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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: 12 TG 43/00
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 19
AuslG § 24 Abs. 1
AuslG §§ 45 ff.
1. Während nach geltendem Recht bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG für den Ehegatten, der Gewalt in der Ehe ausgesetzt war, nur im Falle einer "außergewöhnlichen Härte" entsteht, kann es nach dem Gesetzentwurf in BT-Drs. 14/2368 und 14/2902 zur Begründung einer danach verlangten "besonderen Härte" genügen, wenn eine türkische Frau bei einer Rückkehr in die Türkei nach einem kürzerem Aufenthalt in Deutschland von Diskriminierungen härter betroffen ist als zurückkehrende Männer.

2. Die Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltserlaubnis für den Ehegatten ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer selbst wegen Verwirklichung eines Ausweisungsgrundes (z.B. wegen Misshandlung des Ehegatten) eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nicht erlangen kann.


Gründe:

Der Antragstellerin ist für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, weil sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt und ihr vorläufiges Rechtsschutzbegehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 115, 121 ZPO).

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 30. Juni 1999 gegen die ausländerbehördliche Verfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 1999 zu Unrecht abgelehnt. Gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis und die darauf beruhende Abschiebungsandrohung bestehen nämlich erhebliche Bedenken, und im Hinblick darauf überwiegt das persönliche Interesse der Antragstellerin an einem vorläufigen weiteren Verbleib in Deutschland unter Berücksichtigung ihres besonderen Schicksals das öffentliche Interesse am Sofortvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen (vgl. BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG - Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).

Ob sich die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Widerspruchsverfahren als rechtmäßig erweisen wird, erscheint dem beschließenden Senat sehr zweifelhaft; denn es spricht sehr viel dafür, dass die Antragstellerin zu dem dann maßgeblichen Zeitpunkt die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG zumindest dann erfüllen wird, wenn zwischenzeitlich die Voraussetzungen hierfür aufgrund des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 14. Dezember 1999 (BT-Drs. 14/2368) geändert sein werden, dessen Annahme der Innenausschuss dem Bundestag empfohlen hat (vgl. BT-Drs. 14/2902).

Mit der am 1. Dezember 1997 in Kraft getretenen Neuregelung in § 19 Abs. 1 AuslG (Gesetz vom 29.10.1997, BGBl. I S. 2584) soll außergewöhnlichen Härten begegnet werden, die sich daraus ergeben, dass Ausländern - besonders Frauen - aus bestimmten Herkunftsländern bei der Rückkehr gerade wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft besondere Nachteile entstehen (BVerwG, 27.01.1998 - 1 C 28.96 -, EZAR 023 Nr. 12 = NVwZ 1998, 745, InfAuslR 1998, 279; vgl. auch BVerwG, 30.09.1998 - 1 B 92.98 -, InfAuslR 1999, 72; vgl. ferner Nr. 19.1.2.1 und 19.1.2.2 AuslG-VwV-E in BR-Drs. 672/98). Welche Fallgestaltungen im Einzelnen unter § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG subsumiert werden können, ist in Schrifttum und Rechtsprechung nicht geklärt (vgl. dazu Bericht des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2674, S. 22). Allein der Umstand, dass ein Ehegatte wegen physischer oder psychischer Misshandlung durch den anderen Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben hat, soll keine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne begründen (OVG Hamburg, 27.10.1999 - 3 Bs 344/99 -; OVG Rheinland-Pfalz, 03.02.1999 - 11 B 10100/99 -, EZAR 023 Nr. 16). Dagegen ist nach Ansicht des VG München (25.05.1998 - 8 K 98.1457 -, EZAR 023 Nr. 14) eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Rückkehr völlig unzumutbar wäre; vielmehr könnten im Einzelfall während der Ehe erlittene häufige Schläge, entwürdigende Sexualpraktiken und Demütigungen durch Beleidigungen sowie größte Schwierigkeiten bei der Gründung einer Existenz im Heimatstaat ausreichen.

Wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht, war nach dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf (BT-Drs. 13/4948, S. 8) vor allem vorgesehen, die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft wegen physischer und psychischer Misshandlung durch den Ehegatten als Anlass für die Annahme einer außergewöhnlichen Härte anzuerkennen, wobei allem Anschein nach nicht die Voraussetzungen für eine schwere Körperverletzung im Sinne von § 226 StGB erfüllt sein sollten, sondern es ausreichen sollte, wenn die Ehefrau Misshandlungen und Gewalt durch den Ehemann jahrelang erdulden muss (BT-Drs. 13/4948, S. 8). Allerdings können angesichts der Formulierung des endgültigen Gesetzestextes und der fehlenden Motive für die endgültige Fassung durch den Vermittlungsausschuss gewisse Bedenken bestehen, ob der ursprüngliche gesetzgeberische Wille tatsächlich in dem Gesetz zum Ausdruck gelangt ist (vgl. dazu GK-AuslR, § 19 AuslG Rdnr. 50 f.; Hailbronner, AuslR, § 19 AuslG Rdnr. 6 f.; Jakober/Lehle/Schwab, Aktuelles Ausländerrecht, § 19 AuslG Rdnr. 8a und 8b; Renner, AuslR, 7. Aufl., 1999, § 19 AuslG Rdnr. 6 f.; Schwidden, ZAR 1999, 17). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel angerufen hat, § 19 AuslG so zu fassen, dass über das eigenständige Aufenthaltsrecht des nachgezogenen ausländischen Ehepartners in Härtefällen in einer den Anforderungen der Verwaltungspraxis Rechnung tragenden vereinfachteren Überprüfung befunden werden kann (BT-Drs. 13/6668, S. 2). Dabei vertrat der Bundesrat die Auffassung, physische und psychische Misshandlungen in der Ehe als Trennungsgrund müssten ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen werden (BT-Drs. 13/6668, S. 9).

Nach dem nunmehr dem Bundestag vorliegenden erneuten Änderungsentwurf vom 14. Dezember 1999 (BT-Drs. 14/2368) soll in § 19 Abs. 1 Nr. 2 das Wort "außergewöhnlichen" durch das Wort "besonderen" ersetzt und Satz 2 wie folgt gefasst werden: "Eine besondere Härte im Sinne von Satz 1 Nr. 2 liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der auf der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist" (vgl. dazu auch Art. 13 Abs. 1 des Entwurfs der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rats vom 01.12.1999 - KOM (1999) 638 endgültig -; nach einem Jahr Aufenthalt und "besonders schwierigen Umständen"). Eine erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Ehegatten soll insbesondere dann angenommen werden, wenn diesem im Herkunftsland etwa aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre (BT-Drs. 14/2368, S. 4). Daneben sollen besondere Umstände während der Ehe in Deutschland berücksichtigt werden, die es dem Ehegatten unzumutbar machen, zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, und ein solcher Fall soll beispielsweise vorliegen, wenn der nachgezogene Ehegatte wegen physischer oder psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgehoben hat (BT-Drs. 14/2368, S. 4). Der Innenausschuss des Bundestages hat dem Plenum die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen und dies u.a. damit begründet, die geltende Regelung des § 19 AuslG sei so gestaltet, dass sie den Staat gleichsam zum Kerkermeister mancher Frauen mache, weil gegen Frauen und Kinder zum einen Gewalt ausgeübt werde, auf der anderen Seite geschiedene Frauen in ihrem Kulturkreis nicht mehr geachtet würden und deshalb nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren könnten (BT-Drs. 14/2902, S. 6).

Es spricht sehr viel dafür und bedarf einer weiteren Aufklärung im Widerspruchsverfahren, dass die Antragstellerin zumindest nach einer alsbald zu erwartenden Novellierung des § 19 Abs. 1 AuslG die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erfüllt. Obwohl die Antragstellerin nach den bisher vorliegenden Unterlagen von ihrem Ehemann während Bestehens der Ehe nicht besonders schwer misshandelt worden ist, sondern allem Anschein nach trotz mehrmaliger gewalttätiger Übergriffe nur leichte Körperverletzungen davongetragen hat, ist unter Umständen zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass andere Mitglieder der Familie ihres Ehemannes sie in grober Form beschimpft und in schwerer Weise körperlich misshandelt haben und dass auch ihr Ehemann sie zumindest bei einer Gelegenheit mit der Waffe bedroht hat. Diese Vorfälle können unter Umständen als Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange angesehen werden und ihr das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar gemacht haben. Im Übrigen ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich, dass der Antragstellerin bei einer Rückkehr in die Türkei nach der Trennung von ihrem Ehemann erhebliche Beeinträchtigungen ihrer schutzwürdigen Belange deshalb drohen, weil ihr eine Rückkehr in die durch herkömmliche Moralvorstellungen geprägte türkische Gesellschaft (zur Reintegration von türkischen Rückkehrern vgl. Rittersberger-Tilic, Vom Gastarbeiter zum Deutschler, 1998; zu kulturell-religiösen Einstellungen junger türkischer Migranten in Deutschland vgl. Sauer, ZAR 2000, 51; zur Integration türkischer Mädchen in Berlin vgl. Ayse und Devrim, Wo gehören wir hin?, 1990; zur Integration türkischer Akademiker in Deutschland vgl. Schmidt Hornstein, Das Dilemma der Einbürgerung, 1995) nicht zumutbar ist und es nicht auf die lediglich asylrechtlich relevante Frage ankommt, ob sie in der Türkei in eine ausweglose Lage versetzt wird, worauf in dem Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara vom 26. November 1998 allein abgestellt ist. Die ihr als geschiedener oder getrennt lebender Ehefrau bevorstehende Diskriminierung trifft sie jedenfalls härter als andere Ausländer, insbesondere Männer, die nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland in die Türkei zurückkehren müssen (vgl. dazu die Begründung in BT-Drs. 14/2368, S. 4). Deshalb könnte die Antragstellerin geradezu als Prototyp des nach dem Gesetzentwurf begünstigten Ehegatten bezeichnet werden.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das eigenständige Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ausgeschlossen wäre, wenn ihr Ehemann im Zusammenhang mit den von ihr geltend gemachten Misshandlungen oder bei anderer Gelegenheit einen Ausweisungsgrund verwirklicht hätte und für ihn damit die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen wäre (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. §§ 45 f. AuslG; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 19 AuslG Rdnr. 9 f.; Schwidden, ZAR 1999, 17. Unzutreffend, da jeweils auf den Ausländer und nicht auf den Ehegatten abstellend: GK-Ausländerrecht, § 19 AuslG Rdnrn. 87 - 89 und Jakober/Lehle/Schwab, a.a.O. § 19 AuslG Rdnr. 8 sowie Hailbronner, a.a.O., § 19 AuslG Rdnr. 7 c; nicht berücksichtigt in Nr. 19 AuslG-VwV-E, BR-Drs. 672/98). Obwohl dies mit dem gesetzgeberischen Ziel der Einführung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von Ehegatten nur schwer zu vereinbaren ist, folgt nämlich aus der Zusammenschau der Vorschriften der §§ 19 Abs. 1 und 24 AuslG, dass derjenige verheiratete Ausländer, der von seinem Ehegatten besonders schwere Beeinträchtigungen erfahren musste, nicht in den Genuss eines eigenständigen Aufenthaltsrechts kommen kann (vgl. dazu Glosse in ZAR 1999, 46). Diese Rechtsfolge vermag nicht ohne weiteres einzuleuchten, weil Sinn und Zweck der Einschränkung des eigenständigen Aufenthaltsrechts durch den zweiten Halbsatz in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht ohne weiteres verständlich erscheinen. Falls die in dieser Vorschrift wie im gesamten Ausländergesetz vorgenommene Unterscheidung zwischen Ausländer und Ehegatten vernachlässigt und damit letztlich ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers unterstellt wird (so im Ergebnis GK-Ausländerrecht, Hailbronner und Jakober/Lehle/Schwab, a.a.O.), hätte die Einschränkung zur Folge, dass dem Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft außer im Falle des Todes des Ausländers eine eigenständige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur zustünde, wenn gleichzeitig die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für ihn nicht ausgeschlossen ist. Folglich wäre vor Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 AuslG zu prüfen, ob der getrennt lebende oder geschiedene Ehepartner die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 oder Abs. 3 AuslG erfüllt. Damit wäre der Erwerb eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für den nachgezogenen Ehegatten nur möglich, wenn er gleichzeitig schon die unbefristete Verlängerung beantragen könnte. Wesentlich einleuchtender stellte sich das Ergebnis der Auslegung dar, wenn man die Unterscheidung zwischen Ausländer und Ehegatten konsequent beachtet und die Verselbstständigung des Aufenthaltsrechts des Ehegatten an die Möglichkeit der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für den stammberechtigten Ehegatten selbst bindet (so Renner und Schwidden, a.a.O.). Dann beruhte diese Einschränkung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG erkennbar auf der Überlegung des Gesetzgebers, dass die Akzessorietät des Aufenthaltsrechts des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus anderen Gründen als dem Tod des stammberechtigten Ehepartners aufgehoben sein sollte, gleichwohl aber der Ehegatte kein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben sollte, wenn er bei Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht durch Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an den stammberechtigten Ausländer an dessen Daueraufenthaltsrecht hätte teilnehmen können.

Diese vom Senat für zutreffend erachtete Gesetzesauslegung ist allerdings nicht in vollem Umfang mit der Bemerkung des Gesetzgebers zu vereinbaren, die Einschränkung durch den erwähnten letzten Halbsatz betreffe nicht den Fall, dass der Ausländer während oder nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft Straftaten begehe; denn durch solche Taten solle der nachgezogene Ehegatte bei der Entscheidung über sein eigenständiges Aufenthaltsrecht nicht benachteiligt werden (BT-Drs. 13/4948, S. 8). Diese Begründung der Gesetzesnovelle vom Oktober 1997 zielt erkennbar auf den Ausschluss der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für den stammberechtigten Ausländer bei Vorliegen eines Ausweisungsgrunds nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG ab und bestätigt damit die Richtigkeit der vom Senat vorgenommenen Auslegung jedenfalls dem Grunde nach. Es erscheint aber unklar, in welcher Weise Straftaten des Ausländers, die zumindest nach § 46 Nr. 2 AuslG einen Ausweisungsgrund darstellen, insgesamt außer Betracht bleiben können. Im Übrigen erscheint diese Überlegung gerechtfertigt, soweit damit Ausweisungsgründe unberücksichtigt bleiben sollen, die nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft verwirklicht werden. Dies ist allerdings ohne weiteres dadurch sichergestellt, dass für die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG eben auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Nach Text und Begründung des derzeitigen Novellierungsvorhabens aufgrund des erwähnten Gesetzentwurfs (BT-Drs. 14/2368) ist indes auch nicht abzusehen, dass dieser offenbaren Unstimmigkeit abgeholfen werden soll und die Antragstellerin unter Umständen im Laufe des Widerspruchsverfahrens hiervon profitieren könnte.

Nach alledem erscheint der Ausgang des Widerspruchsverfahrens letztlich nicht sicher. Auf dieser Grundlage überwiegen jedoch die privaten Interessen der Antragstellerin am vorläufigen weiteren Verbleib im Inland das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung. Wenn die Antragstellerin nämlich dazu gezwungen wäre, vor Beendigung des Widerspruchsverfahrens Deutschland zu verlassen und in die Türkei zurückzukehren, würden sich bereits die von ihr befürchteten erheblichen Beeinträchtigungen ihrer persönlichen Belange verwirklichen und ihre schon während des Widerspruchsverfahrens erreichten zusätzlichen Integrationsbemühungen zunichte gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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