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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: 12 UE 234/04
Rechtsgebiete: ARB 1/80


Vorschriften:

ARB 1/80 Art. 6
1. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB setzt nur voraus, dass der türkische Arbeitnehmer die erforderlichen Erlaubnisse für Aufenthalt und Erwerbstätigkeit besitzt.

2. Verstöße gegen Steuer- oder Sozialversicherungsrecht durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer berühren die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung nicht.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12 UE 234/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Dr. h.c. Gornig, ehrenamtliche Richterin Weißbach, ehrenamtlichen Richter Röll

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2004 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. März 2003 und Aufhebung des Bescheids des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 27. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums A-Stadt vom 9. Februar 2000 verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird jedoch nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden, falls nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im Juli 1969 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und beantragte nach seiner Einreise im Mai 1992 erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigter. Auf Grund der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen am 6. Juli 1995 erhielt er auf seinen Antrag am 17. November 1995 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, die danach verlängert wurde, zuletzt bis 16. November 1998. Zu seinem Verlängerungsantrag vom 5. November 1998 erklärte der Kläger, er lebe bereits seit 1. Mai 1998 von seiner deutschen Ehefrau getrennt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. November 1998 wurde vorgetragen, der Anspruch auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis ergebe sich daraus, dass der Kläger bereits seit über einem Jahr bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sei und dort auch weiterhin beschäftigt werde. In der Folgezeit legte der Kläger nacheinander, teilweise erst auf Aufforderung durch die Ausländerbehörde, verschiedene Belege über sein Arbeitsverhältnis vor.

Mit Bescheid vom 27. Mai 1999 hat die Ausländerbehörde der Beklagten den Verlängerungsantrag des Klägers abgelehnt und diesem die Abschiebung in die Türkei für den Fall der Nichtausreise bis zum 31. August 1999 angedroht. Zur Begründung ist ausgeführt, ein Verlängerungsanspruch nach §§ 23 Abs. 2, 17 Abs. 1 AuslG bestehe nicht, nachdem die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau nach dessen eigenen Angaben seit 1. Mai 1998 nicht mehr bestehe. Darüber hinaus sei auch kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 entstanden, da das Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 1. bis 30. April 1998 unterbrochen worden sei, und zwar unabhängig davon, ob ein Wechsel des Arbeitgebers stattgefunden habe. Seit 1. Mai 1998 sei der Kläger zwar fortlaufend bei demselben Arbeitgeber beschäftigt, diese Beschäftigung sei jedoch nur bis zum Ablauf der zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis, also bis zum 16. November 1998, ordnungsgemäß gewesen. Danach habe kein gesicherter Aufenthalt im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 mehr bestanden. Schließlich habe der Kläger auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG erworben, da die eheliche Lebensgemeinschaft mit der deutschen Ehefrau keine vier Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und Gründe für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte weder ersichtlich noch vorgetragen seien.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs wurde darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich der Arbeitgeber des Klägers die fehlenden Sozialabgaben für den Monat April 1998 an die AOK Montabaur nachentrichtet habe. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg.

Gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums A-Stadt vom 9. Februar 2000 hat der Kläger am 28. Februar 2000 Klage erhoben. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger sei bis 30. März 1998 in dem Kebap-Haus des Herrn C. in Westerburg beschäftigt und seit 1. April 1998 in dessen Imbiss in E. eingesetzt worden. Mit Ausnahme des Zeitraums, in dem er Urlaub genommen habe, habe er seit 15. April 1998 in dem von Herrn C. am 15. März 1998 erworbenen neuen Imbiss in E. gearbeitet. Dieser sei zwar erst zum 1. Mai 1998 eröffnet worden, vor diesem Zeitpunkt sei er aber von seinem Arbeitgeber damit betraut worden, Renovierungsarbeiten vorzunehmen und Einkäufe zu tätigen. Zur Nichtabführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben für den Monat April 1998 sei es infolge eines Fehlers des mit der Buchhaltung beauftragten Buchungs- und Schreibservices gekommen. Dieser habe den Kläger fälschlicherweise und entgegen der Anweisung des Herrn C. zum 31. März 1998 bei der Sozialversicherung abgemeldet, anstatt ihn entsprechend dem Auftrag des Herrn C. zum 1. April 1998 auf das neue Geschäft in E. umzumelden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt A-Stadt vom 27. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums A-Stadt vom 9. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat nach wie vor angenommen, dass der Kläger im April 1998 keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Die vorgelegten Urkunden seien nicht geeignet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 darzutun. So habe der Kläger eine nachträgliche Gehaltsabrechnung für den April 1998 vorgelegt, aus der hervorgehe, dass ihm Steuern vom Lohn abgezogen worden seien, obwohl der Kläger später eingeräumt habe, dass keine Steuern abgeführt worden seien. In der Lohnbescheinigung vom 4. Mai 1998 werde der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen behauptet, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal versucht worden sei, diese Beträge zu zahlen. Darüber hinaus sei die Bescheinigung vom 4. Mai 1998 von Herrn A. unterschrieben worden, obwohl bis Juli 1998 nicht dieser, sondern Herr S. mit der Buchhaltung des Herrn C. beauftragt gewesen sei.

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., S. und C. in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2003 und sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, maßgeblich sei, ob der Kläger am 16. November 1998 bereits ein Jahr lang ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein- und demselben Arbeitgeber ausgeübt habe. Unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen, der Ermittlungen der Ausländerbehörde sowie der Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass in dem Zeitraum vom 1. bis 30. April 1998 zwischen dem Kläger und dem Firmeninhaber C. ein ordnungsgemäßes Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Da unstreitig zunächst für April 1998 weder Sozialabgaben noch Lohnsteuer abgeführt worden seien und Sozialabgaben ausweislich einer Auskunft der AOK auch nicht nachentrichtet werden könnten, sei bereits fraglich, ob der Kläger im April 1998, sofern er während dieses Zeitraums überhaupt einer Beschäftigung nachgegangen sei, eine ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt habe. Zu den einzuhaltenden nationalen Vorschriften gehörten auch diejenigen über die Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialabgaben. Letztlich könne diese Frage ebenso dahinstehen wie die eines für einen Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 schädlichen Arbeitgeberwechsels, da der Kläger jedenfalls nicht zweifelsfrei dargetan habe, dass er seit Juni 1997 ununterbrochen einer Beschäftigung nachgegangen sei. Das Gericht habe erhebliche Zweifel, ob der Kläger tatsächlich den gesamten Monat April 1998 einer Beschäftigung nachgegangen sei. Bei einer Gesamtschau dränge sich die Vermutung auf, dass das Arbeitsverhältnis zunächst aus welchen Gründen auch immer zum 30. März 1998 beendet und sodann nach der Rückkehr des Klägers aus der Türkei am 15. April 1998 - spätestens zum 1. Mai 1998 - ein neues Arbeitsverhältnis gegründet worden sei.

Nach Zulassung der Berufung auf Antrag des Klägers durch Beschluss des erkennenden Senats vom 22. Januar 2004 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils macht der Kläger geltend, es komme entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für die Frage eines ordnungsgemäßen Beschäftigungsverhältnisses nicht darauf an, ob sein Arbeitgeber Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. Zudem sei das Verwaltungsgericht fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, dass er im Monat April 1998 nicht in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Zeugen C. gestanden habe. Für 1998 ist im Verfahren über den Lohnsteuerjahresausgleich ein Bruttoarbeitslohn von 16.000 DM zugrunde gelegt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. März 2003 und des Bescheides des Oberbürgermeisters der Stadt A-Stadt vom 27. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums A-Stadt vom 9. Februar 2000 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts sei nicht zu beanstanden, insbesondere könnten die vom Kläger genannten Gründe keine Zweifel begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist begründet; denn das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger kann die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aufgrund seines Antrags vom 5. November 1998 verlangen und ist durch deren Versagung und durch die gegen ihn ergangene Abschiebungsandrohung in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Zwar konnte der Kläger im Zeitpunkt des Ablaufs der zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis, also am 16. November 1998, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis weder aufgrund einer familiären Lebensgemeinschaft noch nach deren Aufhebung (§§ 23 Abs. 2, 17 Abs. 1 AuslG oder § 19 AuslG) verlangen. Ihm stand aber damals ein auf einem Beschäftigungsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 beruhendes Aufenthaltsrecht zu. Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht haben dies zu Unrecht verneint. Die Beteiligten streiten lediglich darum, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers im April 1998 fortbestanden hat oder unterbrochen war. Da das Arbeitsverhältnis nach Überzeugung des Senats nicht unterbrochen war, hatte der Kläger bereits vor dem 16. November 1998 einen Verlängerungsanspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben, weil er damals seit mehr als ein Jahr bei demselben Arbeitgeber, dem Zeugen C., beschäftigt war.

Dabei ist zugrunde gelegt, dass der Arbeitgeber im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht dadurch gewechselt hat, dass dieser seine ursprüngliche Betriebsstätte aufgegeben und eine neue an einem anderen Ort eröffnet hat. Nicht die Vertragsparteien haben damit gewechselt, sondern lediglich die Einsatzstelle. Zudem kommt es, wie der Senat bereits in dem Zulassungsbeschluss im Einzelnen ausgeführt hat, auf die Zahlung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben im Monat April 1998 nur insoweit an, als damit das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses belegt werden kann. Dagegen ist es für die Frage einer ordnungsgemäßen Beschäftigung unerheblich, ob diese gesetzlich begründeten Zahlungen erfolgt sind. Eine Beschäftigung ist nämlich ordnungsgemäß, wenn sie in Einklang mit den arbeitserlaubnis- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats steht (Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.4 Rdnr. 28; BVerwG, 24.01.1995 - 1 C 2.94 -, BVerwGE 97, 301 = EZAR 025 Nr. 12). Daher wird nur der Besitz einer notwendigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die ausgeübte Beschäftigung verlangt (vgl. Nr. 2.3.1 AAH - ARB 1/80, Text bei Renner, Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeits- und zum Ausländerrecht, 2001, S. 543 ff.; Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Staatsangehöriger, 2. Aufl., 1999, S 86; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 1 AuslG Rdnr. 23). Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung wird nicht dadurch berührt, dass Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gegen einschlägiges Steuer-, Sozialversicherungs- oder Arbeitsschutzrecht verstoßen (Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998 Rdnr. 5/179).

Der Kläger konnte am 1. Juni 1998 aufgrund von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 die Verlängerung der Arbeits- und der Aufenthaltserlaubnis für die Beschäftigung in dem Kebap-Haus des Zeugen C. in W. verlangen. Er hatte nämlich am 26. Januar 1996 eine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten - damals arbeitete er in einem Restaurant in M. -, war in dem Kebap-Haus vom 1. Juni 1997 an mit einer Aufenthaltserlaubnis tätig und damit Ende Mai 1998 ununterbrochen ein Jahr bei demselben Arbeitgeber beschäftigt und beabsichtigte, seine Tätigkeit bei diesem Arbeitgeber fortzusetzen.

Für den Senat bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der übereinstimmenden Angaben des Klägers, des Zeugen C. und des Arbeitskollegen Ö. dazu, dass der Kläger auch im April 1998 Arbeitnehmer des Zeugen C. war, weil er für diesen arbeitete und dafür Lohn erhielt. Nach diesen Angaben hat der Kläger bis zum 14. März 1998 als Koch in dem Kebap-Haus in W. gearbeitet, war vom 15. März bis 15. April 1998 im Urlaub in der Türkei und arbeitete anschließend vom 16. April 1998 an in dem neuen Imbiss in E., wobei er zunächst bis zur Eröffnung am 1. Mai 1998 mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt war. Für die von diesen Angaben des Klägers, die durch eindeutige Zeugenaussagen bestätigt wurden, abweichende Vermutung des Verwaltungsgerichts, das Arbeitsverhältnis sei aus welchen Gründen auch immer zunächst zum 30. März 1998 beendet und es sodann nach der Rückkehr des Klägers aus der Türkei spätestens zum 1. Mai 1998 ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden, lassen sich brauchbare tatsächliche Anhaltspunkte und überzeugende Gründe nicht feststellen.

Ohne weiteres nachzuvollziehen ist, dass es wegen des Wechsels von der einen zur anderen Betriebsstätte Unklarheiten im Arbeitsablauf, der Lohnzahlung und der Abführung von Steuern und Abgaben gegeben hat. Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an die Ausländerbehörde zutreffend Unregelmäßigkeiten, Versäumnisse und Missverständnisse festgestellt, die gegen eine Fortsetzung der Beschäftigung des Klägers im April 1998 sprechen könnten. Nach Überzeugung des erkennenden Senats können damit aber die erwähnten übereinstimmenden Zeugenaussagen nicht erschüttert werden. Zwar hat die Ausländerbehörde zu Recht die aufgetretenen Unstimmigkeiten zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen; das anfänglich berechtigte Misstrauen hat sich aber nach Ansicht des Senats nicht bestätigt und nicht als begründet erwiesen. Die hierzu von der Ausländerbehörde und dem Verwaltungsgericht festgestellten Einzelheiten können nach Überzeugung des Senats nicht als Anzeichen für den Versuch der nachträglichen Konstruktion eines Arbeitsverhältnisses im April 1998 verstanden werden. Sie sind vielmehr als Hinweis auf anfängliche Versäumnisse aufgrund mangelnder Kenntnisse über die Organisation und Abwicklung eines Wechsels der Betriebsstätte und als Beleg für das Bemühen anzusehen, die aufgetretenen Mängel und Versäumnisse später in Ordnung zu bringen.

Möglicherweise waren der Kläger und sein Arbeitgeber der Ansicht, es bedürfe wegen des Wechsels der Betriebsstätte einer Änderungskündigung und eines neuen Arbeitsvertrags. Damit ist aber keine Erklärung dafür gegeben, dass der Kläger im April 1998 überhaupt nicht beschäftigt und entlohnt werden sollte. Hiergegen spricht außer den Zeugenaussagen über die Hilfstätigkeiten des Klägers in der zweiten Monatshälfte schon die Überlegung, dass dann der Kläger einen bezahlten Urlaub nur bis Ende März 1998 genommen und gleichzeitig auf ihm zustehende Zahlungen wegen Arbeitslosigkeit verzichtet hätte; denn er hat sich unstreitig für den Monat April nicht arbeitslos gemeldet und damit auch kein Arbeitslosengeld für diese Zeit erhalten. Gründe für ein derart unwirtschaftliches Verhalten sind weder vom Verwaltungsgericht benannt noch sonst erkennbar. Mit der Besorgnis um einen möglichen Verlust von Rechten aus dem ARB 1/80 könnte dieses Verhalten jedenfalls entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ausreichend erklärt werden. Der Kläger hätte nämlich seine bereits erworbenen Rechte und Anwartschaften infolge einer Kündigung durch den Arbeitgeber ebenso wenig verloren wie durch den Jahresurlaub (vgl. Art 6 Abs. 2 ARB 1/80). Insgesamt entsprach eine ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Interessen beider Vertragsparteien eher als dessen Unterbrechung für einen Monat. Dem Zeugen C. war erkennbar an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger und auch an dessen Mithilfe bei den Vorbereitungsarbeiten für die neue Gaststätte gelegen. Der Kläger hatte unter diesen Umständen keine Veranlassung, für einen Monat auf eine Entlohnung zu verzichten. Bei einer Gesamtbetrachtung erscheinen daher die vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellten Unklarheiten bei der buchhalterischen Bearbeitung und steuer- und versicherungsrechtlichen Behandlung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nachrangig.

Da der Kläger nach am 1. Juni 1998 mehr als ein Jahr bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt war und damals die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bereits aufgrund des ersten Spiegelstrichs von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangen konnte, war die Ausländerbehörde verpflichtet, ihm die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Auf den ehebezogenen Voraufenthalt kam es nur insoweit an, als der Kläger aufgrund des ehelichen Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau über ein gesichertes Aufenthaltsrecht während seiner Beschäftigung verfügte. Bei der Verlängerung aufgrund Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 handelt es sich lediglich um die Bescheinigung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts und nicht um die selbstständige Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde (vgl. z. B. EuGH, 22.06.2000, C-65/98 -, EZAR 816 Nr. 7 = NVwZ-Beil. 2000, 142 - Eyüp). Das auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 beruhende Aufenthaltsrecht ist auch nicht dadurch verloren gegangen, dass die Ausländerbehörde es nicht beachtet hat (EuGH, 19.11.2002 - C-188/00 -, EZAR 816 Nr. 12 = InfAuslR 2003, 41 - Kurz). Die Rechtsposition des Klägers hat sich inzwischen dadurch verfestigt, dass er weiterhin bei dem Zeugen C. beschäftigt ist. Soweit er während des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens keinen Aufenthaltstitel in Gestalt einer Aufenthaltserlaubnis besaß, ist dies unschädlich, da ihm, wie jetzt feststeht, ein Assoziations-Aufenthaltsrecht zustand. Da er jetzt insgesamt mehr als vier Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt ist, kann er sich auf ein unbeschränktes Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen, und zwar seit dem 1. Juni 2001 (zu dessen Inhalt näher Nr. 2.6 AAH-ARB 1/80). Damit verfügt er über eine dem Freizügigkeitsrecht des Unionsbürgers angenäherte Rechtsposition, allerdings beschränkt auf den deutschen Arbeitsmarkt (dazu EuGH, 10.02.2000 - C 340/97 -, EZAR 816 Nr. 4 = InfAuslR 2000, 161 - Nazli; Hess. VGH, 10.03.2003 - 12 UE 2568/02 -, EZAR 023 Nr. 30 = ESVGH 53, 174).

Die gegen den Kläger ergangene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig, da dieser bei deren Erlass bereits ein Aufenthaltsrecht besaß und daher nicht ausreisepflichtig war.

Nach alledem ist die Beklagte unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung der Behördenbescheide zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern. Obwohl diese Verpflichtung formell nur für die Zukunft wirkt, ist dabei unterstellt, dass die Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung vom 17. November 1998 hätte verlängert werden müssen, weil der Kläger bereits am 1. Juni 1998 ein Recht auf Verlängerung aus Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hatte. Eine rückwirkende Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Verlängerung (vgl. dazu BVerwG, 29.09.1998 -1 C 14.97 -, EZAR 029 Nr. 10 = NVwZ 1999, 306; Hess. VGH, 22.09.2003 - 12 UE 1255/03 -, EZAR 029 Nr. 25; zur Unschädlichkeit einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit infolge rechtswidriger Verweigerung eines Aufenthaltstitels vgl. Hess. VGH 18.12.2001 - 12 TZ 3009/01 -, EZAR 029 Nr. 18) erscheint dem Senat im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil der Kläger dies nicht beantragt und weil die Ausländerbehörde das Entstehen eines assoziationsrechtlichen Anspruchs bestreitet, den maßgeblichen Zeitpunkt des 1. Juni 1998 aber nicht in Zweifel zieht.

Ende der Entscheidung

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