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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: 12 UE 200/02
Rechtsgebiete: EG, AufenthG/EWG, AuslG


Vorschriften:

EG Art. 38
AufenthG/EWG § 12
AuslG § 47 Abs. 1
1. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Beschränkung der Freizügigkeit von Unionsbürgern überlagern die Ausweisungsvorschriften des § 47 Abs. 1 AuslG über die Ist-Ausweisung mit der Folge, dass diese nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern aufgrund einer individuellen aktuellen Gefährdungsprognose festgestellt werden muss, ob die weitere Anwesenheit des Unionsbürgers in Deutschland eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

2. Die Ausweisung eines Unionsbürgers erweist sich als gemeinschaftsrechtswidrig, wenn sie auf die Verurteilung wegen Besitzes einer geringen Menge Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch gestützt und wenn die Wirkung der Ausweisung nicht gleichzeitig befristet ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12. Senat

12 UE 200/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen

Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Univ.-Prof. Dr. Gornig, ehrenamtliche Richterin Dahms, ehrenamtliche Richterin Heckmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des ausländerbehördlichen Bescheids vom 14. Oktober 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Kassel vom 8. Dezember 1998 und unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. April 2001 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltserlaubnis-EG nach der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird jedoch nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden, falls der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Der in V (Portugal) geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger und reiste 1976 gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester zu seinem bereits in Deutschland lebenden Vater ein. Er erhielt am 17. Februar 1987 eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis/EWG, deren Verlängerung er am 23. August 1996 beantragte. Am 31. November 1997 wurde das gemeinsame Kind des Klägers und der deutschen Staatsangehörigen D geboren, mit der er dann am 21. Oktober 1999 die Ehe geschlossen hat.

Der Kläger ist während seines Aufenthalts im Bundesgebiet im Wesentlichen wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Durch Urteil des LG Darmstadt vom 7. Dezember 1990 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen. Nachdem der Kläger einen Teil dieser Strafe verbüßt hatte, wurde der Strafrest bis zum 9. Juli 1999 zur Bewährung ausgesetzt. Durch Urteil des AG Darmstadt vom 18. April 1991 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tatmehrheit mit gemeinschaftlicher besonders schwerer Erpressung in einem minder schweren Fall zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zunächst für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; diese wurden dann jedoch widerrufen. Durch Urteil des LG Darmstadt vom 21. April 1993 wurde der Kläger wegen fortgesetzten und gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit fortgesetzter und gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren und tateinheitlich unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Nach Verbüßung einer Teilstrafe wurde der Strafrest bis zum 9. Juli 1999 zur Bewährung ausgesetzt. Durch Urteil des AG Darmstadt vom 16. März 1998 wurde der Kläger wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt und schließlich durch Urteil des AG Kassel vom 3. August 1998 wegen unerlaubten Besitzes (0,2 g Heroin) und unerlaubten Erwerbs (1,6 g Kokain für 30 DM) von Betäubungsmitteln, begangen im Dezember 1997 und Januar 1998, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1998 wies die Beklagte den Kläger nach vorheriger Anhörung unter Anordnung des Sofortvollzugs aus, lehnte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und drohte ihm die Abschiebung nach Portugal nach Ablauf einer Ausreisefrist von 15 Tagen im Anschluss an die Strafhaft an. Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 8. Dezember 1998 zurückgewiesen. Ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg. Der Kläger wurde am 14. Juli 2000 nach Portugal abgeschoben, kehrte aber im Februar 2001 nach Deutschland zurück. Am 19. März 2001 wurde er deswegen vom AG Kassel wegen eines Vergehens gegen das Ausländergesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Mit Bescheid vom 26. Februar 2001 forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Portugal an, wobei ihm die Abschiebung im Anschluss an die Haft angekündigt und für den Fall, dass die Abschiebung nicht aus der Haft heraus vollzogen werden kann, eine Ausreisefrist von einer Woche nach Haftentlassung gesetzt wurde.

Mit der am 12. Januar 1999 erhobenen Klage hat der Kläger sein Aufenthaltsbegehren weiterverfolgt und geltend gemacht, er habe schon vor Erlass des Widerspruchsbescheids effektive Schritte zur Bekämpfung seiner Drogenproblematik unternommen und die Familieneinheit mit seiner damaligen Lebensgefährtin und seinem Sohn wiederhergestellt. Die am 21. Oktober 1999 erfolgte Eheschließung bestätige seine Integration und seine besondere persönliche Verbindung zu seinen Familienangehörigen. Nach seiner Rückkehr nach Portugal im Juli 2000 sei es ihm nicht gelungen, sich dort eine Existenzgrundlage zu verschaffen. Er habe weder auf familiäre Unterstützung zurückgreifen noch Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe erhalten können. Da er die portugiesische Sprache nicht beherrsche, habe er - abgesehen von einigen kurzfristigen Beschäftigungen auf Baustellen - auch keinen Arbeitsplatz erhalten können. In der Zwickmühle zwischen wirtschaftlicher Not nach dem Verlust der letzten Arbeitsstelle und quälendem Heimweh zu Frau und Kind sei er Anfang Februar 2001 nach Deutschland zurückgekehrt und hier zufällig in eine Personenkontrolle geraten und von der Polizei festgenommen worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Oktober 1998 zu verpflichten, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das VG Kassel hat die Klage mit Urteil vom 10. April 2001 abgewiesen, weil die Ausweisung des Klägers mit den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes/EWG im Einklang und der Erteilung einer weiteren Aufenthaltsgenehmigung die Sperrwirkung der Ausweisung entgegenstehe. Der Kläger habe mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes und unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten den Tatbestand einer Ist-Ausweisung im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AuslG verwirklicht und damit insbesondere auch unter Berücksichtigung der erheblichen weiteren Verurteilungen ein Verhalten an den Tag gelegt, das auch gemeinschaftsweit als erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzusehen sei. Unter Berücksichtigung insbesondere der Art, Schwere und Häufigkeit der Straftaten sei die Prognose gerechtfertigt, dass auch in Zukunft schwere Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch erneute Verfehlungen des Klägers ernsthaft drohten. Unter Würdigung der Gesamtumstände der abgeurteilten Straftaten sowie seiner bisherigen Lebensverhältnisse bestehe die begründete Gefahr, dass der Kläger erneut straffällig werde. Der Kläger habe in erheblichem Maße gegen die Rechtsordnung verstoßen, indem er in schwerwiegender Weise straffällig geworden sei. Aus seinem Gesamtverhalten lasse sich insbesondere aufgrund der Anzahl seiner Verfehlungen über einen längeren Zeitraum hinweg und wegen des Umstands, dass er sich auch durch die jeweiligen strafrechtlichen Verurteilungen und die Verbüßung zum Teil mehrjähriger Freiheitsstrafen nicht davon habe abhalten lassen, weitere Straftaten zu begehen, folgern, dass von ihm auch künftig weitere Verstöße gegen die Rechtsordnung zu erwarten seien. Der Kläger genieße trotz seines langen Aufenthalts in Deutschland nicht den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG. Seine Ausweisung erweise sich darüber hinaus als verhältnismäßig. Ihr stehe auch Art. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13. Dezember 1995 (ENA) nicht entgegen.

Am 6. Juli 2001 wurde der Kläger erneut nach Portugal abgeschoben. Nachdem er im August 2001 bereits wieder eingereist und am 17. September 2001 wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt war, wurde er am 3. Dezember 2001 wiederum nach Portugal abgeschoben.

Nach Zulassung der Berufung mit Beschluss des Senats vom 23. Januar 2002 (12 UZ 1550/01) verfolgt der Kläger sein Aufenthaltsbegehren weiter und trägt dazu vor, er habe sich nach seiner erneuten Abschiebung nach Lissabon am 6. Juli 2001 noch am gleichen Tag mit der Bahn über Paris nach Lüttich begeben, dort aber wirtschaftlich nicht Fuß fassen können und sei am 16. August 2001 erneut in Kassel festgenommen worden. Nach seiner erneuten Abschiebung nach Lissabon habe er dort weder Arbeit noch eine Wohnung finden können, sondern schlage sich als Obdachloser durch.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 14. Oktober 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Kassel vom 8. Dezember 1998 die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine Aufenthaltsgenehmigung, vorrangig eine Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise eine Aufenthaltsbefugnis, zu erteilen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angegriffenen Entscheidungen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffenden Akten der Ausländerbehörde (2 Bände) Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 126 Abs. 1 und 3, 126a Abs. 3 VwGO a.F.; § 194 Abs. 1 VwGO i.d.F. d. Ges. vom 20.12.2001, BGBl. I S. 2987) ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts begründet; denn die Ausweisung und die Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Da die Sache hinsichtlich der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht spruchreif ist, ist die Beklagte entsprechend dem klägerischen Antrag zur Neubescheidung nach der Rechtsauffassung des Senats zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Bei Beurteilung der für Ausweisung und Aufenthaltsgenehmigung maßgeblichen Rechtsverhältnisse und der insoweit relevanten tatsächlichen Umständen ist vorab zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen Unionsbürger handelt (Art. 17 EG), dem grundsätzlich Freizügigkeit innerhalb der EG-Mitgliedstaaten zukommt (Art. 18 EG). Ungeachtet der Umsetzung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts durch die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes/EWG (AufenthG/EWG) und der Freizügigkeitsverordnung/EG (FreizügV/EG) sind auf Aufenthalt und Aufenthaltsbeendigung vorrangig die Vorschriften des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts anzuwenden (vgl. dazu Nr. 1.1.3.1, 1.1.3.3, 2.2.2, 45.0.0 Satz 5 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 07.06.2000, GMBl. S. 618; Text in Renner, Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeits- und zum Ausländerrecht, 2001, S. 53 ff. - AuslG-VwV). Im Übrigen kann sich der Kläger für sein Aufenthaltsbegehren auch darauf berufen, dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und mit ihr ein gemeinsames Kind hat und aus diesen Gründen ein Familiennachzugsrecht besitzt (§§ 23 Abs. 1, 17 Abs. 1 AuslG) und bei einem Zusammenleben mit diesen deutschen Familienangehörigen gegen Ausweisung in besonderer Weise geschützt ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG).

2. Die von der Ausländerbehörde verfügte und von der Widerspruchsbehörde bestätigte Ausweisung des Klägers erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO), weil sie nicht den besonderen Anforderungen genügt, die an die Ausweisung von Unionsbürgern zu stellen sind.

Der rechtlichen Überprüfung der ausländerbehördlichen Ausweisungsverfügung ist diese in der Gestalt zugrunde zu legen, die sie nach Inhalt und Begründung durch den Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1998 erfahren hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Danach ist der Kläger auf der Grundlage von § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG mit der Folge ausgewiesen, dass er nicht erneut nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten darf (§ 8 Abs. 2 AuslG). Diese Wirkung der Ausweisung ist nicht befristet.

Sowohl Ausländer - und Widerspruchsbehörde als auch Verwaltungsgericht haben dahin erkannt, dass der Kläger als portugiesischer Staatsangehöriger nur unter den sich aus § 12 AufenthG/EWG ergebenden Einschränkungen ausgewiesen werden darf. Damit ist das in der Rechtsprechung strittige Verhältnis der Ausweisungsvorschriften der §§ 45 ff. AuslG, insbesondere der Bestimmungen über die Ist- und Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 und 2 AuslG, zu den maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften angesprochen, aber letztlich offen gelassen. Angesichts des Anwendungsvorrangs der einschlägigen Vorschriften des Art. 39 EG (früher Art. 48 EGV) und der Richtlinie Nr. 64/221/EWG ergeben sich für die nähere Bestimmung dieses Verhältnisses deshalb Schwierigkeiten, weil die zwingenden Ausweisungsgründe des § 47 Abs. 1 und 2 AuslG erkennbar auf general- wie spezialpräventive Erwägungen des Gesetzgebers gestützt sind und der Ausländerbehörde keinen Raum für eine eigene Gefährdungsprognose und eigene Ermessenserwägungen lassen und weil andererseits nach Gemeinschaftsrecht eine Ausweisung nur wegen des Begehens einer Straftat ebenso ausgeschlossen ist wie eine wirtschaftlich begründete Ausweisung und weil für eine Ausweisung nur das persönliche Verhalten des Ausländers ausschlaggebend sein darf. Aufgrund dieser rechtlich bindenden Einschränkungen sowie des hohen Rangs der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit und des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darf die Freizügigkeit eines Unionsbürgers nur beschränkt werden, wenn dessen weitere Anwesenheit oder sein Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, st. Rspr. seit 27.10.1977 - Rs. 30/77 -, EuGHE 1977, 1999 = NJW 1978, 479; EuGH, 19.01.1999 - C-348/96 -, EZAR 810 Nr. 11 = InfAuslR 1999, 165 - Calfa; BVerwG, 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 = EZAR 039 Nr. 5). Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums versuchen eine Lösung dahin, dass das europäische Gemeinschaftsrecht eine Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nur aufgrund einer Ermessensausübung nicht verlangt und das System der Ausweisungsbefugnisse auch in Bezug auf § 47 AuslG durch das Gemeinschaftsrecht nicht verdrängt, sondern nur modifiziert wird (OVG Hamburg, 04.05.2001 - 3 Bs 239/00 -, EZAR 034 Nr. 10; ähnlich OVG Nordrhein-Westfalen, 02.04.2001 - 18 A 1247/00 -, EZAR 034 Nr. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, 21.12.1999 - 18 A 5101/96 -, EZAR 034 Nr. 7 = NWVBl. 2001, 29 = NJ 2000, 612 m. Anm. Renner; Hailbronner, Ausländerrecht, § 47 AuslG Rdnr. 2a, § 12 AufenthG/EWG Rdnr. 34). Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher die Streitfrage noch nicht eindeutig beantwortet, aber doch bereits ausgeführt, dass die Anwendung des § 47 Abs. 2 AuslG auf Unionsbürger wie auf nach dem Assoziationsrecht berechtigte Türken keinen Bedenken begegnet, wenn sie auf spezialpräventive Erwägungen gestützt wird (BVerwG, 29.09.1993 - 1 B 62.93 -, EZAR 034 Nr. 4 = InfAuslR 1994, 45). Demgegenüber hat der erkennende Senat bereits im Jahre 1992 deutlich ausgesprochen, dass die Sondervorschriften über die Ausweisung von Unionsbürgern die allgemeinen Ausweisungsvorschriften der §§ 45 f. AuslG mit der Folge überlagern, dass eine Ausweisung nicht allein wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern ausschließlich zu spezialpräventiven Zwecken zulässig ist (Hess. VGH, 20.10.1992 - 12 TH 1509/92 -, EZAR 034 Nr. 1; 4 = InfAuslR 1993, 50; ähnlich GK-AuslR, § 47 AuslG Rdnr. 7). Das aufgezeigte Dilemma wird vor allem am Beispiel der Ist-Ausweisung deutlich, weil der Ausländerbehörde nach der Verurteilung zu Freiheits- oder Jugendstrafen von mindestens drei Jahren oder zur Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe eine spezialpräventive Gefährdungsprognose nicht obliegt, sondern sie ohne jedwede Einzelprüfung an die formellen Strafbarkeitsgrenzen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG gebunden ist. Letztlich läuft diese strikte Verbindlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung darauf hinaus, dass entgegen dem Gemeinschaftsrecht doch die Verurteilung wegen einer Straftat für die Ausweisung genügt und außerdem nach dem System des § 47 AuslG hierfür nach dem gesetzgeberischen Willen zumindest auch generalpräventive Überlegungen gesprochen haben (vgl. dazu auch einerseits Nr. 47.0.2.1 Satz 1 AuslG-VwV: "§ 47 Abs. 1 und 2 gilt auch bei Ausländern, die nach Europäischem Recht Freizügigkeit genießen." und andererseits dort Satz 5: "Die im Ausländergesetz vorgenommene Abstufung nach Ist- und Regelausweisung findet daher grundsätzlich für nach EG-Recht Freizügigkeitsberechtigte keine Anwendung."). Demgegenüber könnte in den Fällen der Regel-Ausweisung, die an eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe, an Straftaten im Bereich der Betäubungsrechts oder an die Teilnahme an verbotenen öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen anknüpft (§ 47 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AuslG), den besonderen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen dadurch entsprochen werden, dass diese besonderen Schutzvorschriften zum Anlass dafür genommen werden, eine Ausnahme von der Regel grundsätzlich in Betracht zu ziehen (zu einem solchen Fall VG Karlsruhe, 21.02.2001 - 10 K 2419/00 -). Die Unzulänglichkeit solcher Lösungsmöglichkeiten wird dadurch bestätigt, dass inzwischen die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, weil deutsche Gerichte und Behörden den Vorrang des Gemeinschaftsrechts in Ausweisungsfällen nicht hinreichend beachten (dazu Hailbronner, ZAR 2002, 7).

Zu welch fragwürdigen Ergebnissen eine vermittelnde Lösung führen kann, belegt der vorliegende Fall. Die Ausländerbehörde hat nach Aufzählung der strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers angenommen, dass "hierdurch die Voraussetzung einer Ist-Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gegeben" sind, und damit erkennbar an die Verurteilung des Klägers durch das AG Kassel am 3. August 1998 wegen des unerlaubten Besitzes von 0,2 g Heroin und des unerlaubten Erwerbs von 1,6 g Kokain im Dezember 1997 und Januar 1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten angeknüpft; denn für die Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG genügt die Verurteilung zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, wobei es weder auf die Höhe der Strafe noch auf die Begehungsweise oder Schwere des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ankommt. Gerade in dieser Ausprägung kommt der hohe Anteil generalpräventiver Überlegungen bei Schaffung dieses zwingenden Ausweisungstatbestands zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang hat die Ausländerbehörde weder auf die ebenfalls 1998 erfolgte Verurteilung zu Geldstrafen noch auf die im Jahre 1993 erfolgte Verurteilung wegen fortgesetzter Betäubungsmitteldelikte zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren abgestellt. Die letztere Verurteilung hat die Ausländerbehörde seinerzeit auch nicht zum Anlass genommen, den Kläger, dessen Aufenthaltserlaubnis am 16. Februar 1992 abgelaufen war, auszuweisen (zum "Verbrauch" eines Ausweisungsgrunds vgl. Hess. VGH, 04.03.2002 - 12 UE 203/02 m.w.N.). Die Ausländerbehörde geht zwar im Anschluss an die Ausführungen über die von ihr als zwingend angesehene Ausweisung auf die besonderen Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG ein und führt aus, anknüpfend an das persönliche Verhalten des Klägers sei anzunehmen, dass von diesem auch in Zukunft Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgingen. Es lägen bei ihm sechs Verurteilungen vor, davon innerhalb der letzten eineinhalb Jahr allein drei. Er habe innerhalb der letzten 10 Jahre gezeigt, dass Verurteilungen zu Geldstrafen oder Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt würden, ihn nicht davon abhielten, weitere Straftaten zu begehen. Er habe durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, dass er nicht in der Lage sei, ein straffreies Leben in Deutschland zu führen. Der Kläger habe gefährliche und schwerwiegende Straftaten begangen, und es liege kein Ausnahmefall vor, der es rechtfertigen könnte, trotz Vorliegens eines Ausweisungsgrundes nach § 47 Abs. 1 AuslG diesen Ausweisungsgrund nicht als schwerwiegend anzusehen. Bei ihm lägen Fälle erheblicher Kriminalität vor. Unter Würdigung des gesamten strafrechtlichen Verhaltens des Klägers gehe von ihm auch künftig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus; seine Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen geboten, und diese seien auch schwerwiegend. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass durch den Kläger in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue strafrechtliche Verfehlungen drohe und somit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgehe. Es liege eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Ähnlich ist der Widerspruchsbescheid begründet, allerdings fehlen dort ebenso wie in dem Ausgangsbescheid auf den Kläger und seine Straftaten unmittelbar bezogene Erwägungen. Es heißt dort, die Ausweisung des Klägers sei als Maßnahme der Gefahrenabwehr angeordnet worden, um weitere Straftaten durch ihn auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Die Ausländerbehörde habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland erheblich gefährde. Der Kläger sei in besonders verwerflicher und schwerwiegender Weise straffällig geworden. Aus dem bei den begangenen Straftaten gezeigten rücksichtslosen Verhalten und der dabei zu Tage getretenen kriminellen Energie und verbrecherischen Intensität müsse der Schluss gezogen werden, dass der Kläger eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass all diejenigen, die gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen, mit den Mitteln des Ausländergesetzes zum Verlassen Deutschlands veranlasst würden. Damit werde auch abschreckend auf andere Ausländer eingewirkt. Diese Einwirkung sei nicht nur gegenüber denjenigen erforderlich, die sich mit dem Rauschgifthandel befassten, sondern auch gegenüber solchen, die Rauschmittel konsumierten oder in Gefahr gerieten, selbst Rauschmittel in Zukunft zu gebrauchen.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Begründungen der Ausländerbehörde und des Regierungspräsidiums, insbesondere aus den zuletzt zitierten Gründen des Widerspruchsbescheids, wird deutlich, dass in Wahrheit allein die Begehung von Straftaten für die Ausweisung des Klägers herangezogen worden ist und dabei generalpräventive Überlegungen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Vor allem aber lassen die Begründungen beider Bescheide eine ausreichende Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation des Klägers vermissen. Letztlich beschränken sich diese Begründungen auf eine leitsatzartige Wiedergabe der allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts. Es fehlt dagegen an einer Subsumtion der Einzelfallumstände unter diese normative Grundsätze. Wenn von einem rücksichtslosen Verhalten, einer kriminellen Energie und einer verbrecherischen Intensität die Rede ist, können sich diese Bemerkungen kaum auf den unerlaubten Besitz und den unerlaubten Erwerb einer geringen Menge von Heroin und Kokain oder auf die Geldstrafe in Höhe von 2400 DM aus dem Jahre 1998 beziehen, sondern allenfalls auf den 1991 abgeurteilten gemeinschaftlichen Raub oder auf das 1993 abgeurteilte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und andere Straftaten, die damals insgesamt zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren geführt, die Ausländerbehörde aber nicht dazu veranlasst haben, den Kläger auszuweisen oder wenigstens ausländerrechtlich zu "verwarnen" (Nr. 45.0.6.7 AuslG-VwV). An keiner Stelle wird deutlich gesagt, aus welchem Verhalten des Klägers auf ernsthafte Gefahren einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für die Zukunft geschlossen wird. Es durfte aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids schon seit mindestens fünf Jahren nicht mehr als Rauschgiftmittelhändler in Erscheinung getreten war und auch sonst keine gravierenden Straftaten mehr begangen hatte.

Darüber hinaus leidet die angegriffene Ausweisungsverfügung auch daran, dass sie ohne eine Befristung der Ausweisungswirkungen ergangen ist, obwohl Gemeinschaftsrecht dies nicht gestattet. Die Freizügigkeitsvorschriften stehen nämlich einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegen, die dem nationalen Gericht, abgesehen von einigen, insbesondere familienbezogenen Ausnahmen, vorschreibt, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten auf Lebenszeit auszuweisen, wenn diese für schuldig befunden worden sind, Straftaten der Beschaffung und des Besitzes von ausschließlich zum Eigenverbrauch bestimmten Betäubungsmitteln begangen zu haben (EuGH betr. Griechenland, Urteil Calfa). Ohne auf die Auswirkungen dieser Rechtsprechung des EuGH im Einzelnen einzugehen (dazu Hailbronner, § 8 AuslG Rdnr. 6), kann jedenfalls festgehalten werden, dass eine Ausweisung auf Lebenszeit aufgrund der Prognose einer nicht besonders gewichtigen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Unionsbürgern grundsätzlich ausgeschlossen ist und dies für den Kläger jedenfalls dann zu gelten hat, wenn allein auf die Gefahr abgestellt wird, dass er künftig erneut in Versuchung geraten könnte, Betäubungsmittel in geringer Menge für den Eigenverbrauch zu erwerben und zu besitzen.

Das Unterlassen einer Befristung der Ausweisungswirkung stellt sich danach aus zweierlei Gründen als Fehler dar, der hier zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führt. Zum einen war die Notwendigkeit der Befristung aufgrund Gemeinschaftsrecht deshalb von Amts wegen und ohne Rücksicht auf einen hier nicht vorliegenden Antrag des Klägers zu berücksichtigen, weil sie sich als Folge des die Ausweisungsbefugnis beschränkenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt. Zum anderen folgt sie auch aus den einschlägigen mitgliedstaatlichen deutschen Regelungen über die Befristung der Ausweisungswirkungen. Da der Kläger jedenfalls nach den von der Ausländerbehörde und der Widerspruchsbehörde zugrunde gelegten Verhältnissen Ende 1998 in einer Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen lebte, war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass bei der Entscheidung über die Ausweisung eines Ausländers, der mit einer Deutschen verheiratet ist und mit ihr ein eheliches Kind hat, der Möglichkeit der Befristung der Wirkung der Ausweisung schon aufgrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG eine besondere Bedeutung zukommt (BVerfG, 18.07.1979 - 1 BvR 650/77 -, BVerfGE 51, 386 = EZAR 123 Nr. 2). Die Ausländerbehörde war also schon von Verfassungs wegen verpflichtet, von sich aus aufgrund des ihr bekannten Wunsches des Klägers zur Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen deutschen Familienangehörigen die Frage einer Befristung zu prüfen. Darüber hinaus ergab sich eine derartige Verpflichtung auch deshalb, weil die Ausländerbehörde trotz der auf einen Antrag abstellenden Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG eine befristete Entscheidung auch von Amts wegen treffen kann und in dem Aufenthaltsbegehren des Klägers ohnehin ein stillschweigend gestellter Antrag auf Befristung der Ausweisungswirkungen zu sehen ist (Hailbronner, § 8 AuslG Rdnr. 48; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 5/432 bis 438).

Nach alledem sind die besonderen Voraussetzungen für die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nicht eingehalten. Dazu, ob der Kläger in den für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt zu dem freizügigkeitsberechtigten Personenkreis gehörte, fehlt es an ausdrücklichen Feststellungen, Ausländerbehörde wie Verwaltungsgericht haben diese Voraussetzungen aber zu Recht ohne Weiteres als gegeben angesehen. Der Kläger kann sich hier nämlich auf gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht zumindest deshalb berufen, weil er geltend machen kann, in dem maßgeblichen Zeitpunkt auf Arbeitssuche gewesen zu sein.

3. Soweit der Kläger außer der Aufhebung der Ausweisungsverfügung auch die Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung begehrt, steht dem die aus der Ausweisungsverfügung folgende Aufenthaltssperre des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG nach der Aufhebung der Ausweisung nicht mehr zwingend entgegen, die Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht von ihrer Rechtsauffassung aus zu Recht ihren Entscheidungen zugrundegelegt haben. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, dass die Vorschriften des § 8 Abs. 2 AuslG grundsätzlich auch auf Unionsbürger anwendbar sind, die Aufenthaltssperre aber wie eine Beschränkung der Freizügigkeit wirkt und deshalb die Befristungsentscheidung daran auszurichten ist, ob von dem Unionsbürger in dem jeweiligen Zeitpunkt noch eine Gefährdung eines wichtigen Gemeinschaftsguts ausgeht (Hailbronner, § 8 AuslG Rdnr. 6; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 8 AuslG Rdnr. 2, 15). Über die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Aufenthaltserlaubnis-EG hat die Ausländerbehörde nun vielmehr ohne Rücksicht auf die Sperrwirkung der Ausweisung zu entscheiden. Ob dem Kläger im Übrigen die zwischenzeitliche dreimalige Abschiebung nach Portugal im Rahmen der Sperre des § 8 Abs. 2 AuslG entgegengehalten werden kann, kann im Berufungsverfahren nicht abschließend geklärt werden. Die Ausländerbehörde hat sich bisher nicht darauf berufen und wird die Bedeutung dieser Abschiebung nunmehr mit Rücksicht darauf zu bewerten haben, dass die den Abschiebungen tatsächlich zugrundeliegende Ausweisungsverfügung inzwischen aufgehoben ist und es danach an einer stichhaltigen Gefährdungsprognose für die Zukunft fehlt (zu den unterschiedlichen Gesichtspunkten für die Befristung der Sperrwirkungen nach Ausweisung einerseits und nach Abschiebung andererseits vgl. Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 5/439 bis 5/449; BVerwG, 11.08.2000 - 1 C 5.00 -, BVerwGE 111, 369 = EZAR 039 Nr. 7 = NVwZ 2000, 1422; VGH Baden-Württemberg, 24.06.1998 - 13 S 1099/96 -, EZAR 039 Nr. 3 = InfAuslR 1998, 433; vgl. auch Nrn. 8.2.3.1, 8.2.4.2, 8.2.4.3, 8.2.4.4.2, 8.2.5.1 AuslG-VwV).

Ob der Kläger aufgrund Gemeinschaftsrechts oder mitgliedstaatlichen deutschen Rechts ein Aufenthaltsrecht besitzt, hängt davon ab, auf welche Rechtsgrundlage er sein Aufenthaltsbegehren stützt und ob er die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt. Soweit er mit seiner deutschen Ehefrau und seinem minderjährigen ledigen deutschen Kind zusammenzuleben beabsichtigt, ist ihm eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG zu erteilen, falls die Wohnraum- und Unterhaltsvoraussetzungen erfüllt sind. Hierüber lassen sich den Akten und dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, zumal seine deutsche Ehefrau erst in letzter Zeit die Wohnung gewechselt hat. Soweit der Kläger die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses anstrebt, steht ihm eine Aufenthaltserlaubnis-EG ohne Weiteres auch für die Dauer der Arbeitssuche innerhalb eines Zeitraums bis zu sechs Monaten zu, wobei besondere Anforderungen an eine Wohnung und an seine Unterhaltsfähigkeit nicht gestellt werden (§ 3 AufenthG/EWG). Anders verhält es sich, wenn der Kläger als nichterwerbstätiger Unionsbürger in Deutschland einreisen und sich aufzuhalten beabsichtigt; dann muss er nämlich einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel in einer Höhe nachweisen, dass er während seines Aufenthalts keine Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss (§§ 1, 7, 8 FreizügV/EG). Auf ein gemeinschaftliches Zuzugsrecht zu seiner deutschen Ehefrau und seinem deutschen Kind (vgl. § 1 Abs. 2 AufenthG/EWG) kann sich der Kläger nicht berufen, weil seine deutsche Ehefrau offensichtlich bisher von ihrem Freizügigkeitsrecht innerhalb der Europäischen Union keinen Gebrauch gemacht hat und deshalb ein gemeinschaftsrechtlicher Familiennachzugstatbestand in ihrer Person nicht entstanden ist (vgl. dazu Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 5/68 m. Nachw. d. Rspr.).

Da nach alledem die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis-EG bisher nicht dargetan und auch nicht während des Verfahrens noch ohne Weiteres aufzuklären sind, kann die Ausländerbehörde auf den Antrag des Klägers hin nur dazu verpflichtet werden, ihn nach der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Hierbei spielt es im Übrigen für die formellen wie die materiellen Voraussetzungen keine Rolle, dass der Kläger die Verlängerung der am 17. Februar 1987 für fünf Jahre erteilten Aufenthaltserlaubnis/EWG erst über vier Jahre nach deren Ablauf beantragt hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO sowie § 132 Abs. 2 VwGO.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist beim

Hessischen Verwaltungsgerichtshof Brüder-Grimm-Platz 1 34117 Kassel

durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt einzulegen; juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. Die Beschwerde muss die Entscheidung bezeichnen, die angefochten werden soll.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. In der Begründung muss entweder - die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden oder - die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet werden, wenn geltend gemacht wird, von ihr werde in der in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Entscheidung abgewichen und die Entscheidung beruhe auf dieser Abweichung, oder - ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Dr. Renner Kohlstädt Prof. Dr. Gornig



Ende der Entscheidung

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