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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 23.12.2003
Aktenzeichen: 2 A 1517/01
Rechtsgebiete: LuftVG


Vorschriften:

LuftVG § 9 Abs. 3
1. Keine Einschränkung der Betriebsgenehmigung

2. Teilurteil betreffend Flörsheim, Hattersheim und Hochheim


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Teilurteil

2 A 1517/01

Verkündet am 23. Dezember 2003

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Luftverkehrsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Hassenpflug, Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richter am Hess. VGH Pabst, Richter am VG Kassel Steinberg (abgeordneter Richter), ehrenamtliche Richterin Dr. Brenneis, ehrenamtliche Richterin Gnadl

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. und 12. November 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit die Klägerinnen die Verpflichtung des Beklagten begehren, den Flugbetrieb vom und zum Flughafen E-Stadt über die Regelungen in den Bescheiden des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April und 24. September 2001 hinaus einzuschränken, werden die Klagen abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision gegen dieses Teilurteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen, die Städte Flörsheim am Main, Hattersheim am Main und Hochheim am Main, begehren aus Lärmschutzgründen eine Einschränkung und Ergänzung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen E-Stadt.

Der Flughafen E-Stadt ist vor dem 2. Weltkrieg angelegt worden. Die Betriebsgenehmigung, die mit einem allgemeinen Auflagenvorbehalt versehen ist, wurde mehrfach geändert und neu gefasst; insbesondere durch Bescheid des damaligen Hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 20. Dezember 1957. Auf der Grundlage weiterer Genehmigungen vom 27. Oktober 1960 und 3. Juni 1964 wurde die nördliche Start- und Landebahn (07 L/25 R) auf 3.900 m sowie die südlich parallel verlaufende Start- und Landebahn (07 R/25 L) auf 3.750 m verlängert.

Mit Bescheid vom 23. August 1966 genehmigte der Hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr im Zuge des geplanten Ausbaus des Flughafens die nochmalige Verlängerung der (parallelen) Start- und Landebahnen auf jeweils 4.000 m mit einer Verlegung der Schwellen 25 R und 25 L um ca. 600 bzw. 670 m nach Westen sowie die Anlage der Startbahn 18 (West) mit einer Länge von ebenfalls 4.000 m. Der Betrieb der Startbahn 18 ist auf Starts in Richtung Süden beschränkt.

Durch Beschluss vom 23. März 1971 stellte das Ministerium den Plan für die Errichtung der Startbahn 18 (West) und die Verlängerung des bestehenden Parallelbahnsystems im Wesentlichen entsprechend dem 1966 genehmigten Ausbauplan fest. In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ist ausgeführt, der Flughafen E-Stadt habe sich zu einem der bedeutendsten Knotenpunkten des innerdeutschen und internationalen Luftverkehrs entwickelt. Die Erweiterung des Start- und Landebahnsystems sei notwendig, um das künftig zu erwartende hohe Verkehrsaufkommen abwickeln zu können; eine mögliche Kapazitätsgrenze werde damit zeitlich weit hinaus geschoben. Die Startbahn 18 (West) ermögliche eine Erhöhung der Kapazität auf 70 Flugbewegungen unter Instrumentenflugregel in einer Spitzenstunde. Gesundheitsschäden durch Fluglärm seien nach den medizinischen Gutachten nicht zu erwarten.

Durch Bescheid vom 24. Januar 1972 (StAnz. S. 219) stellte das Ministerium fest, dass eine Anpassung der Betriebsgenehmigung an dem Planfeststellungsbeschluss nicht erforderlich sei.

Nach Inbetriebnahme der Startbahn 18 im Jahr 1984 ordnete das Ministerium durch mehrere Nachträge zur Betriebsgenehmigung, insbesondere durch Bescheid vom 16. Juli 1999 Einschränkungen des zivilen Nachtflugverkehrs an (hauptsächlich für nicht lärmzertifizierte Luftfahrzeuge, soweit sie nicht in Frankfurt den Schwerpunkt ihres Geschäfts- und Wartungsbetriebs hatten).

Anfang 2000 wurde ein bereits im Jahr 1998 eingeleitetes Mediationsverfahren zur künftigen Entwicklung des Verkehrsflughafens E-Stadt abgeschlossen; die Mediationsgruppe legte einen Bericht mit einem Empfehlungspaket vor (Optimierung des vorhandenen Systems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau, Nachtflugverbot, Anti-Lärm-Paket, Regionales Dialogforum). Im Rahmen des Mediationsverfahrens wurden mehrere lärmphysikalische Gutachten eingeholt. Insbesondere in dem Gutachten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. - DLR - vom 14. Dezember 2000 ist die rechnerisch ermittelte Lärmbelastung in der Umgebung des Flughafens Frankfurt für den Betriebsfall 2000 (entspricht 460.000 Flugbewegungen pro Jahr) und dem Prognosefall 200x (entspricht 500.000 Flugbewegungen pro Jahr) dargestellt. Auf der Grundlage dieser Ermittlungen ordnete das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (im Folgenden: Ministerium) durch mehrere Bescheide folgende weitere Einschränkungen und Ergänzungen der Betriebsgenehmigung an:

Zunächst begrenzte es durch vorläufigen Bescheid vom 26. April 2001 die Zahl der nächtlichen Flugbewegungen für die Dauer des Winterflugplans 2001/2002 auf insgesamt knapp 6.300 Flugbewegungen. Ferner verpflichtete es die Beigeladene durch denselben Bescheid, an Wohngebäuden in einem bestimmten Nachtschutzbereich baulichen Schallschutz zu gewähren. Das Gebiet wird durch Isophonen umhüllt, die eine Lärmbelastung von entweder 6 x 75 dB(A) oder einen nächtlichen Dauerschallpegel - leq(3) - von 55 dB(A) - jeweils außen -markieren. Mit dem baulichen Schallschutz soll erreicht werden, dass im belüfteten Rauminneren in zum Schlafen geeigneten Räumen bei geschlossenen Fenstern am Ohr des Schläfers ein Maximalpegel von 52 dB(A) Lmax nicht regelmäßig überschritten wird.

Durch Bescheid vom 24. September 2001 änderte das Ministerium die Beschränkung der Betriebsgenehmigung dahingehend ab, dass es bis zum März 2006 für die Zeit von 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr (Ortszeit) eine Lärmkontingentierung anordnete, nach der ein bestimmtes Lärmpunktekonto nicht überschritten werden darf. Die Lärmpunkte richten sich nach der Zuordnung der Luftfahrzeuge zu einer der sieben Lärmkategorien.

Nachdem der Genehmigungsbehörde weitere schalltechnische Gutachten vorgelegt worden waren, änderte sie die Betriebsgenehmigung durch Bescheid vom 25. November 2002 erneut ab, indem sie das durch Bescheid vom 26. April 2001 festgesetzte Nachtschutzgebiet erweiterte. Nach den Plänen (Anlage 1 und 1 A), die dem Bescheid vom 25. November 2002 als verbindliche Anlagen beigefügt sind, liegt ein Teil der Kernstadt Flörsheim (ein Streifen entlang des Mains) in dem Nachtschutzgebiet. Zur Begründung des Bescheids führte das Ministerium im Wesentlichen aus, die Belastung der insoweit betroffenen Bevölkerung durch Fluglärm habe (ohne Berücksichtigung der militärischen Flüge) ein solches Ausmaß erreicht, dass bauliche Schallschutzmaßnahmen zur Vermeidung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen geboten seien.

Die Klägerinnen haben - jeweils vor der Erhebung der Klage - bei dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung die Anordnung weiterer lärmbegrenzender Betriebsbeschränkungen, passiver Schallschutzmaßnahmen und Entschädigungsleistungen beantragt.

Die Klägerinnen haben am 28. Mai 2001 Klage gegen den Bescheid vom 26. April 2001 (2 A 1517/01) und am 26. Oktober 2001 eine weitere Klage gegen den Bescheid vom 24. September 2001 erhoben (ursprünglich 2 A 2815/01), die durch Verbindung in das Verfahren 2 A 1517/01 einbezogen worden ist. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2002 haben diese Klägerinnen ihre Klagen auf den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2002 erstreckt.

Zur Begründung tragen die Klägerinnen - stark zusammengefasst - vor: Seit der Planfeststellung im Jahr 1971 habe sich die Zahl der Flugbewegungen vom und zum Flughafen Frankfurt insbesondere in der Nacht erheblich gesteigert. Infolge der Zunahme der Flugbewegungen seien sie einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt. Sie würden in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt, weil Entwicklungsplanungen nicht realisiert, Baugebiete nicht ausgewiesen und ausgewiesene Baugebiete nicht wie geplant bebaut werden könnten. Infolge des Fluglärms würden kommunale Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit sowie Wohnraum im Eigentum der Kommunen beeinträchtigt. Neben dem Fluglärm müsse auch der Verkehrslärm berücksichtigt werden, der von dem Schienenverkehr und dem Kraftfahrzeugverkehr auf den umliegenden Straßen verursacht werde. Ihnen stehe ein Anspruch auf Teilwiderruf der Betriebsgenehmigung für den Flughafen E-Stadt aus §§ 48 Abs. 1 Satz 2 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO - i. V. m. § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 4 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - zu. Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 stehe dem nicht entgegen, weil er keine Betriebszulassungsregelungen enthalte, so dass auch § 71 Abs. 2 LuftVG nicht anzuwenden sei. Der derzeitige Betrieb des Flughafens sei rechtswidrig, weil nach den schalltechnischen Gutachten des Instituts deBAKOM die maßgeblichen Grenzwerte von 53 dB(A) als 24-Stunden-Wert und 43 dB(A) in der Nacht sowie die Grenzwerte für besonders schutzwürdige Einrichtungen von 40 bzw. 30 dB(A) - jeweils äquivalente Dauerschallpegel - deutlich überschritten würden. Das gelte auch für einen zulässigen Maximalpegel von 60 dB(A) außen. Auch der von dem Flughafen ausgehende Bodenlärm sei gemessen an den Vorschriften der TA-Lärm unzumutbar. Soweit der Planfeststellungsbeschluss einer Einschränkung der Betriebsgenehmigung entgegenstehe, sei er im Wege eines Teilwiderrufs aufzuheben. Zumindest sei der Beklagte verpflichtet, durch Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen sicherzustellen, dass die maßgeblichen Grenzwerte an den betroffenen Wohnhäusern und kommunalen Einrichtungen eingehalten würden. Das gelte jedenfalls für die sog. Gesundheitsgefährdungsschwelle, die hier schon allein durch den Fluglärm, aber erst recht in der Summierung aller Verkehrslärmbelastungen erreicht und überschritten werde.

Die Klägerinnen haben zur Darlegung ihrer Belastung durch Fluglärm mehrere Gutachten ihres sachverständigen Beistandes, des Dipl.-Physikers Dr. L. von dem Institut deBAKOM, vorgelegt.

Die Klägerinnen stellen folgende Anträge:

1. Teilwiderruf und Abänderung der Betriebsgenehmigung

1.1 Für die Klägerinnen zu 1. bis 3.:

Teilwiderruf und Abänderung der Betriebsgenehmigung

1.1.1 Der Beklagte wird verpflichtet, die der Flughafen E., erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung vom 20.12.1957 zum Betrieb des Flughafens E-Stadt zu widerrufen, soweit sie einen Flugbetrieb erlaubt, der auf dem Gebiet der Klägerinnen, soweit es zu Wohnzwecken (vgl. Anlagen K 40 und K 41) oder zum Betrieb lärmsensibler öffentlicher Einrichtungen (vgl. Anlage K 42) genutzt wird, außen zu Fluglärmimmissionen führt, die

* den Ldn-Wert (24 Stunden-Wert) von 53 dB(A),

* den Ln-Wert (Nachtwert, 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) von 43 dB(A) und

* bezogen auf Einzelereignisse den Lmax,n-Wert (Maximalpegelwert nachts, 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr von 60 dB(A)

überschreiten.

Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, die Betriebsgenehmigung zu widerrufen,

soweit sie einen Flugbetrieb erlaubt, der auf dem Gebiet der Klägerinnen, soweit es zu Wohnzwecken (vgl. Anlagen K 40 und K 41) oder zum Betrieb lärmsensibler öffentlicher Einrichtungen (vgl. Anlage K 42) genutzt wird, außen zu Fluglärmimmissionen führt, die den Ld-Wert (Tagwert, 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr) von 61 dB(A) und den Ln-Wert (Nachtwert, 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) von 51 dB(A) überschreiten.

Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, die Betriebsgenehmigung zu widerrufen,

soweit die gesamte Verkehrs- und Bodenlärmbelastung auf dem Gebiet der Klägerinnen, soweit es zu Wohnzwecken (vgl. Anlagen K 40 und K 41) oder zum Betrieb lärmsensibler öffentlicher Einrichtungen (vgl. Anlage K 42) genutzt wird, außen zur Tagzeit (06.00 Uhr bis 22.00 Uhr) den Summenpegel von 66 dB(A), zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) den Summenpegel von 56 dB(A) überschreitet.

1.1.2 Der Beklagte wird verpflichtet, die der Flughafen E. erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung vom 20.12.1957 durch Betriebsbeschränkungen nach pflichtgemäßem Ermessen der zuständigen Behörde so abzuändern, dass die Lärmbelastungen, die aus dem Betrieb des Flughafens resultieren, die unter Ziff. 1.1.1 genannten werde nicht überschreiten.

1.1.3 Die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.04.2001 (Az.: VI 8-66m 04.03.02.07), vom 24.09.2001 (Az.: VI 8-66m 04.03.02.07) und 25.11.2002 (Az.: VI 8 - A-66m 04.03.02.07) werden aufgehoben, soweit sie der Verwirklichung der unter Ziff. 1.1.1 genannten Lärmqualitätsziele entgegenstehen.

1.1.4 Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, über den Teilwiderruf und die Abänderung der Betriebsgenehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

1.2 Zusätzlich für die Klägerin zu 2.:

Teilwiderruf und Abänderung der Betriebsgenehmigung wegen Bodenlärms

1.2.1 Der Beklagte wird verpflichtet, die der Flughafen E., erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung vom 20.12.1957 zum Betrieb des Flughafens E-Stadt zu widerrufen, soweit sie einen Betrieb der Flughafenanlage erlaubt, der auf dem Gebiet der Klägerin zu 2., soweit es zu Wohnzwecken oder zum Betrieb lärmsensibler öffentlicher Einrichtungen genutzt wird (vgl. Anlage K 43), zu Bodenlärmimmissionen führt, die in der lautesten Nachtstunde den Wert von 45 dB(A) überschreiten.

1.2.2 Der Beklagte wird verpflichtet, die der Flughafen E. erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung vom 20.12.1957 durch Betriebsbeschränkungen nach pflichtgemäßem Ermessen der zuständigen Behörde so abzuändern, dass flughafenbedingte Bodenlärmimmissionen von mehr als 45 dB(A) in der lautesten Nachtstunde im Gebiet der Klägerin zu 2., soweit es zu Wohnzwecken oder zum Betrieb lärmsensibler öffentlicher Einrichtungen genutzt wird (vgl. Anlage K 43), nicht entstehen.

1.2.3 Die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.04.2001 (Az.: VI 8-66m 04.03.02.07), vom 24.09.2001 (Az.: VI 8-66m 04.03.02.07) und vom 25.11.2002 (Az.: VI 8 - A-66m 04.03.02.07) werden aufgehoben, soweit sie der Verwirklichung der unter Ziff. 1.2.1 genannten Lärmqualitätsziele entgegenstehen.

1.2.4 Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, über den Teilwiderruf bzw. die Abänderung der Betriebsgenehmigung wegen Bodenlärms unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

1.3 Hilfsantrag zu 1.1.1 bis 1.1.4 und 1.2.1 bis 1.2.4

Der Beklagte wird verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen E-Stadt nach §§ 48 oder 49 HVwVfG insoweit (teilweise) zurückzunehmen bzw. (teilweise) zu widerrufen, als es notwendig ist, um den unter Ziff. 1.1 und Ziff. 1.2 gestellten Anträgen entsprechen zu können.

2. Hilfsweise für die Klägerinnen zu 1. bis 3.: Ergänzende Anordnungen

2.1 Der Beklagte wird verpflichtet, die Betriebsgenehmigung des Flughafens Frankfurt am Main - hilfsweise den geltenden Planfeststellungsbeschluss - um Schutzanordnungen zu ergänzen, die die Beigeladene verpflichten, den Klägerinnen die Kosten für Maßnahmen passiven Schallschutzes zu erstatten, durch die sichergestellt wird, dass

2.1.1 in Wohn- und Schlafräumen der klägerischen Wohnimmobilien (vgl. Anlage K 41)

* der Ldn-Wert (24 Stunden-Wert) von 40 dB(A) innen

* der Ln-Wert (Nachtwert, 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) von 30 dB(A) und

* bezogen auf Einzellärmereignisse der Lmax,n (Maximalpegelwert nachts, 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) von 45 dB(A),

2.1.2 in den zur Betreuung der Kinder bestimmten Räumen der klägerischen Kinderbetreuungseinrichtungen (Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulkinderhäuser, Einrichtungen der Schulsozialarbeit, vgl. Anlage K 42) der Innenpegel Leq(3) von 40 dB(A) in mehr als 5 % der Betreuungszeit,

2.1.3 in den Sitzungssälen, Trauzimmern und anderen Amtsräumen der Klägerinnen (in Rathäusern, Verwaltungsgebäuden, Verwaltungsstellen, Bürgerbüros, vgl. Anlage K 42) ein Innenpegel Leq(3) von 43 dB(A) in mehr als 5 % der Betriebszeit,

2.1.4 in den Stadthallen der Klägerinnen zu 1. (Kapellenstraße 1) und 2. (Karl-Eckel-Weg) bei lärmsensibler Nutzung (etwa: Theateraufführung, Dichterlesung) ein Innenpegel Leq(3) von 43 dB(A) in mehr als 5 % der Zeit der lärmempfindlichen Nutzung

nicht überschritten wird.

2.2 Der Beklagte wird verpflichtet, die Genehmigung des Flughafens E-Stadt - hilfsweise den Planfeststellungsbeschluss - um die Anordnung zu ergänzen, dass die Beigeladene den Klägerinnen Entschädigung für die Einschränkung der Nutzung der Außenwohnbereiche und der Außenwohnbereiche kommunaler Einrichtungen zu bezahlen hat.

2.3 Hilfsantrag zu 2.1.1 bis 2.1.4

Der Beklagte wird verpflichtet, die Genehmigung des Flughafens E-Stadt - hilfsweise den Planfeststellungsbeschluss - um die Anordnung zu ergänzen, dass die Beigeladene den Klägerinnen Entschädigung in Geld für den Fall bezahlt, dass passiver Schallschutz nach den Ziff. 2.1.1 bis 2.1.4 untunlich ist.

2.4 Hilfsantrag zu 2.1 bis 2.3

Der Beklagte wird verpflichtet, über die Ergänzung der Betriebsgenehmigung bzw. des Planfeststellungsbeschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erwidert, die Klagen seien jedenfalls unbegründet. Die Klägerinnen hätten keine nachhaltige Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit oder ihrer kommunalen Einrichtungen dargelegt. Den geltend gemachten Ansprüchen stehe die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 entgegen. Die Klägerinnen gingen ebenso wie die von ihnen vorgelegten Gutachten von unzutreffenden Grenzwerten aus. Weder auf den Fluglärm noch auf den von dem Flughafen erzeugten Bodenlärm seien die 16. BImSchV oder die TA-Lärm anwendbar. Das Schutzniveau, das dem Bescheid vom 25. November 2002 zu Grunde liege, werde schon der Erheblichkeitsschwelle gerecht, die bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung eines Flughafens einzuhalten sei. Das gelte erst recht für die Gesundheitsgefährdungsschwelle. Es seien keine Gründe ersichtlich, die einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 rechtfertigen würden; dem stehe im Übrigen auch die Jahresfrist der §§ 48 und 49 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - entgegen.

Die Beigeladene trägt vor, die Klagen seien schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der Beklagte habe durch die Bescheide vom 26. April 2001, 24. September 2001 und 25. November 2002 den Lärmschutzbelangen der Klägerinnen mehr als in dem gesetzlich gebotenen Maß Rechnung getragen. Ein Teilwiderruf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG setze eine Gesundheitsgefährdung voraus, die hier nicht festzustellen sei. Die von den Klägerinnen genannten Grenzwerte seien nicht methodisch ordnungsgemäß abgeleitet und stünden im Widerspruch zu allgemeinen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung. Die Ermittlungen des Instituts deBAKOM seien auch aus schalltechnischer Sicht kritisch zu bewerten. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG vorlägen, wären die genannten Bescheide nicht zu beanstanden, weil der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Darüber hinaus stehe den Begehren der Klägerinnen entgegen, dass der Flughafen planfestgestellt sei oder zumindest als planfestgestellt gelte.

Wegen des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (neun Ordner) sowie ein Ordner Planunterlagen der Beigeladenen sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 110 VwGO Gebrauch, über einen Teil des Streitgegenstandes durch Teilurteil zu entscheiden. Soweit die Klägerinnen die Verpflichtung des Beklagten begehren, den Flugbetrieb zum und vom Flughafen E-Stadt über die Regelungen in den Bescheiden des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April und 24. September 2001 hinaus einzuschränken, ist die Sache zur Entscheidung reif; insoweit besteht auch kein Grund, die Entscheidung hinauszuzögern. Im Übrigen, d. h. soweit die Klägerinnen Anordnungen von Maßnahmen des passiven Schallschutzes und von Entschädigungsleistungen begehren, besteht noch Aufklärungsbedarf.

Der Antrag der Klägerinnen, den Beklagten zu verpflichten, den Flugverkehr vom und zum Flughafen E-Stadt so einzuschränken, dass bestimmte Lärmgrenzwerte in Baugebieten, auf einzelnen Grundstücken und für kommunale Einrichtungen eingehalten werden, ist zulässig. Diese Begehren sind innerhalb der Klagefristen mit hinreichender Bestimmtheit erhoben worden. Die Klageerhebung "gegen den Bescheid des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom ..." deutet zwar auf eine Anfechtungsklage hin. Da aber die Bescheide des Ministeriums vom 26. April 2001, 24. September 2001 und 25. November 2002 Anordnungen von Flugbeschränkungen und von baulichem Schallschutz beinhalten und somit ausschließlich begünstigenden Charakter haben, war ersichtlich, dass mit den Klagen Ansprüche auf Verpflichtungen des Beklagten zu weitergehenden Anordnungen gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht werden sollten, zumal die Klägerinnen durch ihre Bevollmächtigten entsprechende Anträge im Verwaltungsverfahren gestellt hatten. Somit ist der Gegenstand der Klagebegehren im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch hinreichend deutlich bezeichnet worden. Da die mit den Klagen geltend gemachten Ansprüche zumindest in Bezug auf kommunale Einrichtungen nicht generell oder von vornherein ausgeschlossen sind, steht den Klägerinnen die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zur Seite.

Die Anträge sind jedoch nicht begründet. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass ihre städtebaulichen Belange und ihr Schutz vor Fluglärm nicht mehr angemessen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 LuftVG berücksichtigt würden, so dass die der Beigeladenen erteilte Betriebsgenehmigung (in der Fassung vom 20. Dezember 1957 mit nachfolgenden Änderungen) gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO teilweise zu widerrufen oder abzuändern sei.

Dieses Begehren der Klägerinnen scheitert jedoch an der Ausschlusswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG. Nach dieser Bestimmung sind Beseitigungs- oder Änderungsansprüche gegenüber festgestellten Anlagen ausgeschlossen, wenn der Plan rechtskräftig festgestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 ist gegenüber den Klägerinnen unanfechtbar geworden, so dass sie - von noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen - den Betrieb des Flughafens und den davon ausgehenden Fluglärm grundsätzlich zu dulden haben. Denn soweit ein Flughafen (neben der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG) durch Planfeststellung zugelassen worden ist, konzentriert sich der Rechtsschutz lärmbetroffener Dritter auf die Vorschriften des Planfeststellungsrechts, auch wenn die Genehmigungsbehörde gegenüber dem Flughafenunternehmer Aufsichtsmaßnahmen nach § 6 LuftVG ergreifen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 11 B 2.97 - S. 5 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003 - 6 A 8.03 - sowie Urteil vom 2. Mai 1996, DVBl. 97, 73 <76>; OVG Münster, Urteil vom 10. Juli 2003 - 20 D 78/00.AK - S. 17; sowie Urteile des erkennenden Senats vom 2. April 2003 - 2 A 2646/01 - S. 31 ff. sowie vom 14. Oktober 2003 - 2 A 2796/01 - S. 23 ff.).

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen beschränkt sich der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 nicht auf die Genehmigung der Herstellung baulicher Anlagen, insbesondere der Verlängerung der Parallelbahnen und der Errichtung der Startbahn 18, sondern er lässt auch die Nutzung dieser Anlagen für den Flugbetrieb zu. Planfeststellungsbeschlüsse für Verkehrsanlagen erschöpfen sich schon generell nicht in der Erlaubnis zur baulichen Herstellung einer Verkehrsanlage, sondern erstrecken sich auch auf die bestimmungsgemäße Nutzung der herzustellenden Einrichtung, ohne dass es einer ausdrücklichen Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss bedarf. Das kommt hier zusätzlich in dem Erläuterungsbericht, der Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses ist, deutlich zum Ausdruck. Er enthält zahlreiche einzelne Betriebsregelungen, wie z. B. die Einbindung des militärischen Flugverkehrs in den zivilen Flugverkehr und als Maßnahme der "Flugbetriebsabwicklung" die Absicht, die Parallelbahnen überwiegend für Landungen zu nutzen. Diese Regelungen ergeben nur dann einen Sinn, wenn die herzustellenden baulichen Anlagen durch den Planfeststellungsbeschluss auch für eine bestimmungsgemäße Nutzung freigegeben werden. Auch die im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses angeordnete Verschiebung der Landeschwellen für den Ostbetrieb erfüllt eine betriebsregelnde Funktion, hinter der die damit verbundenen baulichen Veränderungen absolut nachrangig sind.

Die Anordnung im Planfeststellungsbeschluss, dass die Startbahn 18 nur für Starts in Richtung Süden genutzt werden darf, ist zwar als Ausnahmeregelung zu verstehen, aber nicht in dem Sinne, wie die Klägerinnen meinen, dass für die (verlängerten) Parallelbahnen überhaupt keine Betriebszulassung getroffen worden ist. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist vielmehr so zu sehen, dass die Parallelbahnen sowohl für Starts als auch für Landungen und sowohl in östlicher als auch in westlicher Richtung benutzt werden dürfen, während die Startbahn 18 nur für Starts in Richtung Süden zur Verfügung steht. Die Bedeutung dieser Regelung liegt nicht in der (ausnahmsweisen) Zulassung des Startbetriebs in Richtung Süden, sondern in dem Ausschluss der Nutzung für den Landebetrieb insgesamt und für Starts in Richtung Norden.

Schließlich sind in dem Planfeststellungsverfahren und in dem Planfeststellungsbeschluss auch die von den Parallelbahnen ausgehenden Fluglärmbelastungen ermittelt und bewertet worden. Das zeigt, dass sich der Planfeststellungsbeschluss nicht auf die bloße Genehmigung der Herstellung baulicher Anlagen beschränken, sondern auch den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Start- und Landebahnen zulassen sollte. Allein die Verlängerung oder Herstellung von Start- und Landebahnen wirft keine Lärmschutzprobleme auf.

Dem können die Klägerinnen nicht mit Erfolg die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. September 1999 (UPR 2000, 116 <117>) und des OVG Niedersachsen vom 9. Juni 1997 (12 K 325/96) entgegenhalten. Diese Urteile betreffen Flugplätze, die nur teilweise planfestgestellt sind, so dass hinsichtlich der nicht festgestellten Teile § 9 Abs. 3 LuftVG einem Teilwiderruf der Genehmigung nach § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG nicht entgegensteht. Bei dem Flughafen E-Stadt sind dagegen alle Start- und Landebahnen planfestgestellt.

Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 deckt den gesamten aktuellen Flugbetrieb. Die volle flugtechnisch mögliche Ausschöpfung der planfestgestellten Kapazität stellt keine planfeststellungsbedürftige Erweiterung des Flughafens dar. Da die Kapazität des Flughafens E-Stadt durch die Start- und Landebahnen bestimmt wird und die Planfeststellung dieser Anlagen keine Kapazitätsbegrenzung enthält, bewirkt allein eine Ausweitung der Vorfeldflächen und Flugzeugstellplätze entgegen der Auffassung der Klägerinnen keine Änderung des Flughafens, die nur nach Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens zulässig gewesen wäre. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 14. Oktober 2003 (a.a.O. S. 24 ff.) ausführlich dargelegt; auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Allein der Hinweis der Klägerinnen auf verschiedene Einrichtungen auf dem Flughafengelände bietet angesichts der Größe der Anlage keinen hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass die Kapazität der luftseitigen Anlagen nicht durch die Start- und Landebahnen, sondern durch die Vorfeldflächen begrenzt werde.

Eine Ergänzungsplanfeststellung war entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch nicht für die Errichtung der Schnellabrollbahn rto erforderlich. Die Herstellung und Nutzung dieser Rollbahn ist nur für den befristeten Probebetrieb des HALS/DTOP Landesystems zugelassen (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 42 ff.). Für die Behauptung der Klägerinnen, dieses Verfahren führe zu einer Steigerung der Kapazität des Flughafens von zehn bis 15 Flugbewegungen pro Stunde, fehlt angesichts der von der Beigeladenen vorgelegten Belegungszahlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkt (vgl. richterliche Verfügung vom 5. November 2003 nebst Anlagen, Bl. 982 ff. der Akte). Selbst wenn man unterstellt, die Anlage der Schnellrollbahn hätte einer Planfeststellung bedurft und auch zu einer Kapazitätserhöhung mit einer wahrnehmbaren Zunahme des Fluglärms geführt, würde diese befristete Regelung keine auf Dauer angelegte Einschränkung des Flugbetriebs rechtfertigen (vgl. auch hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 42 ff.). Daher kommt es auf die in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen der Klägerinnen nicht an, so dass eine Beweisaufnahme entbehrlich ist. Darüber hinaus fehlt jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkt für die behauptete Kapazitätssteigerung, so dass der Beweisantrag auch als ein unzulässiger Ausforschungsantrag anzusehen ist.

Die Ausschlusswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG würde im Übrigen auch über die Planfeststellungsfiktion des § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG eingreifen. Bei dem Flughafen E-Stadt handelt es sich um einen planfeststellungsbedürftigen Flughafen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, so dass er als im Plan festgestellt gilt. Angesichts der auch bei Anwendung des § 9 Abs. 3 LuftVG verbleibenden Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen gegen § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2000, ZLW 2001, 253; sowie zu Einzelheiten Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 33 ff.). Daraus folgt selbst für den - nach der Überzeugung des Senats nicht vorliegenden - Fall, dass bis zum 1. März 1999 planfeststellungsbedürftige Veränderungen am Flughafen E-Stadt vorgenommen worden wären, der Flughafen auch hinsichtlich dieser Veränderungen nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG als im Plan festgestellt gilt mit der weiteren Folge, dass auch insoweit die Ausschluss- und Duldungswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG greifen würde.

Gegenüber der Ausschlusswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf § 8 Abs. 4 Satz 2 LuftVG berufen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG können betriebliche Regelungen Gegenstand der Planfeststellung sein. Nach Satz 2 dieser Bestimmung bedürfen Änderungen solcher Art getroffener betrieblicher Regelungen nur einer Regelung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Regelung nur für den Fall einschlägig ist, dass eine Genehmigung nach § 6 LuftVG nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens inhaltlich an den Planfeststellungsbeschluss angepasst werden muss (so OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003, a.a.O. S. 8). Jedenfalls erschöpft sich diese Regelung in der Ermächtigung der Genehmigungsbehörde, eine festgestellte Betriebsregelung im Genehmigungsverfahren, also ohne erneute Planfeststellung, abzuändern. Aus dieser Ermächtigung der Genehmigungsbehörde lässt sich kein Anspruch Dritter auf Teilwiderruf der Genehmigung ableiten oder - mit anderen Worten - § 8 Abs. 4 Satz 2 LuftVG verdrängt nicht § 9 Abs. 3 LuftVG.

Die insoweit (zu dem Antrag 1.1.1) erhobenen Hilfsanträge sind ebenfalls unbegründet. Selbst wenn die dort genannten Richtwerte für den Fluglärm oder den gesamten Flug-, Schienen- und Straßenverkehrslärm überschritten würden, wäre ein Anspruch auf Anordnung von betriebsbeschränkenden Regelungen im Wege eines Teilwiderrufs der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung durch § 9 Abs. 3 LuftVG ausgeschlossen. Im Übrigen rechtfertigt § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG, selbst wenn diese Vorschrift hier anwendbar wäre, keine betriebsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber dem Beklagten, die darauf abzielen, (auch) den Straßen- und Schienenverkehrslärm abzuwehren. Insoweit kommt allenfalls passiver Schallschutz in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 23. Dezember 2003 - 2 A 2815/01 u. a. - S. 34 ff.).

Die Ausführungen zum Widerruf oder Teilwiderruf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung geltend in gleichem Maße für eine Abänderung dieser Genehmigung, soweit sie dasselbe Ziel, nämlich die Anordnung betriebsbeschränkender Maßnahmen, verfolgt. Da sowohl ein Anspruch auf Teilwiderruf als auch auf Abänderung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung durch § 9 Abs. 3 LuftVG ausgeschlossen ist, besteht kein Raum für eine Ermessensentscheidung und somit auch nicht für ein Bescheidungsurteil. Somit sind auch die Anträge zu 1.1.2 und 1.1.4 insgesamt unbegründet.

Eine Verpflichtung des Beklagten zur Einschränkung des Flugbetriebs von und zum Flughafen E-Stadt lässt sich auch nicht, wie die Klägerinnen hilfsweise (Antrag 1.3) geltend machen, aus einem Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 ableiten. Nach §§ 48 und 49 HVwVfG können Verwaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen oder widerrufen werden. Diese Vorschriften sind auf Planfeststellungsbeschlüsse aber nur eingeschränkt anwendbar. Wegen der bereits beschriebenen Regelung des § 9 Abs. 3 LuftVG müssen Lärmbetroffene grundsätzlich die von dem festgestellten Flughafen ausgehenden Beeinträchtigungen dulden; ihnen steht grundsätzlich nur ein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen zu, wenn sich nach Unanfechtbarkeit des Plans nicht voraussehbare nachteilige Wirkungen des Vorhabens auf ihre Rechte ergeben (§ 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG). Auch ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens (nach § 51 HVwVfG) ist kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 72 Abs. 1 2. Halbsatz HVwVfG). Angesichts der dadurch gekennzeichneten erhöhten Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses kommt ein Anspruch auf Teilwiderruf des Plans nur in Betracht, wenn - erstens - ein Eingriff in ein Grundrecht zu befürchten und - zweitens - dieser Eingriff nur über einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zu vermeiden ist (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997, BVerwGE 105, 6 <11 ff.>; Beschluss vom 19. August 1997 - 11 B 2.97 - S. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 4 B 83.03 -; Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 46 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist schon zweifelhaft, ob den Klägerinnen als Kommunen überhaupt eine grundrechtsgleiche Rechtsposition zusteht, bei deren Verletzung ein Teilwiderruf eines Planfeststellungsbeschlusses zu erwägen ist. Soweit sie sich auf kommunale Grundstücke berufen, die mit Wohnraum bebaut sind, scheidet eine grundrechtsgleiche Rechtsposition von vornherein aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1990 - 4 B 146 bis 148.89 -, S. 24). Das privatrechtliche Eigentum stellt zwar einen Belang dar, der im Rahmen fachplanerischer Abwägungen zu berücksichtigen ist; hier geht es aber nicht um planerische Gestaltungen, sondern um einen Anspruch auf Teilwiderruf eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses, den die Rechtsprechung aus der Grundrechtsposition abgeleitet hat.

Soweit die Klägerinnen sich auf Beeinträchtigungen kommunaler Einrichtungen und Verletzungen ihrer kommunalen Planungshoheit berufen, steht ihnen zwar Art. 28 Abs. 2 GG zur Seite, aber auch die verfassungsrechtlich gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verschafft den Klägerinnen keine Rechtsposition, die sich mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und 14 Abs. 1 GG deckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, NVwZ 2001, 82 <85>). Darüber hinaus vermag der Senat keine Verletzung der kommunalen Planungshoheit der Klägerinnen zu erkennen. Die Klägerinnen berufen sich u. a. darauf, dass abgeschlossene Planungen nicht realisiert werden könnten, weil ausgewiesene Baugrundstücke nicht von Bauwilligen erworben und bebaut würden. Dieser Tatbestand belegt keinen nachhaltigen Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Die Planungshoheit gewährleistet die Kompetenz zu planen, verleiht den Kommunen aber keinen Anspruch darauf, dass die mit ihren Planungen - z. B. der Ausweisung eines Baugebiets - verfolgten wirtschaftlichen Ziele auch erreicht werden. Die Enttäuschung wirtschaftlicher und kommunalpolitischer Erwartungen bedeutet noch keinen nachhaltigen Eingriff in die kommunale Planungshoheit.

Das gilt auch für den Einwand der Klägerinnen, dass sie wegen des Fluglärms in Aussicht genommene Planungen nicht verwirklichen und begonnene Planungen nicht abschließen könnten. Soweit sich die Klägerinnen auf Flächennutzungspläne sowie Entwicklungs- und Raumordnungspläne berufen, fehlt es an hinreichend konkretisierten und verfestigten kommunalen Planungen. Aber auch soweit Planungsabsichten hinreichend konkretisiert und verfestigt worden sind, lässt sich kein nachhaltiger Eingriff in diese Planungen feststellen. Der Fluglärm schließt es wohl weitgehend aus, Wohngebiete auszuweisen, in denen die aus städtebaulicher Sicht wünschenswerten Lärmrichtwerte eingehalten werden. Gleichwohl können die Klägerinnen mit entsprechenden Auflagen und Vorkehrungen von ihren bauplanerischen Kompetenzen Gebrauch machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001, NVwZ 2001, 1160 <1161 ff.>). Die Planungen müssen auf den von dem Flughafen E-Stadt ausgehenden Fluglärm ebenso Rücksicht nehmen wie auf andere tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten, die die Tauglichkeit eines Gebiets als Wohnbaugebiet beeinflussen können.

Das Vorbringen der Klägerinnen gibt Veranlassung klarzustellen, dass der vorliegende Rechtsstreit nicht die Frage aufwirft, ob und in welchem Umfang der Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen einer planerischen Abwägung (z. B. für die Errichtung oder wesentliche Erweiterung eines Flughafens) auf kommunale Planungen Rücksicht zu nehmen. Der Konflikt zwischen dem Fluglärm von dem Flughafen E-Stadt und kommunalen Planungen wird hier durch den Prioritätsgrundsatz gelöst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002, UPR 2003, 152, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Es wurde oben dargelegt, dass der aktuelle Flugbetrieb durch den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 gedeckt ist und dass diese Zulassung auf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung vom 23. August 1966 beruht. Seit diesem Zeitpunkt geht von dem Verkehrsflughafen E-Stadt eine teils tatsächliche und teils (in Bezug auf zugelassene Kapazitätserweiterungen) plangegebene Vorbelastung aus, die die Klägerinnen als Trägerinnen der kommunalen Planungshoheit ebenso hinzunehmen und zu beachten haben wie die lärmbetroffenen Einwohner.

Darüber hinaus steht den Klägerinnen ein Anspruch auf Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 selbst dann nicht zu, wenn sie sich auf eine grundrechtsähnliche Rechtsposition berufen könnten und wenn diese Rechtsposition infolge des Fluglärms oder der Gesamtlärmbelastung verletzt werden würde. Denn diese - hier unterstellte - Rechtsverletzung könnte durch Gewährung passiven Schallschutzes für Wohnungen und kommunale Einrichtungen und, soweit passiver Schallschutz nicht möglich oder nicht tunlich ist, durch Festsetzung von Entschädigungen in Geld ausgeglichen werden.

Das gilt hier um so mehr, als schon nach den von den Klägerinnen selbst dargelegten Werten keine Lärmbelastungen festzustellen sind, die ganze Wohnbereiche oder eine Vielzahl kommunaler Einrichtungen in einer Weise beeinträchtigen, dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bewohner besteht oder die Nutzung kommunaler Einrichtungen ausgeschlossen wäre. Nach der Aufstellung des Instituts deBAKOM vom 7. November 2003 (Anlage K 45 zu dem Schriftsatz der Klägerinnen vom 10. November 2003, Bl. 1220 ff. d. A.) liegen die (nach AzB 99/DES 2001 auf der Basis Leq(3)) errechneten Fluglärmpegel (ohne die nach AzB nicht vorgesehenen Zuschläge) bei den 89 Objekten, auf die sich die Anträge der Klägerin zu 1. beziehen, am Tag zwischen 53 und 60,1 dB(A) sowie in der Nacht zwischen 43 und 48 dB(A). Bei den 83 Objekten, die die Anträge der Klägerin zu 2. betreffen, liegen diese Werte zwischen 32 und 60,3 dB(A) am Tag sowie zwischen 20 und 49 dB(A) in der Nacht. Bei den 40 Objekten, die Gegenstand der Anträge der Klägerin zu 3. sind, sind Fluglärmpegel zwischen 51 und 56 dB(A) am Tag und zwischen 39 und 43 dB(A) in der Nacht errechnet worden. Die Summenpegel für Flug-, Schienen und Straßenverkehrslärm liegen unter Einrechnung eines Fluglärmmalus von 6 dB(A), eines Zuschlags für sog. unterschwellige Flugereignisse von 1 dB(A) und eines Zuschlags wegen Abweichungen von Messergebnissen von bis zu 0,9 dB(A) in der Nacht bis auf einige Fälle unter - zum größten Teil deutlich unter - 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht. Es besteht im Rahmen des hier erlassenen Teilurteils keine Notwendigkeit, auf die Ermittlung und Bewertung dieser Fluglärm- und Summenpegel im Einzelnen einzugehen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Dezember 2003 in den Verfahren 2 A 2815/01 u. a., S. 26 ff. sowie S. 36 ff.). Jedenfalls kann bei dieser Sachlage, was gegenwärtig nicht auszuschließen ist, die weitere Sachverhaltsaufklärung allenfalls ergeben, dass bzgl. einiger weniger Objekte passiver Schallschutz zu gewähren ist, falls der vorhandene Schallschutz nicht ausreicht. Es liegt somit insgesamt keine Lärmbelastung der Klägerinnen vor, die einer Verweisung evtl. betroffener Lärmschutzbelange auf die Anordnung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes entgegenstehen könnte. Schon wegen der Möglichkeit der Gewährung passiven Schallschutzes scheidet ein Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses aus, selbst wenn ein Anspruch auf passiven Schallschutz im Einzelfall wegen Verfristung oder Verwirkung ausgeschlossen sein sollte (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 4 B 83.03 -). Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 49 HVwVfG vorliegen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ferner, dass der Senat nicht gehalten war, bzgl. der Anträge, die auf eine Einschränkung des Flugbetriebs zielen (und die allein Gegenstand des vorliegenden Teilurteils sind), eine Beweisaufnahme durchzuführen. Diese Anträge sind letztlich unabhängig davon abzuweisen, wie hoch die Lärmbelastungen im Einzelfall zu ermitteln und zu beurteilen sind (vgl. Schriftsätze der Klägerinnen vom 13. Dezember 2002, S. 77; vom 24. Oktober 2003, S. 11 ff.; vom 4. November 2003, S. 24; und vom 10. November 2003, S. 8 ff.). Unerheblich ist letztlich auch, in welchem Umfang kommunale Planungen und Einrichtungen durch Fluglärm betroffen sind (vgl. Schriftsatz vom 4. November 2003, S. 8 ff.).

Die Klägerin zu 2. beantragt weiterhin die Verpflichtung des Beklagten, die der Beigeladenen erteilte Betriebsgenehmigung insoweit zu widerrufen, als sie Bodenlärmimmissionen von mehr als 45 dB(A) in der lautesten Nachtstunde zulasse. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin zu 2. aus mehreren Gründen nicht zu:

Zunächst steht auch diesem Begehren die Ausschluss- und Duldungswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG entgegen. Kraftfahrzeugfahrten zum Zwecke des Be- und Entladens, des Betankens, des Wartens und der Reinigung der Flugzeuge gehören ebenso zu den elementaren Bestandteilen des Flughafenbetriebs wie die Rollvorgänge zu und von den Start- und Landebahnen sowie Triebwerksprobeläufe vor dem Start. Zu dem üblichen Betrieb eines internationalen Verkehrsflughafens von der Größe des Flughafens E-Stadt sind auch allgemeine Wartungsarbeiten und damit verbundene notwendige Probetriebwerksläufe zu rechnen (vgl. § 6 LuftBO). Die von diesen Betriebsvorgängen verursachten Immissionen müssen bei der Bewältigung der von dem Flugplatz auf seine Umgebung ausgehenden Nachteile im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG berücksichtigt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 7. Dezember 1998, UPR 99, 153 <154>; und vom 31. März 1992 - 4 B 210.91 -). Deshalb werden diese Immissionen auch von der Ausschluss- und Duldungswirkung des § 9 Abs. 3 LuftVG erfasst. Die Klägerin zu 2. hat nicht dargelegt, dass ihr Gebiet durch Maßnahmen beeinträchtigt wird, die für den Betrieb des Flughafens nicht notwendig sind. Im Übrigen wäre § 9 Abs. 3 LuftVG auch bzgl. des sog. Bodenlärms kraft der Planfeststellungsfiktion des § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG anzuwenden. Triebwerksprobeläufe und andere Betriebsvorgänge, die den Bodenlärm verursachen, sind schon vor dem 1. März 1999 durchgeführt worden und es ist kein Anhaltspunkt vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nach diesem Zeitpunkt insoweit wesentliche Änderungen vorgenommen worden wären.

Darüber hinaus kann die Klägerin zu 2. nicht beanspruchen, dass die Beigeladene bzgl. dieser Betriebsabläufe Immissionsgrenzwerte einhält, die durch die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutze gegen Lärm - TA-Lärm) vorgegeben werden. Diese Vorschriften sind weder unmittelbar noch analog noch in anderer rechtlicher Weise heranzuziehen. Nach § 2 Abs. 2 BImSchG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für Flugplätze. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung dieses Gesetzes - wie die TA-Lärm - nicht auf Flughäfen anzuwenden sind (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2002, NVwZ-RR 2002, 493 <494 f.>; Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, a.a.O. S. 51 ff.).

Das ist gut nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass der im Auftrag der Klägerinnen gutachterlich ermittelte Beurteilungspegel von 51 dB(A) in der Nacht zum einen darauf beruht, dass die TA-Lärm es im Gegensatz zu Berechnungsvorschriften und -verfahren für Verkehrslärm zulässt, statt auf den Zeitraum der Nacht (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) auf die lauteste Stunde in der Nacht - hier 22.00 bis 23.00 Uhr - abzustellen (vgl. Ziff. 6.4 TA-Lärm). Zum anderen hat der Gutachter einen im Bereich des Verkehrslärmschutzes nicht vorgesehenen Zuschlag von 6 dB(A) für eine besondere Tonhaltigkeit der Schallereignisse angesetzt, ohne allerdings einen Messabschlag (vgl. Ziff. 6.9) zu berücksichtigen.

Unbegründet ist der Einwand der Klägerin zu 2., die Nichtanwendbarkeit der TA-Lärm auf den von Flughäfen ausgehenden Bodenlärm verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn während rein gewerbliche Betriebe schon definitionsgemäß auf Gewinnerzielung gerichtet sind, dienen Verkehrsflughäfen auch dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Schaffung und Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Luftverkehrs, und während für rein gewerbliche Betriebe generell ein erheblicher Spielraum bei der Standortwahl besteht, müssen Verkehrsanlagen dort errichtet werden, wo das Verkehrsbedürfnis besteht. Diese grundsätzlichen Unterschiede können im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein; sie erzwingen keine differenzierende Lösung, rechtfertigen sie aber.

Schließlich lässt sich eine Anwendbarkeit der TA-Lärm auch nicht daraus herleiten, dass sich der Beklagte bei der Anordnung eines Gutachtens auf die TA-Lärm bezogen hat. Es geht hier nicht, wie bereits eingangs dargelegt, um die Aufsichtskompetenzen des Beklagten gegenüber der Beigeladenen, sondern um Ansprüche der Klägerinnen auf Anordnung von Maßnahmen. Ein Anspruch auf Anwendung der TA-Lärm steht der Klägerin zu 2. aber, wie dargelegt, nicht zu.

Somit kommt eine Verpflichtung des Beklagten weder zu einem Teilwiderruf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung (Antrag zu 1.2.1) noch zur Änderung nach pflichtgemäßem Ermessen (Antrag zu 1.2.2) in Betracht. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiterhin, dass eine Beweisaufnahme zu Fragen des Bodenlärms entgegen dem Antrag der Klägerin zu 2. nicht notwendig ist. Auf Lärmermittlungen nach dem Maßstab der TA-Lärm kommt es hier ebenso wenig rechtlich an wie auf die Übertragbarkeit der Werte auf andere Ortsteile. Rechtliche Folgerungen sind ohnehin nicht im Wege eines Sachverständigenbeweises zu belegen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe für eine Zulassung der Revision gegen dieses Teilurteil nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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