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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 12 UZ 2284/01.A
Rechtsgebiete: GG, VwGO, AsylVfG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 16a
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 130
VwGO § 138
AsylVfG § 78
AsylVfG § 79
1. Versäumt das Verwaltungsgericht die notwendigen Feststellungen für die Annahme einer internen Fluchtalternative, kann die Berufung gegen das Urteil weder wegen Versagung rechtlichen Gehörs noch wegen anderer Verfahrensfehler zugelassen werden.

2. Auch wenn ein verwaltungsgerichtliches Urteil auf Verfassungsbeschwerde hin wegen Verstoßes gegen die besondere gerichtliche Aufklärungsverpflichtung in Asylsachen ("Ermittlungstiefe") oder gegen das Willkürverbot oder die Rechtsschutzgarantie aufzuheben wäre, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Berufung.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 UZ 2284/01.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Pertek

am 25. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen am 31. Juli und 1. August 2001 zugestellt wird abgelehnt.

Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu je 1/10 zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Der auf den asylrechtlichen Teil des Verfahrens beschränkte Antrag ist zulässig (§ 78 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AsylVfG), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 78 Abs. 3 AsylVfG die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.

Entgegen der Auffassung der Kläger weicht das angegriffene Urteil nicht zu Lasten der Kläger zu 2) bis 4) und 9) von den Urteilen des beschließenden Senats vom 19. April 1995 - 12 UE 253/95 -, vom 14. August 1995 - 12 UE 2496/94 - und vom 23. März 1998 - 12 UE 2918/96.A - ab.

Die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. In Asylrechtsstreitigkeiten ist die Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zuzulassen, wenn das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Divergenzrüge kann im Hinblick auf die Funktion des Rechtsmittels der Berufung und die Aufgaben der Berufungsinstanz gerade in Asylstreitigkeiten - ähnlich wie die grundsätzliche Bedeutung bei der Grundsatzberufung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG (vgl. dazu: BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237) - sowohl rechtliche als auch tatsächliche Fragenbereiche betreffen (BVerwG, a.a.O.; Hess. VGH, 18.02.1985 - 10 TE 263/83 -). Dabei setzt eine die Berufungszulassung rechtfertigende Divergenz im rechtlichen Bereich voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil bei objektiver Betrachtung von einem Rechtssatz abweicht, den z. B. das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat. Erforderlich ist hierfür nicht, dass die Abweichung bewusst oder gar vorsätzlich erfolgt; es genügt vielmehr ein Abgehen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Weise, dass das Verwaltungsgericht dem Urteil erkennbar eine Rechtsauffassung zugrunde legt, die einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht (Hess. VGH, 10.07.1986 - 10 TE 641/86 -; Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13). Andererseits kann eine zur Berufungszulassung führende Abweichung dann nicht festgestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht gegen vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Grundsätze verstößt, indem es diese stillschweigend übergeht oder sie übersieht (vgl. dazu BVerwG, 23.08.1976 - III B 2.76 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 147), den Sachverhalt nicht in dem erforderlichen Umfang aufklärt, eine rechtlich gebotene Prüfung tatsächlicher Art unterläßt (Hess. VGH, 15.02.1995 - 12 UZ 191/95 -, EZAR 633 Nr. 25 = AuAS 1995, 127) oder den festgestellten Sachverhalt fehlerhaft würdigt (vgl. dazu BVerwG, 17.01.1975 - VI CB 133.74 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 128) und damit Rechtsgrundsätze des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend auslegt oder anwendet; denn nicht jeder Rechtsverstoß in der Form einer unzutreffenden Auslegung oder Anwendung von Rechtsgrundsätzen gefährdet die Einheit der Rechtsprechung, die durch die Vorschrift des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG (ähnlich wie durch die Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO über die Divergenzrevision) gesichert werden soll (vgl. Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13 m.w.N.). Die Divergenzzulassung setzt voraus, dass das erstinstanzliche Urteil auf der festgestellten Abweichung beruht. Sie kann aber nicht mit der Begründung versagt werden, das Urteil erweise sich aus anderen Gründen als richtig (a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, 05.11.1991 - 22 A 3120/91 A -, EZAR 633 Nr. 18); für die Berufungszulassung fehlt nämlich eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift (Hess. VGH, 12.06.1995 - 12 UZ 1178/95 -; Hess. VGH, 20.12.1993 - 12 UZ 1635/93 -; vgl. dazu Kopp, VwGO, 9. Aufl., 1992, Rdnr. 19 zu § 132).

Zu Unrecht meinen die Kläger, das Verwaltungsgericht weiche in dem dargestellten Sinne von den oben genannten Entscheidungen des beschließenden Senats über die Verfolgungsgefahr für wehrdienstpflichtige junge Christen aus der Türkei ab, obwohl es sich mit den grundsätzlichen Feststellungen und Ausführungen des beschließenden Senats mit keinem Wort auseinandersetze und ihnen somit nicht ausdrücklich widerspreche. Entgegen der Auffassung der Kläger ist hierin keine rechtsgrundsätzliche Abweichung zu sehen. Dem Verwaltungsgericht konnte zwar die mögliche Wehrpflichtigkeit der genannten Kläger und die daraus nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats im Allgemeinen folgende Verfolgungsgefahr durch Zwangsbeschneidung bewusst sein, mit dem Schweigen zu dieser Frage hat das Verwaltungsgericht jedoch keinen abweichenden Grundsatz über Rechts- oder Tatsachenfragen ausdrücklich aufgestellt oder stillschweigend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies könnte im Rahmen des Zulassungsverfahrens allenfalls dann angenommen werden, wenn diese Frage während des Klageverfahrens von einem der Beteiligten oder dem Gericht erörtert worden wäre; dies war jedoch hier nicht der Fall. Auf die wehrpflichtigen Christen möglicherweise drohende Verfolgung ist weder in der Klagebegründung vom 25. März 1994 noch später von den Klägern abgestellt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 29. Mai 2001 ist der Niederschrift zufolge der Fragenkomplex um die Verfolgung im Wehrdienst nicht erörtert worden, obwohl alle Kläger persönlich anwesend waren. Unter diesen Umständen kann eine zur Zulassung führende Divergenz nicht festgestellt werden. Weder das vollständige Außerachtlassen eines Tatbestandskomplexes noch die darauf beruhende Nichtanwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Berufungsgerichts kann als Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG anerkannt werden.

Der Rechtssache kommt die ihr mit dem Zulassungsantrag beigelegte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hat eine Rechtsstreitigkeit nur dann, wenn sie eine rechtliche oder eine tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf (BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237; Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13). Die Rechts- oder Tatsachenfrage muss allgemein klärungsbedürftig sein und nach Zulassung der Berufung anhand des zugrundeliegenden Falls mittels verallgemeinerungsfähiger Aussagen geklärt werden können (Hess. VGH 30.05.1997 - 12 UZ 4900/96.A -, EZAR 633 Nr. 30 = FamRZ 1999, 1267).

Entgegen der Auffassung der Kläger bedarf es keiner grundsätzlichen Klärung anhand des vorliegenden Falles, "ob die zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative notwendige wirtschaftliche Existenzmöglichkeit durch Geschwister und Verwandte aus dem Ausland bereits dann angenommen werden kann, wenn lediglich pauschal festgestellt wird, dass diese arbeiten oder ob hierzu auch konkrete Feststellungen über deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zu treffen sind." Wie in der Zulassungsschrift näher dargelegt ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt, in welcher Weise die Gerichte die Voraussetzungen einer internen Fluchtalternative festzustellen und in der schriftlichen Entscheidung darzustellen haben. In der ebenfalls zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats sind die allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer internen Fluchtalternative für Christen in der Türkei jedenfalls für die Verhältnisse im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung anhand der damals vorliegenden Erkenntnisgrundlagen überprüft und festgestellt worden. Die Kläger haben nicht ausreichend dargetan, dass anhand ihres Falles darüber hinausgehende verallgemeinerungsfähige Aussagen getroffen werden können. Die von ihnen formulierte Frage bezieht vielmehr Einzelheiten der Sicherung einer wirtschaftlichen Existenzmöglichkeit ein, die so sehr von den individuellen Umständen abhängig sind, dass sie einer grundsätzlichen Klärung nicht zugeführt werden können. Dabei muss offen bleiben, ob die Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit den Anforderungen des beschließenden Senats in seiner ständigen Rechtsprechung vereinbar sind.

Soweit mit dem Zulassungsantrag geltend gemacht wird, das rechtliche Gehör sei verletzt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), kann dieser keinen Erfolg haben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. dazu Fritz, ZAR 1984, 189 ff.) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären und Anträge zu stellen (§§ 86 Abs. 2 und 3, 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 VwGO; BVerfG, 15.01.1980 - 2 BvR 920/79 -, BVerfGE 53, 109; Kopp, VwGO, 9. Aufl., 1992, Rdnr. 19 zu § 108, m.w.N.), und verpflichtet das Gericht darüber hinaus, das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auch in Erwägung zu ziehen (BVerfG, 09.02.1982 - 1 BvR 1379/80 -, BVerfGE 60, 1; Hess. VGH, 10.03.1989 - 12 TE 1580/88 -, InfAuslR 1989, 256). Die Gerichte sind nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem Parteivorbringen in der Begründung ausdrücklich zu befassen; alle wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden, damit festgestellt werden kann, dass das Gericht das Urrecht des Menschen auf rechtliches Gehör beachtet und nicht etwa "kurzen Prozess" mit den Beteiligten gemacht hat (vgl. dazu: § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO; BVerfG, 15.04.1980 - 1 BvR 1365/78 -, BVerfGE 54, 43; BVerwG, 15.10.1985 - 9 C 3.85 -, EZAR 630 Nr. 22 = ZfSH/SGB 1986, 505; Hess. VGH, 23.10.1995 - 13 UZ 2713/94 -; Hess. VGH, 17.02.1995 - 12 UZ 328/95 -). Unter Beachtung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, das Verwaltungsgericht habe das Klagevorbringen in Wirklichkeit nicht zur Kenntnis genommen und damit rechtliches Gehör versagt.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist darin, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen über die rechtlichen Verpflichtungen und die Bereitschaft und Fähigkeit ihrer Verwandten zur Zahlung von Unterstützungsleistungen an sie in Istanbul trifft, eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu sehen. Legt man die hierzu nach der Verhandlungsniederschrift feststellbaren Erklärungen der Kläger zugrunde, erscheinen die gegen die summarischen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Bedenken der Kläger allerdings nicht unbegründet. Insbesondere fehlt es sowohl in dem Verhandlungsprotokoll als auch in den Entscheidungsgründen an konkreten tatsächlichen Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der in den Entscheidungsgründen genannten Familienangehörigen und über deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft für Unterstützungszahlungen an die Kläger nach deren Rückkehr in die Türkei und im Übrigen auch an Feststellungen über den Unterhaltsbedarf der Kläger in Istanbul und die Höhe der hierfür notwendigen Geldleistungen aus dem Ausland. Die Kläger weisen zu Recht darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht besondere Anforderungen an die Feststellung von allgemeinen Tatsachen aufgestellt haben, die für die Prognose einer politischen Verfolgungsgefahr und die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative benötigt und herangezogen werden (vgl. dazu BVerfG-Kammer, 24.03.1997 - 2 BvR 1024/95 -, EZAR 203 Nr. 9 = NVwZ-Beil. 1997, 65 = InfAuslR 1997, 273; BVerfG-Kammer, 22.01.1999 - 2 BvR 86/97 -, EZAR 201 Nr. 30 = NVwZ-Beilage 1999, 81 = InfAuslR 1999, 273; BVerwG, 05.07.1994 - 9 C 158.95 -, BVerwGE 96, 200 = EZAR 202 Nr. 25; BVerwG, 31.10.1994 - 9 C 25.94 -, EZAR 630 Nr. 34 = VBlBW 1995, 136). Auch unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen lässt sich jedoch im vorliegenden Fall eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht feststellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 5. Juli und 31. Oktober 1994 nicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs als verletzt angesehen, sondern das Gebot der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO; dessen Nichtbeachtung stellt indes keinen Zulassungsgrund im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 VwGO dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Kammer-Beschlüssen vom 24. März 1997 und vom 22. Januar 1999 die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntgabe von Erkenntnisquellen im Zusammenhang mit der Feststellung allgemeiner politischer oder wirtschaftlicher Verhältnisse in dem Verfolgerstaat als Teil der gerichtlichen Verpflichtungen zur Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG angesehen. Dem steht es jedoch nicht gleich, wenn ein Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall Feststellungen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaft von Verwandten von Asylklägern trifft, ohne hierzu ausreichende Grundlagen und tatsächliche Einzelheiten zu erörtern und zum Gegenstand seiner Überzeugungsbildung zu machen. Die nicht ausreichende Feststellung individueller Prognosetatsachen ist nicht mit der Verweigerung rechtlichen Gehörs gleichzusetzen.

Möglicherweise ist darin eine mit dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a Abs.1 GG nicht zu vereinbarende (zur "Ermittlungstiefe" allg. m. w. N. BVerfG-Kammer, 03.03.2000 - 2 BvR 39/98 -, EZAR 212 Nr. 11 = NVwZ-Beil. 2000, 78 = DVBl. 2000, 1048; BVerfG-Kammer, 22.07.1996 - 2 BvR 1416/94 -, EZAR 631 Nr. 43 = NVwZ-Beil. 1997, 11 = InfAuslR 1996, 355) oder dem allgemeinen Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderlaufende ( dazu allg. m. w. N. BVerfG-Kammer, 08.06.2000 - 2 BvR 2279/98 -, EZAR 215 Nr. 21; BVerfG-Kammer, 16.10.1998 - 2 BvR 1328/96 -, EZAR 206 Nr. 12 = NVwZ-Beil. 1999, 10 = DVBl. 1999, 165 = InfAuslR 1999, 41) Verfahrensweise oder ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (dazu m. w . N. BVerfG-Kammer, 24.03.1997 - 2 BvR 1024/95 -, a.a.O.) zu sehen, die im Verfassungsbeschwerdeverfahren festgestellt werden kann; ein Zulassungsgrund wegen Versagung rechtlichen Gehörs lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die damit verbundene zusätzliche Belastung des Bundesverfassungsgerichts ist unter Umständen rechtspolitisch nicht erwünscht, als Folge der besonderen Beschränkung des Instanzenzugs in Asylstreitverfahren aufgrund des gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsprozess (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO) eingeschränkten Zulassungskatalogs (vgl. § 78 Abs. 3 AsylVfG) mit dem unterschiedlichen Zulassungssystem aber untrennbar verbunden, wobei es nicht als unsachgerecht erscheinen kann, dass bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde das Verfahren bei dem Verwaltungsgericht fortzusetzen ist und nicht bei dem Berufungsgericht, das an einer Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht seinerseits gehindert ist (vgl. § 79 AsylVfG und § 130 VwGO).

Die Entscheidungen über die Kosten des Antragsverfahrens beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und auf § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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