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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.2003
Aktenzeichen: 12 UE 318/02
Rechtsgebiete: AuslG, ARB 1/80


Vorschriften:

AuslG § 24
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 2 Satz 2
1. Die Verfestigungsstufe nach vier Jahren Beschäftigung (Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80) kann auch durch die Kumulation mehrerer Beschäftigungszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern erreicht werden; dabei ist nicht vorausgesetzt, dass zuvor die Verfestigungsstufen des Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich oder 2. Spiegelstrich erreicht wurden.

2. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 ist auf Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach dem Erreichen des 1. Spiegelstrichs anwendbar und schützt den türkischen Arbeitnehmer darüber hinaus, sofern er seinen Arbeitsplatz vor Erreichen einer vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung nur verloren hat, weil ihm von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis zu Unrecht nicht erteilt wurde.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12 UE 318/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am VG Walther (abgeordneter Richter), ehrenamtliche Richterin Dahms, ehrenamtlichen Richter Berg

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2003 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2001 verpflichtet, dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ab dem 9. Mai 1994 zu erteilen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 9. Februar 1988 mit einem gültigen Visum zum Besuch seiner Ehefrau, mit der er in der Türkei am 26. März 1987 die Ehe geschlossen hatte, in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Am 8. Juni 1988 erteilte die Ausländerbehörde der Beklagten dem Kläger auf dessen Antrag vom 20. April 1988 eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Nach mehrfacher Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Gestattung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit verlängerte die Beklagte dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis - gestützt auf § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG - nach der am 8. Januar 1993 erfolgten Ehescheidung am 11. Juni 1993 letztmals bis zum 8. Mai 1994. Am 4. Mai 1994 beantragte der Kläger die unbefristete Verlängerung der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis. Zur damaligen Zeit war er arbeitslos und bezog bis zum 11. Juli 1994 Arbeitslosengeld, ab dem 12. Juli 1994 Arbeitslosenhilfe. Am 12. Februar 1991 hatte der Kläger eine auf drei Jahre befristete Arbeitserlaubnis und später eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO erhalten.

Mit Bescheid vom 14. September 1994 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an, falls er nicht binnen drei Monaten seiner Ausreiseverpflichtung nachkomme. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Darmstadt mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 1997 zurück; ein Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung wurde bereits am 19. September 1995 abgelehnt. Im Widerspruchsbescheid führte das Regierungspräsidium zur Begründung aus, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 AuslG nicht zu und die zu treffende Ermessensentscheidung falle auch unter Berücksichtigung des persönlichen Interesses des Klägers zu dessen Lasten aus. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80 nicht zustehe.

Am 7. Mai 1997 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und vorgetragen, nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis im Mai 1994 unter Härtefallgesichtspunkten nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu haben. Er halte sich seit über sieben Jahre im Bundesgebiet auf und sei mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen. Aus der Ehe seien zwei Kinder hervorgegangen, den Kontakt zu ihnen pflege er nach der Scheidung weiter. Da er in bestimmten Zeiträumen nicht Sozialhilfe sondern Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe erhalten habe, bestehe kein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Die Zeit zwischen der legalen Beschäftigung vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1993 und den weiteren Beschäftigungszeiten (16.9.1994 bis 26.9.1995 und 27.9.1995 bis 31.3.1996) werde nach Erlasslage durch die Zeit des Arbeitslosengeldempfanges überbrückt. Als Familienangehöriger erfülle er die Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80, denn er habe sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung am 14. September 1994 bereits über sechs Jahre mit ordnungsgemäßem Wohnsitz im Bundesgebiet befunden. Nach Wiederverheiratung mit seiner Ehefrau am 7. August 1997 lebe er mit dieser wieder in ehelicher Gemeinschaft.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung der Verfügung der Beklagten vom 14. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1997 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 28. Mai 2001 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zustehe. Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG nicht zu erteilen, sei nicht ermessensfehlerhaft, wobei das Verwaltungsgericht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides und darauf abgestellt hat, dass die Einreise zur Familienzusammenführung und nicht zu Arbeitszwecken erfolgt sei. Der Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80 sei zutreffend verneint worden, wie schon der Widerspruchsbescheid ausgeführt habe. Aus Art. 7 ARB 1/80 könne der Kläger ein Aufenthaltsrecht nicht herleiten, weil er im Zeitpunkt des Nachzugs nicht dessen bedurft habe, im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides und des Widerspruchsbescheides nicht Familienangehöriger gewesen sei und jetzt nach der erneuten Heirat seine Ehefrau nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehöre.

Mit Beschluss vom 1. Februar 2002 hat der Senat auf den am Montag, den 1. Juli 2001, fristgerecht eingegangenen Antrag des Klägers hin die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, da in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu Unrecht ein nach der Sachlage bestehender Anspruch des Klägers aus § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht geprüft worden sei.

Im Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Ansicht fest, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG zustehe. Insbesondere sei sein Lebensunterhalt durch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld im Zeitpunkt der Antragstellung am 4. Mai 1994 durch einen mehr als sechsmonatigen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gesichert gewesen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG). Der Lebensunterhalt sei zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vom 14. September 1994 und zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 16. April 1997 durch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von DM 1.258,40 gesichert gewesen, da er bei seiner Schwester mietfrei gewohnt habe. Ferner sei die angefochtene Entscheidung auch deshalb rechtswidrig, weil die Beziehung zu seinen beiden im Bundesgebiet geborenen Kindern und die Auswirkungen seiner Ausreisepflicht auf diese Kinder sowie das damit verbundene und von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens keinerlei Berücksichtigung gefunden hätten. Weiter meint der Kläger, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 16. März 2000 (C 329/97 - Ergat) abweiche, soweit in der Entscheidung ausgeführt sei, dass die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 bereits deshalb nicht vorlägen, weil der Kläger im Zeitpunkt der Ablehnungsverfügung und im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides geschieden gewesen, mithin kein Familienangehöriger gewesen sei und weil im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Ehefrau des Klägers nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehört habe. Er habe einen Anspruch nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben, soweit er in der Zeit von seiner Einreise im Februar 1988 bis zur Scheidung der Ehe am 8. Januar 1993 fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet gewohnt und seine Ehefrau dem regulären Arbeitsmarkt angehört habe. Der Anspruch sei durch die zwischenzeitliche Ehescheidung nicht entfallen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2001 und unter Aufhebung der Verfügung der Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt Main vom 14. September 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1997 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat keinen Antrag zu der Berufung gestellt.

Sie ist der zugelassenen Berufung zunächst nicht entgegengetreten, sondern hat auf Anfrage vom 12. Februar 2002, ob der Kläger nicht im Hinblick auf den Zulassungsbeschluss klaglos gestellt werden könne, vorgebracht, dass der Kläger ausweislich der beigefügten Meldedaten unbekannt verzogen gewesen sei und sich erst am 10. Februar 2002 in der in angemeldet habe. Dagegen repliziert der Kläger, dass er von April 1992 bis Februar 1997 bei seiner Schwester unter der Adresse , , gewohnt habe.

Die Beklagte hat unter dem 27. Februar 2003 den Kläger aufgefordert, "das Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 darzutun und nachzuweisen, dass der Lebensunterhalt zum Zeitpunkt der Antragstellung und zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung gesichert war und auch heute noch gesichert ist. Denn nachträglich für ihn ungünstige wesentliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse muss der Kläger gegen sich gelten lassen". Weiter fordert sie die "Erläuterung, worauf das Gericht die Annahme stützt, dass der Kläger sich in einfacher Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann", und hält unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 11. März 2002 an ihrem petitum fest, dass der Kläger den Mietvertrag seiner Schwester vorzulegen und darzulegen habe, welches Zimmer er in der Wohnung bewohne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akten der abgeschlossenen Verfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (6 TZ 562/98) und vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (13 G 3419/95; 13 G 1250/97 und 13 G 2245/97) sowie die zum Verfahren beigezogenen Behördenakten (1 Hefter), die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte ist unter Abänderung des angegriffenen Urteils und des ausländerbehördlichen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids zur (rückwirkenden) unbefristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab dem 9. Mai 1994 zu verpflichten. Der Kläger hat nämlich nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (1.); zudem steht ihm ein assoziationsrechtlicher Aufenthaltserlaubnisanspruch zwar nicht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (2.), aber aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 (3.) zu. Einer Entscheidung des Hilfsantrages bedarf es nicht mehr (4.). Hieraus ergeben sich die Nebenentscheidungen über Kosten und Revisionszulassung (5.).

1. Dem Kläger steht - worauf die Beteiligten durch den Senat bereits im Zulassungsbeschluss vom 1. Februar 2002 hingewiesen wurden - ein Anspruch auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ab dem 9. Mai 1994 zu. Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier entgegen der grundsätzlich bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, 24.05.1995 - 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313 = EZAR 012 Nr. 2) der Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 4. Mai 1994. Der für die gerichtliche Überprüfung nach §§ 113, 114 VwGO und für die dabei zu Grunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt beurteilt sich nämlich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, 03.11.1987 - 9 C 254.86 -, BVerwGE 78, 243 = EZAR 221 Nr. 29). Dem Kläger geht es um die Verlängerung seines Aufenthaltsrechts ab dem Zeitpunkt, in dem die zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis ihre Gültigkeit verloren hatte, d.h. mit Ablauf der Frist am 08. Mai 1994 (zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes vgl. Hess. VGH, 10.03.2003 - 12 UE 2568/02 -; im Einzelnen Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, § 45 Rn. 226 f.; allgemein Schmidt in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rn. 45 zu § 113; zu § 24 Abs. 1 AuslG: BVerwG, 22.01.2002 - 1 C 6.01 -, EZAR 012 Nr. 6 = NVwZ 2002, 867; 29.09.1998 - 1 C 14.97 -, NVwZ 1999, 306 = EZAR 029 Nr. 10; 24.05.1995 - 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313 = EZAR 012 Nr. 2).

Der Kläger erfüllt in seiner Person die für eine rückwirkende und auf den tenorierten Zeitpunkt bezogene Verpflichtung der Beklagten erforderlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AuslG in dem danach maßgeblichen Zeitpunkt:

a) Der Kläger war im Zeitpunkt des Ablaufs der vorangegangenen Aufenthaltserlaubnis am 8. Mai 1994 seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer (jeweils befristeten) Aufenthaltserlaubnis (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft wurde ihm erstmals am 8. Juni 1988 erteilt und auf jeweils rechtzeitigen Antrag hin bis zuletzt zum 8. Mai 1994 verlängert.

b) Der Kläger verfügte auch, nachdem ihm zunächst vom 12. Februar 1991 bis zum 11. Februar 1994 eine befristete Arbeitserlaubnis erteilt worden war, zum Zeitpunkt des Ablaufs der befristeten Aufenthaltserlaubnis über die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AuslG in der damaligen Fassung erforderliche (unbefristete) besondere Arbeitserlaubnis. Diese Erlaubnis nach der seinerzeit (bis zum 31.12.1997) gültigen Norm des § 2 AEVO lag am 17. Juni 1994 der Behörde zur Prüfung vor (Aktenvermerk Bl. 59 R BA).

c) Der Besitz der in § 24 Abs. 1 Nr. 3 AuslG a. F. aufgeführten sonstigen, für die dauernde Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist vom Kläger nicht nachzuweisen, da er erkennbar solcher nicht bedarf.

d) Der Kläger verfügt, wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte, über Deutschkenntnisse, die für eine mündliche Verständigung auf einfache Art ausreichen (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 AuslG). Ein Beherrschen der deutschen Sprache ist nicht erforderlich. Sprachschatz, Ausdrucksweise und Grammatik brauchen nicht einmal die Anforderungen erfüllen, die für eine Unterhaltung auf einem für Deutsche durchschnittlichen Niveau benötigt werden. Der Ausländer braucht die deutsche Sprache nicht zu beherrschen; es genügt, wenn er sich im Alltagsleben ohne nennenswerte Schwierigkeiten verständigen kann (vgl. Nr. 24.1.4 AuslG-VwV). Wie der Kläger auf Befragen mitgeteilt hat, war und ist er in der Lage, sich bei Geschäften des täglichen Bedarfs, im Alltag wie auch früher an seinen Arbeitsplätzen, in einfacher deutscher Sprache mit deutschsprachigen Personen bzw. Arbeitskollegen zu verständigen. Soweit hinsichtlich der Sprachkenntnisse auf den Zeitpunkt Mai 1994 abzustellen ist, ist ein zweifelsfreier Nachweis nicht mehr möglich, indes davon auszugehen, dass der Kläger sich auch seinerzeit im Hinblick auf seine damalige bereits 28 Monate währende Beschäftigungszeit bei der Fa. in der geforderten einfachen Art in deutscher Sprache verständigen konnte.

e) Auch der Nachweis ausreichenden Wohnraums (§ 24 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 17 Abs. 4 AuslG) ist für die maßgebliche Zeit im Mai 1994 erbracht. Der Kläger wohnte damals seinem glaubhaften Vorbringen nach bei seiner Schwester unter der Anschrift , . Die dortige Wohnung, in der sich der Kläger, seine Schwester und ein über sechs Jahre altes Kind aufhielten, hat drei Zimmer und verfügte über eine Fläche von 66, 45 qm. Damit ist, soweit jedem Erwachsenen weit mehr als die geforderten 12 qm Wohnraum (Nr. 17.4 AuslG-VwV; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, § 33 Rn. 203) zur Verfügung stehen, ausreichender Wohnraum für den maßgebenden Zeitraum festzustellen. Der von der Beklagten geforderte weitergehende Nachweis, welches Zimmer der Kläger in dieser Wohnung bewohnt hat, ist nicht erforderlich.

f) Ausweisungsgründe sind - insbesondere nach § 46 Nr. 6 AuslG - nicht festzustellen. Der Kläger nahm zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Sozialhilfe in Anspruch. Die aus den dem Senat vorgelegten Akten nicht erkennbare Verurteilung des Klägers zu einer Geldstrafe in Höhe von DM 3.000,- wegen illegalen Aufenthalts erweist sich verständigerweise als unerheblich, soweit der illegale Aufenthalt einzig aus der rechtswidrigen Verwaltungspraxis der Beklagten resultierte.

g) Der Lebensunterhalt des Klägers war zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 8. Mai 1994, durch den Bezug von Arbeitslosengeld bis zum 11. Juli 1994 und sodann durch den sich anschließenden Anspruch auf Arbeitslosenhilfe für noch weitere sechs Monate ab dem 12. Juli 1994 gesichert (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG). Diese durch Rechtsansprüche gesicherte Prognose wurde durch die spätere Entwicklung bestätigt, der Kläger hat nämlich die ihm damals zustehende Arbeitslosenhilfe nicht in Gänze in Anspruch genommen, sondern war vom 16. September 1994 bis zum 26. September 1995 und vom 27. September 1995 bis zum 30. März 1996 wieder erwerbstätig.

2. Der Kläger hatte weder bei Ablauf der letzten Aufenthaltserlaubnis noch später einen assoziationsrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus Art. 7 ARB 1/80. Nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 haben Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in dem betreffenden Mitgliedstaat, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat auch Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung, sodass türkische Staatsangehörige sich unmittelbar auf diese Bestimmung zur Begründung von Rechten berufen können (17.04.1997 - C-351/95 -, EZAR 811 Nr. 30 = NVwZ 1997, 1104 - Kadiman; 16.03.2000 - C-329/97 - EZAR 816 Nr. 5 = NVwZ 2000, 1277 - Ergat; Hess. VGH , 05.07.2000 - 12 TG 1554/00 -, EZAR 029 Nr. 12 = InfAuslR 2000, 428). Ein Anspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 scheidet aber hier aus, da die Ehefrau des Klägers, wie dieser in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, als selbständige Schneiderin (Änderungsschneiderei) tätig und damit keine Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 war und ist.

3. Dem Kläger standen jedoch bei Ablauf der letzten Aufenthaltserlaubnis, bei der ausländerbehördlichen Versagung der Verlängerung und bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 16. April 1997 aufgrund Assoziationsrechts (Art. 6 ARB 1/80) Anwartschaften und letztlich ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis zu. Die Beklagte hat den aufenthaltsrechtlichen Status, den der Kläger jeweils zu diesen Zeitpunkten erreicht hatte, zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Kläger hat durch die Kumulation der Zeiten seiner Erwerbstätigkeit in den Jahren 1991 bis 1996 und durch die sich anschließende Zeit der Erwerbslosigkeit, die infolge des fehlerhaften Verhaltens der Beklagten den Zeiten der Erwerbstätigkeit hinzuzurechnen sind, eine über vierjährige ordnungsgemäße Beschäftigung aufzuweisen und damit inzwischen die dritte Verfestigungsstufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht. Insgesamt betrachtet konnte der Kläger zwar aufgrund Art. 6 ARB 1/80 nicht die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verlangen; sein Verlängerungsanspruch aufgrund von § 24 Abs. 1 AuslG wird aber dadurch zusätzlich gestützt, dass ihm die Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung der Beschäftigung bei der Fa. hätte verlängert werden müssen und er damit inzwischen einen assoziationsrechtlichen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke des unbeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt besitzt.

Nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 haben türkische Arbeitnehmer bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen nicht nur einen Anspruch auf Erneuerung der Arbeitserlaubnis. Darüber hinaus können diese Arbeitnehmer die Verlängerung ihres Aufenthaltsrechts verlangen, da dieses Voraussetzung für die Fortsetzung der ordnungsgemäßen Beschäftigung ist (EuGH, 16.12.1992 - C 237/91 -, EZAR 810 Nr. 7 = NVwZ 1993, 258 = InfAuslR 1993, 41 - Kus; Nr. 1.5.1 AAH-ARB 1/80; Gutmann, ZAR 2003, 60). Die Verfestigung des Erwerbsaufenthalts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 tritt unabhängig von dem Zweck der dem türkischen Arbeitnehmer ursprünglich zum Zeitpunkt der Einreise erteilten Aufenthaltserlaubnis ein (Nr. 1.6.2 Satz 3 und 4 AAH-ARB 1/80). Obwohl dem Kläger durch Aufenthaltserlaubnis vom 8. Juni 1988 zunächst der Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung gestattet worden ist, hinderte dies nicht die nach Erteilung einer Erlaubnis zur unselbständigen Erwerbstätigkeit erfolgte Aufnahme einer Arbeit bei der und die damit gegebene Möglichkeit des Hineinwachsens in die Verfestigungsstufen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.

Zwar geht Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hinsichtlich der ersten beiden Verfestigungsstufen davon aus, dass grundsätzlich eine ununterbrochene, ordnungsgemäße Beschäftigung von einem bzw. drei Jahren bei demselben Arbeitgeber ausgeübt werden muss (EuGH, 29.05.1997 - C-340/97 -, NVwZ 1997, 1188 = EZAR 811 Nr. 31 - Eker). Das Erreichen der dritten Verfestigungsstufe in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setzt indes nicht zwingend eine ununterbrochene vierjährige Beschäftigung auf der Grundlage der ersten beiden Verfestigungsstufen (vgl. Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80) voraus. Der türkische Arbeitnehmer hat nicht nur dann eine Chance der endgültigen Verfestigung, wenn er immer bei demselben Arbeitgeber gearbeitet hat; das Erreichen der Verfestigungsstufe des 3. Spiegelstrichs setzt vor allem nicht voraus, dass er zuvor die Voraussetzungen des 2. Spiegelstrichs erfüllt hat. Wenn ein türkischer Arbeitnehmer die Voraussetzungen des letzten Spiegelstrichs erfüllt, ist es nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Verfestigung unschädlich, wenn er zuvor bei mehreren Arbeitgebern tätig war. Dass die vierjährige Beschäftigungszeit bei verschiedenen Arbeitgebern zurückgelegt worden sein kann, folgt schon daraus, dass ihr ein Wechsel des Arbeitsplatzes zu einem anderen Arbeitgeber im ursprünglich genehmigten Beruf nach dem 2. Spiegelstrich der Vorschrift vorausgegangen sein kann. Entscheidend kommt es nach alledem darauf an, dass der türkische Arbeitnehmer insgesamt vier Jahre ordnungsgemäß auf dem regulären Arbeitsmarkt beschäftigt war (Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1999, S. 101; ders. in GK-AuslR, Art. 6 ARB 1/80, Rdnr. 146; a. A. Dienelt, Aktuelle Fragen zum Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger, 2001, Rn. 39). Damit hat sich nämlich seine Beschäftigung als mit dem Vorrang der Unionsbürger auf dem Arbeitsmarkt vereinbar erwiesen, sodass seiner weiteren Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt des Aufenthaltsmitgliedstaats keine Bedenken entgegenstehen.

Diese Rechtsauslegung entspricht erkennbar auch der Auffassung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts, die Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 in dem Fall eines Seemanns als gegeben angesehen haben, der über sieben Jahre aufgrund mehrmals nacheinander erteilter Aufenthaltserlaubnisse auf verschiedenen deutschen Seeschiffen beschäftigt war, also offensichtlich nicht während dieser Zeit immer oder überwiegend bei demselben Arbeitgeber tätig war (vgl. EuGH, 23.01.1997 - C-171/95 -, EZAR 811 Nr. 29 = NVwZ 1997, 677 - Tetik). Schließlich ist diese Rechtsauffassung auch für die Ausländerbehörden bundeseinheitlich zur Beachtung vorgeschrieben durch die Bestimmungen der AAH-ARB 1/80 (für Hessen vgl. Erl. d. Hess. Ministeriums des Innern und für Europapolitik vom 3.11.1998 - Az. II A 43d -). Während dort für die ersten beiden Spiegelstriche des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH im Verfahren Eker ausdrücklich eine Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber verlangt wird (Nr. 2.5.1, 2.5.2), genügt nach Nr. 2.6.1 eine mehr als vier Jahre ununterbrochen ordnungsgemäße Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt, ohne dass hierfür die Identität des Arbeitsgebers erwähnt oder als selbstverständlich zugrunde gelegt ist.

Nach alledem stellt sich die Stufenregelung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 so dar, dass die Beschäftigung bis zum Erreichen der zweiten Stufe bei demselben Arbeitgeber erfolgt sein muss, anschließend der Arbeitgeber gewechselt werden kann und der unbeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt nach insgesamt vier Jahren unselbständiger Erwerbstätigkeit ohne Rücksicht auf die Anzahl der Arbeitgeber gewährt wird. Der Vorrang der Unionsbürger soll nach vier Jahren dann entfallen, wenn dem türkischen Arbeitnehmer trotz dieses zuvor ausnahmslos geltenden Vorrangs die Arbeitstätigkeit gestattet und damit die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarkts und der zusätzliche Arbeitskräftebedarf über eine lange Zeitdauer bestätigt worden sind. Ob dem türkischen Arbeitnehmer die Beschäftigungen aufgrund von Rechtsansprüchen nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 oder aufgrund von Ansprüchen oder Ermessensentscheidungen nach deutschem Recht ermöglicht worden sind, soll unmaßgeblich sein.

Obwohl der Kläger mit den Beschäftigungen bei den Firmen (1.3.1991 bis 30.6.1993), (16.9.1994 bis 26.9.1995) und (27.9.1995 bis 31.3.1996) insgesamt nur über eine Zeit ordnungsgemäßer Beschäftigung von drei Jahren, zehn Monaten und 14 Tagen verfügte, ist er so zu behandeln, als habe er die Verfestigungsstufe des Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erreicht. Im Einzelnen:

Zunächst hatte der Kläger die Verfestigungsstufe des 1. Spiegelstrichs erreicht, da er vom 1. März 1991 bis zum 30. Juni 1993, also 28 Monate, bei der Fa. beschäftigt war. Zwar war er zum Zeitpunkt eines denkbaren Anspruchs auf Erneuerung seiner Aufenthaltserlaubnis bei diesem gleichen Arbeitgeber dort nicht mehr tätig, da er den Arbeitsplatz durch Kündigung verloren hatte und am 8. Mai 1994, dem Zeitpunkt des Ablaufs der letzten Aufenthaltserlaubnis, arbeitslos war. Dies war aber insofern unschädlich, als dem Kläger seine nach 28-monatiger Tätigkeit bei der Fa. erreichte Anwartschaft erhalten blieb. Soweit der Kläger vom 1. Juli 1993 bis zum 11. Juli 1994 Arbeitslosengeld sowie ab dem 12. Juli 1994 bis zum 15. September 1994 Arbeitslosenhilfe bezog, war dies ebenfalls assoziationsrechtlich unschädlich. Denn nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 werden die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, die aufgrund der vorherigen Beschäftigung erworbenen Ansprüche werden jedoch dadurch nicht berührt.

Die weitere Verfestigungsstufe des 2. Spiegelstrichs von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hat der Kläger nicht erreicht, da er nicht drei Jahre bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, sondern nach Beendigung seiner 28-monatigen Tätigkeit bei der Fa. im Jahre 1993 und nach der gemäß Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 unschädlichen Unterbrechung infolge unverschuldeter Arbeitslosigkeit am 16. September 1994 eine dann bis zum 26. September 1995 dauernde Beschäftigung bei der Fa. aufgenommen hat und anschließend bei der Fa. beschäftigt war. Ein Wechsel des Arbeitgebers vor dem Zeitpunkt, in dem er nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung gemäß Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 das Recht erwirbt, sich für den gleichen Beruf bei einem anderen Arbeitgeber zu bewerben, führt vielmehr dazu, dass die Jahresfrist des Art 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 neu zu laufen beginnt, die Verfestigungsstufe des 2. Spiegelstrichs also nicht erreicht werden kann (Hess. VGH, 19.04.1999 - 12 TG 4404/98 -, AuAS 1999, 158; Nr. 2.5.2 AAH-ARB 1/80). Der Kläger hat indes durch das Nichterreichen der zweiten Verfestigungsstufe nicht die erworbene und zu sichernde Anwartschaft aufgrund von insgesamt 46 Monaten und 14 Tagen hinsichtlich Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 verloren. Obwohl danach erneut Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit auftraten, stehen diese dem Erreichen des Anspruchs aus der Verfestigungsstufe des 3. Spiegelstrichs nicht entgegen. Nicht erst nach dem Erreichen der zweiten Verfestigungsstufe (dazu Hess. VGH, 11.11.1996 - 12 UE 1533/96 -, EZAR 029 Nr. 3), sondern bereits nach dem Erreichen der Position des 1. Spiegelstrichs aus Art. 6 ARB 1/80 findet Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 Anwendung. Unterbrechungen infolge unfreiwilliger Arbeitslosigkeit sind zwar nicht den Zeiten der Beschäftigung hinzuzurechnen; sie berühren indes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 den erreichten Verfestigungsanspruch nicht und sind insoweit unschädlich. Die nach der Entlassung von der Fa. anschließende Zeit steht der Annahme der erreichten Verfestigung auf der Stufe des 3. Spiegelstrichs nicht entgegen. Der Kläger war auch durch seine Entlassung von der Fa. zum 30. März 1996 nicht endgültig aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden, sondern vielmehr im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB unfreiwillig arbeitslos mit der Folge, dass seine aufenthaltsrechtliche Position aus Art. 6 Abs. 1 ARB nicht erloschen ist (Hess. VGH, 11.11.1996 - 12 UE 1533/96 -, a.a.O.). Die Zeiten der Arbeitslosigkeit berühren nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche, weil der Kläger die Fähigkeit zur Fortführung seiner Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland hatte und die Zurechnung der Zeiten der Aufrechterhaltung von erworbenen Ansprüchen dient (vgl. EuGH, 06.06.1995 - C-434/93 -, EZAR 811 Nr. 23 = InfAuslR 1995, 261 = NVwZ 1995, 1093 = DVBl. 1995, 843 - Bozkurt). Die Arbeitslosigkeit war unfreiwillig im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80, weil sie ihren Grund in der rechtswidrigen Versagung einer Aufenthaltserlaubnis hatte. "Unfreiwillig" können Zeiten von Arbeitslosigkeit auch dann sein, wenn sie ihre Ursache nicht im Verhalten von Arbeitgebern, sondern im Handeln von Dritten, hier der Ausländerbehörden, haben. Die dem Kläger nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG zustehende Aufenthaltserlaubnis hätte ihm ab dem 9. Mai 1994 erteilt werden müssen. Die Entlassung von der Fa. erfolgte, wie der Kläger glaubhaft in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, nur deshalb, weil er nicht mehr über eine Aufenthaltserlaubnis verfügte. Damit war die Arbeitslosigkeit ab April 1996 in dem Sinne unfreiwillig für den Kläger, als diesem ein im deutschen Recht wurzelnder Anspruch auf Verlängerung zustand und dies von der Beklagten ebenso wie in der Folge von der Widerspruchsbehörde und dem Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage nicht berücksichtigt wurde. Assoziationsrechtlich hatte der Kläger zwar nach gut sechs Monaten Beschäftigung bei der Fa. und bei insgesamt 46 Monaten und zwei Wochen Erwerbstätigkeit Rechtsansprüche nach einer der Stufen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht erworben. Er ist aber so zu behandeln, als hätte er seine Tätigkeit bei dem letzten Arbeitgeber fortgesetzt. Der Senat kann daher zugrundelegen, dass der Kläger - hätte man seinem Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis Rechnung getragen - entweder weiter bei der Fa. beschäftigt worden wäre oder bei einem anderen Arbeitgeber eine Anstellung hätte finden können. In beiden Fällen wäre bereits nach einer Fortsetzung der Beschäftigung für etwa eineinhalb Monate eine Gesamtbeschäftigungszeit von vier Jahren und damit die dritte Verfestigungsstufe erreicht worden.

Die damit zugunsten des Klägers anzunehmende mindestens vierjährige Beschäftigung war auch ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung erfordert grundsätzlich eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt. Damit müssen sowohl die Vorschriften über den Zugang zum Arbeitsmarkt beachtet als auch die aufenthaltsrechtliche Grundlage der Beschäftigung gegeben sein. Die von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 geforderte qualifizierte Grundlage für Aufenthalt und Beschäftigung liegt nicht vor, wenn der türkische Arbeitnehmer nur aufgrund eines Antrages oder eines Rechtsmittels während des laufenden Verfahrens im Inland verbleiben darf. Soweit der Kläger nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis und dann nach Erlass der die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Verfügung der Beklagten vom 14. September 1994 faktisch nur durch das fiktive Aufenthaltsrecht nach § 69 Abs. 3 AuslG und das Rechtsmittelverfahren seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu sichern vermochte, sind die während des Laufs des Antrags- und des Widerspruchsverfahrens erbrachten Arbeitszeiten vom 16. September 1994 bis zum 26. September 1995 bei der Fa. und vom 27. September 1995 bis zum 31. März 1996 bei der Fa. gleichwohl ordnungsgemäß im Sinne Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Die Rechtsverfolgung des Klägers hinsichtlich seines Anspruchs auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG hat sich im Berufungsverfahren mit Wirkung vom 9. Mai 1994 als erfolgreich erwiesen. Damit ist der Kläger nachträglich auch assoziationsrechtlich so zu stellen, als ob seine Beschäftigung auch in der Vergangenheit nicht nur vorübergehend erlaubt war (vgl. EuGH, 16.12.1987 - C-237/91 -, a.a.O. - Kus; Nr. 2.8.4 letzter Satz AAH-ARB 1/80). Es kann dem Kläger nicht angelastet werden, dass er nach Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis seine Arbeitstätigkeit nicht fortgesetzt und eine neue Arbeitsstelle nicht gesucht hat. Der Fortbestand assoziationsrechtlicher Aufenthaltsrechte wird nicht dadurch beendet, dass der Arbeitnehmer im Hinblick auf das Fehlen eines förmlichen Aufenthaltstitels zunächst von der Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit absieht (Hess. VGH, 19.12.2001 - 12 TZ 2009/01 u.a. -, EZAR 029 Nr. 18).

4. Einer Entscheidung über den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf eine Ermessensentscheidung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG bedarf es im Hinblick auf den Erfolg der Berufung nicht mehr. Nach dieser Vorschrift kann die Aufenthaltserlaubnis befristet verlängert werden, solange die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nicht vorliegen. Da der Kläger mit seinem Hauptantrag auf Verpflichtung zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durchdringt, ist die Bedingung für den Hilfsantrag nicht eingetreten.

5. Die Kostenfolge für das Klage- und Berufungsverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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