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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 2 TG 2572/00
Rechtsgebiete: AEG, VwGO


Vorschriften:

AEG § 11
AEG § 11 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
§ 11 AEG dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs einer vorhandenen, dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Verkehrsinfrastruktur und stellt deshalb kein im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO subjektives Recht eines Übernahmeinteressenten dar.
Gründe:

Die durch Senatsbeschluss vom 27. Juli 2000 gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassene Beschwerde der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs (bzw. richtig: der Klage) des Antragstellers gegen die der Beigeladenen unter dem 6. April 1999 von dem Eisenbahn-Bundesamt nach § 11 Abs. 2 AEG erteilte Genehmigung zur dauernden Einstellung des Betriebes der Strecke Treysa-Oberaula nicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherstellen und die Antragsgegnerin nicht zusätzlich entsprechend § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO dazu verpflichten dürfen, der Beigeladenen einstweilig unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung von Maßnahmen zu untersagen, die die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der betreffenden Strecke in Frage stellen; dies gilt unabhängig davon, dass diese Strecke offenbar schon seit dem 29. Dezember 1999 "wegen Brückenmängeln aus Sicherheitsgründen betrieblich gesperrt ist", wie sich einem dem Beschwerdegericht als Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31. August 2000 vorgelegten Schreiben des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 30. März 2000 entnehmen lässt.

Der Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes vom 21. Februar 2000, durch den die sofortige Vollziehung der streitigen Stilllegungsgenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse und zugleich im überwiegenden Interesse der Beigeladenen besonders angeordnet worden ist, enthält eine dem (formellen) Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Begründung. Die dort angeführten Erwägungen ergeben auch inhaltlich ein die Interessen des Antragstellers überwiegendes Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der ihr erteilten Genehmigung. Deshalb kann hier offen bleiben, ob deren sofortige Vollziehung darüber hinaus auch, wie die Antragsgegnerin meint, im öffentlichen Interesse an einer sinnvollen Verwendung erheblicher öffentlicher Mittel geboten ist oder ob entsprechend der Ansicht des Antragstellers eine hohen Kostenaufwand verursachende technische Sicherung des höhengleichen Bahnübergangs über die neue Ortsumgehung Willingshausen-Loshausen im Zuge der Bundesstraße 254 ohnehin im Hinblick auf den geringen (Museums-)Bahnverkehr unterbleiben kann.

Für die Rechtmäßigkeit einer gemäß § 80 a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung eines von einem Dritten angefochtenen, mithin nicht bestandskräftigen Verwaltungsakts, der an einen anderen gerichtet ist und diesen begünstigt, ist ausschlaggebend, ob im Einzelfall dem Interesse des Klägers am Schutz vor der Schaffung ihn belastender vollendeter Tatsachen auf Grund eines möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsakts oder dem Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten an dessen unverzögerter Durchsetzung auch vor abschließender gerichtlicher Prüfung seiner Rechtmäßigkeit unter Beachtung des Art. 19 Abs. 4 GG das größere Gewicht beizumessen ist. Dabei hat für die Interessenabwägung u. a. maßgebliches Gewicht, ob - und ggfs. mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit - das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben bzw. erfolglos bleiben wird.

Im vorliegenden Fall berufen sich beide Seiten auf gleichgewichtige Interessen finanzieller Art. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG, wonach bis zur Entscheidung (der zuständigen Behörde über den Antrag eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens auf Genehmigung der dauernden Einstellung des Betriebs einer Strecke) das Unternehmen den Betrieb der Schieneninfrastruktur aufrecht zu halten hat, gehen sie nämlich übereinstimmend davon aus, dass die für die Aufrechterhaltung bzw. die inzwischen erforderliche Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft der Strecke Treysa-Oberaula aufzuwendenden erheblichen Kosten, die ab Erteilung der Genehmigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des über ihre Rechtmäßigkeit geführten Hauptsacheverfahrens anfallen, entweder - im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers - von der Beigeladenen oder aber - falls es bei der sofortigen Vollziehung der Stilllegungsgenehmigung bleibt - letztlich von dem Antragsteller getragen werden müssen, sofern er nämlich die betreffende Strecke als Eisenbahninfrastrukturunternehmer künftig selbst betreiben sollte. Bei dieser Sachlage erlangt das voraussichtliche Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Genehmigung ausschlaggebendes Gewicht für die Bewertung der gegenläufigen Interessen.

Dem Interesse der Beigeladenen daran, ab der (für sie positiven) Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 6. April 1999 über ihren Stilllegungsantrag vom 4. Januar 1999 den Betrieb der 33 km langen Strecke nicht mehr auf ihre Kosten aufrecht halten zu müssen, ist unter Berücksichtigung der von dem Gesetzgeber hinsichtlich der Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen nach § 11 AEG vorgenommenen Wertungen größeres Gewicht beizumessen als dem von dem Antragsteller mit dem vorliegenden Rechtsschutzantrag verfolgten Interesse; seine Anfechtungsklage wird nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil er durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung jedenfalls nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO "in seinen Rechten verletzt" ist. Dies würde übrigens selbst dann gelten, wenn die Genehmigung entsprechend der Auffassung des Verwaltungsgerichts wegen Eingreifens eines zwingenden Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG nicht hätte erteilt werden dürfen, weil nämlich die Beigeladene dem Antragsteller im Rahmen der mit ihm wegen der Übernahme der Strecke geführten Verhandlungen kein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht habe. Einer Beantwortung der von dem Verwaltungsgericht eingehend erörterten Frage, nach welchen rechtlichen Kriterien die "Üblichkeit" des Übernahmeangebots des die Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen beabsichtigenden Unternehmens im Einzelfall zu überprüfen ist, bedarf es hier nicht. Denn die Verwaltungsgerichte dürfen einen angefochtenen Verwaltungsakt (und einen etwaigen Widerspruchsbescheid) nur aufheben, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist; ein behördlicher Verstoß allein gegen objektives Recht reicht weder für die gerichtliche Aufhebung eines einen Dritten begünstigenden Verwaltungsakts im Anfechtungsprozess noch für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage im Verfahren nach den §§ 80 Abs. 5 Satz 1 und 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO aus.

Durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur dauernden Einstellung des Betriebs der Eisenbahnstrecke Treysa-Oberaula wird aber der Antragsteller nicht in einem eigenen Recht verletzt. Da er selbst nicht Adressat der von ihm angefochtenen Genehmigung ist, könnte eine Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann in Betracht kommen, wenn für die rechtliche Beurteilung des von ihm gegenüber der Stilllegungsgenehmigung geltend gemachten Abwehranspruchs die Anwendung eines Rechtssatzes zu erwägen wäre, der zumindest auch dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich der Antragsteller befindet, dient. Dies ist nach Auffassung des beschließenden Senats im Anwendungsbereich des § 11 AEG nicht der Fall; vielmehr dient diese Vorschrift, auch soweit sie ein Übernahmeangebot des die Stilllegung beabsichtigenden Unternehmens an Dritte "zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen" zur Voraussetzung für eine entsprechende Genehmigung macht, ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebes einer vorhandenen, den allgemeinen Verkehrsbedürfnissen entsprechenden Eisenbahninfrastruktur.

Ob die eine behördliche Erlaubnis, Genehmigung, Gestattung o. ä. tragende Norm Dritten, die durch die Entscheidung betroffen werden, Schutz gewährt und Abwehrrechte einräumt, hängt vom Inhalt der jeweiligen Norm sowie davon ab, ob der Drittbetroffene in den mit der behördlichen Entscheidung gestalteten Interessenausgleich eine eigene schutzfähige Rechtsposition einbringen kann. Drittschutz vermitteln deshalb nach ständiger Verwaltungsrechtsprechung nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, d. h. sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen (vgl. Urteile des BVerwG vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329, 334, und vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 -, BVerwGE 95, 333, 337 f., jeweils m.w.N.); zu ihnen gehört § 11 AEG in der derzeit geltenden Fassung nicht (vgl. zu Novellierungsvorschlägen Kramer/Lux, Freibrief für den Rückbau? Die rechtlichen Regelungen für die Stilllegung von Eisenbahninfrastruktur in der Diskussion, Bahn-Report 2/00, S. 4 ff., 7, 8). Vielmehr wird in der bisherigen Verwaltungsrechtsprechung mangels denkbarer Rechtsverletzungen Dritter überwiegend bereits deren Klagebefugnis gegen Stilllegungsgenehmigungen verneint (Beschluss des VG Bayreuth vom 11. April 1995 - B 1 S 95.163 -; Beschluss des VG Stuttgart vom 6. Februar 1996 - 10 K 2412/95 -; Gerichtsbescheid des VG Bayreuth vom 27. März 1996 - B 1 K 95.162 -; Beschluss des VG Arnsberg vom 26. Juli 1996 - 7 L 1012/96 -; Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 15. Mai 2000 - 9 K 3017/99.NW <rechtskräftig>). Der gegenteiligen, auf Spoerr (Die Stilllegung von Eisenbahnstrecken nach § 11 AEG - Eisenbahninfrastruktur zwischen unternehmerischer Autonomie, öffentlicher Zweckbindung und Wirtschaftsaufsicht, DVBl. 1997, 1309 ff.) zurückgehenden Ansicht des Verwaltungsgerichts Kassel vermag sich der Senat im Wesentlichen aus nachstehenden, von dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße wie folgt dargelegten Gründen nicht anzuschließen:

Dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 1 AEG (Entscheidung über den Antrag unter Berücksichtigung verkehrlicher und wirtschaftlicher Kriterien) ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass diese Vorschrift der Rücksichtnahme auf Interessen Dritter dienen soll, da sie keinen Hinweis auf einen entsprechenden individualisierbaren Personenkreis enthält. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AEG hat die zuständige Aufsichtsbehörde über den Antrag zur Streckenstilllegung unter Berücksichtigung verkehrlicher und wirtschaftlicher Kriterien innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AEG gilt die Genehmigung als erteilt, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde innerhalb dieser Frist nicht entschieden hat. Selbst wenn die Genehmigung zur Streckenstilllegung aus verkehrlichen oder wirtschaftlichen Gründen versagt wurde, gilt die Genehmigung nach einem Jahr als erteilt (§ 11 Abs. 5 AEG).

Auch unter Berücksichtigung der in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG enthaltenen Regelung (Übernahmeangebot zu üblichen Bedingungen an Dritte) lässt sich dem in § 11 AEG geregelten Entscheidungsprogramm der Beklagten nicht entnehmen, dass bei der Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen auf die Interessen derjenigen Rücksicht zu nehmen ist, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung gemacht worden ist. Gegen die Annahme eines entsprechenden Drittschutzes sprechen zunächst die Regelungen in § 11 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 AEG. Danach gilt die beantragte Stilllegungsgenehmigung als erteilt, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde innerhalb der in § 11 Abs. 2 AEG bestimmten Frist (drei Monate) nicht entschieden hat (dies soll, so die Bundestagsdrucksache 12/6269 zu § 11 AEG - in der Bundestagsdrucksache noch als § 10a bezeichnet -, dem Interesse aller Beteiligten nach einer schnellen Entscheidung entsprechen) bzw. wenn seit Versagung der Genehmigung ein Jahr verstrichen ist. Wird die Genehmigungserteilung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 5 AEG fingiert, kann sich ein Dritter nicht darauf berufen, dass das ihm unterbreitete Angebot nicht üblichen Bedingungen entspreche. Da nämlich die Stilllegungsgenehmigung kraft Gesetzes fingiert wird, kann sie nicht mit der Begründung angegriffen werden, die Beklagte habe nicht überprüft, ob das Angebot zur Übernahme der Infrastruktureinrichtungen tatsächlich zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht worden sei.

Hinzu kommt, dass dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das die Stilllegung beabsichtigt, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG eine Darlegungslast auferlegt wurde. Das Infrastrukturunternehmen hat unter anderem darzulegen, dass Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind. Dieser dem Infrastrukturunternehmen auferlegten umfassenden Darlegungspflicht bedürfte es nicht, wenn der Beklagten eine entsprechende Amtsermittlungspflicht obliegen würde, wenn die Beklagte also von Amts wegen ermitteln müsste, ob die vom antragstellenden Eisenbahninfrastrukturunternehmen dargelegten Umstände tatsächlich zutreffend sind und es sich tatsächlich um "in diesem Bereich übliche Bedingungen" handelt oder nicht. Ist aber die Beklagte zu entsprechenden Ermittlungen von Amts wegen nicht verpflichtet, kann auch ein Dritter nicht geltend machen, dass die Beklagte zu entsprechenden Ermittlungen in seinem Interesse verpflichtet sei, da Drittschutz nur solche Vorschriften vermitteln, die nach ihrem Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme von Interessen Dritter dienen. Enthält aber das Entscheidungsprogramm der Behörde - wie im vorliegenden Fall - keine Verpflichtung, bestimmte Umstände - hier die "üblichen Bedingungen" - von Amts wegen objektiv zu ermitteln, kann sich auch ein Dritter nicht darauf berufen, die Behörde habe dies in seinem Interesse zu ermitteln. Anderenfalls würde die Beklagte auch das Risiko sinnloser und unwirtschaftlicher Ermittlungen tragen, da die Genehmigung als erteilt gilt, wenn nicht innerhalb von drei Monaten seit Antragstellung entschieden wurde (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AEG), bzw. spätestens nach einem Jahr als erteilt gilt, wenn die Beklagte vor Ablauf der drei Monate die Genehmigung versagt haben sollte (§ 11 Abs. 5 AEG).

Dass § 11 AEG keinen entsprechenden Drittschutz vermittelt, wie ihn die Klägerin geltend macht, lässt sich auch der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AEG geregelten Ersatzpflicht entnehmen. Danach hat die Beklagte dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen die aus der Versagung der Genehmigung entstehenden Kosten, einschließlich der kalkulatorischen Kosten zu ersetzen, wobei die Zahlungsverpflichtung das Land trifft, wenn die von der Landesbehörde im Rahmen des Benehmens gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AEG vorgetragenen Gründe für die Ablehnung maßgebend waren. Wie der Bundestagsdrucksache 12/6269 (a.a.O.) zu entnehmen ist, wollte der Gesetzgeber damit für die Frage der Kostentragung bei Versagung der Genehmigung das Verursacherprinzip gelten lassen. Falls der Gesetzgeber also davon ausgegangen wäre, dass die Genehmigung auch im Interesse eines Dritten, dem ein Angebot zu unüblichen Bedingungen gemacht worden ist, versagt werden soll, hätte er den entsprechenden Personenkreis in den Kreis der Ersatzpflichtigen aufnehmen können. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund allein die Beklagte bzw. das Land nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AEG ersatzpflichtig sein soll, nicht aber - zumindest auch - der Dritte. Die bestehende Ersatzpflicht ist eine weitere Bestätigung dafür, dass § 11 AEG insoweit keine drittschützende Wirkung entfaltet. Der ... von Spoerr vertretenen Rechtsauffassung ... kann nicht gefolgt werden ...

Er ist der Auffassung, dass die Formulierung "Übernahmeangebot an Dritte" auf einen subjektiv-rechtlichen Gehalt hindeute, denn ein Angebot begründe ein subjektives Recht des Empfängers. Dabei wird verkannt, dass zwischen den Rechtsbeziehungen und subjektiven Rechten zwischen dem Infrastrukturunternehmen, das die Stilllegung beabsichtigt, und dem an einer Übernahme interessierten Infrastrukturunternehmen einerseits und den Rechtsbeziehungen zwischen dem an einer Übernahme interessierten Infrastrukturunternehmen und der Beklagten andererseits zu unterscheiden ist. Wenn das eine Stilllegung beabsichtigende Infrastrukturunternehmen ein Angebot an ein anderes Unternehmen macht und dieses ein subjektives Recht auf Annahme dieses Angebotes haben sollte, kann daraus nicht geschlossen werden, dass das an einer Übernahme interessierte Infrastrukturunternehmen subjektive Rechte gegenüber der Beklagten haben soll.

Auch die historisch-genetische Auslegung von Spoerr überzeugt nicht. Er folgert aus der Bezeichnung der Deutschen Bahn AG in der Gesetzesbegründung als "Monopolist", dass der Gesetzgeber auch das Wettbewerbsverhältnis zwischen DB AG/Fahrweg und anderen Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Auge gehabt habe und schlichtend habe regeln wollen. Ein entsprechendes Konfliktschlichtungsprogramm enthält § 11 AEG aber nicht. § 1 Abs. 2 AEG ist vielmehr zu entnehmen, dass es der Bundesgesetzgeber der Bundesregierung und den Landesregierungen auferlegt hat, auf angeglichene Wettbewerbsbedingungen und einen lauteren Wettbewerb hinzuwirken. § 1 Abs. 2 AEG lautet nämlich:

"Mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung haben Bundesregierung und Landesregierungen darauf hinzuwirken, dass die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden, und dass durch einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglicht wird."

Der Beklagten wurde vom Gesetzgeber somit keine schlichtende Regelung des Wettbewerbs auferlegt.

Im Rahmen der systematischen Auslegung kommt Spoerr zu dem Ergebnis, dass der enge Zusammenhang mit § 14 AEG, wonach Eisenbahnverkehrsunternehmen das Recht auf diskriminierungsfreie Benutzung der Eisenbahninfrastruktur von Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben, wesentlich sei und dass § 11 AEG diesen Anspruch (Zugang der Eisenbahnunternehmer zur Eisenbahninfrastruktur) fortsetze. Während des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur gewähre § 14 AEG das Zugangsrecht, für die Zeit danach § 11 AEG. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Regelungskreis des § 14 AEG unterscheidet sich grundlegend von dem des § 11 AEG. § 14 AEG regelt den Zugang von Eisenbahnverkehrsunternehmen (Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen, § 2 Abs. 1 AEG) zur Eisenbahninfrastruktur von Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Unternehmen, die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, § 2 Abs. 1 AEG). § 11 AEG hingegen regelt das Verfahren zur Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen. Eisenbahnverkehrsunternehmen sind im Rahmen des Stilllegungsverfahrens überhaupt nicht beteiligt. Dass Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rahmen des § 11 AEG Ansprüche haben sollen, macht auch die Klägerin nicht geltend. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, welchen aus § 14 AEG herzuleitenden Anspruch § 11 AEG nach Auffassung von Spoerr fortsetzen soll. Das von ihm erwähnte Zugangsrecht für die Zeit nach dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur wird durch § 11 AEG nicht berührt, da auch nach Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen diese Infrastruktureinrichtungen übernommen werden können und damit zugänglich sind.

Im Rahmen der teleologischen Auslegung legt Spoerr dar, dass § 11 AEG eine dreifache Schutzrichtung habe. Die Vorschrift diene zum einen der Erhaltung der Infrastruktur, der zweite Schutzzweck sei die Schaffung von Wettbewerb. Gebe ein Unternehmen die Strecke auf, dann sollten die anderen die Möglichkeit haben, die Strecke zu übernehmen. Auf diesem Wege solle das öffentliche Interesse an der flächendeckenden Infrastruktur geschützt werden. Dieser Gleichklang von öffentlichem Verkehrsinteresse und privatem Interesse, die Instrumentalisierung von Privatinteressen für die Erreichung der öffentlichen Ziele sei gerade das Besondere der Eisenbahnneuordnung nach dem Eisenbahnneuordnungsgesetz. Es spreche für den Schutznormcharakter. Drittens sei § 11 AEG der Rest der öffentlichen Bindung des Privatvermögens der DB AG. Das Schienennetz sei ihr nicht zum Zwecke kommerzieller Verwertung übertragen worden, sondern primär zu Verkehrszwecken. Darum müsse es die DB AG vorrangig an andere Eisenbahninfrastrukturunternehmen übertragen. Wahl (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rdnr. 113) halte es mit Recht zur Bestimmung subjektiver öffentlicher Rechte eines Wettbewerbers im Wirtschaftsverwaltungsrecht für entscheidend, ob ein Regelungsprogramm die Möglichkeit gleicher Teilnahme am Wettbewerb sichere. Vor allem aus dem zweiten Schutzzweck folge somit der Schutznormcharakter. Dem Willen des Gesetzgebers, so Spoerr unter Hinweis auf Schmidt-Preuß, sei die Subjektivierung des Normprogrammes zu entnehmen, wenn dort Interessengegensätze konfliktschlichtend geregelt würden. § 11 Abs. 1 AEG sei eine Vorschrift, die ein Konfliktschlichtungsprogramm zwischen Privatinteressen enthalte. Die Pflicht zu Übernahmeverhandlungen aus § 11 AEG sei ein geradezu paradigmatischer Fall eines normativen Konfliktschlichtungsprogramms zwischen Privatinteressenten.

Spoerr verkennt hier, dass schon aufgrund der Genehmigungsfiktion in § 11 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 AEG die Annahme, § 11 AEG enthalte ein Regelungsprogramm zur Sicherung der Möglichkeit gleicher Teilnahme am Wettbewerb oder ein "normatives Konfliktschlichtungsprogramm" aus den bereits dargelegten Gründen widerlegt wird, da sich nämlich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, dass dem Begehren des antragstellenden Unternehmens nach Ablauf einer bestimmten Frist zu entsprechen ist.

Spoerr führt des Weiteren aus, dass der Schutznormcharakter des § 11 AEG auch daraus folge, dass das Privatrecht hier das normative Konfliktschlichtungsprogramm nicht bereitstellen könne. Der wettbewerbsschaffende Zweck der Eisenbahnliberalisierung sei im Hinblick auf das bestehende Streckennetz allein mit privatrechtlichen Mitteln nicht zu erreichen.

Zu berücksichtigen ist aber, dass es der Entscheidung des Gesetzgebers obliegt, inwieweit er wettbewerbsregulierend oder -sichernd aktiv werden will. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen das Privatrecht kein Schlichtungsprogramm enthält und auch keine öffentlich-rechtlichen Schutznormen geschaffen werden. Können sich z. B. zwei Vertragsparteien über einen Kaufpreis nicht einigen, kommt kein Kaufvertrag zustande. Eine entsprechende öffentlich-rechtliche Schutznorm existiert auch in einem solchen Fall nicht. Zur Unterbindung unlauteren Wettbewerbs hat der Gesetzgeber das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlassen. Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber für den Bereich der Eisenbahnen zusätzlich die Bundesregierung und die Landesregierungen in § 1 Abs. 2 AEG verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden, und dass durch einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglicht wird. Es liegen hingegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber auch die wettbewerbsrechtlichen Individualinteressen übernahmewilliger Dritter im Rahmen des § 11 AEG schützen wollte.

Auch die Folgerungen von Spoerr aus dem Schutznormcharakter überzeugen nicht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es zur Behebung der Rechtsverletzung nicht erforderlich sei, die Stilllegungsgenehmigung insgesamt aufzuheben. Es reiche aus, sie teilweise aufzuheben und die Behörde zu verpflichten, die Genehmigung unter der Auflage zu erteilen, mit dem Dritten Übernahmeverhandlungen für die Strecke zu führen. Diese Vorgehensweise würde aber nicht dem Schutz des Dritten dienen, da die Verpflichtung allein, Übernahmeverhandlungen zu führen, nicht zielführend für das an einer Übernahme interessierte Unternehmen sein kann, da gerade in Fällen der vorliegenden Art eine Einigung gescheitert ist und nicht ersichtlich ist, weshalb allein die Verpflichtung, Übernahmeverhandlungen zu führen, zu einer Einigung führen soll. Darüber hinaus wäre nach Vorstellung von Spoerr allein aufgrund der Übernahmeverhandlungen mit dem an einer Übernahme interessierten Unternehmen die Auflage zur Genehmigung erfüllt, die Strecke dürfte somit schon dann stillgelegt werden, wenn nur Übernahmeverhandlungen geführt worden sind. Der Sinn und Zweck dieser Vorgehensweise ist für das Gericht nicht zu erkennen.

Angesichts dessen bedarf es hier keines näheren Eingehens auf die Frage, ob dem Kläger, dessen Vereinszweck nach § 2 seiner Satzung das Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur unstreitig (noch) nicht umfasst, überhaupt ein Übernahmeangebot nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG gemacht werden musste, ob er m. a. W. als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift in Betracht zu ziehen war.

Ferner ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären, ob der Antragsteller die Voraussetzungen des § 6 AEG (insbesondere hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit als Unternehmer) für die bei Übernahme der Strecke Treysa-Oberaula erforderliche Genehmigung als Eisenbahninfrastrukturunternehmen wird erfüllen können, woran nach derzeitigem Erkenntnisstand allerdings nicht unerhebliche Zweifel auch für den Fall bestehen, dass dem Antragsteller, wie von ihm gefordert, die betreffende Strecke mit einer Grundstücksfläche von rd. 575.000 qm nebst technischen Einrichtungen und Gebäuden zum symbolischen Kaufpreis von 1,-- DM zu überlassen wäre.

Nach allem ist der Antrag unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Die in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie aus Gründen der Billigkeit dem unterliegenden Antragsteller aufzuerlegen sind; denn die Beigeladene hat auf Seiten der obsiegenden Antragsgegnerin Anträge gestellt bzw. Rechtsmittel eingelegt und dadurch ein eigenes Prozesskostenrisiko übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 und 20 Abs. 3 GKG. Sie folgt der erstinstanzlichen Wertbestimmung, gegen die von den Beteiligten keine Gründe vorgebracht worden sind, die hinreichende Veranlassung für eine abweichende Ausübung des gerichtlichen Ermessens nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG hätten geben können.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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