EGMR, 31.10.2002 - 37295/97 -, demn. EZAR 935 Nr. 14 - Yildiz). Dagegen verfolgt der auf zehn Jahre befristete Ausschluss eines Ausländers vom Staatsgebiet wegen des Verbrauchs und des Handels mit Drogen ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist verhältnismäßig, wenn der Ausländer über seine Staatsangehörigkeit hinaus Bindungen an seinen Heimatstaat aufrecht erhält, keine engen Beziehung zu seinen im Inland lebenden Verwandten unterhält und die Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin erst nach Ausspruch der Ausweisung begründet (EGMR, 30.11.1999 - 34374/97 -, EZAR 935 Nr. 9 = InfAuslR 2000, 53 - T. I.). Darüber hinaus kann sich die Ausweisung eines seit seinem fünften Lebensjahr in dem Aufenthaltsstaat lebenden fünfundzwanzigjährigen Ausländers nach den Umständen des Einzelfalls als nicht unverhältnismäßig darstellen, wenn dieser zahlreiche schwere Straftaten begangen hat und zu Jugendstrafen von zusammen mehr als vier Jahren und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (EGMR, 04.10.2001 - 43359/98 -, demn. EZAR 935 Nr. 12 = NJW 2003, 2595 - Adam). Nach alledem sind die maßgeblichen Kriterien für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK neben der Schwere der Straftat die Aufenthaltsdauer des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der Betroffenen, deren familiäre Situation, Hinweise zur Effektivität des Familienlebens und die Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei der Eheschließung (EGMR, 02.08.2001 - 54273/00 -, demn. EZAR 935 Nr. 11 - InfAuslR 2001, 476 - Boultif). Unter Heranziehung dieser Gesichtspunkte kann die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltsrechts eines mit einer Inländerin verheirateten Ausländers nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ungerechtfertigt sein, wenn die Straftat bereits mehrere Jahre zurückliegt, der Ausländer nach der Haftentlassung längere Zeit straffrei geblieben ist und seiner Ehefrau ein Familienleben in seinem Heimatstaat nicht zugemutet werden kann (EGMR, Urteil Boultif, a.a.O.) - eine Fallkonstellation, die der vorliegenden in gewissem Umfang ähnelt.

Nach alledem ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Folgen der Aufenthaltsbeendigung für den Antragsteller nicht mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK unvereinbar sind. Dieser ist im Jahre 1992 im Alter von 20 Jahren eingereist, hält sich also erst seit gut zehn Jahren in Deutschland auf, wobei außer dem Zusammenleben mit Ehefrau und Kindern in den letzten Monaten zu berücksichtigten ist, dass er unter mehreren fremden Namen mehrere Asylverfahren betrieben hat, zeitweilig untergetaucht und auch im Ausland war und in den Jahren 1993 bis 1995 insgesamt achtmal mit Geldstrafen belegt worden ist, meistens wegen kleinerer Diebstähle, zuletzt aber auch wegen des Besitzes von Heroin. Schon aus diesen zahlreichen und nicht unerheblichen Regelverstößen in den ersten Jahren nach der Einreise wird erhellt, dass der Antragsteller keinerlei Anstrengungen unternommen hat, sich in Deutschland zu integrieren, sondern im Gegenteil die Rechtsordnung mehr oder weniger ständig missachtet hat. Vor allem aber sprechen Anzahl und Schwere der seit Beginn des Jahres 1994 begangenen Drogenstraftaten dafür, dass die mit der Aufenthaltsbeendigung verbundene Trennung des Antragstellers von seiner Familie nicht unverhältnismäßig ist. Mit rechtskräftigem Strafurteil vom 23. Juli 2001 ist der Antragsteller wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 50 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, wobei das Landgericht Mannheim für jede der 50 Taten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für tat- und schuldangemessen gehalten hat. Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht haben, ohne dass dies mit der Beschwerde in Zweifel gezogen wird, im Rahmen der Überprüfung nach Art. 8 Abs. 2 GG spezial- und generalpräventive Erwägungen für eine Ausweisung angestellt, sind dabei allerdings auf Einzelheiten nicht weiter eingegangen. Zu Lasten des Antragstellers fallen nicht nur die besondere Gefährlichkeit und die Menge des von dem Antragsteller gehandelten Rauschgifts Heroin ins Gewicht, sondern auch die große Anzahl der Straftaten, die auf eine ausgeprägte kriminelle Neigung und eine feste Absicht, sich die zum Leben notwendigen Existenzmittel mit Straftaten zu besorgen, schließen lässt. Dagegen ging es bei dem von dem EGMR entschiedenen Fall Boultif (a.a.O.) um eine einzige Straftat, die mit (nur) zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet wurde.

Unter diesen Umständen kann der Hinweis des Antragstellers darauf, dass die von ihm begangenen Straftaten schon längere Zeit zurückliegen, nicht zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Folgen der Ausweisung herangezogen werden; denn zu der Verzögerung der Strafverfolgung um einige Jahre hat vor allem das eigene Verhalten des Antragstellers entscheidend beigetragen, da dieser unter vier verschiedenen Aliasnamen aufgetreten ist und längere Zeit unbekannten Aufenthalts war. Zudem hat der Antragsteller die Ehe mit seiner irakischen Ehefrau in Albanien im März 1998 geschlossen, also einige Jahre nach Begehung der später abgeurteilten Straftaten und damit in Kenntnis der gegen die Gewährung eines Aufenthaltsrechts streitenden öffentlichen Interessen. Soweit sich der Antragsteller auf das Fehlen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr beruft, hat das Verwaltungsbericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller bisher wegen der längeren Abwesenheits- und Haftzeiten keine Möglichkeit der Bewährung in Deutschland hatte - er ist im vorigen Jahr auf Bewährung aus der Haft entlassen worden - und sein Verhalten im Strafverfahren dokumentiert, dass er nicht bereit ist, mit der Vergangenheit abzuschließen und reinen Tisch zu machen. Im Übrigen war die Ausländerbehörde auch nicht an die Bewertung des Wiederholungsrisikos durch die Strafvollstreckungskammer gebunden, die den Strafrest nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt hat. Dies hat das Verwaltungsgericht bereits näher ausgeführt und der Antragsteller nicht dadurch substantiiert in Zweifel gezogen, dass er die Auffassung vertritt, die zu besorgende konkrete Gefahr müsse im Hinblick auf den Familienschutz größer sein als das der Allgemeinheit durch die Strafaussetzung allgemein zugemutete Risiko. Denn im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allein entscheidend, ob der Eingriff in das Familienleben in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist und insbesondere in einem rechten Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht. Hierzu trägt der Antragsteller zwar vor, sein Leben habe mit der Gründung der Familie eine entscheidende Wende genommen. Dem muss aber entgegengehalten werden, dass der Zeitpunkt der Familiengründung nicht klar genug bezeichnet ist. Immerhin kennt der Antragsteller seine jetzige Ehefrau schon seit längerer Zeit (mindestens seit 1995) und hat sie im März 1998 in Albanien geheiratet, aber jedenfalls zunächst ein geordnetes Familienleben nicht geführt. Das erste gemeinsame Kind ist im April 1996 in Bad Nauheim geboren, als der Aufenthalt des Antragstellers den deutschen Behörden nicht bekannt war, und nach der Geburt des zweiten Kindes im August 1998 in Offenbach am Main wurde der Antragsteller bei der Durchsuchung der -Wohnung seiner Ehefrau angetroffen und wies sich mit einem griechischen Nationalpass aus, in den sein Passbild eingeklebt war. Danach kann die behauptete Stabilisierung im Anschluss an die Familiengründung jedenfalls ohne die Angabe näherer Einzelheiten nicht nachvollzogen werden.

Auch im Hinblick auf die Interessen der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder kann ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht festgestellt werden. Insoweit ist mit dem Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass die in der Vergangenheit aufgetretenen Trennungen des Antragstellers von seiner Familie infolge von Auslandsaufenthalten und Haftzeiten die familiäre Bindung des Antragstellers zu seiner Ehefrau und seinen Kindern offenbar nicht nachhaltig beeinträchtigt haben. Deren Interessen an einer Fortführung des gemeinsamen Lebens in Deutschland sind zwar als gewichtig anzusehen, da sowohl die Ehefrau als auch die Kinder asylberechtigt sind und daher nicht gefahrlos im Irak leben können, sondern zum dauernden Aufenthalt in Deutschland berechtigt sind. Ihre Belange haben aber gegenüber den in dem angegriffenen Beschluss dargestellten gewichtigen staatlichen Sicherheitsinteressen zurückzutreten.

Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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