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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.12.2000
Aktenzeichen: 12 UE 2931/99.A
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 A
AuslG § 51 Abs. 1
1. Nach wie vor sind Kurden in den Notstandsprovinzen der Türkei einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt, sie können aber grundsätzlich in anderen Regionen verfolgungsfrei leben und sich dort auch die notwendigen Existenzmittel verschaffen.

2. Es bleibt offen, welcher Prognosemaßstab bei der Rückkehr eines Kurden anzuwenden ist, der aus einer Notstandsprovinz stammt.

3. Ein kurdischer Volkszugehöriger, der vor der Abreise aus der Türkei wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit der PKK gesucht wurde und dessen Bruder erfolgreich ein öffentlich bekannt gewordenes Verfahren gegen die Türkei wegen seiner eigenen Verhaftung geführt hat, läuft bei einer Rückkehr die Gefahr asylrelevanter Verfolgung.


Tatbestand:

Der ... 1966 in I. (Provinz Sirnak) geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er verließ seinen Angaben zufolge die Türkei am 15. März 1993 und kam zusammen mit anderen Personen am 20. März 1993 auf einem türkischen Lkw nach Deutschland. Hier beantragte er am 30. März 1993 die Anerkennung als Asylberechtigter und gab bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 12. Januar 1994 an, er habe zwischen 1986 und 1988 in der Provinz Edirne seinen Militärdienst geleistet. Er sei Sympathisant der PKK gewesen und seit 1991 vom türkischen Militär gesucht worden. Am 4. März 1991 sei das Nachbardorf Koraq von türkischen Soldaten unter Beschuss genommen worden. Noch in der gleichen Nacht hätten PKK-Guerillas sie aufgefordert, aufgrund des Überfalls eine Demonstration in Idil zu veranstalten. Die Einwohner von fünf umliegenden Dörfern seien dieser Aufforderung nachgekommen. Während sich der Demonstrationszug dem Zentrum von Idil genähert habe, seien sie plötzlich von Soldaten mit Panzern umzingelt worden, die auch in die Menge geschossen hätten. Es habe zwei Tote und 52 Verletzte gegeben. Mit 70 anderen Leuten habe er versucht zu flüchten. Auf dem Heimweg seien sie jedoch wiederum von Soldaten umzingelt worden. Sie hätten sich auf die Straße legen müssen, und die Soldaten seien über sie hinweggelaufen. Von den 70 Leuten seien 15 zurück nach Idil gebracht und dort fünf Tage festgehalten worden. Er habe auch zu diesen 15 Personen gehört. Nach fünf Tagen sei er wieder freigelassen worden, da sich ein türkischer Parlamentsabgeordneter der Sache angenommen habe und nach Idil gekommen sei. Vor der Freilassung seien jedoch seine Personalien notiert worden. In der Folgezeit habe er vermieden, mit dem Kleinbus zu fahren, da er nicht mit Soldaten habe zusammentreffen wollen. Dies sei auch bis zum 1. Januar 1992 gutgegangen. An diesem Tag seien in ihrer Gegend zwei PKK-Kämpfer von türkischen Soldaten getötet worden. Andere PKK-Angehörige hätten sie aufgefordert, die Leichname in sein Heimatdorf zu bringen und mit den Leichen am nächsten Tag in Idil eine Demonstration zu veranstalten. Die Demonstration sei auch durchgeführt worden, ohne dass sich etwas ereignet habe. Am 26. Januar 1993 seien drei PKK-Angehörige zu ihm nach Hause gekommen und dort über Nacht geblieben. Sie hätten sich gegenseitig vor seinem Haus fotografiert. Am nächsten Tag hätten sie ihn aufgefordert, sie in das Dorf Kayali zu fahren, was er auch getan habe. Ein Spion aus einem Nachbardorf habe davon Kenntnis erhalten und ihn deswegen beim Militär angezeigt. Von ihnen eingesetzte Beobachter hätten gemeldet, dass das Militär sein Heimatdorf umzingele. Er habe noch fliehen können, habe jedoch seine Ausweispapiere zurücklassen müssen. Sie seien insgesamt fünf Leute gewesen, die geflüchtet seien. Plötzlich hätten sie jedoch den Soldaten in einer Entfernung von 500 m gegenüber gestanden. Ein Kamerad sei verletzt worden, während die anderen sich hätten retten können. Die drei PKK-Kämpfer, die er nach Kayali gebracht habe, seien kurze Zeit später bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit türkischen Soldaten getötet worden. Dabei seien auch die Fotos entdeckt worden, die sie vor seinem Haus aufgenommen hätten. Nachdem die Soldaten herausgefunden hätten, wo die Fotos aufgenommen worden waren, sei sein Haus durchsucht worden, wobei auch sein Ausweis gefunden worden sei. Da man ihn nicht gefangen habe, habe man stattdessen seinen Bruder in Idil festgenommen, der seitdem in Elazig im Gefängnis sitze. Auch sein Vater, der bereits 65 Jahre alt sei, sei zunächst mit nach Idil genommen und dort 15 Tage festgehalten und gefoltert worden. Man habe von ihm, dem Vater, verlangt, dass er, der Kläger, sich stellen sollte. Er habe sich jedoch einen Monat lang versteckt und sei nur heimlich nachts nach Hause gekommen. Allgemein habe er PKK-Angehörigen Unterschlupf gewährt und Lebensmittel für sie weitertransportiert, wenn sie ihn aufgesucht hätten. Als er nach der Demonstration für fünf Tage in Idil festgehalten worden sei, hätten sie aus Platzmangel auf einem Flur liegen müssen. Außerdem seien mit kaltem Wasser abgespritzt und auch mit Holzstöcken geschlagen worden. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde er nicht nur verhaftet, sondern höchstwahrscheinlich sofort getötet werden. Nach seiner Flucht sei seine zurückgebliebene Familie sowohl von Dorfschützern als auch vom türkischen Militär unterdrückt worden und schließlich gezwungen gewesen, das Dorf zu verlassen und nach Idil zu ziehen. Schließlich legte der Kläger bei seiner Anhörung noch drei Zeitungsartikel und zwei Bescheinigungen vor, die Aufschluss über die Zustände in seinem Heimatdorf und über das Schicksal seines Cousins ... geben sollen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 25. Februar 1994 den Asylanerkennungsantrag abgelehnt, das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG festgestellt und dem Kläger unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht.

Mit der hiergegen am 7. März 1994 erhobenen Klage hat der Kläger unter Vorlage verschiedener Schriftstücke geltend gemacht, gegen ihn werde in der Türkei wegen vermuteter Unterstützung der PKK ein Verfahren durchgeführt. Sein Bruder ... sei des Separatismus verdächtigt und entsprechend verurteilt worden, er habe jedoch nach Deutschland fliehen können und betreibe zusammen mit zwei weiteren Klägern ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg; er sei durch das Bundesamt anerkannt worden. Er, der Kläger, sei wegen seines Bruders und dessen Aktivitäten in der Türkei im Falle einer Rückkehr auch unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft gefährdet.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 25. Februar 1994 die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung des Ablehnungsbescheids beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bundesbeauftragte hat sich am Klageverfahren nicht beteiligt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 1999 mit am 28. Juni 1999 verkündetem Urteil abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter besitze und die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorlägen.

Nach Zulassung der Berufung durch Beschluss des Senats vom 29. September 1999 (12 UZ 2279/99.A) wegen Verletzung rechtlichen Gehörs verfolgt der Kläger sein Asylbegehren weiter und beruft sich ergänzend auf die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg in dem Urteil vom 23. September 1998, dass sein Bruder ... in der Türkei Aktivitäten für die PKK vorgeworfen worden seien und er während der Untersuchungshaft schwer misshandelt und gefoltert worden sei. Es sei davon auszugehen, dass der Bruder aus der Sicht der türkischen Sicherheitskräfte als Aktivist der PKK eingestuft werde, der seine separatistischen Aktivitäten vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus fortsetze und über erhebliche Informationen über Struktur und Arbeitsweise und Personal in der PKK in Deutschland verfüge. Die türkischen Sicherheitskräfte hätten aus diesem Grund ein erheblich gesteigertes Interesse an seinem Bruder .... Dies mache ihn selbst ebenfalls zu einer Erfolg versprechenden Informationsperson für die türkischen Sicherheitskräfte. Dieses Informationsinteresse der türkischen Sicherheitskräfte bringe ihn bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in die Gefahr, bereits bei seiner Einreise verschärften Verhören der türkischen Sicherheitskräfte und der Anwendung asylerheblicher Praktiken ausgesetzt zu sein. Dies gelte umso mehr, als er als der Zusammenarbeit mit der PKK Verdächtiger bei seiner Einreise mit Verhören unter Anwendung asylerheblicher Praktiken rechnen müsste. Der Freispruch durch das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir mit Urteil vom 28. März 1995 beseitige diese Gefahr nicht, wie in den Gutachten von Kaya vom 2. Februar 1997 an das VG Mainz und von Rumpf vom 2. April 1997 an das OVG Bremen bestätigt werde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. Juni 1999 und Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 25. Februar 1994 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte haben sich an dem Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Der Kläger ist aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 21. Juni 2000 als Beteiligter über seine Asylgründe vernommen worden; insoweit wird auf die Niederschrift über den Beweistermin vor dem Vorsitzenden als Berichterstatter am 19. Juli 2000 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten des Bundesamts über den Kläger (B 1660180-163), dessen Bruder ... (D 1922130-163) und den Zeugen ... (A 2008972-163) und des Landrats des Landkreises Marburg-Biedenkopf und das Urteil des VG Würzburg vom 22. November 1999 (W 4 K 97.30641) über die Asylklage der Schwester ... des Klägers sowie die den Beteiligten mit Schreiben des Vorsitzenden als Berichterstatter vom 21. Juni 2000 mitgeteilten und die zusätzlich in der mündlichen Verhandlung eingeführten Erkenntnisquellen Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der Verhandlung waren.

I.

1. 18.02.1981 Auswärtiges Amt an VG Berlin 2. 12.06.1981 Sachverständiger Roth vor VG Hamburg 3. 12.06.1981 Sachverständige Kappert vor VG Hamburg 4. 22.06.1981 Auswärtiges Amt an VG Oldenburg 5. 09.08.1981 a. i. an VG Mainz 6. 22.10.1981 Sternberg-Spohr vor VG Düsseldorf 7. 20.11.1981 Auswärtiges Amt an Bay. VGH 8. 10.11.1982 Nebez vor VG Berlin 9. 10.11.1982 Kaya vor VG Berlin 10. 11.11.1982 Taylan vor VG Berlin 11. 15.11.1982 von Sternberg-Spohr vor VG Berlin 12. 15.11.1982 Roth vor VG Berlin 13. 03.01.1983 Auswärtiges Amt an VG Hannover 14. 18.02.1983 Max-Planck-Institut Heidelberg an VG Karlsruhe 15. 12.06.1983 Oehring an VGH Baden-Württemberg 16. 16.06.1983 Hauser an VGH Baden-Württemberg 17. 06.02.1984 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Hamburg 18. Mai 1984 Bericht der Delegation Fischer u. a. 19. 29.05.1984 Kappert an VGH Baden-Württemberg 20. 16.10.1984 Roth an Hess. VG 21. Okt. 1984 Oguzhan, Die Rechtsstellung der Kurden in der Türkei 22. Sept. 1985 Das türkische Sprachenverbotsgesetz 23. 15.03.1987 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 24. 29.06.1987 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 25. 27.07.1990 Auswärtiges Amt an VG Oldenburg 26. 28.01.1991 FAZ: "Ankara hebt Verbot des Kurdischen auf" 27. 31.07.1991 Auswärtiges Amt an OVG Saarland 28. 10.10.1991 Auswärtiges Amt an VG Stade 29. 15.10.1991 Auswärtiges Amt an VG Hamburg 30. 10.12.1991 FR: "Demirel nennt Kurden Brüder" 31. 14.12.1991 FAZ: "Die türkische Republik ist unser gemeinsamer Staat" 32. 20.02.1992 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 33. 12.03.1992 Auswärtiges Amt an Niedersächsisches Innenministerium 34. 22.04.1992 Die Welt: "Ankara will mehr für Kurden tun" 35. 18.05.1992 Taylan an OVG Hamburg 36. 12.06.1992 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 37. 30.06.1992 Kaya an VG Düsseldorf 38. 01.07.1992 Rumpf an VG Düsseldorf 39. 20.08.1992 SZ: "Özal kündigt Erleichterungen an" 40. 15.09.1992 Rumpf an VG Bremen 41. 30.10.1992 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 42. 15.12.1992 SZ: "Die fortgesetzte Chronik der Gnadenlosigkeit" 43. 15.01.1993 a. i. an VG Stuttgart 44. 02.02.1993 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden 45. 03.03.1993 Oberdiek: "Gefährdung von Kurden in Städten der Westtürkei" 46. 08.03.1993 Rumpf an VG Wiesbaden 47. 28.04.1993 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 48. 14.05.1993 Auswärtiges Amt an OVG Schleswig-Holstein 49. 17.05.1993 Der Spiegel: "Den eigenen Vater foltern" 50. 02.06.1993 Kaya an OVG Schleswig-Holstein 51. 15.07.1993 Auswärtiges Amt an Regierungspräsidium Ludwigsburg 52. 04.08.1993 Rumpf an VG Gießen 53. 06.08.1993 a. i., Türkei - Menschenrechtsverletzungen an Kurden 54. 11.08.1993 FR: "Staatliche Gewalt" 55. 16.08.1993 SZ: "140.000 Soldaten gegen Kurden im Einsatz" 56. 21.08.1993 a. i., Türkei (Kurden) 57. 26.08.1993 Sahin in Özgür Gündem 58. 27.08.1993 taz: "Hier gibt es keine zivile Gewalt, nur Militär" 59. 02.09.1993 FR: "Im Kurdenkonflikt setzt Tansu Ciller aufs Militär" 60. 18.09.1993 FR: "Publizist in Ankara verhaftet" 61. 20.09.1993 Kaya an VG Aachen 62. 23.09.1993 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Frankfurt am Main 63. 30.09.1993 SZ: "PKK-Führer droht mit totalem Krieg" 64. 20.10.1993 Kaya an VG Köln 65. 25.10.1993 SZ: "Berichte über Hunderte von getöteten Kurden" 66. 26.10.1993 FR: "Ausnahmezustand in Türkei verlängert" 67. 28.10.1993 FR: "Türkei will kurdische Rebellen ausrotten" 68. 29.10.1993 taz: "Der Kampf gegen den Terror" 69. 29.10.1993 Auswärtiges Amt an VG Aachen 70. 30.10.1993 FR: "Armee - Auf Lice bestätigt" 71. 06.11.1993 FR: "Wegen Kurden-Verfolgung Waffenembargo gegen Türkei verlangt" 72. 10.11.1993 FR: "Hilferufe aus Kurdendorf" 73. 11.11.1993 FR: "Parlament verlängert Notstand" 74. 16.11.1993 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 75. 07.01.1994 Auswärtiges Amt an VG Bremen 76. 28.01.1994 a. i. an VG Ansbach 77. 20.04.1994 Kaya an VG Kassel 78. 10.05.1994 Oberdiek an VG Frankfurt am Main 79. 06.06.1994 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 80. 30.06.1994 Rumpf an VG Frankfurt am Main 81. 23.08.1994 Rumpf an VG Frankfurt am Main 82. 19.10.1994 Hartwig "Tränen des Krieges in Kurdistan" in Kurdistan aktuell Nr. 31 83. 17.11.1994 a. i.: Menschenrechtsverletzungen an Kurden in der Türkei 84. 21.11.1994 Dokumentation des Niedersächsischen Flüchtlingsrats 85. 04.12.1994 Sauter in Weltspiegel, Kurdistan aktuell Nr. 33 86. 02.01.1995 dpa: "Tote bei PKK-Überfall im türkischen Kurdengebiet" 87. 04.01.1995 Auswärtiges Amt an OVG Hamburg 88. 09.01.1995 FAZ: "Pro-Kurdische Zeitungen beschlagnahmt" 89. 17.01.1995 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 90. 24.01.1995 dpa: "PKK will Genfer Konvention anerkennen" 91. 17.02.1995 FR: "PKK nennt manche türkische Lehrer Agenten" 92. 25.02.1995 FR: "Menschenrechtler gibt auf" 93. 27.02.1995 FR: "Politische Morde praktisch ohne Folgen" 94. 03.03.1995 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Aachen 95. 07.03.1995 Rumpf an OVG Hamburg 96. 13.03.1995 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 97. 13.03.1995 dpa: "Schwerste Unruhen in Istanbul seit 15 Jahren" 98. 18.03.1995 FAZ: Lage in Istanbul normalisiert 99. 21.03.1995 Die Welt: "Türkische Armee marschiert in Nordirak ein" 100. 24.03.1995 FR: "Sorge um verschollene Reporter" 101. 07.04.1995 FAZ: "PKK-Rebellen kämpfen erstmals im Süden der Türkei" 102. 10.04.1995 FR: "Für jedes Ohr gibt es eine Prämie" 103. 19.04.1995 SZ: "Mindestens 23 Tote bei Kämpfen in der Türkei" 104. 22.05.1995 Die Welt: "Acht PKK-Kämpfer bei Diyarbakir getötet" 105. 24.05.1995 Auswärtiges Amt an VG Aachen 106. 26.05.1995 Oberdiek an VG München 107. 02.06.1995 SZ: "Aktion gegen mysteriöses Verschwinden in der Türkei" 108. 07.06.1995 dpa: "Deutscher amnesty-Ermittler aus der Türkei ausgewiesen" 109. 16.06.1995 Die Zeit: "Hörst du einen Schrei?" 110. 22.06.1995 Kaya vor OVG Schleswig-Holstein 111. 24/25.6.95 SZ: "Demirel ruft Kurden zum Frieden auf" 112. 26.06.1995 FR: "Immer mehr Menschen verschwinden in der Türkei" 113. 24.06.1995 Kaya an VG München 114. 12.07.1995 Auswärtiges Amt an VG Freiburg 115. 08.08.1995 FR: "Abgeordneter berichtet von Kurdenvertreibung" 116. 18.08.1995 FAZ: "Deutsche Aktivisten wieder frei" 117. 18.08.1995 NZZ: "Kurdenzeitung in der Türkei geschlossen" 118. 23.08.1995 NZZ: "Rekordzahl politischer Gefangener in der Türkei" 119. Sept. 1995 a.i., Report Türkei 120. 01.09.1995 SZ: "Türkischer Journalist in der Haft gestorben" 121. 13.09.1995 dpa: "Wieder 23 Tote bei Kämpfen in türkischen Kurdengebieten" 122. 14.09.1995 FR: "Bericht über folternde Polizisten" 123. 01.10.1995 Rumpf an VG Aachen 124. 12.10.1995 dpa: "In Deutschland geehrt, in der Heimat Türkei mit Gefängnis bedroht" 125. 13.10.1995 Die Zeit: "Exil in der Heimat" 126. 26.11.1995 dpa: "Türkische Menschenrechtsstiftung: Weiter Folter von Festgenommenen" 127. 29.11.1995 dpa: "Mindestens 18 Tote bei Kämpfen in Kurdengebieten der Türkei" 128. 30.11.1995 Kaya an VG Freiburg 129. 2./3.12.1995 SZ: "Europa siegt in Istanbul" 130. 07.12.1995 Auswärtiges Amt: Lagebericht 131. 16.12.1995 SZ: "Kurden bieten Feuerpause an" 132. 18.12.1995 FR: "Soldaten töten vier PKK-Kämpfer" 133. 21.12.1995 FR: "Journalisten verurteilt" 134. 02.01.1996 SZ: "Kämpfe im Herzen der Türkei" 135. 02.01.1996 FR: "Kämpfe mit Kurden jetzt auch in Zentralprovinz" 136. 09.01.1996 taz: "Mit Stangen erschlagen" 137. 09.01.1996 FR: "Schläge beim morgendlichen Zählappell" 138. 11.01.1996 FR: "Journalist zu Tode gefoltert" 139. 15.01.1996 FR: "Islamistische Wohlfahrtspartei bleibt weiter ohne Partner" 140. 17.01.1996 NZZ: "Eingeständnis Ankaras zum jüngsten Journalistenmord" und "Rache der PKK an Dorfmiliz in Südostanatolien" 141. 30.01.1996 Auswärtiges Amt an VG Freiburg 142. 02.02.1996 FR: "Keine Besserung für Kurdistan" 143. 10.04.1996 SZ: "100 PKK-Terroristen getötet" 144. 17.04.1996 Auswärtiges Amt: Lagebericht Türkei 145. 10.06.1996 dpa: "PKK kündigt verstärkte militärische Aktivitäten in der Türkei an" 146. 11.07.1996 dpa: "Türkische Luftwaffe bombardierte PKK-Lager im Norden des Irak" 147. 04.12.1996 Auswärtiges Amt - Lagebericht 148. 20.12.1996 Oberdiek an OVG Schleswig-Holstein 149. 01.02.1997 Taylan an OVG Schleswig-Holstein 150. 28.02.1997 Auswärtiges Amt an OVG Schleswig-Holstein 151. 02.04.1997 Rumpf an VG Bremen 152. 02.04.1997 Oberdiek an OVG Mecklenburg-Vorpommern 153. 10.04.1997 Auswärtiges Amt - Lagebericht 154. 14.10.1997 Auswärtiges Amt an VG Bremen 155. 31.03.1998 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 156. 22.06.1998 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Kassel 157. 29.07.1998 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Freiburg 158. 18.08.1998 Kaya an VG Würzburg 159. 18.09.1998 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei 160. 22.12.1998 Dokumentation des Auswärtigen Amtes 161. 15.01.1999 Kaya an VG Sigmaringen 162. 03.02.1999 a.i. - Gefährdung von Kurden im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei 163. 24.02.1999 a.i. an VG Berlin 164. 29.04.1999 Oberdiek an VG Berlin 165. 30.04.1999 a.i. an VG Aachen 166. 01.07.1999 a.i. an VG Bremen 167. 07.09.1999 Auswärtiges Amt - Lagebericht 168. 13.09.1999 Kaya an VG Darmstadt 169. 24.09.1999 Die Welt: "Angeklagt für das Zitieren türkischer Soldaten" 170. 29.09.1999 Frankfurter Rundschau: "Armee tötet PKK-Kämpfer" 171. 27.09.1999 Süddeutsche Zeitung: "Scheitern mit harter Hand" 172. 30.09.1999 Neue Zürcher Zeitung: "Neue türkische Offensive im Nordirak" 173. 01.10.1999 Frankfurter Rundschau: "Türkische Polizei nimmt viele Demonstranten fest" 174. 02.10.1999 Die Welt: "Häftlinge beenden Gefängnisaufstände" 175. 19.10.1999 Frankfurter Rundschau: "Türkische Polizisten in Haft" 176. 20.10.1999 Frankfurter Rundschau: "Gericht lässt Polizisten gehen" 177. 02.11.1999 dpa-Meldung: "Haftbefehl gegen Mitglieder der PKK-"Friedensgruppe"" 178. 20.11.1999 NZZ: "Leichte Entspannung im Südosten der Türkei" 179. 25.11.1999 Internationaler Verein für Menschenrechte der Kurden (IMK)Wocheninformationsbrief Nr. 44/45 180. 02.12.1999 FR: "Minderheit in der PKK will den Kampf fortsetzen" 181. 10.12.1999 FR: "PKK-Rebellen getötet" 182. 11.12.1999 NZZ: "Anhaltende Kämpfe im Südosten" 183. 15.12.1999 FAZ: "Türkei will kurdische Programme zulassen" 184. 16.12.1999 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 47 185. 30.12.1999 FR: "Birdal-Attentäter zu hohen Haftstrafen verurteilt" 186. 05.01.2000 Die Welt: "Äußerungen zur kurdischen Sprache sind keine Straftat" 187. 07.01.2000 FR: "Ecevit sieht Kurdenkrieg kurz vor dem Ende" 188. 11.01.2000 FR: "Tote bei Kämpfen mit PKK" 189. 13.01.2000 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 49 190. 24.01.2000 SZ: "Ankara warnt Medien vor Öcalan-Erklärungen" 191. 27.01.2000 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 51 192. 04.02.2000 Die Welt: "Gericht spricht Menschenrechtler frei" 193. 04.02.2000 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 52 194. 09.02.2000 SZ: "Abgeschobener Kurde in der Türkei gefoltert" 195. 10.02.2000 FR: "Kurdische Arbeiterpartei beendet Kampf mit Waffen" 196. 11.02.2000 FR: "Eine Chance für die Kurdenpolitik - Neue Töne in der Türkei" 197. 19.02.2000 SZ: "Sendeverbot für CNN wegen PKK-Diskussion" 198. 03.03.2000 FR: "Türkei: Neun Tote bei Kämpfen" 199. 04.03.2000 Die Welt: "Polizisten trotz Schuldspruchs auf freiem Fuß" 200. 09.03.2000 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 55/56 201. 11.03.2000 NZZ: "Kämpfe zwischen PKK und Armee in Ostanatolien" 202. 13.03.2000 NZZ: "Über 300 Festnahmen vor Demonstration in Istanbul" 203. 15.03.2000 FR: "Ecevit will Gesetz entschärfen" 204. 16.03.2000 Die Welt: "Ankara verschließt sich Reformen" 205. 21.03.2000 Die Welt: "Behörden verbieten Empfang der prokurdischen HADEP-Partei 206. 22.03.2000 FR: "Hunderttausende Kurden feiern friedlich Newroz" 207. 04.04.2000 Die Welt: "Ankara setzt Offensive gegen PKK im Nordirak fort" 208. 19.04.2000 FR: "Birdal harrt medizinischer Hilfe - Türkei verweigert Menschenrechtler ärztliche Versorgung" 209. 22.04.2000 FR: "Öcalan-Bruder beschuldigt" 210. 03.05.2000 NZZ: "Kämpfe im Südosten der Türkei" 211. 05.05.2000 FR: "Türkische Parlamentarier kritisieren Polizei-Folter" 212. 12.05.2000 FR: "Türkische Armee tötet 53 kurdische Rebellen" 213. 15.05.2000 FR: "Kurdische Musik verpönt" 214. 16.05.2000 taz: "Presse: Haft für Morde" 215. 20.05.2000 taz: "Türkei Menschenrechte - IHD-Büro geschlossen" 216. 27.05.2000 NZZ: "Vorstoß der türkischen Armee in den Nordirak?" 217. 29.05.2000 SZ: "Türkisches Parlament deckt Polizei-Folter auf" 218. 30.05.2000 SZ: "Istanbul verbietet Demokratie-Symposium" 219. 31.05.2000 Die Welt: "Menschenrechtler übergeben Folterwerkzeuge an Ermittler" 220. 01.06.2000 dpa-Meldung: "HADEP-Chef wegen separatistischer Propaganda zu Haft verurteilt" 221. 06.06.2000 SZ: "Die Leere des Krieges" 222. 09.06.2000 FR: "Zensur in der Türkei angeprangert" 223. 16.06.2000 FR: "Anwalt setzt sich für Soysal ein - Ehemaligem PKK Funktionär droht in Ankara Todesstrafe" 224. 20.06.2000 FR: "Neue Vorwürfe gegen Birdal" 225. 21.06.2000 Die Welt: "PKK will ohne Zugeständnisse aus Ankara weiter kämpfen" 226. 22.06.2000 Auswärtiges Amt - Lagebericht 227. 24.06.2000 taz: "Reformen in der Warteschleife" 228. 28.06.2000 Die Welt: "30 Mitglieder von kurdischer Partei festgenommen" 229. 12.07.2000 Auswärtiges Amt an VG Bremen 230. 20.07.2000 taz: "Ecevit will gegen Folter vorgehen" 231. 22.07.2000 FR: " 'Reporter ohne Grenzen' kritisieren Sendeverbote" 232. 18.08.2000 taz: "PKK-Dissidenten sind auf dem Vormarsch" 233. 21.08.2000 Auswärtiges Amt an VG Gießen 234. 31.08.2000 FR: Kurden sprechen von Verrat - Opposition wendet sich gegen die Linie von PKK-Chef Öcalan" 235. 13.09.2000 FR: "Journalisten verhaftet" 236. 16.09.2000 taz: "Justiz prüft Interview" 237. 16.09.2000 FR: "Weniger Repression in der Türkei - Bericht über Fortschritte, aber Folter immer noch alltäglich" 238. 21.09.2000 dpa-Meldung: "Türkischer Ministerrat erörtert Reformen im Hinblick auf EU" 239. 25.09.2000 FR: "Menschenrechtler Birdal aus der Haft entlassen" 240. 02.10.2000 taz: "Autorin freigesprochen" 241. 20.10.2000 IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 82/83 242. 06.11.2000 FR: "Kurdische Politiker verhaftet" 243. 15.11.2000 FR: "Kurdenführer muss in Haft" 244. 16.11.2000 FR: "Polizisten wegen Folter bestraft"

II.

1. 02.05.1984 Max-Planck-Institut Heidelberg an VGH Baden-Württemberg 2. 05.03.1990 Auswärtiges Amt an VG Hannover 3. 05.03.1990 Auswärtiges Amt an VG Hamburg 4. 29.03.1990 amnesty international an VG Stade 5. 18.06.1990 Oehring an VG Hannover 6. 29.08.1991 Kaya an VG Hamburg 7. 18.01.1993 amnesty international an VG Köln 8. 14.11.1994 amnesty international an VG Bremen 9. 13.03.1995 amnesty international an VG München 10. 10.05.1995 Taylan an VG Mainz 11. 20.05.1995 Kaya an VG Mainz 12. 09.08.1995 Rumpf an VG Darmstadt 13. 14.08.1995 Auswärtiges Amt an VG Mainz 14. Sept. 1995 amnesty international: Familien von "Verschwundenen" als Opfer 15. 25.09.1995 SZ: "Bruder des PKK-Führers vorübergehend festgesetzt 16. 27.11.1995 Auswärtiges Amt an VG Stuttgart 17. 25.02.1996 Taylan an VG Neustadt a. d. W. 18. 22.07.1996 amnesty international an VG Stuttgart 19. 15.11.1996 Oberdiek an VG Hamburg 20. 17.02.1997 Oberdiek an VG Hamburg 21. 14.03.1997 Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Hamburg 22. 16.03.1997 Kaya an VG Gießen 23. 17.03.1997 Kaya an VG Stuttgart 24. 21.04.1997 Auswärtiges Amt an VG Bayreuth 25. 15.05.1997 Taylan vor VG Gießen 26. 15.05.1997 Rumpf an VG Hamburg 27. 20.08.1997 Rumpf an VG Hamburg 28. 14.10.1997 Kaya an OVG Meckl.-Vorpommern 29. 11.02.1998 Dinc an VG Berlin 30. 11.03.1998 Kaya an VG Berlin 31. 15.04.1998 amnesty international an VG Hamburg 32. 24.07.1998 Rumpf an VG Berlin-Moabit 33. 05.01.1999 Auswärtiges Amt an VG Braunschweig 34. 05.05.1999 Oberdiek an VG Stuttgart 35. 03.08.1999 Auswärtiges Amt an VG Stuttgart 36. 13.10.1999 Kaya an VG Gelsenkirchen 37. 28.12.1999 Kaya an OVG Greifswald 38. 10.03.2000 Kaya an VG Darmstadt

III.

1. 31.10.1990 Rumpf an VG Hamburg 2. 23.10.1992 FR: "Krieg läßt die Kurdenprovinzen auch wirtschaftlich ausbluten" 3. 24.11.1992 a.i. an VG Bremen 4. 05.03.1993 Zeuge Ayzit vor VG Hamburg 5. März 1994 Saarländische Kurden-Delegation: Inländische Fluchtalternative Westtürkei 6. 28.01.1997 Gesellschaft für bedrohte Völker an OVG Schleswig-Holstein 7. 17.06.1997 Auswärtiges Amt an VG Hamburg 8. 20.08.1997 Rumpf an VG Hamburg 9. 14.10.1997 Kaya an OVG Greifswald 10. 20.10.1997 Auswärtiges Amt an Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 11. 01.02.1998 Rumpf an VG Berlin 12. 09.07.1998 Auswärtiges Amt an VG Saarlouis 13. 12.11.1999 FR: "Zehn-Millionen-Note soll das Ende der Fahnenstange sein" 14. 27.04.2000 Oberdiek an OVG Hamburg 15. 29.04.2000 Kaya an OVG Hamburg 16. 13.05.2000 Taylan an OVG Hamburg 17. 05.06.2000 Auswärtiges Amt an OVG Hamburg

Entscheidungsgründe:

Die hinsichtlich des asylrechtlichen Verfahrensteils zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist begründet, da das Verwaltungsgericht die Klage auf Asylanerkennung und Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger kann in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung (§ 77 AsylVfG) verlangen, dass die Beklagte ihn als Asylberechtigten nach Art. 16a Abs. 1 GG anerkennt (A) und feststellt, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (B) vorliegen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (C). Hieraus ergeben sich die hier zu treffenden Nebenentscheidungen (D).

A.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des mit dem früheren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Wer unverfolgt seinen Heimatstaat verlassen hat, ist nur dann als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn ihm aufgrund eines beachtlichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung droht (§ 28 AsylVfG; BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = EZAR 201 Nr. 22). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Die Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine qualifizierende Betrachtungsweise, die neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die zeitliche Nähe des befürchteten Eingriffs berücksichtigt (BVerwG, 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, EZAR 200 Nr. 30). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Die Asylanerkennung kann wegen anderweitigen Verfolgungsschutzes, insbesondere nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat ausgeschlossen sein (Art. 16a Abs. 2 GG; §§ 26a, 27, 29 Abs. 1 und 2 AsylVfG, Anlage I zum AsylVfG; vgl. vor allem BVerfG, 14.09.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 49 = EZAR 208 Nr. 7). Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen kann aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers vor dem Bundesamt, dem Verwaltungsgericht und im Berufungsverfahren sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten anderweitigen Verfahrensakten und Erkenntnisquellen festgestellt werden, dass der Kläger bei seiner Ausreise aus der Türkei (I.) nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe (1.), wohl aber aus individuellen Gründen (2.) landesweit von politischer Verfolgung unmittelbar bedroht war und bei einer Rückkehr in die Türkei (II.) die trotz der in den Notstandsgebieten festzustellenden Gruppenverfolgung (a) bestehende Möglichkeit eines verfolgungsfreien Lebens in seiner Heimat zwar grundsätzlich wahrnehmen (b) und vom Ausland her erreichen (c) könnte, aber aus individuellen Gründen hierzu nicht im Stande sein wird (2.).

I.

1. Der Kläger unterlag im Zeitpunkt seiner Ausreise wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe noch keiner gruppenbezogenen Verfolgung, da die Bevölkerungsgruppe der Kurden nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Türkei bis zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers und danach bis etwa Mitte 1993 einer allgemeinen dem türkischen Staat zuzurechnenden politischen Verfolgung nicht ausgesetzt war (ständige Rechtsprechung, zuletzt Hess. VGH, 27.03.2000 - 12 UE 583/99.A -).

Asylrelevante politische Verfolgung kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch gegen eine durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppe von Menschen richten mit der Folge, dass dann jedes Gruppenmitglied als von dem Gruppenschicksal mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, a.a.O., 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u. a. -, a.a.O., und 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216 = EZAR 202 Nr. 20, 531; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1 und 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers kann sich deshalb auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese wegen eines asylerheblichen, auch bei ihm vorliegenden Merkmals verfolgt werden und er sich in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsgefahr vergleichbaren Lage befindet. Gilt die Verfolgung unabhängig von individuellen Umständen allein einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern, so kann eine solche Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat jederzeit der Gefahr eigener Verfolgung ausgesetzt ist (BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.). Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in quantitativer Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen aufweist, dass ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerwG, 08.02.1989 - 9 C 33.87 -, EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502, 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, EZAR 202 Nr. 21 = DVBl. 1991, 1089 = InfAuslR 1991, 363, 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, EZAR 202 Nr. 23 = NVwZ 1993, 192, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, EZAR 202 Nr. 25 = NVwZ 1995, 175). Mit dem Begriff der Gruppenverfolgung werden derartige Fallkonstellationen schlagwortartig zusammengefasst (BVerwG, 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 = EZAR 202 Nr. 22). Eine mittelbare Gruppenverfolgung setzt nicht unbedingt Pogrome oder vergleichbare Massenausschreitungen voraus (BVerwG, 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, a.a.O.). Übergriffe Privater sind dem Staat aber nur zuzurechnen, wenn er dagegen grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt (BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 1.94 -, EZAR 202 Nr. 24 = InfAuslR 1995, 24). Allerdings erfüllt nicht erst eine (physische) Vernichtung einer Volksgruppe den Tatbestand einer Gruppenverfolgung (BVerfG - Kammer -, 11.05.1993 - 2 BvR 2245/92 -; BVerfG - Kammer -, 09.12.1993 - 2 BvR 1916/93 -, InfAuslR 1994, 156). Um zu beurteilen, ob eine ausreichende Verfolgungsdichte vorliegt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden (BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Als nicht vor- verfolgt ist nur derjenige Gruppenangehörige anzusehen, für den die Verfolgungsvermutung widerlegt werden kann (BVerwG, 03.10.1984 - 9 C 24.84 -, EZAR 202 Nr. 3); es kommt nicht darauf an, ob sich die Verfolgungsmaßnahmen schon in seiner Person verwirklicht haben (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).Bei der Prüfung, ob die kurdische Minderheit in der Türkei seinerzeit asylrechtlich relevante Beeinträchtigungen zu erleiden oder zu befürchten hatte, ist zunächst von der Befugnis eines Mehrvölkerstaates auszugehen, seine staatliche Einheit und seinen Gebietsstand zu sichern und dieses Selbsterhaltungsinteresse auch durchzusetzen. Dieser Grundsatz verbietet es, die von solchen Maßnahmen Betroffenen notwendigerweise als politisch Verfolgte anzusehen. Eine andere Beurteilung könnte Platz greifen, wenn ein Mehrvölkerstaat nach seiner Verfassung oder in der Staatswirklichkeit von der Vorherrschaft einer Volksgruppe über andere ausgeht, die ethnischen, kulturellen oder religiösen Eigenarten bestimmter Volksgruppen überhaupt leugnet und diese an einer ihrer Eigenart entsprechenden Existenzweise hindert (BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 36.83 -, BVerwGE 67, 184, und - 9 C 874.82 -, a.a.O.), wenn er also insbesondere eine Zwangsassimilierung betreibt. Deshalb bedarf es vor allem der Untersuchung, wie der türkische Staat die Kurden in seiner Rechts- und Wirtschaftsordnung bis zum Ausreisezeitpunkt behandelt hat, wie sich deren Lebensverhältnisse im Vergleich zu denen der türkischen Mehrheit in der Wirklichkeit darstellten und ob dabei etwa Unterschiede je nach der soziologischen Herkunft, den regionalen Strukturen und dem Maß der Assimilation der Minderheit an die Mehrheit festzustellen sind. Dabei genügt nicht eine isolierte Untersuchung einzelner Ausschnitte des individuellen Schicksals des Asylsuchenden; es kommt vielmehr auf eine umfassende Gesamtbetrachtung der innenpolitischen Lage in dem angeblichen Verfolgerstaat und aller irgendwie relevanten Lebensumstände der Betroffenen an. Hierfür sollen sowohl allgemein- oder gerichtsbekannte geschichtliche Vorgänge als auch Tatsachenbekundungen aus den oben aufgeführten Unterlagen verwertet werden. Die im Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches siedelnden Kurden erlebten nach dessen Zerfall eine wechselvolle Geschichte. Nach der Aufteilung ihrer angestammten Heimat auf Syrien, den Irak und die Türkei und der Zusicherung einer lokalen Autonomie und eines späteren Volksentscheids über die volle Selbstständigkeit in dem Friedensvertrag von Sèvres vom August 1920 waren im Vertrag von Lausanne vom 21. Juli 1923 für ethnische Minderheiten wie Kurden keinerlei Sonderrechte mehr vorgesehen. Nach der Proklamation der Türkischen Republik im Oktober 1923 und der Wahl von Mustafa Kemal - "Atatürk" - zum Staatspräsidenten wurden verstärkt Türkisierungsversuche unternommen. So wurden etwa kurdische Dorfnamen und kurdische Vornamen geändert, die kurdische Sprache als Amts- und Unterrichtssprache verboten und die Türkei in drei ethnisch abgegrenzte Regionen aufgeteilt. Die erste war das Gebiet, in dem die türkische Kultur in der Bevölkerung sehr stark verankert war; die zweite war diejenige, in der die Bevölkerung angesiedelt werden sollte, die zu türkisieren war; bei der dritten handelte es sich um Gebiete, die aus gesundheitlichen, ökonomischen, kulturellen, militärischen und sicherheitstechnischen Gründen entvölkert werden sollten und in denen sich niemand mehr ansiedeln durfte. Es kam zu großangelegten Umsiedlungsaktionen, die teilweise in Zwangsdeportationen ausarteten. Die auf Atatürk zurückgehenden sechs kemalistischen Grundprinzipien des türkischen Staats - Nationalismus, Säkularismus, Republikanismus, Populismus, Etatismus und Reformismus - wurden auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufgegeben. Nach anfänglichen Erfolgen bei Demokratisierungsbestrebungen unter den Ministerpräsidenten Inönü (CHP) und Menderes (DP) kam es im Mai 1960 zu einem Militärputsch und im Juli 1961 zu einer neuen Verfassung, die wiederum vom Kemalismus geprägt war. In den nachfolgenden zwei Jahrzehnten gab es in der Türkei verschiedene Koalitions- und Minderheitsregierungen, bis im Dezember 1978 von Ecevit das Kriegsrecht vor allem über ostanatolische Provinzen verhängt und später auf weitere Provinzen ausgedehnt und verlängert wurde. Nach dem Militärputsch im Jahre 1980 kam es zunächst zu einer Verschärfung und gesetzlichen Absicherung der Restriktionen und Diskriminierungen der kurdischen Volksgruppe durch Maßnahmen, mit denen der Gebrauch der kurdischen Sprache behindert, die Kurden in der Pflege ihrer kulturellen Eigenheiten eingeschränkt und in den kurdischen Provinzen massiert Sicherheitskräfte eingesetzt wurden. Seit Beginn der 90er Jahre verschärften sich die Auseinandersetzungen mit der PKK (Partiya Karkeren Kurdistan - Arbeiterpartei Kurdistans) insbesondere in den südöstlichen Landesteilen.

Trotz einer Vielzahl von Restriktionen und Diskriminierungen der kurdischen Volksgruppe vermag der Senat nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass in der Vergangenheit bis zum Jahr 1992/93 eine staatliche Verfolgung der ethnischen Minderheit der Kurden erfolgt ist. Obwohl der türkische Staat den Gebrauch der kurdischen Sprache behinderte, die kurdische Volksgruppe in der Pflege ihrer kulturellen Eigenheiten einschränkte und der wirtschaftlichen und kulturellen Unterentwicklung in kurdischen Provinzen nicht effektiv entgegentrat, lässt sich nach Auffassung des Senats für diesen Zeitraum nicht der Schluss ziehen, der türkische Staat unterdrücke und verfolge die Kurden bewusst mit dem Ziel, sie zu assimilieren, zu vertreiben oder zu vernichten. Anzeichen für eine asylerhebliche Zwangsassimilierung der Kurden ergeben sich zunächst nicht aus dem Leugnen ihrer Existenz als eigenständige Volksgruppe. Die Kurden wurden in der Vergangenheit nach dem historisch gewachsenen Selbstverständnis der Türkischen Republik offiziell als nicht vorhanden angesehen und damit von Staats wegen als ethnische Gruppe schlechthin ignoriert. Diese Einstellung gegenüber den Kurden kam unter anderem in der in den letzten Jahrzehnten offiziell verwandten Bezeichnung als "Bergtürken" zum Ausdruck (I 3, 6.). Selbst wenn indessen die Kurden in der Türkei aufgrund dieser Umstände auf Dauer gesehen der Assimilierung nicht entgehen sollten, ließe sich daraus ein asylrelevanter Umstand nicht herleiten. Denn das Asylrecht schützt nicht vor langfristigen und allmählichen Anpassungsprozessen aufgrund veränderter Lebensbedingungen (BVerwG, 15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR 203 Nr. 2 = InfAuslR 1984, 152).

Von allen legislativen und administrativen Mitteln, die zum Zwecke der Verdrängung oder vollständigen Angleichung gegen eine ethnische Minderheit eingesetzt werden können, kommt einem Verbot der eigenen Sprache eine wesentliche Bedeutung zu. Soweit es das Primat der türkischen Sprache und den Ausschluss jeder anderen - und damit vor allem der kurdischen - Sprache angeht, lässt sich eine eindeutige Rechtslage und Rechtswirklichkeit seit Bestehen der Türkischen Republik nicht erkennen. Andererseits kann aber auch nicht festgestellt werden, der Gebrauch der kurdischen Sprache sei im hier maßgeblichen Zeitraum in der Türkei praktisch verboten gewesen.

Staatspräsident Atatürk soll bereits einige Monate nach Unterzeichnung des Lausanner Friedensvertrages vom Juli 1923, nach dessen Art. 39 keinem türkischen Staatsbürger irgendwelche Beschränkungen beim Gebrauch einer Sprache auferlegt werden können, Kurdisch als Amtssprache verboten haben (I 3, 17). Anderen Angaben zufolge soll der Gebrauch der kurdischen Sprache jedenfalls in der Zeit von 1924 bis 1929 gesetzlich verboten worden sein. Dieses Verbot ist aber danach staatlicherseits im Laufe der Zeit nicht mehr durchgesetzt worden (I 5). Im Jahre 1967 machte sodann der Ministerrat von einer im Pressegesetz von 1950 enthaltenen Ermächtigung Gebrauch und verbot die Einfuhr und die Verteilung sämtlicher in kurdischer Sprache im Ausland herausgegebenen Druckerzeugnisse, Schallplatten, Tonbänder und dergleichen. Damit war die Verbreitung von im Ausland hergestellten Erzeugnissen dieser Art unter Strafe gestellt (I 5, 14). Wenn demgegenüber teilweise ohne nähere Erläuterung und ohne Schilderung nachprüfbarer Beispiele angegeben wird, allgemein seien der Besitz (I 2, 12) oder die Herausgabe und nicht nur die Einfuhr kurdischer Schriften und Tonträger verboten und strafbar gewesen (I 3, 8), so kann dies durchaus auf Missverständnissen und Ungenauigkeiten bei der Einholung und Wiedergabe von Informationen beruhen. Denn nach den glaubhaften Angaben von anderen Sachverständigen (I 14, 15) wurde die Herausgabe kurdischer Zeitschriften - teilweise mit Beiträgen in türkischer Sprache - nur dann und nur deswegen verboten und strafrechtlich verfolgt, weil deren Inhalt als autonomistisch oder separatistisch angesehen wurde.

Nach dem Militärputsch von 1980 wurden die Kurden zunehmend stärker in der Pflege ihrer Kultur und Sprache behindert. Nach der neuen Verfassung vom 9. November 1982 ist die Türkische Republik als Einheitsstaat konzipiert (Präambel) und als dem Nationalismus Atatürks verbundener Staat bezeichnet (Art. 2). Gemäß Art. 3 stellt sie in ihrem Staatsgebiet und Staatsvolk ein unteilbares Ganzes dar, dessen Sprache Türkisch ist. Die auch in der Verfassung von 1982 zum Ausdruck gelangte Negierung der Existenz der kurdischen Volksgruppe durch den türkischen Staat rechtfertigt indessen nicht den Schluss auf eine staatlich bezweckte asylerhebliche Zwangsassimilierung.

Im Umgang mit Behörden und anderen staatlichen Stellen sowie im Militärdienst wurde seit jeher auf den Gebrauch der türkischen Sprache Wert gelegt. Darüber hinaus war wegen der Türkisierung der Vor-, Familien- und Ortsnamen die Registrierung kurdischer Namen nicht erlaubt (vgl. I 8). Anders als in der Schule, im Rundfunk und im amtlichen Verkehr war der Gebrauch des Kurdischen jedoch bei privaten Unterhaltungen und im geschäftlichen Verkehr in den von Kurden bewohnten Siedlungsgebieten im hier maßgeblichen Zeitraum allgemein üblich und weder verboten noch gar strafbar (I 5, 9, 13, 15). Am 19. Oktober 1983 erging das Gesetz Nr. 2932 über "Veröffentlichungen in einer anderen als der türkischen Sprache" - Sprachenverbotsgesetz - (I 22), das die Grundlagen und Verfahren regelte, "die auf Veröffentlichungen in nicht zugelassenen Sprachen Anwendung finden" (Art. 1). Gemäß Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes waren die Erklärung, Verbreitung und Veröffentlichung von Meinungen in jeder Sprache verboten, die nicht die erste offizielle Sprache eines von der Türkei anerkannten Staats war. Obwohl das Gesetz nach seiner Überschrift und der Beschreibung seines Gegenstandes in Art. 1 nur "Veröffentlichungen" betraf und nur auf die allein für die Presse geltende Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 der Verfassung Bezug zu nehmen schien, ging der Wortlaut der Vorschriften der Art. 2 und 3 darüber hinaus und erfasste auch andere als veröffentlichte schriftliche Meinungsäußerungen. Eine entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage befindet sich in Art. 26 Abs. 3 der Verfassung, der lautet: "Bei der Äußerung oder Verbreitung von Meinungen darf keine durch Gesetz verbotene Sprache verwendet werden ...". Deshalb bestanden gewichtige Bedenken gegen die Auffassung, nur der "öffentliche" Gebrauch der kurdischen Sprache sei untersagt und der private Bereich "nicht berührt" (I 21). Allerdings wurde das Monopol der türkischen Sprache seit dem Militärputsch lediglich im Umgang mit Behörden und anderen staatlichen Stellen sowie im Militärdienst durchgesetzt (I 8, 9, 12). Gegen den Gebrauch des Kurdischen bei privaten Unterhaltungen und im geschäftlichen Verkehr wurde dagegen nicht eingeschritten, und es war im eigentlichen Siedlungsgebiet der Kurden, im Südosten der Türkei, jedenfalls faktisch möglich, sich des Kurdischen als Umgangssprache zu bedienen (I 5, 7, 13, 15, 16, 18, 19, 23, 24).Neben dem Gebrauch der Sprache ist für den Bestand und die Erhaltung einer eigenständigen Nationalkultur die Pflege von Brauchtum und Sitte wichtig und letztlich unerlässlich. Auch in dieser Hinsicht unterliegen die Kurden gewissen Beschränkungen. Sie konnten allerdings im hier maßgeblichen Zeitraum grundsätzlich ungehindert ihre Nationaltracht tragen, kurdische Volkslieder singen und ihr Newroz-Fest sowie andere bäuerliche Feste feiern und sich auch sonst als Kurden zu erkennen geben - angesichts ihrer kurdischen Sprache können sie ihre Herkunft ohnehin kaum verbergen. Man kann für diesen Zeitraum im Vergleich zu der Zeit bis 1950 von einer relativen Liberalisierung sprechen (I 9).Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass der türkische Staat eine gezielte Assimilierungspolitik durch bewusste Vernachlässigung kurdischer Siedlungsgebiete in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht betrieben hat. Während Industrie und Wirtschaft der Türkei hauptsächlich in den westlichen Teilen des Landes, vorzugsweise in den Ballungsgebieten um die großen Städte angesiedelt und konzentriert sind, sind die überwiegend von Kurden bewohnten 18 Provinzen in Ostanatolien von der Agrarwirtschaft geprägt, und deren Strukturen und Arbeitsweisen sind zudem durch die Herrschaft von Großgrundbesitzern gekennzeichnet (I 2, 3). Aufgrund unsicherer Besitzverhältnisse, Streitigkeiten um Weideland und Ackerboden und wegen der Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten im Westen der Türkei und den Industrieländern Mittel- und Westeuropas haben im Hinblick auf die eklatante Unterentwicklung der östlichen Gebiete im Laufe der letzten 30 Jahre immer mehr kurdische Bauern ihre Dörfer verlassen. Diese Landflucht hat das Ungleichgewicht zwischen den östlichen und westlichen Provinzen der Türkei noch verstärkt. Das Einkommensgefälle hat auch in den letzten Jahren weiter zugenommen (I 148, III 10). Die Bodenschätze des Ostens wurden zur Industrialisierung des Westens genutzt. Gesundheitswesen und Schulen sind wesentlich schlechter ausgestattet als allgemein in der Türkei. Es sind jedoch keine konkreten Tatsachen festzustellen, die den Vorwurf rechtfertigen, die türkische Regierung hätte die kurdischen Provinzen in der Absicht vernachlässigt, die dort lebenden Kurden ihres Volkstums wegen zu benachteiligen, oder in ihrer Politik habe dieses Ziel zumindest eine nicht unwesentliche Rolle gespielt (so aber etwa I 10, 18). Gegen eine solche Annahme spricht, dass von den im Osten der Türkei herrschenden Lebensbedingungen auch andere Bevölkerungsgruppen wie etwa Christen, Jeziden und Muslime betroffen waren und sind. Für die Benachteiligung der kurdischen Regionen scheinen insgesamt gesehen ganz unterschiedliche Faktoren verantwortlich zu sein, etwa die ungünstigen Boden-, Klima- und Verkehrsverhältnisse. Das Fehlen besonderer Erschließungs- und Entwicklungsprogramme dürfte auf den desolaten Zustand der Staatsfinanzen der Türkei zurückzuführen gewesen sein. Ungeachtet dessen bestand für Kurden, die ihre Volkszugehörigkeit im gesellschaftlichen Bereich verbunden mit der Forderung nach politischer Autonomie oder Unabhängigkeit vom türkischen Staat ostentativ bekundeten, die Gefahr, durch staatliche Organe des Separatismus bezichtigt zu werden (I 3, 6, 7, 9, 11, 15 bis 20). Insoweit war aber auch eine deutliche Liberalisierung und Zurückhaltung der Sicherheitskräfte gegenüber friedlichen Meinungsäußerungen für ein eigenständiges Kurdistan erkennbar. Wegen des schlichten Bekenntnisses zu ihrer Volkszugehörigkeit waren Kurden nicht von staatlicher Verfolgung bedroht (I 4, 5). Eine sich in diesem Rahmen haltende Pflege kurdischen Brauchtums war legal möglich (I 19, 24).In engem Zusammenhang mit Ermittlungen und Verfolgungen wegen Verdachts des Separatismus standen die nach dem Militärputsch verstärkt unternommenen Razzien, die der Suche nach Waffen und dem Aufspüren Krimineller dienten, die aber in der Regel pauschal alle Bewohner von Grenzdörfern oder bestimmten Gecekondu-Bereichen erfassten und diese oft einer erniedrigenden, brutalen oder sonst menschenrechtswidrigen Behandlung unterzogen (I 2, 10, 11, 17, 23, 24). Im Zuge der Verfolgung kurdischer Separatisten kam es dabei im Herbst 1984 ("Operation Sonne") auch zu türkischen militärischen Aktionen auf irakischem Gebiet (I 23). Während teilweise angenommen wird, diese Aktionen richteten sich systematisch gegen die kurdische Bevölkerung und sollten deren Einschüchterung bewirken (I 2, 11, 12), wird in anderen Berichten betont, kurdische Siedlungsgebiete seien nur wegen der dort festzustellenden Häufigkeit von anarchistischen, extremistischen und separatistischen Untergrundorganisationen besonders oft und hart betroffen (I 1, 4, 7, 13, 23, 24). Aufgrund der Vielzahl terroristischer Aktionen in den kurdischen Siedlungsgebieten kam es nach und nach zu einer stärkeren Konzentration von Sicherheitskräften in diesen Gebieten und im Zusammenhang damit zu vielen militärischen Aktionen gegen die PKK, die das Ziel der Gründung eines unabhängigen kurdischen Staats in den von Kurden besiedelten Gebieten des türkischen Staatsgebiets verfolgen. Zur Durchsetzung dieses Ziels führte die PKK in den südöstlichen Landesteilen der Türkei einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat; bei ihren Operationen bediente sie sich der Guerillataktik (I 25).Zu Beginn der 90er Jahre trat zunächst eine gewisse Entspannung der Lage der Kurden ein. Durch Art. 23e des "Gesetzes über die Bekämpfung des Terrors" (Nr. 3713) - Anti-Terror-Gesetz (ATG) - vom 12. April 1991 wurde das Sprachenverbotsgesetz ersatzlos aufgehoben (I 28). Daraus kann angesichts des in Art. 1 normierten Zwecks des Sprachenverbotsgesetzes entnommen werden, dass der Gebrauch einer anderen als der türkischen Sprache, insbesondere der Sprache der Kurden als größter nichttürkischer Volksgruppe im Staatsverband der Türkei, nicht mehr als separatistische, gegen die Einheit des türkischen Staats gerichtete Handlung qualifiziert wird. Zudem wird mit der Aufhebung der bisherigen Feststellung des Art. 3 Abs. 1 des Sprachenverbotsgesetzes, die Muttersprache der türkischen Staatsbürger sei türkisch, für die türkischen Staatsbürger auch der Besitz einer anderen Muttersprache eingeräumt und damit mittelbar auch die Existenz anderer ethnischen Gruppen neben den Türken anerkannt. Die Aufgabe der Leugnung der Existenz einer kurdischen Volksgruppe in der Türkei kommt im Übrigen in der Anfang 1991 getroffenen Feststellung des damaligen Staatspräsidenten Özal zum Ausdruck, in der Türkei lebten 10 bis 12 Millionen Kurden (I 26 ). Insgesamt wurde durch die Aufhebung des Sprachenverbotsgesetzes vor allem der öffentliche Gebrauch der kurdischen Sprache erheblich erleichtert. So ist es nicht mehr gesetzlich verboten, auf Versammlungen und Demonstrationen Plakate in einer anderen als der türkischen Sprache zu zeigen und dort in diesen Sprachen Schallplatten und ähnliches abzuspielen oder kurdischsprachige Lieder zu singen (I 27). Wenngleich für bestimmte Bereiche das Verbot der Verwendung anderer Sprachen als der türkischen, wie etwa im Parteiengesetz und Vereinsgesetz (I 22), weiter fortbesteht, hat dennoch die Aufhebung des Sprachenverbotsgesetzes zunächst in einer wesentlichen Frage zu einer Abnahme der Beeinträchtigungen der kurdischen Volksgruppe in der Türkei geführt. So wurde vom Kultusministerium die Freigabe von ungefähr 25.000 früher verbotenen Buchtiteln bestätigt (I 26 ). Dies führte zum Beispiel auch Ende 1991/Anfang 1992 zur Herausgabe zweier kurdischsprachiger Wochenzeitungen (I 32), von denen allerdings eine später ihr Erscheinen - möglicherweise aufgrund behördlicher Schikanen - wieder eingestellt hat (I 42). Die Zeitung Özgür Gündem wurde seit ihrem Erscheinen von den türkischen Behörden belästigt (I 60), ein Verbot dieser Zeitung war letztlich nur eine Frage der Zeit (I 68), und auch die Nachfolgezeitung Özgür Ülke hatte von Anfang an mit Schwierigkeiten gegenüber den Behörden zu kämpfen (vgl. I 81). Darüber hinaus wurde im Jahre 1993 durch den Nationalen Sicherheitsrat das Anti-Terror-Gesetz (ATG) wieder verschärft. Danach wurden kurdische Musik, kurdische Reden und das Bekenntnis, Kurde zu sein, mit der Strafandrohung des Art. 8 ATG verfolgt (I 71); auch Demonstrationen und Märsche gegen die nationale und territoriale Einheit der Türkei sowie gegen die laizistische Grundordnung auf der Basis einer strikten Trennung von Staatsführung und Religion sollten schwerer als früher geahndet werden (I 73).Die von Dezember 1991 an amtierende Regierungskoalition von DYP und SHP setzte die zuvor begonnene Liberalisierung in der Kurdenpolitik verstärkt fort, indem sie mehrfach ausdrücklich bekundete, dass sie die Kurden als eine eigenständige ethnische Minderheit anerkenne und grundsätzlich ein friedvolles Zusammenleben von Kurden und Türken anstrebe (I 30, 31, 40). In dem Regierungsprogramm war vorrangig die Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses und die Verbesserung der Menschenrechtssituation, wozu vor allem eine Normalisierung der Situation in den Notstandsgebieten zählt, aufgenommen worden (I 32). Das Versprechen für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konnte die Regierungskoalition allerdings nicht einlösen (I 41). Nach einem im April 1992 von der türkischen Regierung gefassten Beschluss sollte die soziale und wirtschaftliche Lage der Kurden dadurch verbessert werden, dass in den zehn südöstlichen Provinzen der Türkei, also in den Siedlungsgebieten der Kurden, 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und das Erziehungs- und Gesundheitswesen ausgebaut werden sollten (I 34). Auf dieser Linie lag auch die Ankündigung des damaligen türkischen Staatspräsidenten Özal, in Zukunft könnten auch Unterricht sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache erlaubt werden (I 39). Da die PKK - bei ihr handelt es sich um eine stalinistische Organisation, die blutigen Terror für ein legitimes Mittel hält (I 25) - offensichtlich die "Gefahr" sah, dass es auf der Grundlage dieses Öffnungsprozesses zu einer geregelten Autonomie der kurdischen Siedlungsgebiete innerhalb des türkischen Staatsverbands kommen könnte, versuchte sie seit dem Frühjahr 1992 mit umfangreichen militärischen Aktionen, den türkischen Staat und insbesondere das Militär zum Rückzug aus den kurdischen Siedlungsgebieten sowie zur Aufgabe staatlicher Hoheitsgewalt in diesem Gebiet zu zwingen. Durch Gegenaktionen der türkischen Armee wurde auch die kurdische Zivilbevölkerung zum Teil erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Erster Höhepunkt waren die schweren Zusammenstöße zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Guerillas aus Anlass des kurdischen Neujahrsfestes (Newroz) am 21. März 1992. Es kam zu zahlreichen Toten und Verwundeten, wobei diese Unruhen in Cizre begannen und danach unter anderem noch Sirnak, Nusaybin, Batman erfassten. In Sirnak kam es Mitte August 1992 zu weiteren heftigen Kämpfen, in deren Folge die Stadt von ihren Bewohnern weitgehend verlassen wurde, wobei allerdings die PKK eine Verwicklung ihrer Mitglieder in die Vorfälle leugnete und sich im weiteren Verlauf die Anzeichen mehrten, dass es sich allein um eine von den Sicherheitskräften zu verantwortende Aktion gegen die Bevölkerung handelte (I 40). Gegen die unter Einsatz von militärischen Mitteln - mit Bomben, Mörsern und Raketenwaffen - zum Teil mit Hunderten von Guerillakämpfern durchgeführten Überfälle der PKK, Anschläge in zahlreichen Städten und Ortschaften des südöstlichen Grenzgebiets der Türkei und Angriffe auf öffentliche Gebäude wie Bankfilialen und insbesondere Einrichtungen des Militärs, der Gendarmas und der Polizei setzte der türkische Staat große Einheiten von Sicherheitskräften - zunehmend die paramilitärisch ausgerüsteten Gendarmas (Landpolizei) und die in gleicher Weise ausgerüsteten Sicherheitseinheiten des Innenministeriums - ein, die in Gegenschlägen in kurdischen Siedlungsgebieten selbst und im nördlichen Irak - dem Rückzugsgebiet der PKK - PKK-Kämpfer aufspüren und bekämpfen sollen (I 36). Durch Umsiedlungsaktionen im Kampfgebiet der PKK sollte der PKK auch die in diesem Gebiet mögliche logistische Unterstützung durch die örtliche Bevölkerung entzogen werden (I 43).Die Maßnahmen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten, insbesondere in den Notstandsgebieten im südöstlichen Grenzgebiet, richteten sich zunächst im wesentlichen gegen die Kampfaktionen der PKK. Der Senat hat dazu schon früher festgestellt, dass anlässlich dieser Maßnahmen gehäuft vorkommende illegale oder sogar menschenrechtswidrige Übergriffe auf Zivilpersonen nicht zu der Annahme einer allgemeinen und landesweiten Verfolgung der Kurden in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit führten (vgl. Hess. VGH, 23.11.1992 - 12 UE 2590/89 -). Erkenntnisse, die Anlass geben könnten, diese Einschätzung neu zu überdenken, liegen für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht vor (vgl. Hess. VGH, 24.01.1994 - 12 UE 200/91 -; 19.01.1998 - 12 UE 1624/95 -; zuletzt 27.03.2000 - 12 UE 583/99.A -).

2. Der Senat hat jedoch die Überzeugung gewonnen, dass sich der Kläger in einer akuten Verfolgungssituation befand, als er sich dazu entschloss, die Türkei zu verlassen. Wie er durchgehend während des gesamten Verfahrens und auch bei seiner Vernehmung im Berufungsverfahren angegeben hat, war unmittelbarer Anlass für seine Befürchtung, von Sicherheitskräften gesucht und festgenommen zu werden, dass PKK-Kämpfer sich vor seinem Haus fotografiert hatten und bei deren späterer Festnahme die Fotos aufgefunden worden waren. Tatsächlich wurde sein Haus von Sicherheitskräften durchsucht, die bei dieser Gelegenheit seinen Vater festgenommen und für 18 Tage in Haft genommen haben. Dabei wurden die genannten Fotos gezeigt. Im Übrigen ist sein Bruder S. am 26. Januar 1993 festgenommen und sodann für längere Zeit in Untersuchungshaft gehalten worden. Dabei wurde dieser auch, wie das bereits genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. S. 5) festgestellt hat, gefoltert und sonst misshandelt. Nimmt man alle diese Umstände zusammen, kann die Befürchtung des Klägers, von Sicherheitskräften gesucht und verhaftet zu werden, objektiv nachvollzogen werden. Da nach ihm gesucht wurde, hätte er sich dem Zugriff der staatlichen Behörden in der Türkei auch nicht durch ein Ausweichen in andere Gebiete der Türkei entziehen können. Das staatliche Interesse an seiner Festnahme war, wie die Behandlung seines Vaters und seines Bruders S. durch die Sicherheitskräfte zeigt, so erheblich, dass es sich sehr wahrscheinlich nicht auf den engeren Bereich seines Wohnorts und der Provinz Sirnak beschränkte.

II.

Dem danach verfolgt ausgereisten Kläger kann eine Rückkehr in die Türkei nicht zugemutet werden, weil weitere Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, sondern im Gegenteil höchst wahrscheinlich eintreten werden. Soweit es die Verfolgungsgefahr infolge seiner kurdischen Volkszugehörigkeit angeht, könnte er zwar außerhalb seiner Heimatregion ungefährdet leben (1.); aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse wird ihm dies aber nicht möglich sein (2.).

1. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger als Angehörigem der Volksgruppe der Kurden in seiner Heimatregion, die zu den Notstandsprovinzen zählt, nach wie vor politische Verfolgung in der Form der örtlich begrenzten Gruppenverfolgung droht. Die unter A I 1. beschriebene Verfolgungssituation hat sich in den letzten fast acht Jahren nach seiner Ausreise nicht verändert. Danach ist aber festzustellen, dass der Kläger, soweit nur auf seine Volkszugehörigkeit abgestellt wird, nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in sonstige Gebiete außerhalb der Notstandsprovinzen zurückkehren könnte, ohne dort politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, und dass er dort auch das notwendige Existenzminimum erreichen könnte.

a) Im Jahr 1993 standen sich im Südosten der Türkei ungefähr 140.000 türkische Soldaten und etwa 10.000 PKK-Kämpfer gegenüber (I 55). Damit wurden dort etwa zwei Drittel der Streitkräfte der türkischen Armee stationiert, dazu zählen auch 80 % der Panzer- und Helikoptereinheiten (I 64). Die Situation in der Südosttürkei wurde mittlerweile als Krieg (I 55, 64) oder doch jedenfalls als bürgerkriegsähnlich charakterisiert (I 47), wobei die PKK in bestimmten Bergregionen im Südosten und Osten der Türkei sogar schon effektive Gewalt ausübte (I 74). In dieser insgesamt angespannten Situation entschloss sich die Führung der PKK am 20. März 1993 - auch um für eine geplante Frühjahrsoffensive der türkischen Streitkräfte nicht den Grund zu liefern, wobei der Newroz-Enthusiasmus des kurdischen Volkes als Vorwand für eine Provokation genutzt werden sollte (I 61) -, dem türkischen Staat zunächst bis zum 15. April 1993 und alsdann bis auf weiteres einen einseitigen Waffenstillstand und die Bereitschaft zu Verhandlungen anzubieten (I 56). Eine offizielle Reaktion gab es darauf nicht. Der damalige Staatschef Özal hatte für die dritte Aprilwoche den Nationalen Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung geladen, bei der er seine Kurdeninitiative erläutern wollte. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da der Staatschef eine Woche vor dieser Sitzung verstarb (I 59). Nach der Aufkündigung des von der PKK einseitig erklärten Waffenstillstandes am 24. Mai 1993 (I 69) kündigten die türkische Regierung und der Generalstabschef eine Großoffensive mit dem Ziel der endgültigen Vernichtung der PKK an (I 53). Der Generalstabschef Güres erklärte, wenn man die PKK bis zum Winterbeginn nicht ausgerottet habe, müsse über die Türkei das Kriegsrecht verhängt werden (I 59). Staatspräsident Demirel sprach sich dagegen aus, der kurdischen Minderheit das Recht auf Schulunterricht in ihrer Muttersprache einzuräumen, und schloss "jeden Kuhhandel und jedes Zugeständnis" an die PKK aus (I 67). Die damalige Ministerpräsidentin Ciller lehnte kurdischen Schulunterricht ab und sprach anlässlich einer Informationsreise durch die Südostprovinzen davon, dass es gar keine Kurdenfrage gebe (I 59). Die Armeeführung kündigte einen "Vernichtungskrieg" unter Einsatz von moderneren und wirksameren Waffen an (I 67). Bereits vorher hatte der Führer der PKK, Abdullah Öcalan, der Türkei den Vernichtungskrieg erklärt, nachdem er den türkischen Streitkräften vorgeworfen hatte, bei ihren Aktionen chemische Waffen und Napalmbomben gegen die Kurden einzusetzen (I 63; vgl. auch I 61).

Im Zuge der präventiven Bekämpfung von PKK-Einheiten durch türkische Sicherheitskräfte wurden zunehmend unbeteiligte Bewohner in terrorgefährdeten Gebieten der Südosttürkei erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung geschahen häufig bei Dorf- und Räumungsaktionen. Dabei kam es auch zu zahlreichen Misshandlungen von Zivilpersonen durch Sicherheitskräfte (I 75). Insgesamt verbesserte sich die Menschenrechtslage in den kurdischen Provinzen der Türkei unter der Regierung Ciller nicht, sie wurde eher verschärft. Die Verschleppung und Ermordung von Menschen, teils durch uniformiert auftretende offizielle Sicherheitskräfte, aber auch durch die PKK nahm erschreckende Ausmaße an (I 76). Die Regierung setzte entgegen einer im Koalitionsprotokoll vom 24. Juni 1993 erklärten Absicht einseitig auf eine militärische Lösung. Die staatlichen Handlungen in den Notstandsprovinzen des Südostens und Ostens der Türkei haben in der Folge insgesamt den Charakter eines Guerilla-Bürgerkriegs angenommen. Übergriffe der Sicherheitskräfte in Form von Eigentumszerstörung, Freiheitsberaubung, Misshandlung und Tötung auch gegenüber Unbeteiligten kamen verbreitet vor; die Aktionen gingen zum Teil in ihrer Intensität auch über das für die Wiederherstellung der staatlichen Friedensordnung erforderliche Maß erheblich hinaus (I 77).

Die Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK verschärften sich Mitte 1993 erheblich und erhöhten die damit verbundenen Gefahren für die in diesen Provinzen lebende Bevölkerung (I 47, 56). Im Zusammenhang mit der Eskalation der Gewalt im Südosten wurde der über zehn Provinzen (Batman, Bingöl, Bitlis, Diyarbakir, Hakkari, Mardin, Siirt, Sirnak, Tunceli, Van) verhängte Ausnahmezustand mehrmals verlängert (I 73, 87, 89). Die Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte richteten sich seit den verschärften Kämpfen mit der PKK auch gegen die Zivilbevölkerung. Früher waren die Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte durchgehend dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Anlass und zum Zweck der Eindämmung des bewaffneten Kampfes der PKK in der Südosttürkei durchgeführt wurden. So erfolgten zum Beispiel Umsiedlungsaktionen (I 36) zielgerichtet unter militärisch-strategischen Gesichtspunkten der Bekämpfung der PKK und noch nicht wahllos unter Anknüpfung an die kurdische Volkszugehörigkeit, sondern veranlasst durch Operationen der PKK vor allem in Gebieten, in denen die PKK besondere Unterstützung genoss (I 36). Dazu zählten auch - bedingt durch die Guerilla-Taktik der PKK - Durchsuchungen und vorläufige Festnahmen der Einwohner ganzer Dörfer (vgl. Hess. VGH, 23.11.1992 - 12 UE 2590/89 -).

Dagegen kann bei den Maßnahmen der Sicherheitskräfte seit etwa Mitte 1993 nicht mehr davon gesprochen werden, sie würden nur dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer im strafrechtlichen Sinn oder demjenigen gelten, der im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten vornimmt, ohne sich an diesen Aktivitäten unmittelbar zu beteiligen. Die Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung sowohl nach Angriffen der PKK als auch nach legalen oder illegalen Demonstrationen erscheinen seit Mitte 1993 als Strafaktionen gegen die kurdische Bevölkerung; für den türkischen Staat gelten seitdem offenbar alle Kurden als potentielle Unterstützer der PKK. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass als Reaktion auf PKK-Aktivitäten Sicherheitskräfte nicht die Guerillakämpfer verfolgten, sondern ganze Ortschaften im kurdischen Osten zusammenschossen (I 49, 61). Zwar wurde von der türkischen Staatsführung angekündigt, sie werde die Rebellen der verbotenen PKK ausrotten (I 67). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, von etwaigen Maßnahmen der Sicherheitskräfte sei die Zivilbevölkerung nicht betroffen. Vielmehr kam es tatsächlich in einer Vielzahl von Fällen zu Angriffen auf die Zivilbevölkerung in den Notstandsgebieten, wobei sogar zunehmend Massaker an kurdischen Zivilisten vom Militär in Kauf genommen wurden (I 68).

Beispielsweise wurde die hauptsächlich von Kurden bewohnte Stadt Lice von der türkischen Armee angegriffen. Dabei wurden aus Hubschraubern und Panzern Brandsätze eingesetzt; anschließend wurden die Bewohner von Soldaten aus ihren Wohnungen geholt und diese dann in Brand geschossen (I 70). Während nach offiziellen Angaben dabei 34 Menschen ums Leben kamen, berichteten Einwohner von Hunderten von Toten und Vermissten (I 68). Danach gab es Befürchtungen, dass die Regierungstruppen auch in der nahegelegenen Kleinstadt Kulp ein Massaker anrichten würden, nachdem diese Stadt belagert und angegriffen worden war (I 66). Die ungefähr 950 Einwohner des Dorfes Kursunlu bei Dicle wurden vom Militär aufgefordert, ihre Siedlung zu verlassen; gleichzeitig wurde ihnen angedroht, nach Ablauf des Ultimatums werde das Dorf beschossen, auch wenn Einwohner dort bleiben würden (I 72). In Lice war kurze Zeit vorher der Kommandeur der Militärpolizei dieser Region erschossen worden (I 65). Im Frühjahr und Sommer 1993 wurden 108 Siedlungen zerstört (I 54); nach einer in der Zeitung Özgür Gündem veröffentlichten Liste wurden vom 20. März bis 30. August 1993 117 Dörfer verbrannt und deren Bewohner vertrieben (I 61; vgl. auch I 59). Zwar steht den Betroffenen eine Entschädigung zu; zu Entschädigungsleistungen ist es bisher aber nachweislich nicht gekommen (I 69). Bei diesen Aktionen trieben die Sicherheitskräfte regelmäßig zunächst alle Dorfbewohner auf dem Dorfplatz zusammen, durchsuchten danach die Häuser, raubten das Geld und die Wertsachen der Bewohner und setzten die Häuser einschließlich der darin befindlichen Gegenstände und die Ställe mit den Tieren in Brand. Teilweise wurden die Dorfbewohner noch misshandelt und geschlagen (I 61). Dabei wurden in der Region um Lice, Kulb und Bingöl innerhalb von drei Tagen neun Dörfer von Soldaten niedergebrannt. In der Provinz Bitlis wurden drei Dörfer - Kovanis, Sap und Kutlu - von Soldaten und Dorfschützern unter Einsatz von Artillerie angegriffen und innerhalb von vier Stunden vernichtet (I 61). Am 14. August 1993 richteten Sondereinheiten der türkischen Armee in der Kreisstadt Digor während eines Schweigemarsches von über 4.000 Kurden aus Anlass des 9. Jahrestages des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK ein Blutbad an (I 58). Als sich einen Tag später Tausende von Menschen am Kreuzungspunkt Dolabas im Kreis Malazgirt (Provinz Mus) versammelten, um zu demonstrieren, wurden sie von Militäreinheiten umstellt und unter anderem von Panzern und Helikoptern unter Beschuss genommen; dabei gab es drei Tote und über 70 Verletzte (I 64). Darüber hinaus waren noch zahlreiche weitere Dörfer von Militäraktionen betroffen (I 53, 61, 64). In der Provinz Mardin wurden fünf Dörfer geräumt, weil die Bewohner nicht Dorfwächter werden wollten (I 60), obwohl das Dorfschützeramt nicht zwangsweise übertragen und eine Weigerung nicht strafrechtlich geahndet wird (I 114, 141). Auch nach den Angaben des Auswärtigen Amtes leidet die Bevölkerung in den unter Notstandsrecht stehenden Gebieten seither unter den oft unverhältnismäßigen Aktionen der Sicherheitskräfte und unter anderem den blutigen Anschlägen der PKK (I 47, 130, 144, 151), wobei aufgrund der in den Notstandsgebieten nicht gewährleisteten Pressefreiheit (I 32) davon ausgegangen werden kann, dass nicht alle dort vorkommenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen bekannt werden. Die Übergriffe der Sicherheitskräfte im Südosten in Form von Eigentumszerstörung, Freiheitsberaubung, Misshandlung oder Tötung ereignen sich meistens - und damit nicht immer - im Zusammenhang mit militärischen Einsätzen als Antwort auf bewaffnete Angriffe der PKK, im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen zur Strafverfolgung von Staatsschutzdelikten sowie zur Gefahrenabwehr oder auch im Zusammenhang mit notstandsrechtlich sanktionierten Zwangsevakuierungen von Dörfern (I 73), wobei die Grenze zwischen Terrorismusbekämpfung und individuellen und/oder kollektiven Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung immer schwerer zu ziehen ist (I 69). Bei Straßenkämpfen in den größeren Ortschaften der Region verschwimmen die Grenzen zwischen gezieltem Vorgehen gegen PKK-Militante und willkürlichem Beschuss ganzer Stadtteile. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass die Stadt Sirnak im August 1992 noch lange nach dem Rückzug angreifender PKK-Militanter vom türkischen Militär zum Teil mit Artillerie unter Beschuss genommen und schwer beschädigt wurde (I 69). Nach Angaben der pro-kurdischen Zeitung "Özgür Gündem" wurde Anfang 1993 über die Ortschaft Beytüssebap ein Nahrungsmittelembargo verhängt, das seit August 1993 auf die Städte Uludere, Sirnak und umliegende Dörfer ausgeweitet wurde, wobei zur Begründung angegeben wurde, dass die Bewohner die PKK mit Lebensmitteln versorgten (I 69). Das Lebensmittelembargo wurde dann auf die im Dreieck der Kreise Lice, Kulp und Genc liegenden Kreisstädte und Dörfer sowie auf die auf den Bergen Agri und Tendürek gelegenen Dörfer ausgedehnt (I 61). Die türkische Regierung selbst hat auf eine parlamentarische Anfrage eines DEP-Abgeordneten bestätigt, dass bis Ende 1993 über 870 Dörfer zwangsweise geräumt wurden; ein großer Teil dieser Dörfer wurde niedergebrannt (I 79). Dabei kam es zu zahlreichen Übergriffen, zu "standrechtlichen" Erschießungen und Folterungen an Dorfbevölkerungen, die eindeutig nicht mehr durch Notstandsrecht zu rechtfertigen sind (I 79, 89). Bis zum Herbst 1994 waren etwa 1.300 Dörfer (I 78, 87, 89) evakuiert und teilweise ganz zerstört worden.

Aufgrund dieser Entwicklung im Südosten der Türkei ergibt sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 1993 und damit für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin eine gegen die Kurden als Gruppe in den Notstandsprovinzen gerichtete staatliche Verfolgung, die an ihre Volkszugehörigkeit und damit an ein asylerhebliches Merkmal anknüpft. Die die kurdische Zivilbevölkerung in diesen Gebieten betreffenden Maßnahmen und Übergriffe der türkischen Sicherheitskräfte stellen sich nach den oben aufgeführten Grundsätzen als eine Gruppenverfolgung der Kurden in diesen Gebieten dar. Es ist nämlich festzustellen, dass die türkischen Sicherheitskräfte die Angehörigen der kurdischen Bevölkerung unter Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit durch schwerwiegende Rechtsverletzungen verfolgen, die gerade auch darauf ausgerichtet sind, die dort lebenden Kurden wegen ihrer Volkszugehörigkeit zu treffen. Die staatlichen Kräfte führen den Kampf gegen die PKK in einer Weise, die auch auf die physische Vernichtung der durch asylerhebliche Merkmale bestimmten Personengruppe der Kurden gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand leisten oder nicht am militärischen Geschehen beteiligt sind. Diese Voraussetzungen sind nach Einschätzung des Senats seit etwa Mitte 1993 festzustellen und für die voraussehbare Zukunft angesichts der Art und Weise des militärischen Handelns der türkischen Sicherheitskräfte in den Notstandsgebieten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Deren Aktionen sind jedenfalls seit dieser Zeit bei einer Vielzahl von Angriffen bewusst auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung in diesen Gebieten gerichtet und gehen über das hinaus, was im Interesse der Wiederherstellung der staatlichen Friedensordnung notwendig ist. Dabei ist für das Vorliegen einer asylrelevanten Intensität des Eingriffs maßgebend, ob sich dieser nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als ausgrenzende Verfolgung darstellt (BVerfG - Kammer -, 04.04.1991 - 2 BvR 1497/90 -). Die Maßnahmen der Sicherheitskräfte in den Notstandsprovinzen sind, soweit sie die Zivilbevölkerung betreffen, seither als Aktionen eines bloßen Gegenterrors zu werten, die zwar auch der Bekämpfung des Terrorismus und seines ihn aktiv unterstützenden Umfelds gelten mögen, aber gleichzeitig darauf ausgerichtet sind, die an dem bestehenden Konflikt nicht unmittelbar beteiligte Zivilbevölkerung unter den Druck brutaler Gewalt zu setzen (vgl. BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.), so dass daraus auf eine allgemeine Gefährdung der in diesem Gebiet lebenden durch die Volkszugehörigkeit gekennzeichneten Gruppe der Kurden zu schließen ist. Dabei ist auch zugrundezulegen, dass - wie für die Annahme einer unmittelbar staatlichen Gruppenverfolgung erforderlich - mit diesem Handeln eigene staatliche Ziele des türkischen Staates durchgesetzt werden sollen, wozu sich der Staat der Sicherheitskräfte - wie Gendarmas und Polizei - sowie der Armee bedient (vgl. grundsätzlich zu diesem Erfordernis für eine "unmittelbare" staatliche Gruppenverfolgung im Unterschied zu einer mittelbaren Gruppenverfolgung: BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Wie aus den dargelegten Maßnahmen der Sicherheitskräfte und der Streitkräfte ersichtlich, wird damit eine Konzeption der türkischen Regierung zur "Befriedung" der kurdischen Siedlungsgebiete im Südosten der Türkei durchgesetzt, die auch auf politische Verfolgung der kurdischen Bevölkerungsgruppe setzt. Dabei unterstellen die Sicherheits- und Streitkräfte ganz überwiegend pauschal eine Nähe oder Unterstützung separatistischer Aktivitäten der PKK und knüpfen insoweit an die kurdische Volkszugehörigkeit der Bewohner dieses Gebietes an (vgl. zu diesen Kriterien für die Gerichtetheit von Verfolgungsmaßnahmen bei unmittelbarer staatlicher Gruppenverfolgung: BVerfG - Kammer -, 09.12.1993 - 2 BvR 1638/93 -, a.a.O.; BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Obwohl der eigentliche Grund für das Eingreifen der Sicherheitskräfte in dem pauschalen Terrorismusverdacht zu sehen ist, handelt es sich um ethnische Verfolgung; denn sie richtet sich allgemein gegen Angehörige der kurdischen Volksgruppe in den dem Notstandsrecht unterworfenen Gebieten, die fast ausschließlich von Kurden bewohnt sind. Gegen eine derartig zielgerichtete Verfolgung spricht auch nicht der Umstand, dass bisweilen bei Razzien und ähnlichen Maßnahmen zwischen Verdächtigen und Unverdächtigen unterschieden wird; denn in aller Regel werden zunächst alle in den Notstandsgebieten Lebenden pauschal verdächtigt, festgehalten und misshandelt. Insbesondere die zahlreichen Fälle von Zwangsevakuierungen und vollständiger oder teilweiser Zerstörung von Dörfern mit den damit einhergehenden massiven Eingriffen in die Freiheit und körperliche Unversehrtheit der Dorfbewohner verdeutlichen, dass die Sicherheitskräfte verstärkt zu einer Strategie übergegangen sind, die neben dem unmittelbaren militärischen Kampf gegen die PKK auch auf eine politische Verfolgung der kurdischen Bevölkerungsgruppe setzt, um so der PKK Ressourcen und eine breitere Unterstützung in der Bevölkerung zu entziehen. Welche Dimensionen die Aktivitäten der Sicherheitskräfte in Anwendung dieser Strategie hat, zeigen die bekannt gewordenen Zahlen eindrucksvoll.

Insgesamt ist bei Abwägung und Einbeziehung aller genannten Berichte festzustellen, dass die Aktionen der Sicherheitskräfte in den Notstandsprovinzen seither nicht allein unmittelbar auf die Bekämpfung der PKK gerichtet sind, sondern dass bewusst und in einer Vielzahl von Fällen zielgerichtet die Verletzung und Tötung von Personen der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wird, um dadurch jedenfalls auch mittelbar - durch Abschreckung und Einschüchterung der kurdischen Zivilbevölkerung - den militärischen Kampf gegen die PKK zu erleichtern, ohne einen konkreten Anlass dafür zu haben, dass es sich bei den jeweiligen Personen um Anhänger oder Unterstützer der PKK handelt. Dabei ist es für die Asylrelevanz dieser Maßnahmen nicht erforderlich, dass sie auf die Zerstörung der Identität der gesamten der Gegenseite zugerechneten Zivilbevölkerung ausgerichtet sind. Es ist insoweit schon asylrechtlich erheblich, wenn von solchen Aktionen nur Teile dieser Zivilbevölkerung betroffen sind, die - wie hier - nach asylerheblichen Merkmalen bestimmt sind (BVerwG, 27.01.1993 - 9 B 95.92 -). Für diese Beurteilung maßgeblich sind nicht die subjektiven Gründe oder Motive der handelnden Sicherheitskräfte, sondern die nach ihrem inhaltlichen Charakter erkennbare Gerichtetheit der von ihnen durchgeführten Aktionen. Damit ist eine objektivierte Betrachtung der grundsätzlichen Zielrichtung der Aktionen der türkischen Sicherheitskräfte erforderlich. Aus der Sicht eines objektiven Dritten stellen sich die Aktionen der türkischen Sicherheitskräfte als in erheblichem Umfange auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung gerichtet dar. Die bewusst auch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Aktionen stellen eine seit etwa Mitte 1993 erweiterte Dimension der Kampfführung der türkischen Sicherheitskräfte gegen die PKK dar, durch die als flankierende Maßnahmen zu dem direkten Kampf gegen die PKK die kurdische Zivilbevölkerung mit brutaler Gewalt unter Druck gesetzt werden soll, den PKK-Aktivisten keinen Schutz zu gewähren und sie nicht zu unterstützen.

Der Senat hat auch die Überzeugung gewonnen, dass aufgrund der geschilderten zahlreichen und durchgehenden Vorkommnisse während der kriegerischen Handlungen im Südosten der Türkei, insbesondere auch in Anbetracht der Tatsache, dass in den letzten Jahren über dreitausend kurdische Dörfer durch Sicherheits- und Streitkräfte zwangsweise geräumt und Dorfbewohner dabei regelmäßig Eingriffen in Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit ihrer Person ausgesetzt waren, eine derartige Verfolgungsdichte besteht, dass jedem kurdischen Volkszugehörigen im Südosten der Türkei akut ein den genannten Vergleichsfällen entsprechendes Verfolgungsschicksal droht (zum Kriterium der Verfolgungsdichte vgl. insbesondere BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Dabei kann schon angesichts der in Rede stehenden Schwere der Rechtsgutverletzungen nicht auf eine statistische Ermittlung der bereits schwer Geschädigten, der eher leicht Betroffenen, der latent Gefährdeten und der noch unbehelligt Gebliebenen abgestellt werden. Gerade die Vielfalt der Eingriffe erlaubt keine selektive Betrachtung je nach Ort, Art und Folgen der Eingriffe. Insbesondere hängt die Feststellung der erforderlichen Verfolgungsdichte nicht davon ab, dass die ansässige kurdische Bevölkerung mehrheitlich oder zu einem bestimmten Anteil getötet, gefoltert, verletzt oder vertrieben und der Heimat beraubt ist. Im Hinblick auf die Unberechenbarkeit der Verfolgungshandlungen, die von der wechselnden Taktik der PKK ebenso abhängen wie von den innenpolitisch und militärisch bestimmten Gegenaktionen der Sicherheitskräfte, hat sich das Risiko in so vielen Fällen verwirklicht, dass es für einen kurdischen Bewohner der Notstandsprovinzen seither nur eine Frage der Zeit war, wann er selbst betroffen wurde. Daher kann gegen die Annahme der erforderlichen Verfolgungsdichte nicht ins Feld geführt werden, dass nicht bereits die gesamte kurdische Bevölkerung in den Notstandsgebieten aktuell politische Verfolgung erlitten hat. Zudem ist es für die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung unerheblich, dass einige ostentativ staatsloyale Bewohner wie beispielsweise Dorfschützer und Großgrundbesitzer ebenso wenig durch Maßnahmen der Sicherheitskräfte beeinträchtigt werden wie Inhaber hervorgehobener politischer Stellen wie Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister. Sie bilden nämlich wegen ihrer besonderen persönlichen Eigenschaften eine fast jeder Gruppenverfolgung eigene Ausnahme.

Der Senat hält es deshalb im Ergebnis für beachtlich wahrscheinlich, dass durchaus jeder noch in seinem angestammten Siedlungsgebiet im Südosten der Türkei lebende Kurde von an seine Volkszugehörigkeit anknüpfenden, oben beschriebenen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe in der Türkei betroffen sein kann. Der Senat weist insoweit darauf hin, dass er zur Begründung und Herleitung dieses Ergebnisses nur die wesentlichen Gründe angegeben hat, die für die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO leitend gewesen sind, und nicht alle Einzelheiten von Gutachten und Berichten, die er in seine Entscheidungsfindung einbezogen hat, hier ausdrücklich wiedergegeben und bewertet hat. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände ist deshalb nicht zu schließen, dass der Senat diese bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hätte; insbesondere der Umstand, dass bestimmte verfolgungsrelevante Situationen in einem Bericht nicht erwähnt sind, kann im vorliegenden Rahmen nicht jeweils ausdrücklich dargestellt und bewertet werden (vgl. zu diesen Erfordernissen grundsätzlich: BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Dies bedeutet aber nicht, dass der Senat bei der Gewichtung der vorhandenen Dokumente dies nicht im Blick gehabt und etwa nicht in seine Betrachtung einbezogen hätte. Soweit der Senat hinsichtlich der Feststellung oder Bewertung von Verfolgungstatsachen von der Rechtsprechung anderer Tatsachengerichte abweicht, hat er dies bei seiner Überzeugungsbildung beachtet. Vor allem hat er alle divergierenden Tatsachenfeststellungen, soweit sie ihm bekannt sind, in die Beweiswürdigung einbezogen, auch soweit dies nicht ausdrücklich vermerkt ist.

Zusammenfassend ist danach festzustellen, dass einem kurdischen Volkszugehörigen, der in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung in den Notstandsprovinzen des Südostens der Türkei lebte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung durch Aktionen der türkischen Sicherheitskräfte drohte, da Angriffe der Sicherheitskräfte gezielt auch die Zivilbevölkerung in Anknüpfung an ihre kurdische Volkszugehörigkeit wahllos trafen, um diese von einer gerade aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit für möglich gehaltenen Unterstützung der PKK abzuhalten (a.A. z.B. VGH Baden-Württemberg, 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 25.10.2000 - 8 A 1292/96.A -; offengelassen z.B. von OVG Hamburg, 01.09.1999 - 5 Bf 2/92.A - und Niedersächsisches OVG, 28.01.1999 - 11 L 2551/96 -). Gegen diese Annahme spricht nicht, dass sich die Lage in städtischen Gebieten anders darstellte als auf dem Lande und insbesondere in Grenznähe. Schon wegen der stärkeren Präsenz der Sicherheitskräfte und der Anwesenheit nichtkurdischer Bewohner erübrigen und verbieten sich dort militärische Aktionen größeren Stils; dafür waren dort vermehrt repressive Maßnahmen wie willkürliche Festnahmen festzustellen. Wie bereits ausgeführt, ist es auch unerheblich, dass es in der hier maßgebenden Region einzelne Kurden geben wird, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Stellung oder ihrer Einbindung in den Staat von diesen Aktionen nicht betroffen waren und im wesentlichen unbehelligt leben konnten; denn für diese wäre dann gegebenenfalls die Verfolgungsvermutung als widerlegt anzusehen.

Aus diesen Feststellungen zum Kreis der von der Gruppenverfolgung betroffenen Personen folgt, dass es sich hier nicht um eine regionale, sondern um eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt (dazu BVerwG, 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, a.a.O.; BVerwG, 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, a.a.O.). Nach den obigen Feststellungen sind die Verfolgungsmaßnahmen strikt auf die Notstandsprovinzen begrenzt, und im Zusammenhang mit der nachfolgenden Prüfung wird deutlich, dass der türkische Staat die Bevölkerungsgruppe der Kurden nicht landesweit in den Blick genommen hat und verfolgt, obwohl es auch gelegentlich außerhalb der Notstandsprovinzen zu asylrelevanten Übergriffen kommt. Der türkische Staat stellt sich nicht als mehrgesichtiger Staat dar, der sich insgesamt als Verfolgerstaat erweist und nur beispielsweise aus Gründen politischer Opportunität die Kurden nicht oder jedenfalls derzeit nicht landesweit verfolgt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er lediglich aus politischem Kalkül oder aus ähnlichen Gründen Kurden außerhalb der Notstandsprovinzen unbehelligt leben lässt, obwohl er sie allgemein als gefährliche Sympathisanten und mögliche Unterstützer der PKK und damit aus seiner Sicht als staatsgefährdende Terroristen einschätzt. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen hegt der türkische Staat den seine Verfolgungshandlungen auslösenden pauschalen Separatismusverdacht nur gegenüber denjenigen kurdischen Volkszugehörigen, die in den Notstandsprovinzen der Türkei leben. Nur ihnen gegenüber kommt es insbesondere aufgrund der besonderen Bedingungen des Notstandsrechts zu Übergriffen durch Sicherheitskräfte, gegen die weder die militärische noch die politische Führung vorgeht, die im Gegenteil einen wichtigen strategischen Teil des Kampfes gegen die PKK darstellen. Auch nach 1994 wurden die Kämpfe zwischen den Sicherheitskräften und den Angehörigen der PKK in den Notstandsgebieten mit unveränderter Härte fortgesetzt. Nachdem die PKK im Januar 1995 gegenüber dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes die Genfer Konvention und das Zusatzprotokoll von 1977 anerkannt und sich insbesondere zur Schonung von Zivilisten bei Kampfhandlungen und zur korrekten Behandlung von Gefangenen verpflichtet hatte (I 90), haben sowohl die Sicherheitskräfte als auch die PKK ihre Aktivitäten nach Anzahl und Umfang im Laufe des Jahres 1995 noch verstärkt. Seit September 1994 konzentrierte die Armee ihre Streitkräfte in der Provinz Tunceli, die seit Ende 1994/Anfang 1995 unter Notstandsrecht steht (I 86) und 1995 zunehmend zum wichtigsten Schauplatz der Kämpfe wurde; die Zahl der dort stationierten Streitkräfte wurde erheblich verstärkt. Nachdem im März 1995 die PKK ihre Übergriffe erstmals auf die südtürkische Provinz Hatay ausdehnte (I 108), marschierten 35.000 türkische Soldaten mit Panzern und Artillerie in die Kurdengebiete im Nordirak ein und gingen, bis Mai 1995 unterstützt von mit der PKK rivalisierenden irakischen Kurdengruppen, gegen PKK-Lager vor. Die türkischen Sicherheitskräfte wurden für zahlreiche Übergriffe gegen die kurdische Zivilbevölkerung im Irak sowie die Zerstörung etlicher Dörfer verantwortlich gemacht (I 99, 101). Bis zum Herbst 1995 kam es in allen Notstandsprovinzen wiederum zu zahlreichen Auseinandersetzungen (vgl. z. B. I 103, 104, 111, 121, 127), auch nach einem von dem PKK-Führer Öcalan am 15. Dezember 1995 wegen der am 24. Dezember bevorstehenden Parlamentswahlen verkündeten einseitigen Waffenstillstand (I 131, 132, 134, 135). Militäraktionen fanden auch weiterhin seit 1995 in verschiedenen Provinzen statt (I 97, 113, 128), wobei zu berücksichtigen ist, dass während des gesamten Jahres 1995 bei etlichen Überfällen der PKK auf Dörfer sowohl in der Notstandsregion als auch in angrenzenden Provinzen zahlreiche vor allem kurdische Zivilisten ums Leben kamen, so bei einem Angriff von PKK-Kämpfern auf das Dorf Hamzali in der Provinz Diyarbakir und auf das Dorf Naliza in der Nähe der Stadt Kulp (vgl. z. B. I 86, 121). Die Anschläge der PKK richteten sich vor allem gegen Lehrer, die von ihr als türkische Agenten und damit der gegnerischen Kriegspartei zugehörig bezeichnet werden (I 91). Auch in den an die Notstandsregionen angrenzenden Provinzen kam es zu mehreren Überfällen der PKK auf Bergdörfer, vor allem in der Provinz Karamanmaras (I 96, 123), über welche bis zum Jahr 1995 ebenfalls der Ausnahmezustand verhängt war (I 105). Nach Beendigung eines Waffenstillstands im Juni 1996 (I 145) gab es im Rahmen der Frühjahrsoffensive 1996 auf beiden Seiten wieder zahlreiche Tote und Verwundete (I 143), wobei es auch zu Auseinandersetzungen mit der PKK im Nordirak kam. Im Juli 1996 griff auch die türkische Luftwaffe PKK-Lager im Nordirak an (I 146). Die türkischen Sicherheitskräfte, die sich aus Armeeangehörigen, Polizei- und Gendarmaeinheiten sowie Spezialeinheiten, sogenannte Özel Tims, zusammensetzen, setzten im Zuge der gesteigerten Aktivitäten zur Bekämpfung der PKK in den Notstandsgebieten die massiven Übergriffe gegen die kurdische Zivilbevölkerung fort, zunehmend unter Berücksichtigung der seitdem verstärkt verfolgten Strategie, Dorfbewohner, bisweilen sogar ganze Dorfgemeinschaften zur Übernahme des Dorfschützeramtes zu pressen und im Weigerungsfall die Dorfbewohner zu schlagen, die Häuser zu verwüsten und Haushaltsgegenstände zu zerstören (I 113). Seit November 1994 kommt es zu systematischen Zwangsevakuierungen, die mit völliger Zerstörung der Dörfer einschließlich des Viehbestandes, der landwirtschaftlichen Geräte, Ernte und noch nicht geernteter Feldfrüchte einhergehen (I 125). Die Dörfer werden entvölkert; es kommt zu willkürlichen Verhaftungen (I 107). Oft lassen die Soldaten den Dorfbewohnern nur Zeit, das Nötigste zusammenzupacken, und zerstören dann ihre Häuser. Die Stadt Tunceli selbst war im April 1995 infolge der Vertreibungen in der Region in kurzer Zeit von 25.000 auf 40.000 Einwohner angewachsen (I 102). Der Bundestagsabgeordnete Özdemir berichtete nach einer Türkeireise Anfang August 1995, dass zwei Drittel der Dörfer um die Hauptstadt Tunceli entvölkert und die Bewohner in die Flucht getrieben worden seien; rechtsextreme Sondereinheiten hätten einen Staat im Staate errichtet und versuchten, mit Ausgangssperren und Nahrungsmittelrationierungen jegliche Unterstützung für die PKK zu verhindern (I 115). Nach den Parlamentswahlen am 24. Dezember 1995 sollen die Sicherheitskräfte in kurdischen Dörfern der Notstandsgebiete Strafaktionen gegen die Zivilbevölkerung durchgeführt haben, weil diese die HADEP gewählt hätten; 34 Einwohner des Dorfes Kurtepe bei Diyarbakir sollen verhaftet worden sein, ebenso drei Dorfschützer aus einem anderen Dorf der Region. In dem Dorf Narike sollen die Einwohner gezwungen worden sein, sich auf dem Dorfplatz zu versammeln, und gefoltert worden sein (I 134). In den Provinzen, über die der Notstand verhängt ist, kommt es seither im Rahmen von Zwangsevakuierungen von Dörfern sowie bei sonstigen großangelegten Aktionen der Sicherheitskräfte zu Übergriffen gegenüber Zivilpersonen, insbesondere wenn diese verdächtigt werden, mit der PKK zusammenzuarbeiten (I 144, 147, 151, 152, 153, 155, 158, 241). Im Jahr 1999 kam es nach Feststellungen des IHD zu 30 zwangsgeräumten und niedergebrannten Dörfern sowie 341 Bombenangriffen und Razzien (I 189). Seit der Verhaftung und Verurteilung des PKK-Führers Öcalan im Jahr 1999, dessen Kapitualitionsappellen und verschiedener Offensiven der türkischen Sicherheitskräfte ist die PKK nur noch in wenigen Bergregionen im Südosten und Osten der Türkei präsent. Mindestens ein Dutzend örtlicher PKK-Kommandeure soll sich den Kapitulationsappellen Öcalans verweigert haben (I 196), etwa 500 Guerilleros werden noch auf türkischem Territorium vermutet während sich die ca. 5000 Mann starke Hauptmacht nach Nordirak, Syrien und Iran zurückgezogen haben soll (I 196, 221). Die Drangsalierung der kurdischen Bevölkerung, wenn diese die Unterstützung verweigert oder gar den türkischen Staat aktiv unterstützt (I 144, 147, 151, 167) und von der Dorfschützer sowie ihre Familien, Sicherheitsbeamte, Staatsanwälte, Richter und Lehrer besonders betroffen (I 167) waren, hat offenbar nachgelassen. Dissidenten innerhalb der PKK oder diejenigen, die als Verräter angesehen werden, werden nach wie vor von der PKK gemaßregelt. So sollen 40 Dissidenten in einem verminten Gebiet an der iranischen Grenze gefangen gehalten werden; andere wurden gewaltsam daran gehindert, die Guerilla zu verlassen (I 232). Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen mit der PKK im Jahre 1984 in der Kurdenregion bis zum Zeitpunkt der Entscheidung wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes (I 147, 151, 167, 226) etwa 3.428 Dörfer evakuiert und ganz oder teilweise zerstört, wobei die Gesamtzahl der Dörfer im Notstandsgebiet mit 12.000 angegeben wird. Die Evakuierungen betrafen nach unterschiedlichen Quellen demnach bisher 300.000 bis 2.000.000 Menschen (I 167, 226), wobei aufgrund der verschiedenen anderen Maßnahmen wie der Räumung der Häuser von Familien, die keine Dorfschützer stellen wollen, von Verhören und Misshandlungen Verdächtiger und ihrer Angehörigen, Razzien und Kampfhandlungen Orte häufig auch freiwillig aufgegeben werden.

Insbesondere seit der Verhaftung und Verurteilung Öcalans zeichnen sich zwar einige Veränderungen in der Kurdenpolitik ab, deren Auswirkungen sind allerdings bisher geringfügig . So wurde das seit 1993 in zehn Provinzen bestehende Notstandsrecht (I 130, 144, 147) für die Provinz Mardin am 28. November 1996 (I 151), für die Provinzen Bitlis, Batman und Bingöl zum 6. Oktober 1997 und zum 1. Dezember 1999 in der Provinz Siirt aufgehoben. Die Provinzen Diyarbakir, Hakkari, Sirnak, Tunceli und Van sind unter Notstandsrecht verblieben (I 167, 226), obwohl die Aufhebung nach Angaben des türkischen Ministerpräsidenten infolge der Veränderung der Situation möglichst bald geplant war (I 238). Nach ähnlichen Fortschritten schon im Jahr 1995 und einer Stagnation 1996 (I 154) war es im Jahr 1997 erneut zu Attentaten der PKK einerseits und militärischen Offensiven in der Türkei und im Nordirak andererseits gekommen (I 155), die im Frühjahr 1998 in der Provinz Sirnak mit heftigen Kämpfen auch unter Beteiligung der türkischen Luftwaffe, 40.000 Soldaten sowie 3.000 Dorfwächtern in einem Gebiet von 16.000 Quadratkilometern fortgesetzt wurden (I 156). Im Sommer 1998 gab es Gefechte in Sirnak, Hakkari und Diyarbakir (I 156) sowie nach verstärkten Aktivitäten der PKK Offensiven des türkischen Militärs gegen die PKK im Grenzgebiet zum Irak (I 167); dabei sollen 170 Menschen getötet worden sein. Schon während des Aufenthalts von Öcalan in Rom im November 1998, nachdem er auf Druck der türkischen Regierung hin seinen bisherigen Aufenthaltsort in Syrien verlassen hatte, kam es zu verschiedenen Verhaftungswellen von etwa 3.000 Mitgliedern der HADEP, wobei zwei Personen im Polizeigewahrsam ums Leben kamen und Freigelassene von Folter berichteten; 200 Personen sollen sich Anfang Januar 1999 noch in Untersuchungshaft befunden haben (I 163). Nach der Verhaftung Öcalans am 16. Februar 1999 und seiner Verbringung in die Türkei (I 167) kam es erneut zu Massenverhaftungen (1.400 HADEP-Mitglieder, I 163). Büros von HADEP-Mitgliedern wurden ebenso wie diejenigen des Mesopotamischen Kulturvereins und anderer Vereinigungen durchsucht (I 164), und sowohl das Newroz-Fest am 21. März als auch die Parlamentswahlen am 18. April boten weitere Anlässe für verschiedene Aktionen seitens der Sicherheitskräfte, unter anderem als Reaktion auf das Bombenattentat auf das Einkaufszentrum "Blauer Basar" sowie weiterer Selbstmordattentate (I 164). Öcalan wurde wegen Hochverrats von dem Staatssicherheitsgericht am 29. Juni 1999 gem. § 125 tStGB zum Tode verurteilt, das Urteil wurde am 25. November 1999 vom Kassationsgerichtshof bestätigt. Am 12. Januar 2000 beschloss die Regierung, das Todesurteil vorerst nicht dem Parlament zur Beschlussfassung über die Vollstreckung vorzulegen, sondern zunächst den Ausgang des von Öcalan angestrengten Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abzuwarten (I 226). Öcalans Bruder Osman wurde trotz unbekannten Aufenthalts im April 2000 des Hochverrats angeschuldigt und für ihn ebenfalls die Todesstrafe gefordert (I 209), und am 13. Juli 2000 wurde der PKK-Funktionär Soysal aus Moldawien in die Türkei entführt, dort wegen Hochverrats angeklagt und wiederum die Todesstrafe gefordert (I 223). Nach der Eröffnung des Prozesses gegen Öcalan kam es zu erneuten Massenverhaftungen im Südosten; so wurden in den Dörfern Tilkiler, Törolar, Cöcenler, Salliusagi und Musolar (Kreis Pazarcik) etwa 50 Personen festgenommen, von denen am 17. Juni 1999 17 Personen freigelassen wurden (I 166). Der Aufruf Öcalans zum Rückzug der PKK und der Aufgabe des bewaffneten Kampfes im September 1999 hat zwar dazu geführt, dass zumindest Teile der PKK den Rückzug angetreten haben (I 226); immer wieder wurde und wird aber die Aufgabe des Kampfes zumindest von einem Teil der PKK in Frage gestellt (I 180), von Zugeständnissen und mehr Freiheiten für Kurden abhängig gemacht oder gar als Verrat und Unterwerfung abgelehnt (I 225, 234). Auch Kaya (I 168) berichtet von einem Rückzug der PKK seit September 1999, fügte aber hinzu, dass seither die kurdischen Bewohner der Dörfer in den Provinzen Diyarbakir, Bingöl, Bitlis, Mus und Batman von Sicherheitskräften aufgesucht worden seien, um sie einzuschüchtern. Auch das Auswärtige Amt bestätigt (I 167, 226), dass sich im Herbst 1999 zwei Gruppen von PKK-Mitgliedern in Istanbul und Hakkari den Sicherheitskräften gestellt hätten; gegen sie wurden derzeit noch andauernde Verfahren eingeleitet. Es sei aber weiterhin zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekommen, wobei als Grund für das Vorgehen gegen Zivilisten regelmäßig der Verdacht der Zusammenarbeit mit der PKK angegeben werde. Zwangsevakuierungen beträfen in der Regel weiterhin Dörfer am Rande der Rückzugsgebiete der PKK, die von dieser als Operations- oder Versorgungsbasen genutzt werden. Der türkische Generalstabschef forderte die Rebellen auf, sich zu stellen (I 177); der von Öcalan empfohlene Abzug der PKK wurde als taktische Finte angesehen (I 178). Das türkische Militär führt weiterhin Offensiven gegen die PKK durch und verfolgt PKK-Kämpfer regelmäßig auch außerhalb der Türkei im Nordirak. So marschierten in einer Offensive Ende September 1999 5.000 türkische Soldaten im Nordirak ein und griffen Stellungen der PKK an (I 172). Eine neue, großangelegte und grenzüberschreitende Aktion fand Anfang April 2000 statt (I 226) und dauerte bis Mai an (I 212, 216); es kamen auch Kampfflugzeuge zum Einsatz (I 207). Bei Zusammenstößen zwischen PKK und Militär im Südosten der Türkei wurden noch im Jahr 1999 15 bis 20 PKK-Rebellen getötet (I 170, 182), unter anderem in Sirnak (I ). Erstmals im Januar 2000 gab der türkische Ministerpräsident an, dass die Aktivitäten der PKK fast auf Null zurückgegangen seien (I 187); dennoch fanden weiterhin Auseinandersetzungen statt. So wurden bei Zusammenstößen zwischen PKK-Rebellen und Soldaten in der Provinz Tunceli im Januar sechs Rebellen und sechs Soldaten getötet (I 188). Auch nach der Erklärung der PKK, den Kampf aufgeben zu wollen (I 195) fanden in Mardin und Sirnak weitere Kämpfe statt, bei denen 6 PKK-Aktivisten und 3 Soldaten getötet worden sein sollen (I 198). Kurz darauf kamen 9 Rebellen und 2 Sicherheitskräfte bei Kämpfen im Südosten ums Leben (I 201) und im April/Mai insgesamt 5 Personen (I 210). Auch im Oktober/November 2000 kam es erneut zu Kämpfen (I 242).

Seit der Verschärfung der Auseinandersetzungen mit der PKK ist die Situation in der Türkei immer wieder von dem verschärften Vorgehen staatlicher Organe gegen Oppositionelle und insbesondere Kritiker der Kurdenpolitik der Regierung geprägt. Hiervon betroffen sind in erster Linie Menschenrechtsaktivisten, türkische und ausländische Journalisten sowie Politiker von Parteien, die sich für die Kurden einsetzen, insbesondere der HADEP bzw. DEP. So wurde nach dem Verbot der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem im April 1994 auch das Nachfolgeorgan Özgür Ülke nach Beschlagnahme ihrer Ausgaben jeweils noch vor der Auslieferung im Februar 1995 eingestellt (I 88, 117), und im August 1995 wurde die Nachfolgezeitung Yeni Politika mit der Begründung verboten, die Zeitung sei im wesentlichen eine Fortsetzung der Özgür Ülke gewesen (I 117). Die Tageszeitung Ülkede Gündem musste Ende 1998 schließen; das Nachfolgeblatt Özgür Bakyp konnte noch einige Zeit ungehindert erscheinen, wurde aber Anfang Mai 2000 zusammen mit einigen anderen Zeitungen jedenfalls im Notstandsgebiet im Südosten des Landes verboten (I 226). Insgesamt 13 Medien wurden in neuerer Zeit verboten, darunter das prokurdische Blatt Yeni Gundem (in fünf Provinzen; I 222). 21 Radiosender und 20 Fernsehanstalten sollen in diesem Jahr mit zeitweiligen Sendeverboten belegt worden sein (I 231). Insbesondere Menschenrechtsaktivisten müssen auch weiterhin mit Verhaftungen rechnen. In Izmir wurde am 19. Oktober 1999 ein Arzt, der ehrenamtlich im Behandlungs- und Rehabilitierungszentrum der Türkischen Stiftung für Menschenrechte (HRFT) mitarbeitet, unter dem Vorwurf verhaftet, zwei Patienten behandelt zu haben, obwohl er Kenntnis von ihrer Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation hatte; in einem ärztlichen Attest wurden Folterspuren bestätigt. Zwei andere Mitarbeiter wurden im Oktober 1999 bei dem Besuch des Begräbnisses eines Folteropfers wegen Teilnahme an einer illegalen Demonstration festgenommen, und ein international anerkannter Experte für Fälle von Folter und Behandlung von Folteropfern wurde nach dem Pressegesetz angeklagt, nachdem er sich über die zuvor beschriebenen Ereignisse öffentlich geäußert hat (I 189). In jüngster Zeit häufen sich auch wieder Maßnahmen gegen führende HADEP-Mitglieder. So wurden am 13. März 2000 der stellvertretende Vorsitzende der Partei sowie am 18. und 19. Februar 2000 drei Bürgermeister festgenommen; am 24. April 2000 begann der Prozess gegen diese und neunzehn weitere HADEP-Mitglieder vor dem Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir (I 226). Der Vorsitzende der HADEP, Demir, wurde Ende Mai 2000 wegen einer im Oktober 1999 gehaltenen Rede zur "Lösung der Kurdenfrage" zu einem Jahr Haft und Geldstrafe verurteilt (I 220). Ende Juni wurden 30 HADEP-Mitglieder, darunter der Istanbuler Vorsitzende und sein Stellvertreter, festgenommen, die Büros durchsucht und Dokumente beschlagnahmt (I 228). Im September wurde gegen die der HADEP angehörige Bürgermeisterin von Kiziltepe ein Verfahren nach einem Interview eröffnet (I 236). Ein im März geplanter Empfang zum kurdischen Neujahrsfest Newroz wurde vom Istanbuler Gouverneur wegen der kurdischen Schreibweise untersagt (I 205); ansonsten konnten im Unterschied zu früheren Jahren die Feiern vor allem in Diyarbakir, Batman und anderen kurdischen Orten unbehelligt ablaufen und es kam nur am Rande zu einzelnen Verhaftungen (I 206).

Das massive Vorgehen der türkischen Behörden gegen Kritiker der staatlichen Kurdenpolitik wird aus den Angaben verschiedener Quellen über die im Zusammenhang mit Art. 8 ATG Inhaftierten und Verurteilten deutlich. So sollen im Juli 1995 171 Personen im Zusammenhang mit einer Verletzung des Art. 8 ATG inhaftiert gewesen sein (I 118), andere Quellen sprechen von fast 200 türkischen Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen, die sich in Haft befanden (I 149). Am 27. Oktober 1995 wurden die Vorschriften der Art. 8 und 13 ATG reformiert. Dies führte zwar zu einer Einengung sowohl des objektiven als auch des subjektiven "Separatismus"-Tatbestandes; der Strafrahmen sieht nunmehr statt Zuchthaus von zwei bis fünf Jahren und schwerer Geldstrafe von 50 bis 100 Millionen türkische Lira Gefängnisstrafe von einem bis drei Jahre und schwere Geldstrafen von 100 bis 300 Millionen TL vor und lässt die Umwandlung von Freiheitsstrafen in Geldstrafen oder eine Maßnahme sowie die Aussetzung der Strafen zur Bewährung zu (I 130). Die Reform des Art. 8 ATG führte unmittelbar zum Freispruch des türkischen Schriftstellers Yasar Kemal sowie der amerikanischen Journalistin Eliza Marcus, denen Separatismus vorgeworfen wurde. Bis April 1996 wurden von etwa 150 bis 180 nach Art. 8 ATG Verurteilten über 140 freigelassen (I 144), unter ihnen auch prominente Menschenrechtler (I 129, 130: 111 von insgesamt 146 nach Art. 8 ATG Verurteilten). Da das türkische Parlament die Wiederaufnahme der bis dahin nach Art. 8 ATG durchgeführten Verfahren auch nach Eintritt der Rechtskraft innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung unter Beurteilung der Strafbarkeit nach neuem Recht beschloss (I 130), mussten die bisher nach Art. 8 ATG Verurteilten jedoch mit einer erneuten Verurteilung rechnen. Das Staatssicherheitsgericht in Istanbul verurteilte am 21. Dezember 1995 einen türkischen Journalisten, der im April 1994 in der Zeitung Özgür Ülke einen Artikel über den PKK-Führer Öcalan veröffentlicht hatte, wegen separatistischer Propaganda zu 10 Monaten Haft und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 8.300 DM (I 133). Am 9. Januar 1996 wurde ein früherer kurdischer Abgeordneter der Partei der Ministerpräsidentin Ciller, der zwei Jahre zuvor aus Protest gegen die Kurdenpolitik der Regierung aus der Partei ausgetreten war, unter dem Vorwurf der Unterstützung der PKK festgenommen, wobei den Behörden politische Motivationen wegen der deutlichen Kritik des Festgenommenen an der Kurdenpolitik der Regierung vorgeworfen wurde (I 139). Im Dezember 1999 sollen etwa 100 Journalisten inhaftiert gewesen sein (I 184); ein geplantes Symposium zum Thema Demokratie und multikulturelle Entwicklung in Istanbul wurde wegen der Gefahr separatistischer Propaganda verboten (I 218). Insgesamt ist festzustellen, dass auch nach der Reform des Art. 8 ATG die bisher geübte Strafverfolgungspraxis gegenüber kritischen türkischen und türkisch-kurdischen aber auch ausländischen Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsvereinen und den die Kurdenpolitik kritisierenden Politikern keine grundlegende Veränderung erfahren hat, da die türkische Justiz zunehmend von Art. 8 ATG auf andere Straftatbestände ausweicht (I 167). So wurde beispielsweise Esber Yagmurdereli am 19. Oktober 1997 zur Verbüßung einer 1991 zur Bewährung ausgesetzten 36-jährigen Haftstrafe aus dem Jahr 1978 wegen kritischer Meinungsäußerungen zur Unterdrückung des kurdischen Volkes verhaftet; die mit Haftentlassung am 9. November 1997 gewährte Haftverschonung wurde wiederum ausgesetzt und er befindet sich seit dem 1. Juni 1998 erneut in Haft (I 226). Die Büros des IHD in Diyarbakir und Van wurden unter dem Vorwurf, die öffentliche Ordnung zu stören, im Mai 2000 geschlossen (I 215). Auch der Außenminister selbst geriet in die Kritik als er vorschlug, kurdische Radio- und Fernsehsender zuzulassen (I 183); ein auf Privatanzeige hin eingeleitetes Strafverfahren wurde allerdings eingestellt (I 186). Seitens der Regierung wurde ein hartes Vorgehen gegenüber Journalisten angekündigt, die Erklärungen Öcalans veröffentlichten; auch dessen Anwälte wurden beschuldigt (I 190). Der türkische CNN wurde nach einem Interview mit Öcalan mit einem eintägigen Sendeverbot belegt (I 197). Der Generalsekretär des türkischen Menschenrechtsvereins IHD wurde wegen eines Artikels zum Weltfriedenstag angeklagt, vom Gericht jedoch freigesprochen (I 192). Vor dem Staatssicherheitsgericht in Izmir läuft ein Prozess gegen mehrere Ärzte, die sich in Zusammenhang mit Todesfällen bei der Niederschlagung der Gefängnismeuterei im September 1999 geäußert haben (I 226), und eine Dolmetscherin wurde allein wegen ihrer Übersetzung in die kurdische Sprache bei einer öffentlichen Veranstaltung zu 10 Monaten Haft verurteilt (I 179). Reformen wie der am 6. März 1997 verabschiedete Gesetzesentwurf über die Verkürzung der maximal zulässigen Dauer des Polizeigewahrsams sowie eine Beschneidung der Kompetenzen der Staatssicherheit, wobei allerdings während der ersten vier Tage des Polizeigewahrsams das Recht anwaltlichen Beistandes nicht gewahrt wird (I 151), zeigen ebenso wie die unter dem Eindruck des Öcalan-Prozesses nach einer Verfassungsänderung eilig vom Parlament verabschiedeten Anpassungsgesetze, wonach die Staatssicherheitsgerichte in Zukunft lediglich aus zivilen Richtern zusammengesetzt sind (I 167), noch keine besondere Wirkung. Zu einer von Ministerpräsident Ecevit im März 2000 angekündigten Abschwächung des Gesetzes gegen Aufwiegelung kam es bisher ebenfalls noch nicht (I 203). Auch die beabsichtigte Diskussion über eine grundlegende Reform des § 312 TStGB, der hohe Haftstrafen für diejenigen vorsieht, die "Hass unter Ausnutzung von Unterschieden in Gesellschaftsklassen, Religionen, Rassen oder Regionen verbreiten" und regelmäßig die Grundlage für Verfahren gegen HADEP-Mitglieder darstellt, ist bisher ausgeblieben (I 204). Am 1. September 1999 verweigerte Staatspräsident Demirel allerdings die Ausfertigung eines vom Parlament am 27. August 1999 verabschiedeten Amnestiegesetzes, das auch prominente Häftlinge begünstigen sollte, die als Mitglieder des organisierten Verbrechens oder wegen Korruption verurteilt worden waren, während politische Straftaten ausgenommen werden sollten (I 167, S. 20).

Auch gegen missliebige Journalisten gehen die Sicherheitskräfte brutal vor. So ist im August 1995 ein kurdischer Journalist offensichtlich im türkischen Polizeigewahrsam in Bitlis ums Leben gekommen; nach Erklärungen der Polizei hatte er sich in seiner Zelle erhängt. Nach Angaben von Familienangehörigen wies die Leiche aber Folterspuren auf (I 120). Am 8. Januar 1996 wurde der türkische Journalist Metin Göktepe in Istanbul tot aufgefunden, nachdem er während der Beerdigung zweier während des Gefängnisaufstandes Ende Dezember 1995 in Istanbul getöteter Häftlinge abgeführt worden war (I 138). Später räumte die Regierung ein, dass er im Polizeigewahrsam umgebracht wurde (I 140). Mindestens 20 kritische Journalisten sollen in dem Zeitraum von 1991 bis Ende 1996 ermordet worden sein (I 149). Von dem Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen missliebige Journalisten oder sonstige Kritik äußernde Personen blieben auch ausländische Beobachtergruppen, Aktivisten und Journalisten nicht verschont (I 100, 108, 109, 116, 164). Der türkische Menschenrechtler Akin Birdal wurde zu einer einjährigen Haftstrafe wegen "separatistischer Äußerungen" verurteilt und musste diese im Juni 1999 trotz der nach einem Attentat verbliebenen erheblichen Gesundheitsschäden antreten. Ende September 1999 wurde der Vollzug aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt; am 28. März 2000 wurde er erneut verhaftet (I 226) und verbüßte die restliche Haftstrafe im Zentralgefängnis Ankara bis Ende September 2000 (I 239). Die erforderliche medizinische Betreuung soll trotz vorheriger Zusage nicht gewährt worden sein (I 208), und seit Juni 2000 muss Birdal sich wegen Beleidigung des Staates erneut vor Gericht verantworten (I 224); es sollen noch rund 20 weitere Strafverfahren wegen Meinungsäußerungen gegen ihn anhängig sein (I 239). Die Autorin und der Herausgeber eines Buches über die Erfahrungen türkischer Soldaten im Kampf gegen PKK-Rebellen wurden in einem Gerichtsverfahren wegen des Vorwurfs der Herabsetzung der Streitkräfte (I 169) zwar freigesprochen, die Anklage will allerdings Revision einlegen (I 240). Im August 2000 wurden sechs als prokurdisch bzw. linksgerichtet bezeichnete Journalisten verhaftet und Sendesperren über drei Radiosender sowie eine Fernsehstation verhängt (I 235). Seit August 1999 werden wegen schriftlicher Meinungsäußerungen verhängte Strafen sowie laufende Verfahren zwar für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und nach erfolgreichem Ablauf der Frist werden die Verfahren eingestellt sowie ergangene Verurteilungen als nie geschehen behandelt (I 226). Bis Dezember 1999 wurden allerdings erst sechs Journalisten auf dieser Grundlage aus Gefängnissen freigelassen (I 184).

b) Ein kurdischer Volkszugehöriger kann in der Türkei aber in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats leben, ohne dass ihm politische Verfolgung droht, wenn er sich außerhalb der Notstandsprovinzen, vor allem in den Großstädten Ankara und Istanbul, niederlässt (vgl. Hess. VGH, 23.11.1992 - 12 UE 2590/89 -, 24.01.1994 - 12 UE 200/91 -, 07.12.1998 - 12 UE 232/97.A und 17.03.1999 - 12 UE 463/94 - sowie 30.01.2000 - 12 UE 176/99.A -; zuletzt 27.03.2000 - 12 UE 583/99.A).

Im Fall derjenigen, die sich bei Einsetzen der örtlich begrenzten Gruppenverfolgung nicht in dem von Verfolgung betroffenen Gebiet aufgehalten haben und die daher von vornherein ohne Gefahr kollektiver Verfolgung in ihrer Heimatregion leben konnten, stellt sich - wie oben festgestellt - bei einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung anders als bei einer regionalen Gruppenverfolgung nicht die Frage nach einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative. Diese Personen sind unverfolgt ausgereist und können sich auch nicht auf eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung als objektiven Nachfluchtgrund berufen (Hess. VGH, 27.01.1999 - 6 UE 1253/96.A -). Auf die Möglichkeit eines nicht von existenziellen Risiken anderer Art bedrohten Lebens kommt es in diesem Fall nicht an, da diese Personen nicht gezwungen sind, in ein von örtlich begrenzter Verfolgung betroffenes Gebiet zurückzukehren, sondern in solche Gebiete ausweichen können, in denen ihnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine politische Verfolgung droht (vgl. Hess. VGH, 17.03.1999 - 12 UE 3035/97.A -; 27.03.2000 - 12 UE 1562/99.A -). Offenbleiben kann, ob demgegenüber für die Gefährdungsprognose im Falle einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung im Bereich des (ursprünglichen) Heimatortes des Asylbewerbers in jedem Fall eine Rückkehr in die nunmehr von Gruppenverfolgung betroffene Heimatregion zugrundegelegt werden kann oder ob insoweit die räumliche Beziehung des Asylbewerbers infolge der Ausreise aufgehoben ist (vgl. dazu Niedersächsisches OVG, 22.10.1998 - 12 L 1448/98 -), da der Heimatstaat seiner Schutzverpflichtung gegenüber den Staatsangehörigen nachzukommen vermag, indem er ihnen jedenfalls in einem Teil des Staatsgebiets ein verfolgungsfreies Leben ermöglicht, und deswegen bei einem aus dem Ausland zurückkehrenden Asylbewerber, der aus einem Gruppenverfolgungsgebiet stammt, grundsätzlich zumindest nicht zusätzlich festgestellt werden muss, er sei außerhalb der Gruppenverfolgungsregion auch frei von existenziellen Bedrohungen anderer als politischer (oder ethnischer) Art. Kurden, die in ihrer Heimat allenfalls der marginalen Unterstützung der PKK verdächtig waren, ohne sich aktiv und herausgehoben für separatistische Bestrebungen einzusetzen, können nämlich nach wie vor außerhalb der unter Notstandsrecht stehenden Provinzen, insbesondere in der Westtürkei grundsätzlich unbehelligt leben und das erforderliche Existenzminimum erzielen. In Zusammenhang mit den Verhaftungswellen nach der Ankunft Öcalans in Rom im November 1998 stellte Oberdiek (I 164) bei einem Aufenthalt in der Türkei zwar fest, dass selbst alt eingesessene Kurden befürchteten, jederzeit auf der Straße festgenommen zu werden, konkrete Fälle einer signifikant erhöhten Gefahr der Festnahme und Inhaftierung über längere Zeit wurden jedoch nicht benannt.

Es fehlen auch weiterhin genügende Anhaltspunkte dafür, dass Ausschreitungen und Übergriffe Privater vom türkischen Staat veranlasst oder geduldet werden. Insoweit ist nach wie vor festzustellen, dass die türkischen Sicherheitskräfte grundsätzlich schutzbereit sind. Nach den durch unbekannte Täter verübten Anschlägen und Morden führte die Polizei Ermittlungsmaßnahmen beispielsweise durch Hausdurchsuchungen durch (I 106, S. 27); teilweise war die Polizei auch selbst betroffen von solchen Anschlägen (I 106, S. 25). Zwei Morde an Journalisten wurden unlängst aufgeklärt und führten zu Verhaftungen (I 214).

Es lässt sich auch nach wie vor nicht feststellen, dass Kurden allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit verhaftet, verhört und gefoltert werden. Aus den zwischenzeitlich recherchierten Fällen ergibt sich zwar weiterhin, dass die kurdische Volkszugehörigkeit und der Zuzug aus dem Südosten vor kürzerer Zeit schon als Anknüpfungspunkt für die Durchführung einer Razzia oder Durchsuchung ausreichen können. Nach wie vor jedoch sind solche, noch der Bekämpfung terroristischer Anschläge und Täter dienende Maßnahmen für sich allein nicht als asylrechtlich relevante Beeinträchtigung zu bewerten. Zu längerdauernder Verhaftung kommt es - von einzelnen Fällen abgesehen - in aller Regel nur bei Vorliegen entsprechender Verdachtsmomente, auch wenn diese bis heute häufig als vage und willkürlich erscheinen oder auf nicht rechtsstaatliche Weise erlangt wurden. In der weiter angestiegenen Zahl der zwischenzeitlich ermittelten Fälle (I 106, 152, 164) ist auch heute festzustellen, dass bei den länger Inhaftierten Verdachtsmomente dieser Art vorlagen, wie beispielsweise die HADEP-Mitgliedschaft oder bei Verwendung kurdischer Farben und/oder Symbole, dem Singen kurdischer Lieder und ähnliche Begebenheiten, die immer wieder Anlass für Maßnahmen sind, wie beispielsweise das Spielen einer kurdischen Musikgruppe (I 213). Ein Zusammenhang besteht oft auch mit früheren Verhaftungen von Freunden, Bekannten oder Verwandten, so dass - möglicherweise unter Folter erzwungene - Denunziationen der Anlass hierfür sein können.

Mit dem Andauern der Kämpfe im Südosten der Türkei und weiterer Flüchtlingswellen aus diesen Gebieten insbesondere in die Großstädte im Westen der Türkei sowie aufgrund der Verurteilung Öcalans hat sich die Lage vor allem in den überwiegend von Kurden bewohnten Vierteln nicht verbessert, die Häufigkeit von Razzien und Überprüfungen einschließlich Festnahmen hat sich eher noch vermehrt, da die Sicherheitskräfte unter den neu aus den östlichen Provinzen zugezogenen Kurden nach wie vor einen hohen Anteil von PKK-Anhängern vermuten (I 106, 167). Laut Taylan verschwanden nach einer Aufstellung von amnesty international allein 1995 mindestens 35 Personen; in den ersten 11 Monaten des Jahres 1996 sollen es schon 179 gewesen sein (I 149). Auch nach dem Vorfall in einer Teestube in Istanbul im März 1995, bei dem mehrere Aleviten von Unbekannten erschossen wurden und es in der Folge zu Demonstrationen und schweren Unruhen mit etlichen Toten kam, nachdem die Polizei in die demonstrierende Menge geschossen hatte (I 97, 106), normalisierte sich die Lage in Istanbul nach mehrtägigen Unruhen jedoch wieder. Gegen die an den Todesfällen beteiligten Polizisten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, zwanzig Polizisten wurden vor Gericht gestellt (I 98, 119), zwei von ihnen wurden schließlich wegen Totschlags verurteilt (I 199). Eine in diesem Zusammenhang durchgeführte Demonstration war Anlass zu einer Großrazzia, bei der etwa 350 Personen festgenommen wurden (I 202). Nach der Verhaftung Öcalans am 15./16. Februar 1999 und seiner Inhaftierung in der Türkei kam es zu einer Welle von Festnahmen im ganzen Land. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (I 167) geht der IHD von 3.000 vorübergehend in Gewahrsam genommenen Personen aus. Dabei werden solche Razzien in den Siedlungen von Türken kurdischer Volkszugehörigkeit überdurchschnittlich häufig vorgenommen, da dies Teil der Suche der Sicherheitskräfte nach PKK-Mitgliedern und Sympathisanten ist (I 167, S. 19).

In den Großstädten im westlichen Teil der Türkei sowie in Städten im Süden des Landes, zum Beispiel Adana und Mersin, kommt es nach Angaben des Auswärtigen Amtes deshalb in den dortigen Kurdensiedlungen überdurchschnittlich häufig zu Polizeirazzien mit zahlreichen vorläufigen Festnahmen bei der Suche der Sicherheitskräfte nach PKK-Mitgliedern und Sympathisanten und dabei häufiger zu Übergriffen seitens der Sicherheitskräfte (I 130, 144, 167). Der türkische Menschenrechtsverein IHD gab im Juni 1995 die Zahl der nach Festnahmen durch die Sicherheitskräfte verschwundenen Menschen für die ersten drei Monate des Jahres 1995 mit 77 an, während in einer anderen Studie von 30 bis 40 "Verschwundenen" im Monat gegenüber 328 Menschen im Jahre 1994 die Rede ist. Diesen Angaben zufolge verschwinden die meisten Opfer im Polizeigewahrsam, andere werden auf offener Straße von Unbekannten verschleppt. Die meisten bleiben spurlos verschwunden, in anderen Fällen sind die Leichen Verschwundener nach Tagen oder Wochen meist mit schweren Folterspuren tot aufgefunden worden. Es wird vermutet, dass es sich bei den Opfern in vielen Fällen um unter der Folter im Polizeigewahrsam gestorbene Menschen handelt, deren Leichen zur Verwischung der Spuren beseitigt wurden (I 112). Der IHD wies auf 21 im Polizeigewahrsam umgekommene oder von Unbekannten getötete Menschen im August 1995 sowie auf 22 Fälle von Folter durch die türkische Polizei hin (I 122). Nach einem Bericht von amnesty international vom September 1995 konnten 80 politische Morde von Januar bis August 1995 festgestellt werden (I 119). Der türkische Menschenrechtsverein Human Rights Association (HRA) gab im Oktober 1995 die Zahl der bis dahin Verschwundenen mit 158 an (I 124). In einer im Januar 1996 veröffentlichten Jahresbilanz für 1995 zählt der türkische Menschenrechtsverein IHD 99 Tote und 136 Verletzte, die offenbar politisch motivierten Anschlägen zum Opfer fielen; dem Bericht zufolge starben 122 Personen durch extralegale Hinrichtungen oder Folter im Polizeigewahrsam, 231 Personen verschwanden, 251 wurden im Gefängnis gefoltert, 14.473 Personen wurden vorläufig und 2.101 dauernd festgenommen (I 142). Der im Juli 1998 erschienene Jahresbericht der Türkischen Menschenrechtsstiftung (TIHV) von 1997 wies insgesamt 518 Fälle von Folter aus; das Auswärtige Amt zitiert den Jahresbericht 1999 von amnesty international, in dem die Zahl der 1998 "Verschwundenen", durch Folter zu Tode gekommenen oder außergerichtlich hingerichteten Menschen mit mindestens 30 angegeben worden sein soll (I 167, S. 22), nach Angaben des Vereins zeitgenössischer Rechtsanwälte der Türkei belief sich die Zahl der Folteropfer auf 324, dabei 17 Todesfälle sowie 17 in oder aus Polizeigewahrsam Verschwundene (I 184). Der IHD hat im Januar 2000 48.095 in Polizeigewahrsam genommene Personen festgestellt sowie 523 Fälle von Folter und 199 Todesfälle (I 189). Im ersten Halbjahr 2000 sind zwar deutlich weniger Menschenrechtsverletzungen festgestellt worden, da die Zahl unaufgeklärter Morde aus politischen Motiven auf 73 gegenüber 130 im Vorjahr zurückging und es noch 6 Fälle von "Verschwindenlassen" gegenüber 12 im Vorjahr gab. Die Zahl der Folterungen ist nach den Feststellungen des IHD aber immer noch sehr hoch mit 263 gegenüber 334 im Vorjahreszeitraum (I 237). Nach einem Bericht des IHD vom Januar 2000 sind in den letzten zehn Jahren insgesamt 1964 Menschen von unbekannten Tätern ermordet worden, 80 % von ihnen in den kurdischen Provinzen im Südosten (I 191).

An dem schon oben (S. 40f) dargestellten Verhältnis zwischen den ermittelten Zahlen von Folterfällen, Todesfällen in Polizeihaft oder bei Razzien sowie Fällen vermuteten Verschwindenlassens einerseits und der zunehmenden kurdischen Zuwanderer aus dem Südosten hat sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nichts Wesentliches verändert ( I 153, 226). Nach Oberdiek (I 164) kam es im Jahr 1998 zu 3.200 Festnahmen; im Februar 1999 sollen es insgesamt (landesweit) 3.400 Festnahmen und zum Newroz-Fest 8.000 Festnahmen gewesen sein. Auch bei den nach der Verhaftung Öcalans, der Prozesseröffnung und der Verurteilung festzustellenden Verhaftungswellen handelt es sich um - wenn auch sehr weitgehend - anlassbezogene Maßnahmen gegen Personen, die bestimmte Verdachtsmomente aufwiesen, auch wenn es sich dabei nur um die HADEP-Mitgliedschaft handelte.

Nach einem Bericht der türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV wird die Folter von den türkischen Sicherheitskräften weit verbreitet als systematische Verhörmethode sowie als Mittel zur Bestrafung und Abschreckung angewandt. Danach wird am häufigsten, nämlich mit ca. 78 % aller bekannt gewordenen Fälle, in Polizeihauptquartieren gefoltert; der Erhebung zufolge werden von den Folteropfern, die bei der TIHV, die medizinische Zentren zur Behandlung von Folteropfern unterhält, um Hilfe nachsuchten, ca. 85 % aus politischen Gründen, 2 % wegen gewöhnlicher Kriminalität und ca. 13 % ohne ersichtliche Gründe gefoltert (I 126). Ein Grund für diese Übergriffe liegt dem Auswärtigen Amt zufolge darin, dass die Beweisführung türkischer Sicherheitskräfte in hohem Maße auf Geständnissen beruht, denen traditionell von den Gerichten hoher Beweiswert zugemessen wird. Generell bestreiten die türkischen Behörden die erhobenen Foltervorwürfe und räumen nur Übergriffe in Einzelfällen ein (I 167, S. 22, 226). Die Veröffentlichung des Berichts der von der türkischen Regierung Anfang 1994 eingesetzten Menschenrechtskommission wurde verweigert, und mehrere Mitglieder der eingesetzten Kommission traten aus Protest dagegen zurück. Ihren Angaben zufolge kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass in türkischen Polizeiwachen systematisch gefoltert wird, die daran beteiligten Beamten aber überhaupt nicht oder nur unzureichend belangt werden (I 92). Auch nach den zwischenzeitlichen Reformen wie der Erhöhung des Strafmaßes für Folter in Polizeihaft aufgrund eines am 10. August 1999 vom Rechtsausschuss des türkischen Parlaments verabschiedeten Gesetzes gewinnt die strafrechtliche Aufklärung und Ahndung von Übergriffen nur langsam an Konsequenz. Neben der unklaren Beweislage liegt ein Grund hierfür darin, dass Staatsbedienstete bisher nur dann gerichtlich belangt werden konnten, wenn der zuständige Provinzverwaltungsrat dem zugestimmt hat (I 167, 226). Seit einer Novellierung des einschlägigen Gesetzes sind Zuständigkeiten und Verfahren bei der Freigabe der Einleitung eines Strafverfahrens zwar präziser bestimmt, es bleibt allerdings bei der Notwendigkeit der Genehmigung durch einen Vorgesetzten; gegen deren Verweigerung kann aber nunmehr der Rechtsweg beschritten werden. Auch eine infolge der EU-Beitrittsbemühungen tätig gewordene Parlamentskommission hat festgestellt, Folter sei bei der türkischen Polizei gängige Praxis (I 211, 217), der Parlamentspräsident bezeichnete dies hingegen als Problem isolierter Einzelfälle (I 219). Erst nach konkreten Foltervorwürfen in türkischen Zeitungen im Zusammenhang mit dem Gefängnisaufstand im Juli 1999 wurden Ermittlungen eingeleitet (I 230). Nach einem tödlichen Polizeieinsatz in Adana wurde gegen sechs Beamte, die Anfang Oktober 1999 auf der Suche nach einem Mitglied der linksextremen DHKPC ein falsches Haus gestürmt und einen unschuldigen Menschen erschossen haben, zwar Haftbefehl erlassen (I 175), fünf von ihnen wurden einen Tag später aber wieder entlassen (I 176). Zehn Polizisten sind in Manisa zu fünf bis zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil sie 1995 elf Teenager gefoltert hatten, die Graffiti an die Wände gesprüht hatten (I 244).

Für die ungeklärten politischen Morde werden von Menschenrechtsorganisationen und kurdennahen Oppositionskreisen Todesschwadronen verantwortlich gemacht, bezeichnet als "Kontra-Guerilla" oder "Hisbollah", die über enge Verbindungen zum staatlichen Sicherheitsapparat verfügen sollen. Seitens türkischer Menschenrechtsgruppen wird den Strafverfolgern eine bewusste Verschleppung der Ermittlungen vorgeworfen, ein zur Aufklärung dieser Morde eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuss beendete seine Arbeiten jedoch ergebnislos. Der Abschlussbericht soll sich ungewöhnlich kritisch mit der Aufklärungsarbeit örtlicher Sicherheitskräfte und mit dem einschlägigen politischen Umfeld befassen (I 93, 130, 159). Nach einem Verkehrsunfall in der Nähe von Susurluk mit tödlichem Ausgang für einen in dem Auto befindlichen steckbrieflich gesuchten Mafiaführer und einen hohen Polizeioffizier neben dem einzigen Überlebenden, einem Parlamentsabgeordneten der DYP, wurde in der türkischen Öffentlichkeit über Verbindungen zwischen Staatsapparat und dem organisierten Verbrechen erneut diskutiert (I 159, 167). Diese Diskussion wurde wieder angefacht, als Anfang 2000 eine erhebliche Zahl von Mordopfern der Hisbollah entdeckt wurden, bei denen es sich vor allem um vormals "Verschwundene" handelte und die zum Teil noch eindeutige Folterspuren aufwiesen (I 193). Von staatlicher Seite wurde jegliche Verbindung zur Hisbollah verneint und deren unerbittliche Verfolgung angekündigt. Hunderte von Hisbollah-Mitgliedern wurden verhaftet, darunter soll auch ein im Premierministeramt angestellter Computerfachmann sein (I 193).

Die Situation in der Türkei ist seit der zweiten Hälfte des Jahres 1995 bis zum Entscheidungszeitpunkt durch Regierungskrisen geprägt, die von unterschiedlichen Auffassungen zur Lösung des Kurdenproblems sowie insbesondere durch die gravierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation ausgelöst wurden. Aus den Neuwahlen vom 24. Dezember 1995 ging die islamistische Wohlfahrtspartei (RP) mit 158 von 550 Sitzen als Sieger hervor, gefolgt von der Mutterlandspartei (ANAP) mit 126 Sitzen und der Partei des Rechten Weges von Ministerpräsidentin Ciller (DYP), die dicht unter 20 % der Stimmen blieben (I 150). Die neue Regierung wurde aus einer Koalition von RP und DYP gebildet. Am 28. Juni 1996 wurde Erbakan zum Ministerpräsidenten gewählt (I 153), am 18. Juni 1997 trat er zurück, nachdem die Koalitionsregierung der islamisch orientierten Wohlfahrtspartei und der Partei des Richtigen Weges (DYP) unter erheblichen innenpolitischen Druck geraten war. Am 30. Juni 1997 wurde Mesut Yilmaz zum Ministerpräsidenten ernannt (I 159) und am 16. Januar 1998 wurde die Wohlfahrtspartei verboten (I 167). Nach den Parlamentswahlen am 18. April 1999 hat die neue Regierung unter Ministerpräsident Ecevit einige Reformvorhaben eingeleitet und nach Angaben des Auswärtigen Amts bereits verwirklicht (I 226). Die Polizistenausbildung soll verlängert und um das Fach Menschenrechte erweitert werden, Folter soll härter bestraft und Beamte sowie öffentlich Bedienstete sollen für Vergehen leichter zur Verantwortung gezogen werden können (I 167). Allerdings sollen die Mitglieder des Höchsten Bildungsrats, Richter, Staatsanwälte und Soldaten hiervon ausgenommen sein (I 179). Diese und andere neuere Entwicklungen wie auch die Gefängnisrevolten und die Todesfastenaktion im Sommer 1996 sowie im September 1999 haben jedoch zu keiner entscheidenden Änderung der Vorgehensweise der Sicherheitskräfte geführt (I 153, 171, 172, 173, 174). Der Vorsitzende einer vom Ministerpräsidenten eingesetzten Hohen Kommission für Menschenrechte musste nach Vorlage seines Kataloges über notwendige Änderungen im türkischen Rechtssystem zurücktreten. Auch die von einer Parlamentskommission vorgelegte Dokumentation über Menschenrechtsverstöße in Polizeistationen wurde bislang nicht debattiert; auch der Minister für Menschenrechte trat im April 2000 zurück (I 227). Die nach wie vor auch im Westen feststellbaren Übergriffe (I 148, 149) rechtfertigen aber weiterhin nicht die Annahme, Kurden seien in der Westtürkei generell von asylrechtsrelevanten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen bedroht. So erfolgten die anlässlich der Beerdigung zweier politischer Häftlinge von der Polizei in Istanbul vorgenommenen vorläufigen Festnahmen von zumindest 500 bis 800 Trauergästen offensichtlich zur Feststellung der Personalien (I 137, vgl. auch I 136) und um befürchtete Ausschreitungen zu verhindern; diese lassen allein eine verschärfte Vorgehensweise der Sicherheitskräfte gegenüber den Kurden nicht erkennen. Bei der den Sicherheitskräften vorgeworfenen Ermordung des türkischen Journalisten Göktepe handelt es sich um einen der mittlerweile zahlreichen Fälle exzessiven Vorgehens der türkischen Polizei gegen missliebige Journalisten, der zudem ein Strafverfahren gegen die beschuldigten Polizisten nach sich zog. Am 19. März 1998 wurden fünf der elf Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, dieses Urteil wurde im Januar 2000 rechtskräftig (I 167, 226). Im Dezember 1999 wurden elf Angeklagte im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf Birdal rechtskräftig zu Haftstrafen von 10 Monaten bis 19 Jahren verurteilt; sechs weitere wurden freigesprochen (I 185). Ebenso wie die von PKK-Chef Öcalan im Dezember 1995 angebotene und von der türkischen Regierung postwendend zurückgewiesenen Feuerpause (I 131) bewirkte die Festnahme und Verurteilung Öcalans sowie der Aufruf zum Rückzug der PKK im September 1999 keine grundsätzliche Änderung der Situation. Die Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK wurden sowohl nach dem später wieder aufgekündigten Waffenstillstandsangebot als auch nach dem Rückzugsangebot 1999 fortgesetzt (I 132, 135, 145, 170, 172). Rückwirkungen auf das allgemeine Verhältnis zu der kurdischen Bevölkerung außerhalb der Notstandsgebiete lassen sich aber insoweit nicht feststellen. Zwar kam es schon, nachdem Öcalan Syrien verlassen musste und in Rom auftauchte, zu ersten Verhaftungswellen im Westen der Türkei, ebenso nach seiner Festnahme und Überstellung in die Türkei. Hiervon waren jedoch insbesondere Mitglieder der HADEP betroffen (I 164, 165,166), nach deren Angaben kam es schon im November 1998 zu ca. 2000 in Polizeigewahrsam verbrachten Mitgliedern (I 226). Sonst handelte es sich meist um Verhaftungen anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz bzw. im Vorfeld der türkischen Parlaments- und Kommunalwahlen vom 18. April 1999 (I 165).

c) Die schon für die Vergangenheit festgestellte (s. o. S. 37 ff.) Möglichkeit, im Bereich außerhalb der unter Notstandsrecht stehenden Provinzen die für eine bescheidene Lebensführung ausreichende wirtschaftliche und finanzielle Grundlage zu schaffen, hat sich trotz der weiter zunehmenden Zuwanderung nicht wesentlich verändert. Nach wie vor gibt es im Westen weder Hungersnot noch sonstige Existenzbedrohungen; die überwiegende Mehrheit findet dort immer noch ihr Auskommen (I 89). Wenn die Rahmenbedingungen sich auch weiter verschlechtert haben, so bestehen doch immer noch Möglichkeiten, einen Lebensstandard zu erreichen, der dem Existenzminimum entspricht, so als Straßenverkäufer, Schuhputzer oder ähnliches; trotz der auch dort sich verschlechternden Lage kommen auch das Schwarzmeer- und das Mittelmeergebiet mit der Tourismusbranche immer noch als attraktives Fluchtgebiet in Frage (I 88). Aus einer Umfrage des Menschenrechtsvereins in Istanbul geht hervor, dass 62,5 % der befragten Kurden Einkünfte durch Arbeit erzielen, wenn diese auch bei der Mehrzahl äußerst niedrig sind und bei 44,6 % bis umgerechnet 100 DM pro Monat und bei 38 % bis maximal 300 DM im Monat betragen (I 97).Die wirtschaftliche Situation in der Türkei hat sich seither zwar weiter verschlechtert; nach Angaben des Gewerkschaftsverbandes im Jahr 1995 mussten 40 % aller Beschäftigten mit einem Mindestlohn von umgerechnet ca. 150 DM im Monat auskommen, die Mehrheit davon in den Städten. Nach dieser Einschätzung handelte es sich um die schwerste soziale Krise der Türkei seit ihrer Gründung (I 125). Seit nunmehr zwanzig Jahren liegt die Inflationsrate zwischen 30 und 100 Prozent (III 13), im Jahr 2000 wird sie bei 67,9% liegen, falls Lohn- und Gehaltserhöhungen unter 25% bleiben sollten (III 16). Nach neueren Angaben des Auswärtigen Amtes beträgt das Pro-Kopf-Einkommen in der Türkei im Jahr etwa 2.200 $, wobei ein großes West-Ost-Gefälle besteht (III 10: 4.500 $/Jahr in Izmir; 500 $/Jahr in Diyarbakir, 170 $/Jahr in Hakkari). Allerdings besteht nach wie vor die Möglichkeit, in der verstärkt ausgebildeten Schatten- und Nischenwirtschaft ein Auskommen zu finden, die in der Türkei mittlerweile etwa die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes ausmacht (I 125). Zwar haben die Möglichkeiten, in der Nischenwirtschaft ein Auskommen zu finden, mit der wachsenden Zuwanderung vor allem in die Großstädte insgesamt weiter abgenommen (III 10: die Bevölkerung Diyarbakirs wuchs von 381.000 im Jahr 1990 auf 1,5 Mio. im Jahr 1996; vgl. auch I 148 S. 102), eine Arbeitslosenversicherung oder Sozialhilfe gibt es nicht (III 7, 8, 10, 17); erst neuerdings wird aufgrund der seit dem Jahr 2000 geltenden neuen Arbeitslosengeldverordnung nach 3 Jahren Tätigkeit max. 10 Monate lang Arbeitslosengeld i.H.v. 50% des letzten Nettoeinkommens bezahlt (III 16). Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass es für Kurden im Westen der Türkei generell unmöglich ist, ein - wenn auch bescheidenes - Auskommen zu finden. Jedenfalls ist bis auf wenige Einzelfälle eine soziale Verelendung der Kurden bis hin zum Verhungern in der Türkei nicht feststellbar (III 7, 10; I 130, 144). Maßgebend für die Frage, ob und inwieweit zurückkehrende Kurden im Westen der Türkei unterkommen, dort auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß fassen, in der Schattenwirtschaft ein Auskommen finden oder sonst versorgt werden können, sind nach wie vor das Bestehen von familiären Kontakten zu Eingesessenen, die allgemeinen Marktgegebenheiten sowie die beruflichen und sonstigen Qualifikationen des Rückkehrers (III 6, I 95). Allerdings soll auch nicht verkannt werden, dass die Existenzmöglichkeiten im Westen insbesondere außerhalb der Großstädte immer schwieriger werden, weil gerade dort Kurden - dies gilt gerade auch in den touristischen Gebieten - besonders argwöhnisch beobachtet werden, so dass der Zuwanderungsdruck auf die Gecekondu-Viertel der Großstädte weiter zunehmen dürfte (III 7, 9; I 148, 150). Weiterhin bieten der Tourismus in verschiedenen Teilen des Landes, die Baubranche, der in Großstädten weit verbreitete Klein- oder Straßenhandel, Handwerk und Dienstleistungen Verdienstmöglichkeiten - auch für Jugendliche, die beispielsweise in Gastronomie- und Handwerksbetrieben beschäftigt werden (III 7, 8, 9, 10). Frauen, die aus dem Südosten zuwandern, leiden zwar unter noch größeren Schwierigkeiten, da sie deutlich weniger häufig die türkische Sprache beherrschen und die Analphabeten-Quote unter ihnen höher ist; auch sie können jedoch im Bereich der Reinigung von Wohn- und Arbeitsstätten, als Abwäscherin in Restaurants und Kasinos, in der Wäscherei, der Landwirtschaft und in ähnlichen Bereichen Arbeit finden (III 17), wenn auch zumeist vorübergehend, nicht abgesichert und in der Regel für Einkommen in einer Höhe, die zur Existenzsicherung nur bei Erlangen mehrerer solcher Arbeitsstellen ausreicht (III 9, 14). Dass beispielsweise in Antalya im Bereich der Tourismusbranche die Nachfrage das Arbeitsplatzangebot um ein zwanzigfaches übersteigt und Bewerber mit Sprachkenntnissen bevorzugt werden (III 15), trifft kurdische und türkische Bewerber grundsätzlich in gleichem Maß (III 17). Auch bei höherer Qualifizierung ergeben sich für Rückkehrerinnen Schwierigkeiten, gelungene Fälle von "Re"-Integration konnten aber bisher jedenfalls bei männlichen Personen festgestellt werden. Existierende Arbeitsplätze werden in der Regel von männlichen Bewerbern besetzt; in der Industrieproduktion beträgt der Frauenanteil beispielsweise 13,3%; in der Landwirtschaft hingegen 65,4% (III 16). Frauen können jedoch bei zusätzlichen Kenntnissen z.B. im Bürobereich mit einem Posten als Fremdsprachensekretärin rechnen (III 14).

d) Ein kurdischer Volkszugehöriger hat grundsätzlich die Möglichkeit, die Orte außerhalb der Notstandsgebiete, insbesondere in der Westtürkei zu erreichen, ohne dass ihm die Gefahr droht, an der Landesgrenze oder am Flughafen asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein.

Nach verschiedenen Gutachten und Auskünften müssen ehemalige Asylbewerber, die in die Türkei abgeschoben werden oder freiwillig einreisen, an der Grenze mit längerfristiger Polizeihaft rechnen, während von den türkischen Behörden geprüft wird, ob sich der Betreffende politisch gegen den türkischen Staat betätigt hat oder Informationen über exilpolitische Organisationen geben kann. Amnesty international nimmt an, dass bei diesen während der Haft stattfindenden Verhören bei Personen kurdischer Volkszugehörigkeit auch Folter angewandt wird (I 56, 83, 162), und stützt dies auf Berichte, die jedoch vor allem wegen der Angst der Betroffenen vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen schwer zu recherchieren seien. In neuerer Zeit werde zunehmend berichtet, dass die betroffenen Rückkehrer nach der routinemäßigen Eingangskontrolle am Flughafen zunächst freigelassen, später jedoch auf ihrer Weiterreise in ihre Heimatregion oder in ihrem Heimatort erneut festgenommen worden seien, wobei es mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Anwendung von Folter und Misshandlungen komme (I 162). Eine diese Gefahr mit sich bringende Überstellung zu weiteren Verhören erfolge häufig, wenn im Verlauf der Routinekontrolle Verdachtsmomente einer oppositionellen politischen Tätigkeit aufkämen; insbesondere, wenn Betroffene keine Personaldokumente mit sich führten oder solche Dokumente, die auf ein Asylverfahren im Ausland hinweisen (I 162).

Rumpf (I 46, 80) stuft eine Festnahme bei der Einreise als wahrscheinlich ein; zurückgewiesene Asylbewerber müssten, wenn sie als solche von den türkischen Behörden erkannt worden seien, mit Festnahme und genauerer Untersuchung der persönlichen Verhältnisse und, wenn es sich um einen Kurden handele, mit verschärften sonstigen Maßnahmen, wozu die körperliche Misshandlung zähle, rechnen, wobei diese Gefahr erst nach Weiterleitung an die politische Abteilung bestehen soll (I 38, 46). Dabei ist seinen Angaben zufolge davon auszugehen, dass das abgefragte Fahndungsregister alle Personen ausweist, die mit staatsanwaltschaftlichen Festnahmeanordnungen gesucht werden, die ihrerseits auf der Grundlage eines Haftbefehls ergehen. Gleiches nimmt er auch für solche Personen an, die ohne Haftbefehl aufgrund staatsanwaltschaftlicher oder polizeilicher Festnahmeanordnung gesucht werden, allerdings bildeten diese die Ausnahme. Als Personengruppen kommen insoweit entflohene Strafhäftlinge oder Personen in Betracht, die bereits, unabhängig auf welcher Grundlage, festgenommen worden waren und den Bewachern entkommen sind. Auf frischer Tat ertappte Täter oder sonstige Täter, für deren Ergreifung Staatsanwaltschaften oder Polizeiorgane wegen Fluchtgefahr oder Gefahr im Verzuge unmittelbar zur Festnahme befugt sind, werden dem Sachverständigen zufolge nicht im Fahndungsregister geführt. Danach ist davon auszugehen, dass es zu einem Eintrag im Fahndungsregister auch einen vollziehbaren Haftbefehl gibt (I 95).Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (I 62, 157 mit Hinweis auf ein Gutachten von März 1995) kann das Risiko einer Festnahme und anschließende Folterung von abgeschobenen kurdischen Asylbewerbern nur schwer beurteilen und letztlich keine konkreten Fälle nennen mit Ausnahme von Einzelfällen, die auf Erkenntnissen aus Pressemeldungen beruhen, nicht jedoch auf eigenen Recherchen (Auskunft an VGH Baden-Württemberg v. 05.06.97 in I 160). Die Gefahr sei erhöht, wenn der Betreffende auf Fahndungslisten stehe, insbesondere bei Kurden, die irgendwann einmal für die PKK tätig gewesen seien. Ein erhöhtes Risiko treffe noch denjenigen, der mit einem gefälschten Pass in die Türkei einreise. Die Asylantragstellung gelte als verdächtig, da davon ausgegangen werde, dass im Rahmen der Begründung des Asylgesuchs "separatistische Aktivitäten" und entsprechende Reaktionen des türkischen Staats geltend gemacht würden. Auch Aktivitäten kurdischer Asylbewerber im Ausland würden den türkischen Sicherheitsbehörden durchaus bekannt, jedoch werde von den Behörden regelmäßig bestritten, dass es zu solchen Maßnahmen komme. Zwischen den regierungsamtlichen Äußerungen und der Realität bestehe aber eine große Diskrepanz, so dass es nicht als abwegig angesehen werden könne, dass Vorwände gefunden würden, um Abgeschobene auch dann, wenn ihre ausländischen Aktivitäten in der Türkei nicht strafbar seien, gleichwohl zur Rechenschaft zu ziehen (I 157).

Kaya berichtet, dass Folter in der Türkei bei Verhören durch alle Sicherheitskräfte als gängige Methode angewandt werde (I 37, 161). Flüchtlinge, die nach Ablehnung ihres Asylantrages in die Türkei zurückkehren müssten, würden unterschiedlich behandelt. Dabei spiele es eine Rolle, ob man türkischer oder kurdischer Abstammung sei, einen gültigen Reisepass habe oder durch die Polizei abgeschoben werde. Personen mit einem gültigen Reisepass könnten, wenn nicht nach ihnen gefahndet werde, nach Durchlaufen der für alle anderen Reisenden üblichen Kontrollen wieder in die Türkei zurückkehren. Kurden, die mit einem vorläufigen Reisedokument einreisten, würden von den Sicherheitskräften zwecks Feststellung ihrer Personalien und ihrer rechtlichen Lage eine Zeitlang festgehalten. Sie würden nach ihren Kontakten im Ausland und nach dem Grund ihres Asylantrages befragt. Abgeschobene ehemalige Asylbewerber würden ohne Ausnahme direkt der türkischen Polizei überstellt; gegen sie werde ausführlich ermittelt. Gegen Personen, die bereits früher aufgrund ihrer politischen Aktivitäten verfolgt oder verurteilt, von der politischen Abteilung der Polizei erfasst worden oder vorbestraft seien, werde genauer und sorgfältiger ermittelt (I 50). Seinen Angaben zufolge wird vor allem gegen Kurden, die längere Zeit im Ausland waren, besonders ermittelt, da ihnen unterstellt wird, dass sie sich für die kurdische Sache eingesetzt haben. Liegen keine Beweise vor, werde die betreffende Person freigelassen, müsse aber damit rechnen, beschattet zu werden (I 110). Die aus dem Osten oder Südosten stammenden Personen würden schon aufgrund des generellen Verdachts, in Verbindung mit der PKK zu stehen, eine Zeitlang festgehalten und verhört. Gewalt werde auch dann angewandt, wenn nichts gegen die Betroffenen vorliege, schon um sie einzuschüchtern. Dies sei in 80 % der Fälle von in die Türkei abgeschobenen Asylbewerbern zu beobachten gewesen; etwa die Hälfte davon sei länger als drei Tage festgehalten worden, und gegen einige seien Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet worden (I 161). Er beschreibt 13 Fälle von Verhaftungen nach Abschiebungen seit 1995 im Einzelnen, wobei allerdings in drei Fällen keine weitere Klarheit über das anschließende Schicksal der Betroffenen erlangt werden konnte. Darüber hinaus werden sieben Fälle aus dem Bericht des Menschenrechtsvereins für den Zeitraum 1997 und 1998 angegeben sowie ein Bericht aus der Zeitung Özgür Politica vom Dezember 1998 (I 161). Auch Kaya räumt ein, dass ein kurdischstämmiger Bewohner eines Dorfes oder einer Stadt beispielsweise in Erzincan, der vor seiner Ausreise noch nicht in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten ist, im Hinblick auf den Vorfall Öcalan nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen hat, wenn er sich nicht an Aktionen gegen die Festnahme Öcalans beteiligt oder entsprechende Kampagnen unterstützt hat (I 168).

Taylan (I 35, II 25) zufolge kann demgegenüber davon ausgegangen werden, dass zurückkehrende Asylbewerber im allgemeinen unbehelligt die Grenze passieren können. Zu Schwierigkeiten kommt es, wenn die betreffenden Personen in den Computern registriert sind, weil sie als PKK-Aktivisten bekannt sind oder ihnen beispielsweise die Einreise verweigert wurde (II 25). Ihm sei kein Fall dazu bekannt geworden, dass diese generell an der türkischen Grenze misshandelt würden. Zu Schlägen bei Verhören könne es immer kommen; das hänge vor allem von dem vernehmenden Beamten ab (II 25).

Nach Berichten des Auswärtigen Amts liegen keine definitiven Nachweise darüber vor, dass aus Deutschland zurückkehrende Kurden lediglich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit Opfer von Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte geworden sind (I 159). Bei der Einreise in die Türkei hat sich jedermann einer Personenkontrolle zu unterziehen (I 47, 87, 130, 144, 153, 159, 167, 233). Sofern abgelehnte Asylbewerber freiwillig und mit einem gültigen Reisepass in die Türkei zurückkehrten, hätten sie in der Regel nicht mit Repressalien zu rechnen. Ebenso verhalte es sich, wenn türkische Asylbewerber im Wege der Abschiebung einreisten und dies den türkischen Behörden bekannt sei. Es werde dann allerdings bei der Grenzpolizei eine eingehendere Befragung durchgeführt, vor allem nach einer eventuellen politischen Tätigkeit im Ausland, die jedoch nicht generell unterstellt werde (I 87, 89). Ein solches Verhör finde in jedem Fall dann statt, wenn die Einreisenden nicht über ein gültiges türkisches Reisedokument verfügten (I 74, 87, 144, 167, 233). Dann müsse zunächst eine Personenfeststellung durchgeführt werden, die in den meisten Fällen eine Rückfrage bei den Sicherheitsbehörden am Heimatort und bei den dortigen Personenstandsbehörden umfasse. Insbesondere werde in diesem Zusammenhang der Geburtseintrag der Betreffenden überprüft. Dies könne bei Einreisen am Wochenende und in den Fällen, in denen die Personenstandsunterlagen in einer kleinen Kreisstadt in Ostanatolien geführt würden, ein bis drei Tage dauern (I 74, 144,159). Während dieser Zeit werde die betreffende Person bei der Grenzpolizei am Flughafen in Polizeigewahrsam genommen (I 51). Würden keine belastenden Erkenntnisse herausgefunden, könne der Betreffende seine Reise fortsetzen (I 33). Schwierigkeiten für Abgeschobene könnten eintreten, wenn Befragung, Durchsuchung des Gepäcks oder Recherchen bei den Heimatbehörden den Verdacht der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung der PKK oder anderer illegaler Organisationen begründe (I 159, 241). Konkrete Erkenntnisse, dass ein aus Deutschland Abgeschobener der Folter unterworfen worden sei, lägen nur in einem Fall vor, während Recherchen aufgrund von Hinweisen auf Folter in anderen Fällen nicht oder noch nicht zu einer Bestätigung geführt hätten (I 159, S. 18; 167, S. 25, S. 29f). In zwei weiteren Fällen sei es nicht infolge der Abschiebung, sondern aufgrund später in der Türkei vorgefallener Geschehnisse zu Verhaftungen wegen angeblicher PKK-Aktivitäten gekommen. Von den aus Berichten türkischer Menschenrechtsvereine für das Jahr 1994 bekannt gewordenen 22 Fällen sei kein Fall belegt. In 21 dieser Fälle sei eine Freilassung am Einreisetag oder dem darauffolgenden Tag erfolgt. Es könne auch nicht bestätigt werden, dass während einer Festnahme grundsätzlich eine menschenrechtswidrige Behandlung zu erwarten sei und dass türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit eher als andere türkische Staatsangehörige Gefahr liefen, menschenunwürdig behandelt zu werden (I 48). Es gebe auch keine gesicherten Erkenntnisse über eine Erhöhung der Gefährdung für Abgeschobene aufgrund des Öcalan-Prozesses; wenn auch aufgrund der hochemotionalisierten Situation von einem erhöhten Risiko für bisher schon in der Kurdenfrage engagierte Personen auszugehen sei (I 167). Das Auswärtige Amt berichtet, es seien vier Fälle von Verhaftungen und angeblicher Folter aus dem Zeitraum bis Juli 1999 bekannt geworden, in denen teilweise jedoch die Recherchen noch nicht abgeschlossen seien. Ein Betroffener sei vor dem Staatssicherheitsgericht Ankara des Verstoßes gegen Art. 8 ATG angeklagt, im Verfahren dann freigesprochen worden, während ein anderer nach Art. 125 tStGB wegen "Separatismus" angeklagt worden sei. Ein weiterer Betroffener konnte erneut nach Deutschland einreisen (I 167 S. 27, 29, 30). Seit November 1999 seien 2 Fälle bekannt geworden; Ermittlungen ergaben, dass einer der Betroffenen nach Rumänien geflohen sei, nachdem er im Januar 2000 bei einem Verwandtenbesuch in Izmir erneut festgenommen und gefoltert worden sei. In dem zweiten Fall sei Anzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft Izmir erstattet, jedoch bisher noch keine Klage erhoben worden (I 226).

Oberdiek (I 106) führt demgegenüber an, dass aus dem Ausland zurückkehrende, insbesondere abgeschobene Kurden den gleichen Risiken ausgesetzt seien wie die Kriegsflüchtlinge. Sie alle würden bei einer Einreise sicherheitsdienstlich erfasst und gälten zumindest im gleichen Maße wie Personen, die sich weigerten, Dorfschützer zu werden, als "unloyale Staatsbürger". Die bisher recherchierten Fälle von Verhaftung aus der Abschiebung ließen allerdings nach seiner Ansicht keinen Rückschluss auf eine erhöhte Gefährdung von abgeschobenen Asylbewerbern nach der Überführung von Öcalan in die Türkei zu; weiterhin bestehe die Rückkehrergefährdung aber nicht nur zum Zeitpunkt der Einreise, wenn die Betroffenen mit Passersatz auf ihre Identität und mögliche gegen sie angestrengte Strafverfahren überprüft würden, sondern viele würden erst später in der Heimat aufgegriffen. Hiervon betroffen seien anscheinend alle Rückkehrer gewesen, die aus dem Südosten stammten, und jüngere, unverheiratete Kurden (I 164 S. 30). Aus verschiedenen Quellen (I 57, 80, 82, 83, 84, 85, 87) sind Fälle von Verhaftungen nach Abschiebung oder Rückreise in die Türkei bekannt geworden; in einem Zeitraum von insgesamt fünf Jahren ließen sich 24 Fälle feststellen, die teilweise noch weiter recherchiert wurden (I 160). Nicht in allen Fällen wurde von längerdauernder Verhaftung, Misshandlungen oder Folter berichtet, sondern in der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um eine kurze Verhaftungsdauer, wobei auch zum Teil später erneute Verhaftung erfolgte. Auch die Fälle, in denen Misshandlungen und/oder Folter behauptet wurden, sind nicht alle belegt oder belegbar. In einer Vielzahl von Fällen sind die ehemals Verhafteten nicht mehr ermittelbar, wobei von Seiten der Sicherheitskräfte angegeben wurde, die Betreffenden seien freigelassen worden (I 80 S. 57f in fünf Fällen). Sowohl amnesty international als auch Oberdiek stellen fest, dass die ihnen zur Kenntnis gelangenden Fälle zumeist sehr schwer zu recherchieren seien, da in der Regel nur der Betroffene als Zeuge zur Verfügung stehe. Amnesty international führt insgesamt sieben stimmige und mit den allgemeinen Erkenntnissen übereinstimmende Berichte aus den Jahren 1996 bis 1998 an (I 162). Oberdiek berichtet über die vom IHD Istanbul recherchierten Fälle und weist in diesem Zusammenhang auf die insoweit enorm beschränkten Mittel des IHD hin, der sich hauptsächlich auf Informationen seitens der Flughafenpolizei stützen könne (I 164, S. 17). Er berichtet über sechs einigermaßen gesicherte Fälle Anfang 1999, wobei in einem Fall die Abschiebung 1997 erfolgt war (I 164, S. 18 ff.).

Nach Angaben des IHD im Januar 2000 werden alle Personen, die als abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland zurückkehren sofort nach ihrer Abschiebung in Gewahrsam genommen und höchstens 24 Stunden auf den Polizeiwachen der Flughäfen festgehalten. In dieser Zeit werden Nachforschungen über mögliche Haft- und Suchbefehle, Militärdienst und eventuelle Desertion angestellt. Personen, deren polizeiliche Akten Hinweise auf strafbare Handlungen enthalten, werden demnach zur weiteren Vernehmung an die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung oder zur zuständigen Militärkommandatur gebracht (I 191).

Daneben gibt es auch in jüngerer Zeit wird immer wieder Berichte über Fälle, in denen Abgeschobene nach ihrer Ankunft festgehalten und misshandelt oder gefoltert wurden. So soll nach Mitteilung des IHD in Izmir im vergangenen Jahr ein aus Deutschland abgeschobener kurdischer Türke gefoltert worden sein; er wurde nach seinen Angaben sieben Tage von der Flughafenpolizei festgehalten und verschiedene Verletzungen wurden durch ein gerichtsmedizinisches Gutachten belegt (I 194, 229). Außerdem wird über zwei weitere Fälle im Januar sowie Februar 2000 in Istanbul berichtet (I 200, 229), einer davon wurde bei der Oberstaatsanwaltschaft Izmir zur Anzeige gebracht (I 226, 229).

Weder aus der Zahl dieser Fälle noch aus weiteren Umständen und Begebenheiten lässt sich jedoch der Schluss ziehen, dass kurdische Volkszugehörige grundsätzlich bei der Überprüfung nach einer Rückkehr menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt sind. Zum einen handelt es sich bei den in den verschiedenen Auskünften dokumentierten Fällen größtenteils um letztlich ungeklärte Fälle, die nach der Verhaftung nicht mehr ermittelbar waren. Selbst wenn man jedoch unterstellen wollte, dass es in allen diesen Fällen zu einer menschenunwürdigen Behandlung gekommen ist, lässt sich angesichts der Gesamtzahl von Abschiebungen hieraus der Schluss einer wenn nicht allen, so jedoch der weitaus größten Zahl kurdischer Volkszugehöriger drohenden Behandlung dieser Art nicht ziehen. Hiergegen spricht schon die vermutlich wesentlich höher liegende Zahl von Rückkehrern türkischer Staatsangehörigkeit und kurdischer Volkszugehörigkeit. Allein für den Zeitraum von Dezember 1994 bis März 1995 liegt die Zahl abgeschobener türkischer Staatsangehöriger - deren kurdische Volkszugehörigkeit nicht immer erkennbar ist oder feststeht - bei etwa 200, obwohl in dieser Zeit in verschiedenen Bundesländern Abschiebestopps galten (BT-Drs. 13/1434). Die Zahl der Rückkehrer im Jahr 1994 und zuvor dürfte insgesamt wesentlich höher gewesen sein. Im Jahre 1995 wurden von der Grenzschutzdirektion Koblenz 2.610 Personen in die Türkei per Flugzeug zurückgeführt, unter denen nach vorläufigen Angaben mindestens 1.234 abgelehnte Asylbewerber waren (I 144). Im Jahr 1996 wurden 4.609 Personen aus Deutschland in die Türkei abgeschoben und 7 Personen ausgeliefert (BT Drucks. 13/7398 in I 160). Insgesamt lassen die bekannt gewordenen Zahlen jedenfalls nicht die Bewertung zu, dass kurdische Volkszugehörige bei einer Rückkehr in die Türkei verfolgungsfreie Regionen nicht ohne die erhebliche Gefahr drohender menschenunwürdiger Behandlung erreichen könnten.

Auch nach neuen Erkenntnissen muss ein als Asylbewerber identifizierter Rückkehrer bei der Einreise regelmäßig damit rechnen, dass er zunächst festgehalten und einer intensiven Überprüfung unterzogen wird (I 80, 87, 89, 144, 151, 159, 167, 233). Dies gilt insbesondere, wenn gültige Reisedokumente nicht vorgewiesen werden können. In diesem Falle erfolgt regelmäßig eine genaue Personalienfeststellung (unter Umständen mit einem Abgleich der Angaben der Personenbestandsbehörde und des Fahndungsregisters) hinsichtlich Grund und Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei, Grund der Abschiebung, eventueller Vorstrafen in Deutschland, Asylantragstellung und Kontakten zu illegalen türkischen Organisationen im In- und Ausland (I 79, 144, 151, 159, 167, 233). Diese Einholung von Auskünften, während der der Rückkehrer meist in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache festgehalten wird, kann bis zu mehreren Tagen dauern. Da den türkischen Behörden bekannt ist, dass viele türkische Staatsbürger aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Mittel der Asylantragstellung versuchen, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, werden Verfolgungsmaßnahmen nicht allein deshalb durchgeführt, weil der Betroffene in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, sondern nur, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK ergeben (I 79, 144, 151, 159, 167, an VG Gießen, 21.08.00). Liegt gegen den Betroffenen nichts vor, so wird er in der Regel nach spätestens zwei oder drei Tagen wieder freigelassen. Anders ist es, wenn Personen wegen konkreter Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten, insbesondere durch Unterstützung der PKK, durch die politische Abteilung der Polizei in Haft genommen werden; dann besteht die reale Gefahr von asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen bis hin zum Verschwinden von Personen (I 80, vgl. auch I 149, 167).

Die in einem Briefwechsel zwischen dem türkischen Innenminister und dem Bundesinnenminister enthaltene Erklärung der Republik Türkei (Text in BT-Drs. 13/1434, S. 2 bis 4) hat keine Auswirkung auf die Beurteilung der Frage, ob für kurdische Volkszugehörige in der Türkei ein Leben ohne politische Verfolgung möglich ist (vgl. Hess. VGH, 07.12.1998 - 12 UE 2185/97.A -; siehe dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, 03.06.1997 - 25 A 3631/95.A - und 28.10.1998 - 25 A 1284/96.A -).

2. Dem Kläger kann jedoch aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse eine Rückkehr in die Türkei nicht zugemutet werden, da eine Verwirklichung der ihm bereits vor der Ausreise unmittelbar bevorstehenden Verfolgung nicht ausgeschlossen werden kann, sondern im Gegenteil höchstwahrscheinlich zu erwarten ist.

Durch das zwischenzeitliche Verfahren beim EGMR hat der Fall seines Bruders S. eine derartige öffentliche Aufmerksamkeit erregt, dass auch bei der Rückkehr des Klägers schon aufgrund der normalen Personalienüberprüfung ein Zusammenhang hergestellt werden kann. Bei einer näheren Überprüfung in der Heimatregion des Klägers wird zudem offenkundig werden können, dass der Kläger in dem selben Zeitraum wie sein Bruder S. auffällig geworden war und nach ihm gesucht wurde. Daraus ergibt sich die unmittelbare Gefahr einer längeren Festnahme durch die Sicherheitsbehörden im Zuge der Einreise und damit einer menschenrechtswidrigen Behandlung, die bei Rückkehrern nach den Feststellungen des Senats unter diesen Umständen zu erwarten ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, sondern ist sehr wahrscheinlich, dass bei der Grenzkontrolle der früher gegen den Kläger bestehende Terrorismusverdacht und außerdem die Verwandtschaft mit S. S. festgestellt werden. Dies allein wird nach Überzeugung des Senats zu einer genaueren Überprüfung und damit zu einer längeren Polizeihaft und zu einer Überstellung an die Sicherheitsbehörden führen. Dort besteht den vorliegenden Informationen zufolge allgemein die Gefahr von Misshandlungen und Folterungen sowie des Verschwindenlassens ohne die Möglichkeit, den Verbleib der Betroffenen noch aufzuklären.

B.

Da der Kläger die Voraussetzungen für die Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG erfüllt, ist zu seinen Gunsten auch das Abschiebungshindernis wegen politischer Verfolgung nach § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen und die Beklagte hierzu zu verpflichten.

C.

Neben der Asyl- und der Flüchtlingsanerkennung des Klägers bedarf es keiner Entscheidung über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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