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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 12 TG 518/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
Es ist einem staatenlosen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen zwölfjährigen Kind ehemals rumänischer Eltern nicht zuzumuten, vor Entscheidung über die Hauptsache mit der Folge abgeschoben zu werden, dass es sich über einen längeren Zeitraum in dem Transitraum des Flughafens Bukarest-Otopeni aufhalten muss.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 TG 518/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich

am 4. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird dem Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. Februar 2004 im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die Antragstellerin abzuschieben.

Der Antragsgegner hat - unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch insoweit - die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO), und nach § 123 Abs. 1 VwGO begründet.

Aufgrund des Beschwerdevorbringens (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ist festzustellen, dass das Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht versagt hat. Nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls derzeit die Abschiebung der Antragstellerin unzulässig, weil ihr der voraussehbare längere Aufenthalt in dem Transitraum am Flughafen Bukarest-Otopeni unter Abwägung öffentlicher und privater Interessen nicht zuzumuten ist.

Da die Antragstellerin (nur) die vorläufige Einstellung von Abschiebungsmaßnahmen begehrt, kommt es auf die vom Verwaltungsgericht umfassend geprüfte Frage des Anspruchs auf Erteilung einer Duldung wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 55 Abs. 2 AuslG) nicht, jedenfalls nicht entscheidend an.

Eine in diesem Verfahren allein mögliche summarische Prüfung ergibt aber die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die rumänischen Behörden die Antragstellerin zwar mit den jetzt von der Ausländerbehörde vorbereiteten Dokumenten tatsächlich - ohne eine rechtliche Verpflichtung anzuerkennen - aufnehmen werden, sie aber nicht einreisen lassen, wenn sie nicht freiwillig dazu bereit ist. Da ihre Eltern diese Zustimmung aller Voraussicht nach nicht, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit erteilen werden, müsste sich die Antragstellerin wie auch schon andere Personen dort längere Zeit, sehr wahrscheinlich wenigstens mehrere Monate aufhalten. Diese Entwicklung ist zwar letztlich von dem Willen der Antragstellerin und ihrer Eltern abhängig und könnte von ihnen durch die freiwillige Einreise nach Rumänien beendet werden, dies ändert aber nichts an dem ihr bevorstehenden vorläufigen Aufenthalt im Transitraum, dessen Zulässigkeit noch nicht endgültig geklärt ist. Es besteht zwar ein erhebliches öffentliches Interesse an einer erfolgreichen Abschiebung der Antragstellerin nach Rumänien, diese kann aber aufgrund des Verhaltens der rumänischen Behörden tatsächlich gegen den Willen der Antragstellerin nicht beendet werden mit der Folge, dass sie rechtlich gesehen in Rumänien nicht ein- und in Deutschland nicht ausgereist ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die damit aufgeworfenen Fragen bisher allgemein noch nicht entschieden sind, die Hauptsacheverfahren der Antragstellerin und ihrer Eltern noch anhängig sind und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über dort anhängige einschlägige Beschwerden noch nicht entschieden hat. Unter diesen Umständen überwiegt das private Interesse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Abschiebung. Wie das Hauptsacheverfahren ausgeht, ist offen. Unterliegt die Antragstellerin, kann die Abschiebung vollzogen werden, auch wenn damit ein längerer Verbleib im Transitraum verbunden ist. Obsiegt sie dagegen, wäre sie bis dahin rechtswidrigerweise einer Behandlung ausgesetzt gewesen, die unter Umständen nicht unmittelbar gegen Art. 3 EMRK verstößt, aber doch mit ganz erheblichen Einschränkungen der persönlichen Freiheit verbunden ist, die sich hier als überdurchschnittlich schwerwiegend darstellen, weil die Antragstellerin in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Dies erscheint dem beschließenden Senat weniger vertretbar als der vorläufige Aufschub der Abschiebung.

Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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