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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 12 UZ 2530/03
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 30 | |
AuslG § 32 | |
AuslG § 55 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Ausländerrechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich
am 29. Januar 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 17. Juni 2003 wird abgelehnt.
Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu je 1/6 zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 24.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige, die in den Jahren 1991 bis 1993 nach Deutschland einreisten und hier um Asyl nachsuchten. Ihre Asylanträge wurden mit Bescheiden des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30. September 1993 und 2. Mai 1994 abgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 31. Oktober 2001 als unbegründet abgewiesen. Der beschließende Senat hat die Berufung auf Antrag der Kläger mit Beschluss vom 13. Mai 2003 (12 UZ 348/02.A) zugelassen und sie dann wegen nicht rechtzeitiger Begründung mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 10. Dezember 2003 (12 UE 1250/03.A) als unzulässig verworfen.
Mit Anwaltsschreiben vom 13. Januar 2000 haben die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis "gemäß der Härtefallregelung der Innenministerkonferenz" beantragt und nachfolgend hierzu auf Anforderung der Ausländerbehörde zusätzliche Unterlagen vorgelegt. Mit Bescheid der Ausländerbehörde vom 2. November 2000 wurden die "Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen gemäß § 32 Ausländergesetz (AuslG)" abgelehnt, weil verschiedene notwendige Integrationsbedingungen nicht vorlägen. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. In dem Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2001 ist über die Begründung hinsichtlich des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 19. November 1999 hinaus ausgeführt, daneben lasse sich ein individueller Anspruch der Kläger aus § 30 Abs. 2 AuslG nicht herleiten, da eine außergewöhnliche Härte begründende Umstände nicht ersichtlich seien. Zur Begründung der hiergegen am 16. November 2001 erhobenen Klage haben sich die Kläger im Einzelnen mit den Voraussetzungen der Altfallregelung auseinandergesetzt und hierzu in der Folgezeit auch weitere Unterlagen vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2003 haben sie die Begründung dahin ergänzt, dass ihnen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 i.V.m. § 55 Abs. 2 AuslG zustehe. Das rechtliche Abschiebehindernis ergebe sich aus europäischen Rechtsgrundsätzen. Es sei eine Verletzung der Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK im engeren Sinne gegeben, konkret eine Verletzung des Gebots der angemessenen Verfahrensdauer und der Fairness im Rahmen der Asylverfahren und des daraus folgenden Aufenthaltsstatus sowie eine Verletzung des Grundsatzes auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2003 abgewiesen, weil die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätten. Die Kläger erfüllten die in der Altfallregelung enthaltenen Integrationsbedingungen zum maßgeblichen Zeitpunkt des 19. November 1999 nicht. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 AuslG komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Kläger könnten sich von vornherein nicht auf Art. 6 EMRK berufen, weil Streitigkeiten über ausländerpolizeiliche Maßnahmen ausdrücklich nicht als zivilrechtlich angesehen würden und vorliegend Streitgegenstand nicht das Asylklageverfahren sei, sondern das ausländerrechtliche Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Im Übrigen sei das Verfahren beim VG Gießen zügig einer Entscheidung zugeführt worden, und die Kläger hätten es selbst durch ihr Verhalten erheblich verzögert.
Mit dem rechtzeitig gestellten und begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger mehrere Zulassungsgründe geltend, befassen sich aber ausschließlich mit einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis infolge Verletzung des Gebots der angemessenen Verfahrensdauer.
II.
Der Zulassungsantrag kann keinen Erfolg haben.
Soweit sich die Kläger darauf berufen, die Rechtssache weise besondere rechtliche Schwierigkeiten auf und es seien der Beurteilung durch das Berufungsgerichts unterliegende Verfahrensmängel gegeben, auf denen die Entscheidung beruhe, ist der Zulassungsantrag unzulässig, weil insoweit Gründe für die Zulassung der Berufung nicht dargelegt worden sind (§ 124a Abs. 1 Sätze 1, 3 und 4 VwGO). Hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils und der von ihnen im Einzelnen bezeichneten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist der Zulassungsantrag zwar zulässig, aber nicht begründet, weil mit ihm ein Grund, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan ist.
Die Kläger machen zwar zu Recht geltend, dass das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen insoweit unzutreffend zur Kenntnis genommen hat, als es die Rüge einer zu langen Verfahrensdauer auf das vorliegende aufenthaltsrechtliche und nicht auf das von den Klägern gemeinte asylrechtliche Verfahren bezogen hat. Damit hat das Verwaltungsgericht zugleich eindeutig zur Klagebegründung gehörendes Vorbringen rechtlich zu prüfen unterlassen und möglicherweise Art. 6 EMRK unzutreffend ausgelegt und angewandt. Es kommt aber für die Entscheidung über den Zulassungsantrag nicht darauf an, ob Art. 6 EMRK für das Verfahren über den Asylantrag der Kläger überhaupt gilt (verneinend: Meyer-Ladewig, EMRK, 2002, Art. 6 Rdnr. 9; Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl., 2001, Art. 6 Rdnr. 52; a.A. OVG Mecklenburg-Vorpommern, 30.03.1998 - 3 L 29/98 -, NVwZ 1998, 1111 = InfAuslR 1998, 323). Es braucht in diesem Zusammenhang auch nicht entschieden zu werden, ob die hier festzustellende Verfahrensdauer von insgesamt etwa zehn Jahren von der Asylantragstellung bis zur rechtskräftigen Ablehnung der Asylklage oder von sieben Jahren von der Erhebung der Asylklage bis zu deren Entscheidung in erster Instanz als übermäßig lang zu bewerten ist und deshalb einen Verstoß gegen zumindest das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) darstellen kann (vgl. dazu etwa betreffend Strafverfahren BVerfG-Kammer, 25.07.2003 - 2 BvR 153/03 -, NJW 2003, 2897 = JZ 2003, 999; zum brandenburgischen Verfassungsrecht vgl. VerfG Brandenburg, 20.03.2003 - 108/02 -, EZAR 630 Nr. 41 = NVwZ 2003, 1379 betreffend eine Asylverfahrensdauer von gut drei Jahren). Schließlich ist es für die Entscheidung über den Zulassungsantrag auch nicht von Bedeutung, welche Folgen aus einer übermäßigen Dauer eines Asylverfahrens abzuleiten sind, ob insbesondere daraus ein Anspruch darauf erwächst, dass eine staatlich zu verantwortende überlange Verfahrensdauer im Rahmen der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu Gunsten des erfolglosen Asylbewerbers berücksichtigt wird.
In dem vorliegenden Verfahren ist nämlich nicht über einen möglichen Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wegen zu langer Dauer des Verfahrens bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag entschieden worden. Verfahrensgegenstand war von Anfang an vielmehr nur ihr Begehren um Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund der Altfallregelung vom November 1999.
Grundsätzlich bedarf die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung eines Antrags des Ausländers (vgl. § 69 AuslG). Ausgenommen sind nur die Fälle, in denen die Ausländerbehörde gesetzlich dazu verpflichtet ist, eine Aufenthaltsgenehmigung von Amts wegen zu erteilen (vgl. etwa § 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG). In dem Genehmigungsantrag muss hinreichend bestimmt sein, welchen Aufenthaltstitel der Ausländer begehrt, und bei der Klärung des Ziels des Aufenthaltsbegehrens sind Grund und Zweck sowie Dauer des Aufenthalts von wesentlicher Bedeutung, weil diese Kriterien den Charakter einer Aufenthaltsgenehmigung bestimmen (vgl. Nr. 5.6 Sätze 2 bis 4 AuslG-VwV). Das jeweils geltend gemachte Aufenthaltsbegehren wird aber nicht nur durch die Art des Aufenthaltstitels bestimmt, sondern auch durch den von dem Ausländer verfolgten Aufenthaltszweck; denn die Erteilung einer bestimmten Art von Aufenthaltsgenehmigung kann unterschiedlichen Zwecken dienen, so zum Beispiel die Aufenthaltserlaubnis für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für das Zusammenleben mit Familienangehörigen. Um diesen Aufenthaltszweck ausreichend zu bezeichnen, bedarf es zudem der Schilderung eines bestimmten Lebenssachverhalts, aus dem der Ausländer den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung herleitet. Einerseits können Anträge auf Erteilung verschiedener Aufenthaltsgenehmigungen oder die tatsächlichen Grundlagen für eine bestimmte Aufenthaltsgenehmigung gemeinsam geltend gemacht werden, andererseits kann aber der Übergang zu einem anderen Aufenthaltstitel oder einem anderen rechtsbegründenden Lebenssachverhalt eine Änderung des Verfahrensgegenstands bedeuten (dazu Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 8/137 bis 141). So handelt es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände, wenn eine Aufenthaltserlaubnis einmal zum Zwecke der Familienzusammenführung und zum anderen für eine Erwerbstätigkeit oder wenn eine Aufenthaltsbewilligung für eine kurzzeitige Beschäftigung oder für eine Krankenhausbehandlung beantragt wird. Zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände liegen auch dann vor, wenn zwar mit beiden Anträgen eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der ehelichen Lebensgemeinschaft begehrt wird, während des Verfahrens aber die Ehe mit dem einen Ehegatten geschieden und dann die Erlaubnis zum Zusammenleben mit dem weiteren Ehegatten angestrebt wird. Kann das Begehren, aufgrund eines bestimmten Sachverhalts, zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, auf mehrere Rechtsnormen gestützt werden, so handelt es sich dabei nicht ohne Weiteres um mehrere selbstständige Verfahrensgegen- stände, anders verhält es sich jedoch, wenn ein Ausländer den Zuzug sowohl als Ehegatte einer Ausländerin mit Aufenthaltsberechtigung als auch als personensorgeberechtigter Elternteil eines deutschen Kindes aus einer früheren Ehe und außerdem als Wiederkehrer zu erreichen sucht. Schließlich sind auch die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen für eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Erlassanordnung nach § 32 AuslG und die für eine Aufenthaltsbefugnis aufgrund der unterschiedlichen Fallgestaltung des § 30 AuslG so verschieden voneinander, dass es sich hier um jeweils getrennte Verfahrensgegenstände handelt, wobei es dem Ausländer unbenommen bleibt, beide Antragsgegenstände in einem Antrag formell zusammenzufassen. Es kann dahinstehen, ob diese Unterscheidung auch innerhalb der Fallgruppe des § 30 AuslG getroffen werden muss, weil dort einmal der Aufenthalt im Inland und einmal der Aufenthalt im Ausland und einmal ein rechtmäßiger und dann wieder ein rechtswidriger Aufenthalt vorausgesetzt sind. Struktur sowie rechtliche und tatsächliche Voraussetzungen in § 30 und in § 32 AuslG unterscheiden sich aber so grundlegend voneinander, dass mit einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG nicht ohne weiteres auch die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG als angestrebt zu gelten hat (ebenso Bayrischer VGH, 09.04.2003 - 10 B 01.1089 -, EZAR 620 Nr. 12). So liegt es auch hier.
Die Kläger haben bei der Ausländerbehörde lediglich eine Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG i.V.m. der Altfallregelung beantragt und die hierzu erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Der Landrat hat in dem Bescheid vom 2. November 2000 ausschließlich hierüber entschieden. Wenn das Regierungspräsidium Gießen in dem Widerspruchsbescheid auch auf § 30 Abs. 2 AuslG eingegangen ist, ändert dies nichts an der ursprünglichen Beschränkung des Verfahrensgegenstands. Diese strikte Beschränkung auf das Begehren einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund der Vorschrift des § 32 AuslG wurde von den Klägern ausdrücklich bei der Klageerhebung im November 2001 eingehalten. Die Vorschrift des § 30 AuslG wurde, ohne dass einer der Absätze genannt wurde, erst mit dem Anwaltsschriftsatz vom 16. Juni 2003 ins Feld geführt, also mehr als zwei Jahre nach Ablauf der Klagefrist und einen Tag vor der mündlichen Verhandlung am 17. Juni 2003. Der Niederschrift über diese mündliche Verhandlung ist nicht zu entnehmen, dass der Vertreter des Beklagten sich mit dieser neuen Rechtsgrundlage für eine Aufenthaltsbefugnis auseinandergesetzt und den Antrag auf Klageabweisung auch insoweit begründet hat. Wenn das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen ausgeführt und im Einzelnen begründet hat, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht in Betracht komme, dann ist insoweit über einen Gegenstand entschieden worden, der nicht Verfahrensgegenstand der Klage war. Die Vorschriften der §§ 30 und 32 AuslG haben zwar gemeinsam, dass in beiden Fällen die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis geregelt ist. Die zugrundeliegenden Tatbestände des § 32 AuslG einerseits und der einzelnen Fallgruppen des § 30 AuslG andererseits unterscheiden sich aber - wie ausgeführt - grundlegend voneinander. Die Kläger haben sich ersichtlich auch nicht auf die besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 AuslG berufen, der in dem Widerspruchsbescheid erwähnt ist. Obwohl die Kläger für ihren Anspruch aufgrund überlanger Verfahrensdauer eine bestimmte Vorschrift des § 30 AuslG nicht nennen, ergibt sich aber aus ihrem Vorbringen über die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG, dass sie ihren Anspruch insoweit auf § 30 Abs. 3 AuslG stützen. Dort ist aber die unanfechtbare Ausreispflicht des Ausländers grundlegend vorausgesetzt. Gerade diese Voraussetzungen hatten sie jedoch nicht erfüllt, bis ihr Asylverfahren mit dem dann rechtskräftig gewordenen Beschluss des beschließenden Senats vom 10. Dezember 2003 rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 GKG analog.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ende der Entscheidung
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