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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.03.2000
Aktenzeichen: 12 UZ 1407/98.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 71
VwVfG § 51 Abs. 3
Beruft sich ein Folgeantragsteller auf ein fremdsprachiges Schreiben, das nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden und ihm zur Kenntnis gelangt ist, so muss er mit dem Folgeantrag oder jedenfalls innerhalb der Frist von drei Monaten nach Kenntnisnahme den Inhalt des neuen Beweismittels und dessen Geeignetheit für eine ihm günstigere Entscheidung sowie die Einhaltung der Frist substantiiert dartun.
Gründe:

Der Antrag ist zulässig (§ 78 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AsylVfG), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 78 Abs. 3 AsylVfG die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.

Der Rechtssache kommt die ihr mit dem Zulassungsantrag beigelegte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hat eine Rechtsstreitigkeit nur dann, wenn sie eine rechtliche oder eine tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf (BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237; Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13). Die Rechts- oder Tatsachenfrage muss allgemein klärungsbedürftig sein und nach Zulassung der Berufung anhand des zugrundeliegenden Falls mittels verallgemeinerungsfähiger Aussagen geklärt werden können.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es keiner grundsätzlichen Klärung anhand des vorliegenden Verfahrens, ob die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG mit einem Asylfolgeantrag auch dann eingehalten ist, wenn der Antragsteller ein die Verfolgungsgefahr belegendes Schriftstück unverschuldet erst wesentlich später erhält und im Verfahren vorlegt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Ablehnung der Einleitung eines weiteren Asylverfahrens durch Bescheid des Bundesamts vom 31. Juli 1997 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe nicht binnen drei Monaten neue Beweismittel vorgelegt. Die Klägerin hatte zu ihrem Folgeantrag mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. April 1997 vorgetragen, es gebe neue Beweismittel, auf die sie sich ohne ihr Verschulden in ihrem früheren Asylverfahren nicht habe berufen können, und sie werde eine ergänzende Begründung mit den neuen Beweismitteln, insbesondere mit Dokumenten, die noch übersetzt werden müssten, nachreichen. Erst mit dem Klageschriftsatz vom 27. August 1997 legte sie die Ablichtungen eines Schriftstücks und dessen Übersetzung vor und gab dazu an, "inzwischen" habe sie die angekündigten Beweismittel erhalten. Der Übersetzung zufolge datiert das Schreiben der Nepal Kommunistischen Partei vom 25. März 1997 und wurde am 14. Juli 1997 in Wiesbaden von einem Dolmetscher übersetzt. Nach alledem ist von der Klägerin nicht ausreichend substantiiert dargetan, wann sie das Schreiben vom 25. März 1997 erhalten hat und aus welchen Gründen sie es mit dem Folgeantrag vom 8. April 1997 nicht vorlegen konnte. Vor allem aber hat es die Klägerin versäumt, innerhalb von drei Monaten nach Kenntnisnahme von dem später vorgelegten Schreiben dessen ungefähren Inhalt und dessen Beziehung zu ihrem Verfolgungsschicksal sowie dessen Geeignetheit für eine ihr günstigere Entscheidung im Asylverfahren darzulegen. Danach kann hier offen bleiben, ob das Schreiben selbst als Urkunde im Original schon innerhalb der Frist vorgelegt werden musste. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin im Folgeantragsverfahren wie im Erstverfahren auf eine Verfolgung wegen eines weit zurückliegenden Vorfalls beruft und sie sich zur Begründung des Folgeantrags deswegen nicht auf eine neue Sachlage, sondern auf ein neues Beweismittel bezieht. Da sie dieses Beweismittel ihrem Vortrag zufolge erst nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens erhalten hat, konnte sie es nicht in dem früheren Verfahren geltend machen (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG). Die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG beginnt mit der Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund, hier also von dem Schreiben mit Datum vom 25. März 1997. Insoweit ist die Drei-Monats-Frist ungeachtet des Zeitpunkts des Zugangs bei der Klägerin mit dem Folgeantrag beim Bundesamt eingehalten, nicht aber mit der Vorlage der Ablichtung dieses Schreibens und dessen Übersetzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Es ist jedoch hinreichend geklärt, dass bereits mit dem Folgeantrag oder zumindest innerhalb der Antragsfrist substantiiert und schlüssig der jeweils geltend gemachte Wiederaufgreifensgrund und die Tatsachen für das fehlende grobe Verschulden und die Einhaltung der Drei-Monats-Frist vorgetragen werden müssen (GK, AsylVfG, § 71 Rdnr. 126; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 71 AsylVfG Rdnr. 21; Hailbronner, AuslR, § 71 AsylVfG Rdnr. 14, 42; betr. Geeignetheit für eine dem Folgeantragsteller günstigere Entscheidung, vgl. BVerwG, 25.06.1991 - 9 C 33.90 -, EZAR 212 Nr. 8; BVerwG, 15.12.1987 - 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332 = EZAR 205 Nr. 6). Geklärt ist auch, dass für jeden Wiederaufgreifensgrund eine eigene eigenständige Drei-Monats-Frist gilt (BVerwG, 13.09.1993 - 9 C 49.92 -, EZAR 201 Nr. 24 = NVwZ 1993, 788). Die Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG gilt nicht nur für das Verfahren vor dem Bundesamt, sondern auch für im Gerichtsverfahren neu vorgebrachte Gründe, es sei denn, mit dem Vorbringen wird lediglich ein bereits ausreichend geltend gemachter Wiederaufgreifensgrund bestätigt oder ergänzt (BVerwG, 10.02.1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171 = EZAR 631 Nr. 45).

Soweit mit dem Zulassungsantrag geltend gemacht wird, das rechtliche Gehör sei verletzt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), kann dieser keinen Erfolg haben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. dazu Fritz, ZAR 1984, 189 ff.) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären und Anträge zu stellen (§§ 86 Abs. 2 und 3, 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 VwGO; BVerfG, 15.01.1980 - 2 BvR 920/79 -, BVerfGE 53, 109; Kopp, VwGO, 9. Aufl., 1992, Rdnr. 19 zu § 108, m.w.N.), und verpflichtet das Gericht darüber hinaus, das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auch in Erwägung zu ziehen (BVerfG, 09.02.1982 - 1 BvR 1379/80 -, BVerfGE 60, 1; Hess. VGH, 10.03.1989 - 12 TE 1580/88 -, InfAuslR 1989, 256). Die Gerichte sind nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem Parteivorbringen in der Begründung ausdrücklich zu befassen; alle wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden, damit festgestellt werden kann, dass das Gericht das Urrecht des Menschen auf rechtliches Gehör beachtet und nicht etwa "kurzen Prozess" mit den Beteiligten gemacht hat (vgl. dazu: § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO; BVerfG, 15.04.1980 - 1 BvR 1365/78 -, BVerfGE 54, 43; BVerwG, 15.10.1985 - 9 C 3.85 -, EZAR 630 Nr. 22 = ZfSH/SGB 1986, 505; Hess. VGH, 23.10.1995 - 13 UZ 2713/94 -; Hess. VGH, 17.02.1995 - 12 UZ 328/95 -). Unter Beachtung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, das Verwaltungsgericht habe das Klagevorbringen in Wirklichkeit nicht zur Kenntnis genommen und damit rechtliches Gehör versagt.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtberücksichtigung des Schreibens vom 25. März 1997 kommt nach den obigen Ausführungen deshalb nicht in Betracht, weil das Verwaltungsgericht dieses Schreiben zutreffend aus Gründen des formellen Verfahrensrechts nicht berücksichtigt hat.

Die Entscheidungen über die Kosten des Antragsverfahrens beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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