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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.04.2006
Aktenzeichen: 12 UZ 1058/05
Rechtsgebiete: StAG
Vorschriften:
StAG § 16 |
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Staatsangehörigkeitsrechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch
Richterin am Hess. VGH Thürmer als Vorsitzende, Richter am Hess. VGH Debus, Richter am Hess. VGH Pabst
am 12. April 2006 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2005 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag ist zulässig (§ 124a Abs. 4 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.
Die von dem Kläger behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung lassen sich im Ergebnis nicht feststellen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ 1998, 195 = HessJMBl. 1997, 768; VGH Baden-Württemberg, 27.02.1998 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378; OVG Berlin, 09.03.1999 - 4 SN 158.98 -). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung anhand der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Beanstandungen zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Damit wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die ernstlichen Zweifel müssen an der Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen; ob sich die Entscheidung trotz formeller oder materieller Fehler letztlich doch als richtig erweist, ist im Zulassungsverfahren von Amts wegen anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu prüfen (Hess. VGH, 26.03.1998 - 6 TZ 4017/97 -, NVwZ-RR 1998, 777 m.w.N.; Hess. VGH, 15.07.1997 - 13 TZ 1947/97 -, AuAS 1998, 6; VGH Baden-Württemberg, 18.12.1997 - A 14 S 3451/97 -, NVwZ 1998, 414 = VBlBW 1998, 261; a. A. VGH Baden-Württemberg, 22.10.1997 - NC 9 S 20/97 -, NVwZ 1998, 197). Hierbei sind auch solche nach materiellem Recht entscheidungserhebliche und von dem Antragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragene Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetreten sind (BVerwG, 11.11.2002 - 7 AV 3.02 -, DVBl 2003, 401 = NVwZ 2003, 490).
Die Ausführungen des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Das Verwaltungsgericht hat die in ihrem Hauptantrag auf Feststellung der bereits erfolgten Einbürgerung und auf Herausgabe der Einbürgerungsurkunde gerichtete Klage zutreffend abgewiesen. Der Kläger ist durch die ihm im Regierungspräsidium Darmstadt am 3. Juli 2003 im verschlossenen Umschlag mitgegebene Urkunde nicht in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden. Die Voraussetzungen einer wirksamen Einbürgerung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StAG, wonach die Einbürgerung mit der Aushändigung der von der höheren Verwaltungsbehörde hierüber ausgefertigten Urkunde wirksam wird, sind nicht gegeben. Unter Aushändigung ist die förmliche Übergabe unter Mitwirkung der Behörde in den Besitz des Einzubürgernden zu verstehen (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, § 16 StAG Rdnr. 2). Eine konstitutive Aushändigung der Urkunde mit Wissen und Wollen der zuständigen Behörde lag erkennbar nicht vor. Nach dem auf der Urkunde angebrachten "Aushändigungsvermerk" ist eine solche statusbegründende Aushändigung auf der Urkunde selbst zu quittieren, was aber vorliegend nicht geschehen ist (Bl. 6 der Akte). Dem Kläger ist die für ihn bestimmte Einbürgerungsurkunde in einem verschlossenen Umschlag mit der Maßgabe übergeben worden, diesen der zuständigen Stelle bei der Landeshauptstadt A-Stadt zu übergeben. Dies hat er mit seiner Unterschrift quittiert und so wurde es vermerkt (Bl. 5 der Akte). Er ist als Bote in eigener Sache tätig geworden. Es ist nicht ausreichend, dass der Einzubürgernde vom Vorhandensein und vom Inhalt der Einbürgerungsurkunde Kenntnis erlangt hat. Deshalb ist es auch nicht erheblich, ob der Kläger, woran das Verwaltungsgericht nach seinen tatsächlichen Feststellungen begründete Zweifel formuliert hat, unterwegs tatsächlich den ihm mitgegebenen Umschlag geöffnet hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger - woran ebenfalls Zweifel bestehen - die Urkunde mit einem anders gerichteten Besitzwillen in Besitz genommen hat. Eine Aushändigung, die der in § 16 vorgesehenen Form genügt, liegt mithin nicht vor. Der Wille des Beklagten war gerade darauf gerichtet, dass die Urkunde dem Kläger noch nicht ausgehändigt werden sollte, weil noch abschließende Feststellungen durch die untere Einbürgerungsbehörde zu treffen waren.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet in seinem Ergebnis ebenso keinen Richtigkeitszweifeln, soweit die Klage auch in Bezug auf den hilfsweise gestellten Antrag, den Bescheid vom 17. Januar 2005 aufzuheben und den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern, abgewiesen worden ist. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 17. Januar 2005 ist rechtmäßig. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Auch soweit er rügt, der Beklagte habe in seinem Bescheid in Bezug auf die Nichtberücksichtigung des gegen den Kläger ergangenen Strafbefehls wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eine Ermessensentscheidung treffen müssen, ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Der Gesetzgeber hat einen Einbürgerungsanspruch nach entsprechender Aufenthaltszeit davon abhängig gemacht, dass der Einbürgerungswillige nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG bzw. § 85 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F.). Von diesem grundsätzlichen Unbescholtenheitserfordernis wird abgewichen bei der Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz, bei Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen und bei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden sind (§ 12a Abs. 1 Satz 1 StAG, § 88 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F.). Der Kläger ist mit Strafbefehl vom 4. Juni 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, wobei die Bewährungszeit am 29. Juni 2006 endet und damit noch nicht abgelaufen ist. Damit liegen die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Nichtberücksichtigung nicht vor. Eine Anwendung von § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG bzw. § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG a.F. kommt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt - nicht in Betracht. Entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag ist der Kläger wegen der noch nicht abgelaufenen Bewährungszeit nicht gewissermaßen zu einer "höheren Strafe" verurteilt, mit der Folge, dass eine Einzelfallentscheidung über die (Nicht-) Berücksichtigung der Strafe zu treffen wäre. Die obligatorische Nichtberücksichtigung einer Straftat nach Abs. 1 Satz 1 ist von der fakultativen Nichtberücksichtigung nach Abs. 1 Satz 2 strikt zu trennen. Für eine Entscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG bzw. § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG a.F. bleibt deshalb kein Raum. Es bedarf daher in diesem Verfahren keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei einer Einzelfallentscheidung der Behörde nach Satz 2 um eine einer "offenen" Ermessensbetätigung zugängliche Entscheidung handelt (so Berlit in GK-StAG, § 88 AuslG Rdnr. 41; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12a StAG Rdnr. 6; vgl. auch Hess. VGH, Beschluss v. 20.04.2005 - 12 UZ 3160/04 - und Beschluss v. 06.10.2005 - 12 TP 2549/05 -).
Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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