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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.05.2001
Aktenzeichen: 12 UE 363/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 30
AuslG § 55
1. Ein ehemaliger rumänischer Staatsangehöriger, der auf seinen Antrag aus der rumänischen Staatsangehörigkeit entlassen worden ist und keinen gültigen rumänischen Pass mehr besitzt, hat es grundsätzlich selbst zu vertreten, wenn er deswegen nicht nach Rumänien abgeschoben werden kann.

2. Einem ehemaligen rumänischen Staatsangehörigen ist es grundsätzlich zuzumuten, seine Wiedereinbürgerung in Rumänien zu betreiben und damit das Abschiebungshindernis der Staaten- und Passlosigkeit zu beseitigen.

3. Auf Grund der am 16. Mai 2001 erklärten Bereitschaft des rumänischen Innenministers, staatenlose ehemalige rumänische Staatsangehörige gemäß der deutsch-rumänischen Vereinbarung vom 9. Juni 1998 rückzuübernehmen, erscheint die Abschiebung dieser Personen nunmehr nicht weiter tatsächlich unmöglich.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12 UE 363/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Pertek, ehrenamtliche Richterin Höf, ehrenamtlichen Richter Hofmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 3. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden, falls nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 21. November 1936 in Rumänien geborene Kläger reiste am 24. August 1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Töchtern in die Bundesrepublik Deutschland ein und suchte um Asyl nach. Am 16. April 1992 wurde er auf seinen Antrag hin aus der rumänischen Staatsangehörigkeit entlassen. Mit Bescheid vom 28. September 1992 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 offensichtlich nicht vorliegen und die des § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung - in erster Linie nach Rumänien - an.

In der Folgezeit wurde der Aufenthalt des Klägers geduldet, da dessen Abschiebung nach Rumänien wegen seiner Staatenlosigkeit nicht durchzuführen war. Mit Schreiben vom 2. Juni 1995 lehnte er es ab, einen Antrag auf Rückeinbürgerung in Rumänien zu stellen. Mit Verfügung vom 4. Januar 1999 versagte ihm die Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis und eines Reiseausweises. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg; er wurde mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 7. Dezember 1999 zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, eine Aufenthaltsbefugnis komme weder nach § 30 Abs. 3 noch nach § 30 Abs. 4 AuslG in Betracht, da im Falle des Klägers Abschiebungshindernisse nicht mehr vorlägen. Es sei nunmehr der Bundesregierung gelungen, bei den rumänischen Behörden zu erreichen, dass eine Rückführung des Klägers möglich sei. Aufgrund des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 16. Oktober 1998 (II A 44 - 23d - Au 2.231a) stehe fest, dass im Falle des Klägers eine Rückführung nach Rumänien möglich sei. Nach Rücksprache mit dem rumänischen Innenministerium könne bei dem Personenkreis, zu dem der Kläger gehöre, eine Rückführung unter anderem dann erfolgen, wenn diese illegal in das Bundesgebiet eingereist seien. Da diese Voraussetzung in der Person des Klägers, der im Jahr 1990 lediglich mit einem Besuchsvisum in das Bundesgebiet eingereist sei, vorliege, sei das vorhandene Abschiebungshindernis zwischenzeitlich entfallen. Die Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 28 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (StlÜbk.) komme nicht in Betracht, da der Kläger während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nur eine Aufenthaltsgestattung bzw. eine Duldung besessen habe und damit kein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt im Sinne des Art. 28 StlÜbk. vorliege.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Januar 2000 Klage erhoben und dazu im Wesentlichen geltend gemacht, seine Einreise mit Besuchervisum könne auch nicht wegen des anschließenden Asylantrags im Nachhinein als illegal qualifiziert werden und die rumänischen Behörden hätten bislang die Möglichkeit einer Rückführung tatsächlich nach rumänischen Recht staatenlos gewordener Personen nicht verbindlich zugesichert. Schließlich sei es unzutreffend, dass nur Personen, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des StlÜbk. aufhielten, einen Reiseausweis nach Art. 28 StlÜbk. erhielten. Ein solcher Ausweis werde auch dann ausgestellt, wenn sich herausstelle, dass der Betroffene tatsächlich nicht zurückgeführt oder sonst aus dem Vertragsstaat entfernt und sein bis dahin langjähriger Aufenthalt dort endgültig verfestigt werden solle. Er selbst lebe seit 1990 in Deutschland, habe bis Anfang des Jahres 2000 gearbeitet und sei nicht der öffentlichen Hand zur Last gefallen. Erst durch Änderung der Auflage zur Duldung habe es die Beklagte erreicht, dass er nicht weiter arbeiten dürfe mit der Folge, dass er nunmehr öffentliche Mittel in Anspruch nehmen müsse. Nach alledem sei sein Aufenthalt bereits derartig verfestigt, dass die Erteilung des Reiseausweises die allein ermessensfehlerfreie Entscheidung darstelle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 7. Dezember 1999 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltsbefugnis und einen Reiseausweis nach Art. 28 StlÜbk. zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die angegriffenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, der Kläger halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da er mit einem auf drei Monate begrenzten Besuchervisum eingereist sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 3. November 2000 hinsichtlich der Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 StlÜbk. durch Verpflichtung zur erneuten Bescheidung teilweise stattgeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Klageabweisung ist ausgeführt, dem Kläger könne eine Aufenthaltsbefugnis nicht erteilt werden, weil er sich weigere, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen. Der Kläger könnte im Falle eines Antrags auf Wiedereinbürgerung die rumänische Staatsangehörigkeit wieder erhalten. Es sei nicht erkennbar, dass ihm ein Antrag auf Wiedereinbürgerung derzeit nicht zumutbar sein könnte. Soweit er darauf verweise, er habe sich mittlerweile in die deutschen Verhältnisse integriert, genüge dies zumindest derzeit nicht, um einen Antrag auf Wiedereinbürgerung als unzumutbar zu bezeichnen. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger von Anfang an damit habe rechnen müssen, dass sein Aufenthalt nur im Zusammenhang mit dem Asylverfahren gestanden habe. Angesichts des Alters des Klägers und des Umstands, dass er die meiste Zeit seines Lebens in Rumänien verbracht habe, könne nicht festgestellt werden, dass sein seit 1990 andauernder Aufenthalt in Deutschland eine Aufenthaltsverfestigung in dem Sinne herbeigeführt haben könnte, dass ihm eine Rückkehr nach Rumänien und mithin auch ein Antrag auf Wiedereinbürgerung nicht zugemutet werden könnte.

Nach Zulassung der Berufung hinsichtlich der Abweisung der Klage auf Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis durch Beschluss des Senats vom 2. Februar 2001 (12 UZ 4066/00) verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis weiter und führt dazu ergänzend aus, eine Repatriierung komme für ihn nicht in Betracht, der Lebensmittelpunkt sei in Deutschland und Verbindungen zu Rumänien würden nicht aufrecht erhalten. Die beiden Töchter, die bei der Einreise gerade sieben Jahr alt gewesen seien, seien nunmehr siebzehn Jahre alt, fühlten sich als Deutsche und seien hier vollständig integriert. Sie sprächen kaum Rumänisch, wenn sie es auch verstehen und unbeholfen lesen und schreiben könnten, und seien mithin für ein künftiges Leben in Rumänien keinesfalls vorbereitet. Beide Mädchen kämen in die 12. Klasse des Gymnasiums und beabsichtigten, ihr Abitur in Deutschland zu machen und hier zu studieren. Mit Rumänien verbinde sie gar nichts. Auch er selbst und seine Ehefrau hätten sich vollständig in Deutschland integriert, sprächen die deutsche Sprache und hätten von Beginn ihres Aufenthalts an gearbeitet, bis sie durch die Beklagte gezwungen worden seien, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus habe er selbst, da er aus dem Banat stamme, bereits sehr früh mit der Problematik zu kämpfen gehabt, dass sein Vater und sein Onkel aus politischen Gründen für einen Zeitraum von 17 Jahren in Haft gewesen sein. Der Onkel sei in seiner Eigenschaft als Präfekt von Donau-Schwaben wegen Umtrieben im Banat festgenommen und in Haft gebracht worden. Daher habe er, der Kläger, keine Möglichkeit erhalten, eine Ausbildung seiner Wahl zu absolvieren, da stets die Familiendaten erhoben worden seien und er daraufhin keinen Ausbildungsplatz erhalten habe. Glücklicherweise habe er aber ein Kunststudium betreiben können, weil in diesem Bereich solche Fragen nach dem familiären Herkommen nicht gestellt worden seien. Nach Absolvieren des Militärdienstes habe er dann beim Theater arbeiten können, und zwar zunächst beim Ungarischen und dann beim Deutschen Staatstheater. Nach im Einzelnen geschilderten Schwierigkeiten sei er Ende 1983 vom Theater entlassen worden und habe dann aufgrund der geschilderten Familiensituation keine vernünftige andere Arbeit finden können. Es sei ihm schließlich über einen Bekannten gelungen, eine Beschäftigung in einer Fabrik für Elektromotoren zu finden, die ausreichenden Lohn erbracht habe, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Als es dann zu den Erhebungen und der Demonstration gegen Ceausescu gekommen sei, sei er erneut negativ aufgefallen, da er als Grafiker und Maler viele der damals verwendeten Pamphlete hergestellt und gemeinsam mit seiner Frau in vorderster Front gegen den Kommunismus agiert habe. In dieser Zeit habe er darüber hinaus einige Zeitungsartikel veröffentlicht, die seine ablehnende Haltung gegenüber dem Kommunismus mehr als deutlich gemacht hätten. Als es dann ausgerechnet zur Wahl von Iliescu gekommen sei, habe er keine andere Möglichkeit gesehen, als mit seiner Familie aus Rumänien zu fliehen, da er habe voraussehen können, dass er keine menschenwürdige Zukunft in Rumänien mehr haben würde. In der Zeit, seit der er mit seiner Familie in Deutschland lebe, habe er in Rumänien zwei größere Anwesen geerbt, diese seien allerdings jeweils von Funktionären bewohnt, die gegenüber in Rumänien beauftragten Anwälten geltend gemacht hätten, diese Anwesen seien von ihnen gekauft und sie seien Eigentümer. Zwar erlaube die rechtliche Situation in Rumänien, solche Enteignungen rückgängig zu machen. Nach seiner Kenntnis sei dies allerdings mit einem derartigen Aufwand an Bürokratie und Beweisführung verbunden, dass er keine Aussicht sehe, einen solchen Versuch erfolgreich abschließen zu können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 3. November 2000 und Aufhebung der ausländerbehördlichen Verfügung vom 4. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 7. Dezember 1999 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.

Die Beklagte macht, ohne einen Antrag zur Berufung zu stellen, geltend, der Kläger habe ein Abschiebungshindernis geschaffen, welches er selbst zu vertreten habe. Er habe das Hindernis (Beantragung eines rumänischen Reisepasses) selbst nicht beseitigt, obwohl dies in seiner Macht stehe. Er habe somit keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 3 AuslG. Zudem weigere sich der Kläger im Sinne von § 30 Abs. 4 AuslG, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen. Der Kläger habe sich in der Vergangenheit permanent geweigert, zumutbare Maßnahmen zur Erlangung seines rumänischen Reisepasses einzuleiten. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass die Beantragung der rumänischen Staatsangehörigkeit offensichtlich fruchtlos sei, da der rumänische Staat die eingetretene Staatenlosigkeit nicht wieder zurücknehmen werde. Zumindest hätte er nachweisen müssen, dass er sich um die Ausstellung eines rumänischen Reisepasses bemüht habe. Schließlich sei der Kläger nach wie vor ausreisepflichtig, und dies treffe nach dem Kenntnisstand der Beklagten auch auf die übrigen Familienmitglieder zu. Es sei Aufgabe der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder weiter in ihrer Muttersprache und der Kultur ihres Heimatlandes erzogen würden. Vor allen Dingen deshalb, weil der Kläger und seine Familie bis heute nicht darauf vertrauen könnten, für immer im Bundesgebiet zu verbleiben. Hinsichtlich der Vorgeschichte des Klägers werde darauf verwiesen, dass das Bundesamt die hierfür zuständige Behörde sei.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist auch sonst zulässig (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 VwGO), aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich der allein in der Berufung anhängigen Aufenthaltsbefugnis zu Recht abgewiesen; denn die Ausländerbehörde hat die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ohne Rechts- und Ermessensfehler abgelehnt, und der Kläger ist hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 VwGO).

Da der Kläger weder im Ausland lebt (vgl. dazu § 30 Abs. 1 AuslG) noch sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. dazu § 30 Abs. 2 AuslG) und zudem ein erfolgloses Asylverfahren in Deutschland durchgeführt hat (vgl. dazu § 30 Abs. 5 AuslG), kann ihm eine Aufenthaltsbefugnis nur dann erteilt werden, wenn er die Voraussetzungen des Absatzes 3 oder des Absatzes 4 des § 30 AuslG erfüllt (dazu Fleuß, ZAR 2000, 60 m.w.N.). In dem einen Fall muss er unanfechtbar ausreisepflichtig sein und die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG erfüllen, im anderen Fall muss er seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig sein und eine Duldung besitzen. Beide Voraussetzungen dürften zumindest für die Vergangenheit auf ihn zutreffen; denn er konnte längere Zeit nicht nach Rumänien abgeschoben werden und besitzt aus diesem tatsächlichen Grund eine Duldung, weil er infolge Ausbürgerung staatenlos ist und derzeit keinen gültigen rumänischen Pass mehr besitzt und auch nicht erhalten kann. Allerdings haben sich seit der Antragsablehnung im Januar 1999 die insoweit maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse geändert, und hierauf kommt es vorliegend an, weil der Kläger ein Verpflichtungsbegehren verfolgt.

Ob der Kläger wegen Staatenlosigkeit und Passlosigkeit nicht nach Rumänien abgeschoben werden kann, hängt maßgeblich von der Einstellung und dem Verhalten des rumänischen Staats ab, weil dieser sich ohne Weiteres dazu bereit erklären kann, außer rumänischen Staatsangehörigen auch staatenlose ehemalige rumänische Staatsangehörige einreisen zu lassen und von Deutschland und anderen Aufenthaltsstaaten im Wege der Abschiebung zurückzunehmen (vgl. hierzu im Einzelnen Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., 2001, Einl. E Rdnr. 87 ff.). Ob eine Rückübernahmeverpflichtung ehemaliger Staatsangehöriger besteht und durchgesetzt werden kann, richtet sich letztlich nach dem Bestehen und dem Umfang völkervertragsrechtlicher Verpflichtungen.

Der Musterentwurf aufgrund der Empfehlung des EU-Rats (ABl EG Nr. C 274/21 vom 19.09.1996; Text in Hailbronner/Renner, a.a.O., S. 1057 ff.) sieht vor, dass jede Vertragspartei auf Antrag der anderen Vertragspartei formlos die Person übernimmt, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, dass sie die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei besitzt, und diese Verpflichtung gilt auch für Personen, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei aus der Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei entlassen worden sind und nicht mindestens eine Einbürgerungszusicherung seitens der ersuchenden Vertragspartei erhalten haben (Art. 1 Abs. 1). Ein Abkommen nach diesem Entwurf ist bisher zwischen Rumänien und Deutschland nicht geschlossen worden.

Die Vereinbarung zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Innenminister von Rumänien über die Rückübernahme von deutschen und rumänischen Staatsangehörigen vom 24. September 1992 (BGBl. 1993 II S. 220; Text in Renner, AuslR, 7. Aufl., 1999, S. 1080 ff.) verpflichtet rumänische Behörden lediglich dazu, illegal in Deutschland sich aufhaltende rumänische Staatsangehörige ohne besondere Formalitäten auch dann zu übernehmen, wenn sie nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses oder Personalausweises sind; es muss jedoch nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, dass diese Personen die rumänische Staatsangehörigkeit besitzen (Art. 2 Abs. 1). Das Rückübernahmeabkommen mit Rumänien zählt zu den Verträgen neueren Typs, es war aber der Bundesrepublik Deutschland zunächst nicht gelungen, gegen den rumänischen Widerstand eine Rückübernahmeregelung für rumänische Staatsangehörige zu treffen, die aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit entlassen wurden (vgl. dazu Lehnguth, ZAR 1997, 161).

In der Zwischenzeit, nämlich im Juni 1998, sind allerdings zwischen der deutschen und der rumänischen Regierung ergänzende Vereinbarungen getroffen worden, wonach auch solche Ausreisepflichtigen von der jeweils anderen Seite zurückgenommen werden müssen, die während des Aufenthalts in dem anderen Vertragsstaat auf ihre Staatsangehörigkeit verzichtet haben (Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Innenministerium von Rumänien über die Rückübernahme von staatenlosen Personen vom 9. Juni 1998, BGBl. 1999 II S. 173; Bekanntmachung vom 20.01.1999, BGBl. II S. 172). Allem Anschein nach sind diese Regelungen zunächst entweder überhaupt nicht oder nur schleppend in die Tat umgesetzt worden. So ergibt sich aus dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern, für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 16. Oktober 1998 (II A 44 - 23d Au 2.231a -), dass in einer Liste aufgeführte Personen, zu denen auch der Kläger und seine Familie gehörten, unter anderem nur nach Begehung von Straftaten zurückgeführt werden konnten. Nunmehr haben sich aber, wie aus einer Presseerklärung des Bundesministeriums des Innern vom 16. Mai 2001 hervorgeht, der rumänische und der deutsche Innenminister am 16. Mai 2001 in Berlin getroffen, und Rumänien hat sich dabei bereit erklärt, "die Ausreisepflichtigen zurückzunehmen, die sich nach dem Verzicht auf die rumänische Staatsangehörigkeit jahrelang einer Aufenthaltsbeendigung entziehen konnten". Es handelt sich danach um etwa 750 Personen, bei denen Rumänien nunmehr "seinen völkerrechtlich und vertragsrechtlich begründeten Verpflichtungen nachkommen" will.

Nach alledem ist nunmehr anders als noch während des Verwaltungs- und des Klageverfahrens nicht mehr festzustellen, dass der Abschiebung des Klägers tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, weil er nicht mehr die rumänische Staatsangehörigkeit und damit auch keinen rumänischen Pass mehr besitzt. Der Kläger wird jetzt ungeachtet des Verzichts auf seine Staatsangehörigkeit von Rumänien zurückgenommen werden, und die Ausländerbehörde kann ihm zu diesem Zweck ein EU-Laissez-passer ausstellen (vgl. Erl. d. Bundesministeriums des Innern vom 22.06.1998 - A 4 - 125610 RUM/2). In Folge dessen scheitert die Anwendung der Bestimmungen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG nunmehr schon daran, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung nicht mehr vorliegen (Abs. 3) bzw. dass der Kläger zwar eine Duldung besitzt (Abs. 4), diese aber nunmehr ohne Weiteres widerrufen werden kann oder nicht mehr verlängert zu werden braucht. Ungeachtet möglicher Verzögerungen aus technischen oder administrativen Gründen wird der Kläger in absehbarer Zeit nach Rumänien rückgeführt werden können, obwohl er weder die rumänische Staatsangehörigkeit noch einen rumänischen Pass besitzt.

Im Übrigen ist auch nicht festzustellen, dass die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für den Kläger vorliegen. Seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung stehen nämlich keine Hindernisse entgegen, die er nicht zu vertreten hat (§ 30 Abs. 3 AuslG), und er weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen (§ 30 Abs. 4 AuslG). Da er aus der rumänischen Staatsangehörigkeit aufgrund eines freiwilligen Antrags entlassen worden ist, hat er seine Staaten- und Passlosigkeit zu vertreten, so dass eine Anwendung von § 30 Abs. 3 AuslG ohne Weiteres ausscheidet (Nr. 30.3.4 AuslG-VwV). Außerdem ist es ihm zuzumuten, seine Wiedereinbürgerung in Rumänien zu betreiben, um auf diese Weise die bestehenden Abschiebungshindernisse zu beseitigen (Nr. 30.4.2 AuslG-VwV). Dies haben die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend bejaht.

Allgemein wird angenommen, dass es einem Ausländer zumutbar ist, die Wiedereinbürgerung in den Staat zu beantragen, dem er früher angehört und dessen Staatsangehörigkeit er freiwillig aufgegeben hat, es sei denn, dieser Antrag ist von vornherein aussichtslos (Nr. 30.4.2 AuslG-VwV; BVerwG, 24.11.1998 - 1 C 8.98 -, BVerwGE 108, 21 = EZAR 015 Nr. 18 = NVwZ 1999, 664; BVerwG, 16.12.1998 - 1 B 105.98 -, InfAuslR 1999, 110; Hess. VGH, 30.07.1997 - 7 UE 1874/96 -, InfAuslR 1998, 25; Fleuß, ZAR 2000, 60 m.w.N.). Darüber hinausgehend ist es sogar unter besonderen Umständen als zumutbar angesehen worden, eine neue Staatsangehörigkeit zu erwerben und dafür die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben (vgl. dazu OVG Hamburg, 26.10.2000 - 3 Bf 239/99 -, EZAR 015 Nr. 24).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, können die von dem Kläger gegen einen Wiedereinbürgerungsantrag vorgebrachten Umstände letztlich nicht die Annahme rechtfertigen, es sei für den Kläger nicht zumutbar, die Wiedereinbürgerung in Rumänien zu beantragen. Die aus der Vergangenheit vorgebrachten Hindernisse haben verständlicherweise dazu beigetragen, dass sich der Kläger innerlich von Rumänien entfernt und die rumänische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. Die inzwischen eingetretenen erheblichen Veränderungen in der innenpolitischen Situation in Rumänien lassen es für ihn umgekehrt aber nicht als unzumutbar erscheinen, diesen Schritt rückgängig zu machen und die rumänische Staatsangehörigkeit wieder anzunehmen. Dies gilt insbesondere für die von ihm dargestellten Schwierigkeiten, sein zwischenzeitlich erworbenes Erbe in Rumänien anzutreten. Soweit sich der Kläger ebenso wie seine Familienangehörigen in der Zwischenzeit an deutsche Lebensverhältnisse gewöhnt und hier eingegliedert hat, steht dies der Zumutbarkeit eines Wiedereinbürgerungsantrags deshalb nicht entgegen, weil der Kläger trotz eines jahrelangen Aufenthalts in Deutschland aufgrund der ausländerrechtlichen Vorschriften weder einen sicheren Aufenthaltsstatus noch eine berechtigte Aussicht auf einen Daueraufenthalt erwerben konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm eine derartige aufenthaltsrechtliche Position nicht etwa rechtswidriger Weise vorenthalten wurde, sondern dass ihm umgekehrt immer nur ein vorläufiger Verbleib in Deutschland gewährleistet wurde und er aufgrund der Rechtslage nicht mit einem endgültigen Verbleib in Deutschland rechnen konnte. Ein derartiges Aufenthalts- oder Bleiberecht hätte der Kläger nur erwerben können, wenn er als Asylberechtigter oder als ausländischer Flüchtling anerkannt worden wäre, wenn zu seinen Gunsten ein ausländerrechtliches Abschiebungshindernis festgestellt worden wäre oder wenn er die Voraussetzungen für ein Bleiberecht aufgrund einer zwischenzeitlichen Bleibe- oder Altfallregelung erfüllt hätte. Dies war aber nicht der Fall. Aus diesem Grunde blieb auch eine zu Gunsten des Klägers und seiner Familie im September 1998 eingelegte Petition an den Hessischen Landtag erfolglos. Da der Aufenthalt des Klägers immer nur aus tatsächlichen Gründen geduldet wurde - zuletzt nur noch für einen Monat -, erscheint es nicht unvertretbar, von dem Kläger zu verlangen, dass er nunmehr seine Wiederaufnahme in den rumänischen Staatsverband betreibt. Schließlich haben die deutschen Behörden in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um gerade die Rückführung staatenloser Rumänen zu ermöglichen.

Die Entscheidungen über die Kosten des Berufungsverfahrens, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Nichtzulassung der Revision ergeben sich aus §§ 154 Abs. 2, 167 VwGO i.V.m. §§ 709 Nr. 11, 711 ZPO und aus § 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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