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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: 12 UE 2451/01
Rechtsgebiete: GG, RuStAG, HVwVfG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 16 Abs. 1
RuStAG § 9
HVwVfG § 48
VwGO § 113
VwGO § 114
1. Die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens ist grundsätzlich zulässig.

2. Die Rücknahme einer Einbürgerung wegen strafbarer Führung einer Doppelehe kann im Klageverfahren, wenn sich die Bigamie nicht nachweisen lässt, nicht aufgrund eines geänderten Sachverhaltsfeststellung und eigener Ermessenserwägungen des Gerichts als rechtmäßig und ermessensgemäß bestätigt werden.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12 UE 2451/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Staatsangehörigkeitsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Univ.-Prof. Dr. Gornig, ehrenamtlicher Richter Becker, ehrenamtliche Richterin Wolf

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12. Juni 2001 der Bescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 14. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1999 aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung hinsichtlich der festgesetzten Kosten durch Sicherheitsleistung abzuwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1958 in G. (Pakistan) geborene Kläger hielt sich das erste Mal in den Jahren 1980 bis 1983 in Deutschland auf und betrieb erfolglos ein Asylverfahren. Im Jahr 1983 kehrte er nach Pakistan zurück und schloß dort die Ehe mit Frau R. K. , mit der zusammen er inzwischen vier Kinder hat. Am 20. Juli 1989 kam der Kläger erneut nach Deutschland und stellte einen Asylfolgeantrag. Diesen nahm er zurück, nachdem er am 29. Juni 1990 die deutsche Staatsangehörige C. K. geheiratet hatte. Bei der Eheschließung legte der Kläger sowohl eine amtliche Bestätigung seiner Ehelosigkeit in Pakistan vom 23. Januar 1990 als auch eine eidesstattliche Erklärung seines Vaters vor, dass er ledig und noch nicht verheiratet gewesen sei. Aufgrund der Eheschließung erhielt der Kläger zunächst eine befristete und am 28. September 1993 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Am 8. August 1994 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Dabei kreuzte er in dem Antragsformular bei der Frage nach früheren Ehen die Antwort "nein" an und strich die Felder in dem Abschnitt "Kinder" durch. In dem handschriftlichen tabellarischen Lebenslauf erwähnte er ebenfalls nichts von einer früheren Ehe oder Kindern. Daraufhin erteilte das Regierungspräsidium Gießen dem Kläger unter dem 3. Juli 1995 eine bis 1. Juli 1997 befristete Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass der Kläger den Verlust der pakistanischen Staatsangehörigkeit nachweist. Nachdem der Kläger am 20. Juli 1995 seinen Pass bei der pakistanischen Botschaft in Bonn abgegeben und diese unter dem 17. Februar 1996 unter Hinweis auf ein Schreiben der Generaldirektion für Einwanderung und Pässe vom 11. Februar 1996 die Registrierung des Verzichts des Klägers auf die pakistanische Staatsangehörigkeit bestätigt hatte, wurde der Kläger am 20. Februar 1996 unter Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 15. August 1995 eingebürgert.

Am 28. Dezember 1996 wurde die Ehe des Klägers mit Frau K. geschieden. Am 28. Mai 1997 beantragte Frau R. K. für sich und drei Kinder bei der Deutschen Botschaft in Islamabad die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung mit dem Kläger. Dazu gab sie an, sie sei Witwe und der Kläger habe mit ihr am 3. Januar 1997 in G. (Pakistan) die Ehe geschlossen und wolle die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland fortsetzen. Dem Bericht der Botschaft zu Folge sollen der Kläger und Frau K. seit 9. August 1985 verheiratet sein und es sich bei den 3 Kindern um gemeinsame eheliche Kinder und nicht um Kinder Frau K. aus erster Ehe handeln. Die Sterbeurkunde ihres angeblichen ersten Ehemanns sowie eine entsprechende Sterbebescheinigung eines Krankenhauses seien als Fälschung identifiziert worden. Außerdem habe der Registerbeamte des Geburtsregisters mündlich zugegeben, dass die Geburtseinträge der drei Kinder hinsichtlich der Angaben zu Vater und Großvater verändert worden seien.

Daraufhin leitete das Regierungspräsidium Gießen ein Rücknahmeverfahren hinsichtlich der Einbürgerung ein und erstattete Strafanzeige gegen den Kläger. Das Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg a. d. Lahn am 17. September 1998 gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.000 DM an eine gemeinnützige Einrichtung ein.

Mit Bescheid vom 14. Januar 1999 nahm das Regierungspräsidium Gießen die Einbürgerung des Klägers zurück und führte dazu aus, die aufgrund von § 9 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) vorgenommene Einbürgerung sei materiell rechtswidrig gewesen, da die erforderlichen Einbürgerungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Hinsichtlich der Voraussetzung der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse sei die Einbürgerungsbehörde seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen, der in Wahrheit nicht vorgelegen habe, nämlich davon, dass der Kläger noch unverheiratet am 29. Juni 1990 die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen C. K. eingegangen sei. Demgegenüber sei die Einbürgerungsbehörde nunmehr davon überzeugt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr ledig gewesen sei, sondern bereits zuvor in Pakistan am 9. August 1985 die pakistanische Staatsangehörige R. K. geheiratet habe und aus dieser Ehe drei Kinder hervorgegangen seien. Dieser neue den Angaben des Klägers widersprechende Sachverhalt sei nicht geeignet, die Annahme einer Einordnung des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse zu rechtfertigen. Die deutschen Lebensverhältnisse seien maßgeblich durch das hier herrschende und das Institut der Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG bestimmende Prinzip der Einehe geprägt. Die Doppelehe sei verboten und strafbewehrt. Indem der Kläger gegen das Verbot der Doppeleheschließung verstoßen und dem Prinzip der Einehe über eine Dauer von sechs Jahren hinweg zuwider gehandelt habe, habe er erkennen lassen, dass er die Grundzüge der in Deutschland geltenden sozialen und rechtlichen Ordnung nicht hinreichend verinnerlicht habe. Solches Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass der Kläger trotz jahrelanger Abwesenheit den in seinem Herkunftsland herrschenden rechtlichen, kulturellen und sozialen Verhältnissen deutlich näher stehe als der damit kollidierenden deutschen Rechts- und Werteordnung. Letztlich sei dadurch, bezogen auf den Einbürgerungszeitpunkt, eine für ihn günstige Prognose dahingehend, seine Integration werde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit vollziehen, ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob eine arglistige Täuschung gegeben sei, habe der Kläger die Einbürgerung jedenfalls durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien (§ 48 Abs. 2 HVwVfG). Dem Kläger sei auch bewußt gewesen, dass er wahrheitswidrige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat. Eine Rücknahme habe zu unterbleiben, wenn entweder zum Zeitpunkt der Einbürgerung auch aus anderen Vorschriften eine Einbürgerung möglich gewesen wäre oder dies gegenwärtig der Fall wäre. Beides treffe jedoch nicht zu. Auch die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland sei nicht so lange, dass eine Rücknahme der Einbürgerung untunlich wäre. Bei dieser Sachlage überwiege das öffentliche Interesse einer Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber dem Interesse des Klägers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit.

Mit dem hiergegen am 25. Januar 1999 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die von der Einbürgerungsbehörde angeführten Gründe beruhten lediglich auf Vermutungen; denn er habe zu keiner Zeit eine Doppelehe geführt und sei bei der Eheschließung mit Frau K. nicht mehr mit Frau K. verheiratet gewesen, da die letztere Ehe zu diesem Zeitpunkt geschieden gewesen sei. Frau K. sei zwar seine erste Ehefrau gewesen, die Ehe sei jedoch vor dem 25. Juni 1990 geschieden worden. Über die von Frau K. vorgelegten Unterlagen wisse er nichts. Sollten dort Manipulationen vorgenommen sein, so seien diese jedenfalls nicht durch ihn veranlasst. Diesen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Gießen mit Bescheid vom 25. August 1999 zurück und führte dazu zusätzlich aus, der Kläger sei dafür, dass er sich vor der Eheschließung mit Frau K. habe scheiden lassen, als darlegungspflichtige Partei beweispflichtig geblieben. Er habe weder Zeitpunkt noch Ort der Ehescheidung noch irgendwelche Nachweise vorgelegt, die überprüft werden könnten. Gegen ihn spreche auch, dass zwar die Heirat mit Frau K. registriert sei, eine Scheidung jedoch anscheinend nirgendwo registriert worden sei. Nachweislich der Angaben der Botschaft in Islamabad sei die Scheidung auch nicht in den Papieren der Frau K. registriert worden. Zudem habe der Kläger bei Vorliegen einer Scheidung hierzu Angaben in seinem Einbürgerungsantrag machen müssen.

Mit der hiergegen am 23. September 1999 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Vorlage von Urkunden geltend gemacht, die Ehe mit Frau K. sei im Jahre 1989 geschieden worden. Die Wiederverheiratung mit seiner ersten Frau sei am 3. Januar 1997 in W. /G. erfolgt. Den Einbürgerungsantrag vom 8. August 1994 habe er nicht selbst ausgefüllt, die Ausfüllung sei durch einen Kollegen erfolgt, und es sei unklar, wie es zu der falschen Eintragung gekommen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1999 aufzuheben und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zu den vom Kläger vorgelegten Scheidungsunterlagen hat der Beklagte mitgeteilt, die Deutsche Botschaft in Islamabad habe diese überprüfen lassen und der Vertrauensanwalt habe sie für echt befunden. Ob es sich um nachträglich erstellte Unterlagen handele, könne derzeit nicht nachgewiesen werden. Hierfür spreche aber, dass der Kläger sowohl beim Einbürgerungsantrag als auch bei der Eheschließung mit Frau K. frühere Ehen verneint und im September/Oktober 1999 beim Standesamt H. um Aushändigung der seinerzeit bei der Aufgebotsbestellung vorgelegten Originalunterlagen gebeten habe. Außerdem habe im Zeitpunkt der Einbürgerung zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau tatsächlich keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr bestanden; die Eheleute R. hätten vielmehr bereits seit Juli 1995 getrennt gelebt. Daher habe sich der Kläger auch durch unvollständige Angaben hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse während des laufenden Einbürgerungsverfahrens die Einbürgerung erschlichen.

Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Urteil vom 12. Juni 2001 die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, die Rücknahme der Einbürgerung sei nicht rechtswidrig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Grundlage für die Rücknahme sei in Ermangelung besonderer Regelungen § 48 HVwVfG. Die am 20. Februar 1996 vollzogene Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Einbürgerung nicht vorgelegen hätten. Ob der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der Eheschließung mit Frau K. in Deutschland aufgrund einer wirksamen Scheidung in Pakistan ledig gewesen sei, bleibe offen. Die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse (§ 9 StAG) sei hier bereits aufgrund des Verhaltens des Klägers bei der Antragstellung zu verneinen. Der Ausländer müsse gerade die für die Einbürgerung erkennbar bedeutsamen Angaben zu seinen persönlichen Lebensumständen vollständig und richtig angeben und dürfe hierbei nichts Wesentliches verschweigen oder bewußt in der Bedeutung herabwürdigen. Im Zusammenhang mit einer Einbürgerung nach § 9 StAG seien jedenfalls vollständige und richtige Angaben zu der aktuellen Familiensituation und auch zu einer früheren Ehe und der Existenz von Kindern zu zählen. Der Kläger habe sich in seinem Antrag auf Einbürgerung in zwei wichtigen Punkten nicht korrekt erklärt. Er habe auf die in dem Vordruck ausdrücklich gestellte Frage nach früheren Ehen, indem er das Feld "nein" angekreuzt habe, nicht wahrheitsgemäß geantwortet und auch zu seinen drei Kindern keine Angaben gemacht. In diesem Zusammenhang sei weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits die Heirat mit Frau K. unter Verwendung von schriftlichen Lügen, nämlich den wahrheitswidrigen Bestätigungen des Vorsitzenden des Gemeinderats und seines Vater, betrieben habe. Schon zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger offenbar daran gelegen gewesen, seine frühere Ehe in Pakistan zu verbergen. Des Weiteren sei der Kläger aber auch der Verpflichtung zur Mitteilung wesentlicher Änderungen in seinen Lebensumständen nicht nachgekommen. Er habe nämlich in der schriftlichen weiteren Begründung des Antrags ausgeführt, dass er seit fünf Jahren hier in Deutschland lebe und seit vier Jahren mit einer deutschen Frau verheiratet sei und sie zusammen wohnten. Diese Angabe sei zwar im Zeitpunkt der Antragstellung wohl noch zutreffend gewesen; die Ehefrau des Klägers habe sich aber einige Zeit später, nämlich im Juli oder August 1995, von dem Kläger getrennt. Der Kläger hätte die Verpflichtung gehabt, entsprechende Änderungen seiner Familiensituation der Einbürgerungsbehörde mitzuteilen. Die Rücknahme der Einbürgerung sei auch hinsichtlich der konkret getroffenen Entscheidung rechtmäßig. Dem Kläger müsse vorgehalten werden, dass er seine Einbürgerung durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen habe. Der Rücknahme der Einbürgerung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids einen Anspruch auf Einbürgerung gehabt hätte. Des Weiteren sei die Rücknahmeentscheidung rechtzeitig erfolgt. Schließlich sei die Rücknahme auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Kläger dadurch in seinen Grundrechten verletzt sein könnte. Insbesondere werde er durch die mit Rücknahme eintretende Staatenlosigkeit nicht in seinen Rechten nach Art. 16 Abs. 1 GG verletzt. Die Einbürgerungsbehörde habe das ihr zustehende Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass sie das Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, bestünden nicht.

Nach Zulassung der Berufung durch Beschluss des Senats vom 7. September 2001 (12 UZ 2190/01) verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht geltend, die Rücknahme einer Einbürgerung sei grundsätzlich zulässig, wenn sie erschlichen worden sei, und dies sei anzunehmen, wenn eine zweite Ehe verschwiegen werde, selbst wenn sie nach Heimatrecht zulässig sein sollte. Seine Ehe mit Frau K. sei wirksam und rechtskräftig geschieden; der Fall einer Doppelehe sei bei ihm also nicht gegeben. Darauf, dass er bei Beantragung der Einbürgerung die Frage nach früheren Ehen und Kindern aus früherer Ehe mit "nein" beantwortet habe, könne eine Rücknahme der Einbürgerung nicht gestützt werden. Er spreche zwar umgangssprachlich die deutsche Sprache, sei jedoch nicht in der Lage, fehlerfrei zu schreiben, und habe darüber hinaus eine von vielen seiner deutschen Mitbürger geteilte Abneigung gegen Formulare. Deshalb habe er sich bei Bearbeitung des Einbürgerungsantrags der Mithilfe eines Landsmannes bedient. Dieser habe ihm die Frage nach dem Bestehen früherer Ehen gestellt, und er habe im Hinblick auf die bereits erwähnte Scheidung der ersten Ehe angegeben, nicht verheiratet zu sein. Dies habe der Landsmann in den Antrag übernommen. Er stamme aus einem Rechtskreis, der die Mehrehe zulasse, und habe den im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Hintergrund der Fragen des Einbürgerungsformulars nicht erkennen können. Er habe lediglich angenommen, dass wie vor der Eheschließung mit Frau K. erneut habe geprüft werden sollen, ob nicht eine Doppelehe bestanden habe. An eine etwaige Unterhaltsverpflichtung gegenüber geschiedener Ehefrau und Kindern aus geschiedener Ehe in Pakistan habe er auch nicht im Entferntesten gedacht, da es derartige Unterhaltsansprüche nach pakistanischem Recht nicht gebe und derartige Ansprüche pakistanischer Staatsangehöriger in Deutschland ohnehin in der Praxis kaum durchsetzbar sein dürften. Bis zum Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde hätten sich hinsichtlich der persönlichen Lebensverhältnisse keine offenbarungspflichtigen Änderungen ergeben. Er bleibe dabei, dass Frau K. nach vorangegangener Trennung mit ihm einen Aussöhnungsversuch unternommen habe. Sie habe also im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde mit ihm zusammen gelebt. Da die Vorschrift des § 24 StAngRegG auf Verschulden abstelle, müsse dies auch zumindest analog bei der Anwendung allgemeiner Vorschriften gelten. Er sei im Zuge der Einbürgerung veranlasst worden, seine pakistanische Staatsangehörigkeit zurück zu geben. Wollte man ihn der Gefahr aussetzen, bei jedem nachgewiesenen x-beliebigen Fehler seinen neugewonnenen Status verlieren zu können, so würde dies eindeutig zu weit gehen. Sein Verschulden sei bereits im Strafverfahren als gering bezeichnet worden. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft sei nicht bindend, sie lasse sich jedoch auch materiell nicht beanstanden. Insbesondere unter Berücksichtigung der jetzt dargestellten Umstände könne es sich um einen Fehler handeln, der nicht unverzeihlich sei. Ein auf nachvollziehbaren Mißverständnissen beruhender Fehler bei der Bearbeitung eines umfangreichen Formulars könne nicht ein so erhebliches Gewicht erlangen, dass er die Rücknahme der Einbürgerung rechtfertige.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 12. Juni 2001 den Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 1999 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft die Ausführungen in den Behördenbescheiden und im Klageverfahren und führt dazu aus, die Einbürgerung des Klägers habe auf in wesentlichen Punkten falschen Angaben des Klägers im Einbürgerungsantrag beruht und Ziel des Klägers sei es gewesen, mittels Erschleichen der Einbürgerung ein Aufenthaltsrecht für sich und später auch für seine pakistanische Familie zu erlangen. Der Kläger gewährleiste weder zum Zeitpunkt der Einbürgerung noch heute, sich in die deutschen Lebensverhältnisse einzuordnen. Die fehlende Einordnung des Klägers zeige sich darin, dass er in dem Einbürgerungsantrag fehlerhafte Angaben gemacht habe; insoweit sei dem Urteil des VG Gießen voll umfänglich zuzustimmen. Des Weiteren habe es der Kläger unterlassen, der Beklagten mitzuteilen, dass er sich von seiner deutschen Ehefrau getrennt habe. Im Übrigen sei die Einbürgerung schon aufgrund der Trennung rechtswidrig. Ein Scheitern der Ehe habe auch die Folge, dass eine begünstigte Integration nicht mehr zu erwarten sei. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Kläger eine Doppelehe geführt habe. Daraus ergebe sich zum wiederholten Mal, dass sich der Kläger nicht in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet habe. Die Behauptung des Klägers, er habe sich vor der Heirat in Deutschland von seiner pakistanischen Ehefrau scheiden lassen, sei nicht glaubhaft. Der Kläger habe seinen Sachvortrag so häufig und immer pünktlich in der entsprechenden Verfahrenssituation geändert, dass er nunmehr gänzlich unglaubwürdig sei. Es spreche einiges dafür, dass die vom Kläger vorgelegten Scheidungsurkunden ebenso gefälscht seien, wie es die Sterbeurkunden des angeblich verstorbenen Ehemanns der Frau K. und auch die Geburtsurkunden der Kinder gewesen seien. Die Botschaft in Islamabad habe zwar nicht nachweisen können, dass die Scheidungsunterlagen nachträglich erstellt worden seien. Es werde aber angeregt, überprüfen zu lassen, ob das vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichte Scheidungsdokument auf Papier erstellt sei, welches mittlerweile 12 Jahre alt sei. Die Scheidung sei auch deshalb unglaubhaft, weil eine Wiederheirat nach traditionellem Islamrecht nur zulässig sei, wenn die geschiedene Frau einen anderen Mann geheiratet habe und von ihm geschieden worden sei. Dies habe der Kläger nicht vorgetragen. Bezüglich der im Rahmen des § 48 HVwVfG vorzunehmenden Ermessenabwägung werde in vollem Umfang auf den Rücknahme- und den Widerspruchsbescheid hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die den Kläger betreffenden Behördenakten des Regierungspräsidiums Gießen und die einschlägigen pakistanischen Gesetze in der Übersetzung von Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und nach rechtzeitiger Stellung eines Berufungsantrags und nach der Begründung der Berufung auch sonst zulässige Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 3 VwGO) ist begründet, da das Verwaltungsgericht die Klage auf Aufhebung des Rücknahmebescheids des Regierungspräsidiums Gießen vom 14. Januar 1999 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1999 zu Unrecht abgewiesen hat. Die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist nämlich rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung, dass die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers zu Recht erfolgt ist und insbesondere die Einbürgerungsbehörde das ihr obliegende Ermessen jedenfalls im Ergebnis fehlerfrei ausgeübt hat, unter Verstoß gegen die Grundsätze über die Überprüfung von Ermessensentscheidungen (§§ 113, 114 VwGO) nicht berücksichtigt, dass der von der Einbürgerungsbehörde angenommene Sachverhalt nicht zur Überzeugung des Gerichts festzustellen ist und die daran anknüpfenden behördlichen Ermessenserwägungen damit ins Leere gehen und nicht durch Ermessenserwägungen des Gerichts ersetzt werden dürfen. Wie der erkennende Senat bereits in dem Urteil vom 18. Mai 1998 - 12 UE 1542/98 - (EZAR 276 Nr. 4 = NVwZ-RR 1999, 276 = ESVGH 48, 256 = InfAuslR 1998, 505) entschieden hat, sind die allgemeinen Rücknahmevorschriften des § 48 HVwVfG grundsätzlich auf Einbürgerungen anwendbar. Danach durfte die Einbürgerung des Klägers im Wege des Ermessens zurückgenommen werden, falls dieser sie durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen hatte.

Die Einbürgerung des Klägers wurde im Februar 1996 unter Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 15. August 1995 auf der Grundlage der damals geltenden Vorschrift des § 9 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung der Änderung vom 30.06.1993, BGBl. I S. 1062) - RuStAG - über den Einbürgerungsanspruch des Ehegatten eines Deutschen vollzogen. Danach sollen Ehegatten Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 RuStAG eingebürgert werden, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben und gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass der Einbürgerung erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere solche der äußeren oder inneren Sicherheit sowie der zwischenstaatlichen Beziehungen entgegenstehen. Die danach notwendige Voraussetzung der Vermeidung von Mehrstaatigkeit war dadurch gewährleistet, dass der Verzicht des Klägers auf die pakistanische Staatsangehörigkeit, nachdem ihm eine Einbürgerungszusicherung ausgestellt worden war, wirksam erfolgt war.

Die Einbürgerungsbehörde betrachtet die Einbürgerung im Nachhinein als rechtswidrig, weil im Lichte nachträglicher Erkenntnisse nicht gewährleistet war, dass sich der Kläger in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet. Während die Einbürgerungsbehörde in dem Rücknahmebescheid und dem Widerspruchsbescheid angenommen hat, der Kläger sei im Zeitpunkt der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen K. am 29. Juni 1990 bereits verheiratet und nicht wieder geschieden gewesen, hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung offengelassen, ob der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der Eheschließung mit Frau K. in Deutschland aufgrund einer wirksamen Scheidung in Pakistan ledig oder aber noch verheiratet gewesen sei. Im Klageverfahren hat der Beklagte das Ergebnis der Überprüfungen der Deutschen Botschaft in Pakistan und eines Vertrauensanwalts mitgeteilt, wonach die vom Kläger vorgelegten Scheidungsunterlagen für echt befunden worden seien und nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um nachträglich erstellte Unterlagen handele. Hiervon ist auch weiter auszugehen. Aussagekräftige Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger durch Urkunden nachgewiesene Ehescheidung in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat, liegen nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, wie nachgewiesen werden könnte, dass die frühere Ehe des Klägers tatsächlich nicht geschieden worden ist und er damit im Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland noch mit seiner pakistanischen Ehefrau verheiratet war, mit der er tatsächlich dann am 3. Januar 1997 nach der Scheidung von seiner deutschen Ehefrau erneut die Ehe geschlossen hat. Vermutungen darüber, dass die Scheidungsurkunde nachträglich erstellt worden sei, reichen nicht dazu aus, den durch Vorlage einer Urkunde geführten Nachweis über die Aufhebung der Ehe zu erschüttern. Obwohl die von der Einbürgerungsbehörde angeführten zahlreichen Unstimmigkeiten dafür sprechen könnten, dass der Kläger bewusst seine Einbürgerung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen betrieben hat, können diese Umstände allein, selbst wenn sie trotz der insoweit vom Kläger vorgebrachten Einwände erwiesen werden sollten, den mit den Scheidungsdokumenten geführten Beweis nicht entkräften. Die Anregung des Beklagten, das Alter des Papiers des Scheidungsdokuments überprüfen zu lassen, hat der Senat nicht aufgegriffen, weil ihm diese Art der Beweiserhebung nicht geboten erscheint. Die Unterlagen sind bereits in Pakistan unter Mithilfe eines Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft geprüft und für echt befunden worden. Da dazu außerdem erklärt wurde, eine nachträgliche Erstellung könne nicht nachgewiesen werden, ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen nunmehr im Berufungsverfahren ein triftiger Anlass für eine derartige Prüfung bestehen soll, die von dem Beklagten ohne Weiteres auch schon während des Verfahrens in erster Instanz hätte veranlasst werden können. Ob die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Argumente hinsichtlich der Ehescheidung und der Wiederverheiratung zutreffen, könnte erst nach umfangreicher Sachaufklärung beantwortet werden. Angesichts der erheblichen Unterschiede in den Familienrechten für die einzelnen Religionen und Regionen in Pakistan (vgl. Bergmann/Ferid, Int. Ehe- und Kindschaftsrecht, "Pakistan", S. 19 ff.) bedürfte es zur Prüfung der Richtigkeit der Behauptungen und Überlegungen der Einbürgerungsbehörde zunächst der Feststellung, welcher Religion und welchem Stamm der Kläger und seine pakistanische Ehefrau angehören und nach welchen Rechtsregeln ihre erste Ehe aufgelöst worden ist. Hierzu haben die Beteiligten, insbesondere der Beklagte, bisher nichts vorgetragen.

Nach alledem ist eine wesentliche Entscheidungsgrundlage des Rücknahme- und des Widerspruchsbescheids entfallen, die nicht nur die Annahme der Rechtswidrigkeit der erfolgten Einbürgerung, sondern auch die daran anknüpfenden Ermessenserwägungen der Einbürgerungsbehörde betrifft. Das Verwaltungsgericht hat die Rücknahme gleichwohl für rechtens erklärt und ihr letztlich eine andere Entscheidungsgrundlage und andere Ermessenserwägungen nachträglich zu Grunde gelegt, indem es dem Kläger unrichtige Angaben zu seinen Familienverhältnissen (Verschweigen von früherer Ehe, gemeinsamen Kindern und Getrenntleben während des Einbürgerungsverfahrens) vorgehalten und diese für so gewichtig erachtet hat, dass die Rücknahmeentscheidung auch unter diesen geänderten Verhältnissen fehlerfrei gewesen sei. Es lässt sich jedoch mit den in §§ 113, 114 VwGO niedergelegten Grundsätzen der Überprüfung von Behördenentscheidungen nicht vereinbaren, im Klageverfahren auf diese Weise die Rechtsgrundlage der Rücknahmeentscheidung auszuwechseln.

Die Besonderheit besteht hier darin, dass die auf Anfechtungsklage hin zu kontrollierende Rücknahmeentscheidung des Regierungspräsidiums zum einen darauf beruht, dass nach Auffassung der Behörde die bei der Einbürgerung getroffene Integrationsprognose im Hinblick auf eine vom Kläger jahrelang geführte Doppelehe mit seiner pakistanischen und mit seiner deutschen Ehefrau fehlerhaft war, und zum anderen darauf, dass im Hinblick auf das Gewicht dieser Verfehlung und das Verschweigen der ehelichen Lebensverhältnisse in dem Einbürgerungsantrag von der Möglichkeit der Rücknahme der Einbürgerung im Ermessenswege Gebrauch gemacht wurde. Das Verwaltungsgericht hat die Begründung für die ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ausgewechselt, indem es dem Kläger lediglich vorgehalten hat, dass er seine frühere Ehe und die daraus hervorgegangenen Kinder in dem Einbürgerungsantrag nicht angegeben und die zwischenzeitliche Trennung von seiner deutschen Ehefrau nicht während des Verfahrens mitgeteilt hat. Damit aber ist die Grundlage für die der Rücknahme zugrundeliegende Annahme, der Kläger habe damals nicht die Gewähr für die Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse geboten, in entscheidenden Punkten verändert worden. Für den Erfolg von Integrationsbemühungen eines deutsch verheirateten Ausländers macht es einen ganz erheblichen Unterschied, ob er vor der Einbürgerung durch Führen einer strafbaren bigamischen Ehe deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er dem deutschen Rechts- und Kulturkreis ferne steht, oder ob er durch das Nichtbeantworten der Fragen nach einer früheren Ehe und nach Kindern und durch das Verschweigen des Getrenntlebens von seiner Ehefrau eine Pflichtwidrigkeit von eindeutig wesentlich geringerem Gewicht für die Fähigkeit zur Integration in deutsche Lebensverhältnisse begangen hat. Während im ersten Fall die Bigamie und die in ihr zum Ausdruck gelangte strafbare Missachtung der deutschen Rechtsordnungen selbst Zweifel an der Integrationsfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers aufkommen lassen müssen, geht es im zweiten Fall lediglich um das objektive Verschweigen von Tatsachen, die dann, wenn sie bekannt gewesen wären, der Einbürgerung nur insofern entgegen gestanden hätten, als die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der deutschen Ehefrau in Rede steht.

Es kann hier offen bleiben, ob die im Rahmen des § 9 RuStAG anzustellende Integrationsprognose, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, dadurch beeinflusst werden kann, dass der Einbürgerungsbewerber im Zuge des Einbürgerungsverfahrens eine objektiv unrichtige Angabe zu für die Einbürgerung letztlich unerheblichen persönlichen Umständen macht. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob es sich bei der Nichtangabe der früher in Pakistan geschlossenen und dann wieder geschiedenen Ehe und der Existenz daraus hervorgegangener Kinder um einen so wesentlichen Vorgang handelt, dass die Einbürgerungsbehörde bei Kenntnis der wahren Sachlage an einer günstigen Integrationsprognose gehindert gewesen wäre. Vor allen Dingen kann offen bleiben, ob die Einbürgerung mangels positiver Integrationsprognose hätte unterbleiben müssen oder können, wenn die Unrichtigkeit der Angaben des Klägers zu seiner früheren Ehe und zu der Existenz von Kindern aus dieser Ehe bereits bei der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bekannt gewesen wäre. Denn unabhängig von diesen Fragen steht fest, dass die behördliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der damals vorgenommenen Einbürgerung und über das ihr auf dieser Grundlage zustehende Rücknahmeermessen auf einem wesentlich anderen Sachverhalt beruht, als jetzt während des Gerichtsverfahrens festgestellt werden kann. Da es dem Senat andererseits ebenso wie dem Verwaltungsgericht verwehrt ist, auf einer geänderten Tatsachengrundlage sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Einbürgerungsbehörde zu setzen, erweist sich die Rücknahme als rechts- und ermessenswidrig.

Dieser Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Einbürgerungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich der Rücknahme während des Verfahrens ergänzen darf (§ 114 Satz 2 VwGO); denn hier handelt es sich insoweit um eine vollständig neue Sachverhaltsfeststellung und Ermessensausübung. Infolgedessen bedarf es auch nicht der Prüfung, ob der von dem Kläger bestrittene umfangreiche - teilweise neue - Tatsachenvortrag der Einbürgerungsbehörde zutrifft.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO sowie § 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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