Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 2 TG 3560/00
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, UVPG


Vorschriften:

BauGB § 38
BImSchG § 5
BImSchG § 6
UVPG § 12
1. Zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Abfallbehandlungsanlage nach dem Thermoselect-Verfahren im Gebiet des Hanauer Hafens.

2. Ein vorzeitiger Verschleiß sicherheitsrelevanter Teile (hier der Wärmeschutzauskleidung des Hochtemperaturreaktors) bei einer Referenzanlage steht der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen, wenn nach der nachvollziehbaren und nicht erschütterten Einschätzung zweier Sachverständiger (im Sinne des § 29a Abs. 1 BImSchG) das Überwachungssystem der Anlage gewährleistet, dass eventuell eintretende Schäden so schnell erkannt und lokalisiert werden, dass durch eine Einstellung des Betriebs Gefahren für die Anlage und deren Nachbarschaft vermieden werden können.

3. Zur Emissionsbegrenzung des Brennkammerbetriebs im Falle einer Störung der Synthesegasreinigung oder -nutzung ("Bypass-Fahrten").

4. § 38 Satz 1 BauGB privilegiert die dort genannten Abfallbehandlungsanlagen, indem die Bindung an §§ 29 ff. BauGB durch eine bloße Berücksichtigung städtebaulicher Belange ersetzt wird. Dadurch wird die Genehmigungsbehörde ermächtigt, im Rahmen der im Übrigen gebundenen Entscheidung die der Genehmigung entgegenstehenden städtebaulichen Belange im Wege einer Abwägung mit dem öffentlichen Entsorgungsinteresse zu überwinden. Maßgebliche Kriterien sind neben der Bauleitplanung Art und Maß der tatsächlichen Bebauung im Einwirkungsbereich der Anlage sowie die von der Anlage ausgehenden Störungen der Nachbarschaft.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

2 TG 3560/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Genehmigung einer Abfallbehandlungsanlage nach dem Thermoselect-Verfahren im Gebiet des Hanauer Hafens

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richter am Hess. VGH Pabst

am 15. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 2000 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abgeändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je einem Fünftel zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung von Amts wegen für beide Rechtszüge auf je 125.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer thermischen Restabfallbehandlungsanlage nach dem Thermoselect-Verfahren im Gebiet des Hanauer Hafens.

Nach dem Thermoselect-Verfahren sollen Restabfälle in einem mehrstufigen Prozess in ein nutzbares Synthesegas und umweltverträglich verwertbare feste Stoffe umgewandelt werden. Der Restmüll soll auf zwei Linien mit einer Durchsatzkapazität von je 6 Mg/h (= 6 t) zunächst verdichtet, getrocknet sowie weitgehend entgast und anschließend in einem Hochtemperaturreaktor (HTR) unter Zufuhr von reinem Sauerstoff bei einer Temperatur von über 1200 °C in Synthesegas umgewandelt werden. Die nicht vergasungsfähigen Metalle und Mineralien werden bei einer Temperatur bis 2000 °C geschmolzen, über den Homogenisierungsreaktor abgeschieden, gekühlt, granuliert und einer Wiederverwertung zur Verfügung gestellt. Das im HTR entstehende Syntheserohgas soll in der Quensch schockartig auf 70 °C abgekühlt und mehreren Reinigungsgängen unterzogen werden, wobei wieder verwertbare Stoffe (insbesondere Schwefel, Zinkkonzentrat und Mischsalze) abgeschieden werden. Das gereinigte Synthesegas soll in dem integrierten Blockkraftwerk (BKW) energetisch verwertet werden. Der erzeugte Strom soll den Energiebedarf der Anlage decken und im Übrigen in das Netz eingespeist werden. Die durch die Verwertung des Synthesegases freigesetzten Emissionen sollen deutlich unter den normativ vorgegebenen und den bei herkömmlichen Verbrennungsanlagen entstehenden Werten liegen.

Die Anlage soll in dem Gebiet des Hanauer Hafens auf dem Gelände der früheren Firma C. errichtet werden. Das Grundstück liegt in dem als Gewerbegebiet ausgewiesenen westlichen Ast der Bebauungsplanbereiche 904 der Stadt Hanau, an den sich in östlicher Richtung der ebenfalls als Gewerbegebiet ausgewiesene Geltungsbereich des Bebauungsplans 904.1 anschließt.

Der Antragsteller zu 1. ist Eigentümer des gegenüber dem Anlagenstandort (auf der anderen Seite der J.-Straße) gelegenen Grundstücks, das mit einer gewerblichen Anlage (Stahlgroßhandel) und einem Wohnhaus mit sieben Wohnungen bebaut ist. Der Antragsteller zu 2. ist Eigentümer des Anwesens J.-Straße 26, auf dem er ein Autohaus betreibt, zu dem eine Betriebswohnung gehört. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1. und 2. liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans 904.1. Die Antragsteller zu 3., 4. und 5. wohnen - auf der anderen Seite des Mains - in dem Stadtteil Steinheim der Stadt Hanau.

Nach Zulassung einer Abweichung vom Regionalen Raumordnungsplan Südhessen (durch Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 11. März 1997) wurde eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung (Scoping-Termin am 17. Februar 1998) durchgeführt. Die mit Antrag der Beigeladenen vom 30. Oktober 1998 eingereichten Unterlagen lagen vom 9. März bis 22. April 1999 u.a. im Rathaus der Stadt Hanau aus. Gegen das Vorhaben haben - neben vielen anderen - die Antragsteller mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5. Mai 1999 Einwendungen erhoben, die das Regierungspräsidium in der Zeit vom 8. bis 17. Juni 1999 mit den Beteiligten erörtert hat. Mit Bescheid vom 23. Februar 2000 hat das Regierungspräsidium Darmstadt - Abteilung Staatliches Umweltamt Hanau - die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Thermoselect-Anlage mit zahlreichen Nebenbestimmungen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erteilt. Gegen die Genehmigung haben die Antragsteller am 6. April 2000 Widerspruch eingelegt und am 2. Mai 2000 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 31. Juli 2000 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wieder hergestellt.

II.

Die von dem Senat zugelassenen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen haben Erfolg. Der auf eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gerichtete Antrag ist nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO zulässig, aber nicht begründet.

Vollzugsanordnung

Die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 23. Februar 2000 ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht schon deshalb auszusetzen, weil die Vollzugsanordnung unter Bedingungen erteilt worden ist. Denn diese Nebenbestimmungen begründen allein Verpflichtungen der Beigeladenen und greifen somit nicht in Rechtspositionen oder rechtlich geschützte Interessen der Antragsteller ein.

Die Dringlichkeit der Errichtung und Inbetriebnahme der Konversionsanlage ist in dem Bescheid vom 23. Februar 2000 hinreichend dargelegt. Der im Main-Kinzig-Kreis anfallende Restmüll, der in der Thermoselect-Anlage behandelt werden soll, wird derzeit auf der Deponie Hailer abgelagert. Die abfallrechtlich ohnehin unerwünschte Deponierung (vgl. Ziffern 1.5, 5.1 und 12.1 der TA-Siedlungsabfall vom 14. Mai 1993, BAnz. Nr. 99a) ist bis zum 31. Dezember 2001 befristet (vgl. Änderungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Staatliches Umweltamt Hanau - vom 30. März 1999). Der somit bevorstehende Engpass bei der Beseitigung des Restmülls soll durch die thermische Konversionsanlage behoben werden. Der Hinweis der Antragsteller auf freie Kapazitäten bestehender Müllverbrennungsanlagen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach dem insoweit maßgeblichen Abfallwirtschaftsplan des Landes Hessen (Teilplan 1 - Siedlungsabfälle -) vom 21. Dezember 1999 (Ziffer 6.3.3 - Tabelle 12 -) reicht die Kapazität der Müllverbrennungsanlagen in Frankfurt am Main und in Offenbach von insgesamt 645.000 t/a gerade aus, um die für deren Einzugsgebiet prognostizierte Mengen (678.500 t/a für 2005 und 662.000 t/a für 2010) zu bewältigen.

Darüber hinaus ist es bei zumindest zweifelhaften Überkapazitäten anderer Träger nicht zu beanstanden, wenn sich der Entsorgungspflichtige bei der Entscheidung, in welcher Weise er seinen Verpflichtungen aus §§ 10 und 15 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705) nachkommt, für die Errichtung einer eigenen Anlage entscheidet, die unabhängig betrieben werden kann und die eine umweltverträglichere Form der Abfallbehandlung ermöglicht als sie bei herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen gegeben ist. Schließlich kann der entsorgungspflichtige Landkreis nicht darauf verwiesen werden, sich um eine technisch mögliche (vgl. Tabelle 10 des Abfallwirtschaftsplans Hessen) Erhöhung der zugelassenen Kapazitäten anderer Verbrennungsanlagen zu bemühen. Denn abgesehen von Verfahrenswiderständen, die sich in den dann notwendigen Genehmigungsverfahren ergeben können, würde eine Erweiterung der Kapazitäten herkömmlicher Anlagen die Umwelt mehr belasten als die Errichtung der thermischen Konversionsanlage in Hanau.

Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Genehmigung vom 23. Februar 2000 ist in der Sache abzulehnen, weil das Interesse der Beigeladenen an der Errichtung und Inbetriebnahme der genehmigten Anlage und das öffentliche Interesse an einer gesetzmäßigen und möglichst umweltverträglichen Behandlung des Restabfalls die persönlichen Belange der Antragsteller überwiegen. Diese Interessenbewertung folgt schon daraus, dass die Genehmigung vom 23. Februar 2000 nach summarischer Prüfung die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt, so dass deren Widersprüche voraussichtlich keinen Erfolg haben werden.

Genehmigungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren lässt keinen Fehler erkennen, der im Hauptsacheverfahren auf ein Rechtsmittel der Antragsteller hin zu einer Aufhebung oder Teilaufhebung der Genehmigung führen könnte. Die Antragsteller können sich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung bauordnungsrechtlicher Verfahrensvorschriften berufen. Nach § 13 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2000, BGBl. I S. 632) ersetzt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Baugenehmigung mit der Folge, dass die bauordnungsrechtlichen Verfahrensvorschriften durch die Regelung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens verdrängt werden.

Das Regierungspräsidium hat nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, wenn es dem Antragsteller zu 5. keine Kurzbeschreibung des Vorhabens zugesandt hat. Eine entsprechende Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) vom 29. Mai 1992 (BGBl. I S. 1001) setzt eine hier nicht erfolgte Anforderung bei der Genehmigungsbehörde voraus. Ob die Beigeladene verpflichtet war, entsprechende Anforderungen an die Genehmigungsbehörde weiterzuleiten und welche Ansprüche sich im Falle einer Verletzung dieser Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen ergeben, bedarf hier keiner Entscheidung, weil jedenfalls kein Verfahrensfehler der Genehmigungsbehörde vorliegt.

Der Einwand der Antragsteller, einige Tabellen zu der Sicherheitsanalyse seien den Antragsunterlagen nicht beigefügt und deshalb auch nicht öffentlich ausgelegt worden, trifft in tatsächlicher Hinsicht nur auf die Tabelle 7 zu. Denn die Tabellen 3, 4 und 5 waren den Antragsunterlagen beigefügt (Bl. 1683 ff. und 1844 ff. der Antragsunterlagen). Die Tabelle 7 (Seiten 7.1 und 7.2 - Bl. 3136 f. der Verfahrensakte des Regierungspräsidiums -) hat die Beigeladene mit Schreiben vom 22. Juli 1999 (Bl. 3025 der Verfahrensakte des Regierungspräsidiums) nachgereicht. Der Antragsgegner trägt zutreffend vor, dass sich der Inhalt dieser Tabelle im Wesentlichen auf eine Zusammenfassung der (ausgelegten) textlichen Ausführungen beschränkt, so dass diese Tabelle nicht zu den notwendig auszulegenden Unterlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV zu rechnen ist.

Im Übrigen würde ein solcher Verfahrensfehler, selbst wenn er vorläge, nicht zu einer Aufhebung oder Teilaufhebung der angefochtenen Genehmigung führen, weil er nicht die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat (§ 46 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz - HVwVfG - in der Fassung vom 4. März 1999, GVBl. I S. 222). Da die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorliegen, was noch darzulegen ist, musste das Regierungspräsidium die beantragte Genehmigung erteilen. § 46 HVwVfG wird entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht von § 7 Abs. 1 9. BImSchV verdrängt, weil diese Vorschriften unterschiedliche Regelungsbereiche zwischen verschiedenen Beteiligten betreffen.

Soweit die Antragsteller als Verfahrensfehler die Unvollständigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung rügen, machen sie in der Sache eine unzureichende Ermittlung oder Bewertung der umweltrelevanten Daten durch die Genehmigungsbehörde, also die materielle Rechtswidrigkeit der Genehmigung geltend; darauf ist später einzugehen.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht lässt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23. Februar 2000 keinen Mangel erkennen, der geeignet wäre, die Antragsteller in ihren Rechten zu verletzen. Insbesondere werden nach summarischer Prüfung von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf die Grundstücke oder Wohnungen der Antragsteller ausgehen.

Emissionsgrenzwerte

Bezüglich der Emissionen bei dem Normalbetrieb der Anlage machen die Antragsteller geltend, es sei nicht nachgewiesen, dass die Emissionsgrenzwerte der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe - 17. BImSchV - vom 23. November 1990 (BGBl. I S. 2545) eingehalten würden, so dass die Genehmigung hätte versagt werden müssen. Abgesehen von zwei konkreten Einwendungen, auf die später eingegangen wird, berufen sich die Antragsteller insoweit auf Mängel bei der "Referenzanlage Karlsruhe". Die bei dieser ersten Anlage nach dem Thermoselect-Verfahren während des Probebetriebs durchgeführten Messreihen beruhten auf Unregelmäßigkeiten bei der Datenerhebung und hätten zu unplausiblen Ergebnissen geführt. Für den Volllastbetrieb lägen überhaupt keine autorisierten Messdaten vor, und die Betreiberin der Anlage habe die Öffentlichkeit mehrfach getäuscht.

Diese Einwendungen sind nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Genehmigung zu begründen. Die Genehmigungsbehörde hat in umfangreichen Nebenbestimmungen zu der Genehmigung (Genehmigungsbescheid, Seiten 58 ff.) Emissionsgrenzwerte für luftverunreinigende Stoffe festgesetzt. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich und auch nicht von den Antragstellern vorgetragen worden, dass diese Anordnungen nicht den normativ und wissenschaftlich vorgegebenen Grenz- oder Richtwerten entsprechen. Zur Kontrolle der Einhaltung dieser Werte sind sowohl kontinuierliche Messungen als auch wiederkehrende Einzelmessungen durch unabhängige Messinstitute nach festgelegten Messplänen mit bestimmten Messeinrichtungen vorgeschrieben. Für den Fall der Überschreitung der Emissionsgrenzwerte sind Maßnahmen zur Beseitigung der Störung bis hin zur Betriebsstilllegung vorgesehen. Angesichts dieses Systems von Nebenbestimmungen ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass es im Bereich der Grundstücke und Wohnungen der Antragsteller zu einer schädlichen Luftverunreinigung infolge einer Überschreitung von Emissionsgrenzwerten kommen wird.

Die Hinweise der Antragsteller auf die Referenzanlage Karlsruhe rechtfertigen keine andere Einschätzung. Sie beruhen im Wesentlichen auf Presseberichten sowie Presseerklärungen. Der Antragsgegner und die Beigeladene sind dem Vorbringen der Antragsteller entgegengetreten. Für den Senat besteht keine Veranlassung, diesen Aspekten im Einzelnen nachzugehen. Denn selbst wenn die Kritik sachlich begründet wäre, ließen sich daraus keine zwingenden Rückschlüsse für die hier angefochtene Genehmigung ziehen. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung setzt nicht voraus, dass der reibungslose Normalbetrieb einer Referenzanlage nachgewiesen ist. Darüber hinaus sind die Anlagen nicht in jeder Hinsicht vergleichbar, zumal Grenzwerte teilweise von den Betreibern der Anlagen selbst vorgegeben oder von der Genehmigungsbehörde nach den Umständen des Einzelfalles festgesetzt werden. Vor allem aber zeigt die Kritik der Antragsteller insoweit keine konstruktiven Fehler oder ähnliche konkret-technische Anhaltspunkte dafür auf, dass bei dem Normalbetrieb der Anlage die vorgegebenen Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Vielmehr ist nach der fachbehördlichen und sachverständigen Prüfung der Antragsunterlagen zu erwarten, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden. Die pauschale Behauptung des Gegenteils ist daher nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu begründen.

Gegen das in Karlsruhe praktizierte und auch gegen das hier vorgesehene Messverfahren wenden die Antragsteller ein, es würden nicht die Vorgaben eingehalten, die sich aus der TA-Luft, Anhang C, Ziffer 3, ergeben. Danach müssten die Messungen in einer Phase durchgeführt werden, in der die Restabfälle mit dem ungünstigsten Schadstoffgehalt ("Worst-Case") verbrannt werden. Dieser Argumentation hat der Antragsgegner zu Recht entgegengehalten, dass der Verweis auf die TA-Luft in § 1 Abs. 2 Satz 2 17. BImSchV für Feuerungsanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 gilt, also für Anlagen, in denen neben den (in Nr. 1.2 des Anhangs zur 4. BImSchV aufgeführten) Regelbrennstoffen bis zu einem bestimmten Anteil auch Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe mitverfeuert werden dürfen. Für Anlagen der vorliegenden Art (im Sinne des § 1 Abs. 1 17. BImSchV) richtet sich das Messverfahren nach den §§ 9 ff. 17. BImSchV, das der Antragsgegner seinen Nebenbestimmungen zu Grunde gelegt hat.

Die Antragsteller halten die Genehmigung für rechtswidrig, weil bei dem Thermoselect-Verfahren Blausäure (Cyanwasserstoff - HCN -) freigesetzt und in die Umwelt abgegeben werde. Ihren diesbezüglichen Einwendungen und den Ausführungen des Herrn Fischer im Erörterungstermin sei die Genehmigungsbehörde nicht nachgegangen. Entsprechende Messungen bei der Versuchsanlage dürften nicht auf die hier streitige Anlage übertragen werden. Dieser Einwand ist nicht begründet.

Das oben zu den Emissionen im Allgemeinen Gesagte gilt auch für HCN. In das Thermoselect-Verfahren sind Oxidationseinrichtungen eingebaut, die die bei der Verbrennung entstehende Blausäure zerstören sollen. Für den Fall, dass gleichwohl Blausäure emittiert werden sollte, ist in den Nebenbestimmungen (Genehmigungsbescheid, Seite 59) ein Emissionsgrenzwert festgesetzt, dessen Richtigkeit auch von den Antragstellern nicht infrage gestellt wird. Die Einhaltung des Grenzwertes wird durch ein Messsystem gewährleistet, das von dem von dem Antragsgegner beauftragten Sachverständigen Dr. L. von dem TÜV Süddeutschland (vgl. Schreiben vom 10. November 1999, Bl. 4031 der Verfahrensakte des Regierungspräsidiums) als wirksam bestätigt worden ist. Konkrete Einwendungen gegen die Funktionalität des Kontrollsystems tragen die Antragsteller nicht vor. Ihre Behauptung, dass die Anlage erheblich größere Mengen an HCN produziere als in den Unterlagen angenommen sei, ist daher nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Genehmigung infrage zu stellen. Die Antragsteller können sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die für eine Wiederverwertung vorgesehenen Granulate mit HCN belastet seien und deshalb anstelle einer Verwertung beseitigt werden müssten. Unabhängig von der Frage, ob Dritte überhaupt einen Verstoß gegen das Verwertungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG als eine Verletzung eigener Rechte geltend machen können, fehlt es hier schon in tatsächlicher Hinsicht an der Kausalität für eine Beeinträchtigung der Grundstücke oder Wohnungen der Antragsteller.

Eine Beeinträchtigung der Antragsteller ist auch nicht unter dem Aspekt der Schadstoffakkumulation zu erwarten. Die Antragsteller befürchten unter Berufung auf die Ausführungen des Herrn K. im Erörterungstermin, dass es in dem Thermoselect-System durch Rückführung ausgetragener Schadstoffe, insbesondere des Kohlenstoffschlamms in den Verbrennungsprozess, zu einer Aufkonzentration von Schwermetallströmen kommen könne; der Ausstoß von Cadmium könne sich um den Faktor 17 erhöhen. Der Aspekt der Schadstoffakkumulation ist jedoch in dem Genehmigungsverfahren ohne Rechtsfehler geprüft worden (vgl. Schreiben des Sachverständigen Dr. L. vom 10. November 1999). Die Einhaltung der Grenzwerte wird durch das Messsystem überwacht. Selbst wenn eine Erhöhung der Cadmiumkonzentration dazu führen würde, dass Kohlenstoffschlamm aus dem Prozess ausgeschleust und als Sonderabfall beseitigt werden müsste oder wenn die abgeschiedenen Granulate wegen einer Belastung mit Schwermetallen nicht verwertet, sondern ebenfalls beseitigt werden müssten, würden dadurch keine rechtlich geschützten Positionen der Antragsteller tangiert.

Sicherheitsrisiken

Das Verwaltungsgericht hat seine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wesentlich auf die Erwägung gestützt, die vorgesehene Wärmeschutzauskleidung des Hochtemperaturreaktors (HTR) stelle für die Antragsteller ein unzumutbares Sicherheitsrisiko dar. Diese Auffassung teilt der beschließende Senat nicht. Das Verwaltungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass bei der Prüfung, ob von der Anlage "sonstige Gefahren" für die Nachbarschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgehen, Störfälle und Unregelmäßigkeiten berücksichtigt werden müssen, die bei einer nach dem selben Verfahren betriebenen Anlage aufgetreten sind. Dieser Verpflichtung ist die Genehmigungsbehörde hier nachgekommen, und ihre Einschätzung, dass unter dem Aspekt der Wärmeschutzauskleidung kein Sicherheitsrisiko für die Nachbarschaft besteht, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Auszugehen ist davon, dass die Wärmeschutzauskleidung des HTR Verschleißmaterial darstellt, das in wiederkehrenden Abständen erneuert werden muss. Sofern die von der Beigeladenen erwartete Standzeit der Ausmauerung nicht erreicht werden kann, mag das die Wirtschaftlichkeit der Anlage beeinflussen, führt aber nicht zwangsläufig zu einem Sicherheitsrisiko. Entscheidend ist vielmehr, ob im Zusammenhang mit der Abnutzung der Wärmeschutzauskleidung Betriebsstörungen auftreten und nicht rechtzeitig erkannt oder beseitigt werden können. Derartige technische Geschehensabläufe können nur von Sachverständigen hinreichend sicher beurteilt werden. Hier hat der Antragsgegner den vorzeitigen Verschleiß der Wärmeschutzausmauerung bei der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe zum Anlass genommen, eine Betriebsbesichtigung und Erörterung mit u.a. dem für die Anlage in Karlsruhe bestellten Sachverständigen Dr. Spangenberg vom TÜV Pfalz durchzuführen. Dr. Spangenberg führte nach dem Besprechungsvermerk vom 25. Januar 2000 (Bl. 4856 ff. der Verfahrensakte des Regierungspräsidiums) aus, dass die Feuerfestauskleidung des HTR ein "sicherheitstechnisch relevantes Anlagenteil" bzw. "zentrales Sicherheitselement" der Thermoselect-Anlage darstelle. Es sei aber nicht zu kleinflächigen Abtragungen an der Feuerfestauskleidung gekommen, die zu einer punktuellen Überhitzung und Beschädigung der Reaktorwand ohne vorherige deutlich ansteigende Kühlwassertemperatur führen können; derartige Störungen seien ausgeschlossen. Schäden an der Wärmeschutzauskleidung seien durch Überwachung der Kühlwassertemperatur und durch Messung der Kühlwassermenge zu jeder Zeit unter Kontrolle gewesen. Das Kühlwassersystem bestehe aus mehreren einzeln überwachten Kühlkreisläufen, so dass sich auch kleinflächige Abtragungen der Feuerfestauskleidung in einer Erhöhung der Temperatur des Kühlwassers bemerkbar machen würden. Darüber hinaus sei die Kühlwassermenge eines Kühlkreislaufs so abgestimmt, dass selbst bei einem Eindringen von Kühlwasser in den HTR keine gefährliche Situation drohe. Diese Einschätzung ist in dem Teilbericht zu dem Bauüberwachungsbericht des TÜV Pfalz vom 7. Februar 2000 - nach einer Besichtigung des Reaktorinnenraums - bestätigt worden. Auch Dr. L., TÜV Süddeutschland, der für die Überprüfung der Sicherheitstechnik der streitigen Anlage bestellt ist, hat sich mit Schreiben vom 18. Januar und 8. Februar 2000 (Bl. 4840 und 4874 der Verfahrensakte des Regierungspräsidiums) dahingehend geäußert, dass derartige Störungen aufgrund der Neuartigkeit der Anlage nicht von vornherein auszuschließen seien, dass sie aber durch die vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen erkannt und beseitigt werden könnten, bevor es zu umfangreicheren Störungen oder zum Eintritt einer ernsten Gefahr komme.

Schließlich wurde auch in der Presseerklärung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 31. Januar 2000, auf die sich das Verwaltungsgericht bezogen hat, auf die vorzeitige Abnutzung der Wärmeschutzauskleidung der Anlage in Karlsruhe hingewiesen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe legte aber auch in dieser Presseerklärung Wert auf die Feststellung, dass es zu keinem "spontanen Versagen von Anlageteilen" gekommen sei; die Störungen seien durch die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen rechtzeitig erkannt worden.

Aufgrund der Darlegungen der Sachverständigen Dr. Spangenberg und Dr. L. muss der erkennende Senat davon ausgehen, dass eventuelle Schäden oder Betriebsstörungen infolge eines vorzeitigen Verschleißes der Wärmeschutzauskleidung aufgrund der vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen und Überwachungsmaßnahmen rechtzeitig erkannt, lokalisiert und wirksam bekämpft werden können. Die für den Senat ohne weiteres nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen sind von den Antragstellern nicht substantiiert angegriffen oder in anderer Weise erschüttert worden. Das gilt insbesondere für das von den Antragstellern zitierte, im Auftrag der Stadt Hanau erstellte "INTAC-Gutachten", das zwar Emissions- und Sicherheitsfragen anspricht, aber keine konkreten Aussagen zu der zuvor abgehandelten Emissions- und Sicherheitsproblematik enthält. Das INTAC-Gutachten will die oben angesprochenen Sachverständigenäußerungen zu konkreten Emissions- und Sicherheitsfragen nicht in Zweifel ziehen oder gar widerlegen. Es zielt vielmehr darauf ab, die Einstufung der Thermoselect-Anlage als eine (in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässige) industrielle Anlage auch unter emissions- und sicherheitsrelevanten Aspekten zu belegen. Auf dieses Gutachten ist daher im Zusammenhang mit der Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens einzugehen.

Unbegründet sind die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen gegen die Unabhängigkeit der genannten Sachverständigen. Soweit mit dem Hinweis auf "Interessen potentieller Vereinsmitglieder" zum Ausdruck gebracht werden soll, Angehörige der Technischen Überwachungsvereine seien generell nicht unvoreingenommen, fehlt es an der Darlegung einer nachprüfbaren Interessenkollision. Die Behauptung, der Sachverständige Dr. Spangenberg habe seine Unabhängigkeit noch nicht unter Beweis gestellt, verkennt die Voraussetzungen und Wirkungen der amtlichen Bestellung von Sachverständigen. Der Sachverstand von Dr. Spangenberg wird entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht durch das (angebliche) Zitat infrage gestellt, die Thermoselect-Anlage in Karlsruhe habe die Probe bestanden. Mit dieser Aussage sollte offensichtlich ein generalisierendes Werturteil abgegeben, aber nicht die reibungslose Funktion der Anlage in jeder Einzelheit attestiert werden. Einzelne Betriebsstörungen oder Ungereimtheiten bei Emissionsmessungen sind daher nicht geeignet, Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen Dr. Spangenberg zu begründen. Im Übrigen hat der Antragsgegner alle verwertbaren Aussagen des Sachverständigen Dr. Spangenberg durch den von ihm beauftragten Sachverständigen Dr. L. überprüfen lassen.

Die vorstehenden Ausführungen zu dem vorzeitigen Verschleiß der Feuerfestauskleidung des Hochtemperaturreaktors gelten sinngemäß auch für den Umstand, dass bei der Karlsruher Anlage Mikrorisse an dem Verbindungsflansch zwischen dem HTR und dem Entgasungskanal aufgetreten sind. Diese auf thermische Spannungen zurückgeführten Rissbildungen sind nach den Ausführungen der Sachverständigen aufgrund der Überwachungseinrichtungen schnell erkannt und beseitigt worden. Infolge einer konstruktiven Änderung (Verlängerung des feuerfesten Mündungsstücks des HTR und Verwendung eines hochhitzebeständigen Stahls bei Herstellung des Entgasungskanals) ist nach sachverständiger Einschätzung ausgeschlossen, dass bei der hier streitigen Anlage ein ähnlicher Schaden wie bei der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe auftreten wird.

Brennkammerbetrieb

Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung ferner auf die Erwägung gestützt, die Genehmigung verstoße gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Störfall-Verordnung (12. BImSchV), weil bei dem Brennkammerbetrieb der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe nicht die in der Genehmigung festgesetzten Emissionsgrenzwerte eingehalten worden seien. Aber auch unter diesem Aspekt ist die Genehmigung vom 23. Februar 2000 rechtlich nicht zu beanstanden:

Im Normalbetrieb des Thermoselect-Verfahrens soll das in dem HTR entstehende Synthesegas in mehreren Schritten gereinigt, in dem Blockkraftwerk (BKW) unter energetischer Nutzung verbrannt und der Restbestand über den Hauptkamin in die Atmosphäre abgegeben werden. Für den Fall, dass in dem Normalbetrieb eine Störung bei der Synthesegasreinigung oder -nutzung auftritt, ist vorgesehen, das Synthesegas zur Vermeidung eines Überdrucks in eine Brennkammer zu leiten und zu verbrennen (sog. Bypass-Fahrt). Der Antragsgegner trägt zutreffend vor, dass - abgesehen von einer Begrenzung der Gesamtstaubemission in § 16 Abs. 2 Satz 3 17. BImSchV - für derartige Betriebsstörungen keine Emissionsgrenzwerte normativ vorgegeben (und nach den Darlegungen des Antragsgegners bei sonstigen Müllverbrennungsanlagen auch nicht üblich) sind. Die bei dem Brennkammerbetrieb einzuhaltenden Werte sind vielmehr in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgesetzt worden (Genehmigungsbescheid, S. 60 ff.). Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Festsetzung eines Emissionsgrenzwertes insoweit ihre Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 2 Satz 2 17. BImSchV oder in § 3 Abs. 1 12. BImSchV findet und ob sie letztlich auf dem Schutzprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder auf dem Vorsorgegedanken des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG mit der weiteren Folge beruht, dass sie wohl keinen Nachbarschutz vermittelt. Denn die in der angefochtenen Genehmigung getroffenen Nebenbestimmungen zu dem Brennkammerbetrieb sind schon in objektiv-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Während für die Thermoselect-Anlage in Karlsruhe für den Brennkammerbetrieb der dort überschrittene Emissionsgrenzwert für Schwermetalle auf 0,05 mg/m³ beantragt und festgesetzt worden ist, bestimmt die hier angefochtene Genehmigung, dass ein Grenzwert von 0,5 mg/m³ einzuhalten ist (Genehmigungsbescheid, S. 61). Diese Regelung wird von den Antragstellern nicht angegriffen; sie erscheint auch nicht als ungeeignet, weil sie sich an den für den Normalbetrieb vorgesehenen Emissionsgrenzwerten orientiert (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3c 17. BImSchV) und insbesondere in Relation zu dem Zeitraum zu sehen ist, über den die Brennkammer überhaupt betrieben werden darf. Insoweit ist für die Karlsruher Anlage ein Weiterbetrieb bis zu acht Stunden (bzw. bis 50 Stunden im Jahr) zugelassen, während bei der hier streitigen Anlage im Fall des Eintritts einer Betriebsstörung, die eine Bypass-Fahrt erfordert, der Mülleintrag umgehend zu stoppen und die Anlage nach maximal einer Stunde abzufahren ist (Genehmigungsbescheid, S. 70). Diese auf § 16 Abs. 2 Satz 1 17. BImSchV beruhende Anordnung bewirkt, dass die Schadstoffemission nach einer Reaktionsfrist kontinuierlich reduziert und schließlich eingestellt wird. Die Einhaltung dieser Grenzwerte und Schutzvorkehrungen unterliegt dem oben beschriebenen Überwachungssystem. Unter dem Aspekt der Emissionsbegrenzung des Brennkammerbetriebs ist daher das in Hanau geplante Vorhaben nicht mit der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe zu vergleichen. Die dortige Überschreitung des in dem Genehmigungsbescheid festgesetzten Grenzwertes für Schwermetalle lässt daher nicht den Schluss zu, dass von dem Betrieb der Brennkammer eine schädliche Umweltbelastung ausgehen wird.

Das gilt nicht nur für Schwermetalle, sondern für alle anderen Schadstoffe. Soweit sich die Antragsteller unter Hinweis auf Pressemitteilungen erneut darauf berufen, bei dem Brennkammerbetrieb der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe seien die genehmigten und die gesetzlichen Grenzwerte für Luftschadstoffe, insbesondere für Dioxine und Furane um ein Vielfaches überschritten worden, hält ihnen die Beigeladene zu Recht entgegen, dass diese Berichte - abgesehen von der fehlenden Übertragbarkeit auf die Hanauer Anlage - durch die Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 31. März 2000 überholt sind. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war der Antragsgegner auch nicht gehalten, die Erteilung der Genehmigung für die Thermoselect-Anlage von der Einhaltung bestimmter Abstände zur sonstigen Bebauung abhängig zu machen; dafür besteht keine gesetzliche Grundlage.

Standort

Der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Thermoselect-Anlage stehen keine baurechtlichen Bestimmungen als "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegen. Maßstab für die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist § 38 Satz 1 des Baugesetzbuchs (- BauGB -, in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997, BGBl. I S. 2141). Nach dieser Bestimmung gelten für Planfeststellungsverfahren und Genehmigungsverfahren für Abfallbehandlungsanlagen der vorliegenden Art nicht die §§ 29 bis 37 BauGB, wenn die Gemeinde - wie hier die Stadt Hanau - am Verfahren beteiligt worden ist. Allerdings sind nach § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB städtebauliche Belange zu berücksichtigen. Durch diese Regelung werden die in dieser Vorschrift bezeichneten Projekte in zweifacher Hinsicht privilegiert. Zum einen geht die Planungskompetenz von der für die Bauleitplanung zuständigen Gemeinde auf die Planfeststellungs- oder Genehmigungsbehörde mit der Maßgabe über, dass die Gemeinde am Verfahren zu beteiligen ist. Zum anderen wird in materiell-rechtlicher Hinsicht die Bindung an die bauplanungsrechtlichen Vorgaben der §§ 29 bis 37 BauGB durch eine - bloße - Berücksichtigung städtebaulicher Belange ersetzt. Bei der Auslegung des Begriffs der Berücksichtigung städtebaulicher Belange ist davon auszugehen, dass ein Vorhaben schon bauplanungsrechtlich zulässig wäre, wenn es mit den Festsetzungen eines verbindlichen Bebauungsplans zu vereinbaren oder im Falle der Unvereinbarkeit eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu erteilen wäre. Die Privilegierung des § 38 Satz 1 BauGB greift gerade in den Fällen, in denen ein Vorhaben "an sich" nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht - auch nicht im Wege einer Befreiung - zugelassen werden könnte. Deshalb darf das Gebot der Berücksichtigung städtebaulicher Belange im Sinne des § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB nicht dahin missverstanden werden, dass das Vorhaben allein an den Festsetzungen eines eventuell bestehenden Bebauungsplans gemessen wird. Aus dem Begriff der Berücksichtigung ergibt sich vielmehr, dass eine Abwägung zwischen dem für die Zulassung des Vorhabens streitenden Entsorgungsinteresse und den eventuell entgegenstehenden städtebaulichen Belangen stattfinden soll (vgl. Dippel, NVwZ 99, 921 <928>; Hölscher, NVwZ 98, 1134 <1138>). Das für Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren im Sinne des § 38 Satz 1 BauGB ohnehin geltende Abwägungsgebot räumt der für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zuständigen Behörde, die im Übrigen eine gebundene Entscheidung zu treffen hat, einen partiellen - auf den Regelungsbereich des § 38 Satz 1 BauGB begrenzten - planerischen Gestaltungsspielraum ein (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl., Rdnr. 25 zu § 38). Im Rahmen dieser Abwägung kann einem für den Standort der Anlage geltenden Bebauungsplan die Funktion einer Orientierungshilfe zukommen (vgl. Schmaltz in: Schröder, Baugesetzbuch, 6. Aufl., Rdnr. 11 zu § 38).

Die hier von dem Regierungspräsidium Darmstadt zu Gunsten der Zulassung der Abfallbehandlungsanlage getroffene Entscheidung ist weder unter dem Aspekt des Abwägungsvorgangs noch vom Abwägungsergebnis her zu beanstanden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Regierungspräsidium habe überhaupt keine abwägende Entscheidung getroffen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Regierungspräsidium ist allerdings missverständlich in dem Genehmigungsbescheid (S. 199) zunächst davon ausgegangen, dass der dem Vorhaben eventuell entgegenstehende Bebauungsplan funktionslos und schon deshalb unverbindlich geworden sei. Gleichwohl hat es die Frage nach der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans letztlich offen gelassen und die für und gegen das Vorhaben streitenden Belange bewertet und gegeneinander abgewogen (Genehmigungsbescheid, S. 200 bis 203).

Für die Überprüfung des Abwägungsergebnisses kann dahingestellt bleiben, ob der Bebauungsplan 904 der Stadt Hanau hinsichtlich des (westlichen) Bereichs, in dem die Anlage errichtet werden soll, funktionslos geworden - wie der Antragsgegner und die Beigeladene meinen - oder entsprechend der Auffassung der Antragsteller noch verbindlich ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Thermoselect-Anlage in einem Gewerbegebiet nach § 30 BauGB i.V.m. § 8 der Baunutzungsverordnung - BauNVO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132) zulässig oder als industrielle Anlage grundsätzlich unzulässig wäre. Denn die Zulassung der Anlage ist auch für den Fall nicht zu beanstanden, dass der vorgesehene Standort in einem verbindlich als Gewerbegebiet ausgewiesenen Bereich liegen sollte und die Anlage ihrer Art nach in einem Gewerbegebiet "an sich" unzulässig wäre. Denn das Regierungspräsidium hat dem öffentlichen Entsorgungsinteresse abwägungsfehlerfrei den Vorrang vor den entgegenstehenden städtebaulichen Belangen eingeräumt:

Es wurde bereits dargelegt, dass die Beigeladene mit der Errichtung und dem Betrieb der Thermoselect-Anlage die originär dem Main-Kinzig-Kreis obliegende Pflicht zu einer möglichst umweltverträglichen Behandlung des Restabfalls zu erfüllen beabsichtigt. Gerade im Hinblick auf die Abtrennung wieder verwertbarer Stoffe und die energetische - jedenfalls im Vergleich zu herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen weitgehend umweltverträgliche - Nutzung des Synthesegases besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb der Anlage. Demgegenüber kommt den städtebaulichen Belangen, die gegen die Anlage ins Feld geführt werden, kein so erhebliches Gewicht zu, dass ihnen die Genehmigungsbehörde den Vorrang hätte einräumen müssen. Welche Aspekte im Einzelnen unter den Oberbegriff der städtebaulichen Belange zu berücksichtigen sind, ist in dem Gutachten der FIRU-Forschungs- und Informationsgesellschaft für Fach- und Rechtsfragen der Raum- und Umweltplanung mbH vom August 1999 (FIRU-Gutachten) überzeugend und für den Senat nachvollziehbar dargelegt. Insoweit kommt neben einer verfestigten Bauleitplanung insbesondere der Art und dem Maß der tatsächlichen Bebauung in dem Untersuchungsraum ein erhebliches Gewicht zu. Der hierfür maßgebliche Untersuchungsraum ist in dem Gutachten zu Recht nicht - wie die Antragsteller meinen - entsprechend dem Geltungsbereich der Bebauungspläne 904 und 904.1 der Stadt Hanau, sondern nach dem Einzugsbereich der Anlage unter Anlehnung an Vorschriften der TA-Luft bestimmt worden.

In dem Untersuchungsgebiet, insbesondere in dem südlichen Bereich des westlichen Astes des Geltungsbereichs des Bebauungsplans 904, lässt sich eine deutliche Tendenz zu einer industriellen Bebauung und Nutzung erkennen. Das westlich an den Planbereich 904 angrenzende Gebiet ist als Sondergebiet Hafen ausgewiesen und vermittelt insgesamt den Eindruck einer industriellen Ansiedlung. Innerhalb des Geltungsbereichs des westlichen Astes des Bebauungsplans 904 liegt nördlich des geplanten Anlagestandortes das Gelände der Firma M., auf dem Fertigmörtel und ähnliche Baustoffe hergestellt werden. Die industrielle Nutzung dieses Grundstücks ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Das zwischen dem M.-Gelände und dem Anlagenstandort gelegene Flurstück 486/4 ist mit einer Lagerhalle bebaut, die von der Firma M. genutzt wird. Ebenfalls von der Firma M. wird als Lagerfläche auch ein Teil des Flurstücks 150/11 verwendet. Bei diesem Grundstück handelt es sich um die Teilfläche des früheren C.-Geländes, die nicht von der Beigeladenen erworben worden ist. In nordöstlicher Richtung schließt sich an den Anlagenstandort die "Übergabestation Abwasser" der Stadt Hanau an. Diese Parzelle ist mit Pumpenhaus, Trafostation, Maschinenhaus und einem Klärbecken bebaut. Auch wenn die Grundstücke, die sich in westlicher und nördlicher Richtung innerhalb des Bebauungsplangebiets an den für die Thermoselect-Anlage vorgesehenen Standort anschließen, nicht in klassischer Weise industriell genutzt werden, lassen sie sich auf der anderen Seite auch nicht einer typisch gewerblichen Bebauung zuordnen, wie sie in dem nördlichen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans 904 und dem jenseits der J.-Straße gelegenen Gebiet (904.1) vorherrscht.

Während die gemischte bauliche Nutzung der unmittelbar an den Standort angrenzenden Grundstücke für die Charakteristik des Gebiets von eher untergeordneter Bedeutung ist, kommt der früheren Nutzung der Fläche durch die Firma C. ein erhebliches Gewicht zu. Auf diesem Grundstück hat die Firma C. bis 1994 eine Rußfabrik betrieben. Der wesentliche Teil der Betriebsanlagen ist 1996 abgebrochen worden; die Sprengung des nahezu 100 m hohen Schornsteins erfolgte 1998. Diese frühere Bebauung, die die Eigenart der näheren Umgebung deutlich geprägt hat, wirkt bis in die Phase der Neubebauung fort, weil die Beseitigung der früheren und die Errichtung der neuen Anlagen in einem Bebauungszusammenhang im Sinne einer aufeinander folgenden, ununterbrochenen Bebauung zu sehen sind. Dieser in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. September 1986, BVerwGE 75, 34 <38 ff.>) entwickelte Grundsatz betrifft nicht nur die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereichsvorhaben, sondern ist auch auf die Frage anwendbar, in welcher Weise die Eigenart der näheren Umgebung durch eine größere bauliche Anlage geprägt wurde und nach ihrer Beseitigung noch geprägt wird (a.a.O., S. 40 ff.). Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 1998 (NVwZ 99, 523 <525> m.w.N.) dauert die Prägung fort, solange mit einer Wiederbebauung oder einer Wiederaufnahme der Nutzung nach der Verkehrsauffassung zu rechnen ist. Diese im Bauplanungsrecht entwickelten Grundsätze können erst Recht für die Würdigung herangezogen werden, ob und mit welchem Gewicht städtebauliche Belange der Zulassung eines Vorhabens im Sinne des § 38 Satz 1 BauGB entgegenstehen.

Ein derartiger Bebauungszusammenhang zwischen der früheren Nutzung des Grundstücks durch die Firma C. und der geplanten Errichtung der Thermoselect-Anlage ist hier festzustellen: Bereits mit Schreiben vom 30. Januar 1995 hatte der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Main-Kinzig-Kreises Städte und Gemeinden anhand eines Fragebogens um Standortvorschläge für eine Konversionsanlage gebeten. Im Februar 1995 haben der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hanau das C.-Gelände als Standort für eine "Abfallkonversionsanlage mit wissenschaftlicher Begleitung" vorgeschlagen. Im März 1995 hat der Kreistag des Main-Kinzig-Kreises den Beschluss gefasst, dieses Grundstück neben einer alternativen Fläche als Standort zu verfolgen. Anschließend hat der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Main-Kinzig-Kreises eine Wertermittlung eingeleitet und Kaufverhandlungen mit der Firma C. aufgenommen. Die Kaufverhandlungen zielten von Anfang an darauf ab, dass das Grundstück befreit von baulichen und betrieblichen Anlagen sowie saniert von eventuellen Altlasten übereignet werden sollte (vgl. Angebot der Firma C. vom 11. September 1995, Bl. 476 der Akten). Im Oktober 1996 hat die Firma C. ein verbindliches Verkaufsangebot in notarieller Form abgegeben, und der Kaufvertrag ist 1997 endgültig zu Stande gekommen.

Es ist somit festzustellen, dass unmittelbar nach der Betriebseinstellung das Grundstück der Firma C. als Standort für eine Abfallkonversionsanlage Gegenstand mehrerer Beschlüsse des Kreistags und der Gremien der Stadt Hanau gewesen ist. Noch vor dem Abbruch der Betriebsanlagen im Jahr 1996 haben die Vertragsparteien eine weitgehende Einigung über den Erwerb des Grundstücks zum Zwecke der Errichtung einer Abfallbehandlungsanlage erzielt. Es mag sein, dass - wie die Antragsteller vortragen - die Firma C. die baulichen Anlagen auch ohne die Kaufverhandlungen mit dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Main-Kinzig-Kreises beseitigt hätte, um das Grundstück besser veräußern zu können. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung setzt aber nicht voraus, dass der alte Baubestand allein wegen der beabsichtigten neuen Bebauung beseitigt wird. Es reicht vielmehr aus, dass sich - wie hier - die beabsichtigte Errichtung der Thermoselect-Anlage gleichsam als Ersatzbebauung für die frühere bauliche Nutzung des Grundstücks darstellt.

Dieser Bebauungszusammenhang wird hier auch nicht durch den Zeitraum zwischen der Beseitigung der alten Bebauung und der Genehmigung der Errichtung der geplanten Anlage unterbrochen. Für die Planung und Errichtung einer thermischen Abfallbehandlungsanlage ist nach der Verkehrsauffassung ein Zeitraum von mehreren Jahren einzukalkulieren. So musste hier vor Einleitung des Genehmigungsverfahrens zunächst in einem Raumordnungsverfahren eine Abweichung von dem Regionalen Raumordnungsplan Südhessen zugelassen werden (Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 11. März 1997). Anschließend wurde die erforderliche Umweltverträglichkeitsuntersuchung durchgeführt (Scoping-Termin: 17. Februar 1998). Die Antragsunterlagen sind im Oktober 1998 eingereicht und im März/April 1999 öffentlich ausgelegt worden. Angesichts der Problematik, die durch das Vorhaben in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufgeworfen wird, und der hohen Zahl von Einwendungen ist im Zusammenhang mit der Zulassung der Müllbehandlungsanlage keine Verzögerung eingetreten, die geeignet wäre, den Zusammenhang zwischen der früheren und der beabsichtigten neuen Bebauung zu unterbrechen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Antragsteller, ein aus der industriellen Nutzung des C.-Geländes eventuell resultierender Bestandsschutz sei bereits mit der Beendigung der Nutzung im Jahr 1994 und spätestens mit der Beseitigung der Anlage im Jahr 1996 endgültig erloschen. Denn die oben zitierte Rechtsprechung zielt nicht auf eine Erweiterung des Bestandsschutzes, sondern trägt dem Gedanken Rechnung, dass die Eigenart eines Baugebiets nicht nur durch die aktuelle Bebauung geprägt wird, sondern auch durch eine frühere, wenn an deren Stelle ein neues Vorhaben gleichsam als Ersatzbebauung tritt.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Teilbereich des Bebauungsplans 904, in dem die Anlage errichtet werden soll, insbesondere wegen der Berücksichtigung der früheren Bebauung des C.-Geländes trotz einer unterstellten Ausweisung als Gewerbegebiet eine deutliche Tendenz zu einer industriellen Nutzung aufweist. Auf der anderen Seite werden von der Anlage, auch wenn man ihre Zuordnung zu den industriellen Vorhaben unterstellt, aufgrund ihrer konkreten Bauart und Betriebsorganisation nach summarischer Prüfung keine unzumutbaren oder erheblichen Immissionen auf die Grundstücke bzw. Wohnungen der Antragsteller ausgehen. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kommt es insoweit allein auf die Situation der Grundstücke oder Wohnungen der Antragsteller an. Denn ein von der konkreten Störung der Anlage losgelöster Abwehranspruch steht den Antragstellern nicht zu. Zwar kann sich nach Bauplanungsrecht ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietsfremden Nutzung wenden, wenn er selbst nicht unzumutbar gestört wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2000, DÖV 2000, 640). Es erscheint aber schon zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung überhaupt anwendbar ist, wenn das Vorhaben nicht unmittelbar an den Festsetzungen eines Bebauungsplans gemessen, sondern die ausreichende Berücksichtigung städtebaulicher Belange im Sinne des § 38 Satz 1 BauGB zu prüfen ist. Jedenfalls steht den Antragstellern ein (abstrakter) Abwehranspruch gegen eine gebietsfremde Nutzung schon deshalb nicht zu, weil ihre Grundstücke bzw. ihre Wohnungen nicht in dem Bebauungsplangebiet liegen, in dem die Anlage errichtet werden soll. Das gilt auch für die Grundstücke der Antragsteller zu 1. und 2. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans 904.1 gehörte zwar ursprünglich zu dem Plangebiet 904, aber mit der Überplanung des mittleren Bereiches des früheren Plangebiets 904 durch den Bebauungsplan 904.1 sind drei neue und rechtlich selbständige Plangebiete entstanden mit der Folge, dass sich die Antragsteller zu 1. und 2. nicht mit Erfolg auf den generellen Anspruch auf Abwehr gebietsfremder Nutzungen berufen können. Als tatsächliche Grundlage für einen gebietsübergreifenden Nachbarschutz kommen daher nur anlagenbedingte Immissionen in Betracht, die die Grundstücke oder Wohnungen der Antragsteller unzumutbar belasten. Derartige Immissionen sind als städtebauliche Belange im Sinne des § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB zu berücksichtigen.

Es ist nach summarischer Prüfung jedoch nicht zu erwarten, dass von der Anlage unzumutbare Immissionen auf die Grundstücke oder Wohnungen der Antragsteller ausgehen. Soweit sich die Antragsteller in diesem Zusammenhang auf eine unzulässige Schadstoffbelastung oder auf unzumutbare Sicherheitsrisiken berufen, wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Bezug genommen. Darüber hinaus ist auch keine erhebliche Belastung durch Gerüche oder anlagenbedingten Lärm zu erwarten. Für die im Eigentum der Antragsteller zu 1. und 2. stehenden Wohnungen gelten diejenigen Grenzwerte, die in Gewebegebieten einzuhalten sind. Denn die Immissionsrichtwerte der Ziffer 6.1 der TA-Lärm sind gebietsbezogen, so dass es nicht darauf ankommt, für welche Nutzungsart im Einzelfall eine Baugenehmigung erteilt ist. Zu diesen Fragen sind im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung Sachverständigengutachten eingeholt worden, nach denen die Grundstücke bzw. Wohnungen der Antragsteller keinen unzulässigen Geruchs- oder Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt sein werden.

Die Sachverständigenaussagen werden durch das von den Antragstellern zitierte "INTAC-Gutachten" nicht erschüttert. Dieses Gutachten will belegen, dass es sich bei der Thermoselect-Anlage nicht um eine gewerbliche Anlage im Sinne des § 8 BauNVO, sondern um eine industrielle Anlage handelt, die in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig ist. Auf diese Frage kommt es aber, wie oben dargelegt, nicht an, weil die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht anhand der §§ 30 und 31 BauGB i.V.m. §§ 8 und 9 BauNVO zu beurteilen, sondern allein an § 38 Satz 1 BauGB zu messen ist. Unter dem Aspekt der Berücksichtigung städtebauliche Belange kommt es auch im Rahmen dieser Prüfung darauf an, ob von der Anlage erhebliche oder unzumutbare Immissionen auf die Grundstücke und Wohnungen der Antragsteller ausgehen. Auf diesen Aspekt wird auch in dem INTAC-Gutachten eingegangen und dargelegt, dass mit dem Betrieb der Thermoselect-Anlage ein erhebliches Immissions- und Störungspotenzial verbunden sei. Soweit diese Aussage bezüglich der Lärmprognose konkretisiert wird, bezieht sie sich auf einen Immissionspunkt (IP 11), der abseits der Grundstücke und Wohnungen der Antragsteller liegt. Im Übrigen wird generalisierend auf ein abstraktes Immissions- und Störungspotenzial verwiesen. Diese pauschalierenden Ausführungen sind nicht geeignet, die konkreten, auf bestimmte Immissionen sowie auf bestimmte Emissions- und Immissionspunkte bezogenen Ermittlungen der bisher tätigen Sachverständigen infrage zu stellen. So entsteht z.B. mit der Anlieferung und Zwischenlagerung der Abfallstoffe sicherlich ein erhebliches "Geruchspotenzial". Durch eine Reihe technischer Vorkehrungen wird jedoch nach Einschätzung der Sachverständigen verhindert, dass die Nachbarschaft der Anlage einer erheblichen Geruchsbeeinträchtigung ausgesetzt sein wird. Solange diese konkreten und nachvollziehbaren Darlegungen nicht substantiiert angegriffen werden, lassen sich auch aus dem INTAC-Gutachten keine Anhaltspunkte entnehmen, die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Genehmigung aufwerfen.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zwangsläufig, dass die Genehmigung für die Thermoselect-Anlage nicht gegen § 15 BauNVO verstößt. Abgesehen davon, dass § 15 BauNVO wegen § 38 Satz 1 BauGB nicht anwendbar ist, wird von der Thermoselect-Anlage auch keine für die Antragsteller unzumutbare Beeinträchtigung ausgehen, wie oben ausgeführt. Ebenso wenig liegt entgegen der Auffassung der Antragsteller ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG vor. Die angefochtene Genehmigung bewirkt nicht, dass - wie die Antragsteller vortragen - eine umweltbelastende Industrieanlage neben einer Wohnbebauung zugelassen wird. Der für die Anlage vorgesehene Standort liegt zwischen dem industriell geprägten Sondergebiet Hafen im Westen und dem durch den Bebauungsplan 904.1 ausgewiesenen Gewerbegebiet im Osten. Die unmittelbare Nachbarschaft des Standortes und vor allem die frühere Nutzung des C.-Geländes zeigen trotz einer unterstellten Ausweisung als Gewerbegebiet deutliche Tendenzen zu einer industriellen Nutzung, während umgekehrt von der Thermoselect-Anlage nach den sachverständigen Äußerungen nicht die für eine Industrieanlage typischen, sondern die in einem Gewerbegebiet zulässigen Störungen ausgehen. § 50 BImSchG zieht für die Genehmigung der Anlage keine engeren Grenzen als sie schon nach § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB durch das Gebot der Berücksichtigung städtebaulicher Belange vorgezeichnet sind.

Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Antragsteller machen geltend, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft, weil der Antragsgegner unvollständige Untersuchungen der Beigeladenen zu der Nullvariante und Verbundlösungen (im Sinne einer Mitbenutzung von Abfallbehandlungsanlagen anderer Entsorgungsträger) akzeptiert habe. Dieser Einwand ist nicht begründet. Allerdings bestehen Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz des Antragsgegners und der Beigeladenen, dass für derartige Fragestellungen in dem - gebundenen - immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von vornherein kein Raum sei. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob nach den §§ 1, 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 12 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. Februar 1990 (BGBl. I S. 205) i.V.m. § 20 Abs. 1a und 1b 9. BImSchV Umweltauswirkungen des Vorhabens unterhalb der Schwelle schädlicher Belastungen und Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG im Genehmigungsverfahren - ähnlich wie städtebauliche Belange im Sinne des § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB - zu berücksichtigen sind. Denn die angefochtene Genehmigung ist auch unter dem Aspekt der Prüfung von Alternativen nicht zu beanstanden. Die Frage, ob ein Bedürfnis für die Errichtung der Müllbehandlungsanlage besteht, ist bereits Gegenstand des Raumordnungsverfahrens gewesen, das zur Zulassung der Abweichung von dem Regionalen Raumordnungsplan Südhessen geführt hat. Diese Frage und die Möglichkeit der Mitbenutzung bestehender Müllverbrennungsanlagen ist in der im Auftrag der Beigeladenen durchgeführten Umweltverträglichkeitsuntersuchung behandelt worden (vgl. Antragsunterlagen, Ordner 7, Kapitel 3 - Bl. 2327 ff. -). Zu den im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendungen hat die Beigeladene mit Schreiben vom 22. Juli 1999 (lfd. Nrn. 77 ff. - Bl. 3036 der Verfahrensakten des Regierungspräsidiums) Stellung genommen. Diese Darlegungen hat sich die Genehmigungsbehörde zu Eigen gemacht. Sie ist auf diese Aspekte im Rahmen der zusammenfassenden Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen zwar nur peripher eingegangen (Genehmigungsbescheid, S. 193), § 12 UVPG gebietet es aber auch nicht, alle Gesichtspunkte, die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung behandelt und in dem Genehmigungsverfahren erörtert worden sind, im Einzelnen darzulegen. Aus den Ausführungen zur Dringlichkeit der Errichtung und Inbetriebnahme der Thermoselect-Anlage in Hanau (Genehmigungsbescheid, S. 206 ff.) ergibt sich zugleich die Einschätzung der Genehmigungsbehörde, dass negative Umwelteinwirkungen (auch unter der Erheblichkeitsschwelle des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) der Zulassung der Anlage nicht entgegenstehen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie bereits oben im Zusammenhang mit der Vollzugsanordnung ausgeführt worden ist.

Unbegründet ist auch der weitere Einwand, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft, weil die Inputabfallarten, insbesondere der Anteil des Klärschlamms, nicht hinreichend spezifiziert seien mit der Folge, dass eine Erhöhung der Immissionswerte zu erwarten sei. Entsprechende Spezifizierungen sind in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (vgl. Antragsunterlagen, Ordner 7, Kapitel 3.2 - Bl. 2336 ff.) zu entnehmen; danach ist der Zusatz von Klärschlamm auf 5,3 % begrenzt, der keine Erhöhung der Immissionswerte erwarten lässt. Das bereits oben beschriebene Überwachungssystem gewährleistet die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte. Auf diese Ausführungen wird verwiesen.

Schließlich wenden die Antragsteller ein, die Umweltverträglichkeitsuntersuchung behandele nicht in ausreichendem Umfang die Gefahr, die sich infolge eines Flugzeugabsturzes ergeben könne. Die Anlage solle zwar nicht in einem Anflugsektor im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 5 LuftVG errichtet werden, § 12 UVPG stelle jedoch strengere Anforderungen als das "reine" Immissionsschutzrecht. Der Antragsgegner hat entsprechend der Sicherheitsanalyse der Antragsunterlagen (Ordner 5, Kapitel 5.1.4.2.2 - Bl. 1895) in der Genehmigung vom 23. Februar 2000 keine besonderen Schutzvorkehrungen hinsichtlich der Gefahren infolge eines Flugzeugabsturzes angeordnet. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden:

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 12. BImSchV kommt als Gefahrenquelle für Störfälle der Flugverkehr in Betracht, soweit er nicht als Störfallursache vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann. Diese Regelung wird durch die Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung vom 27. April 1982 (GMBl. S. 205, geändert am 20. September 1993, GMBl. S. 582) dahingehend konkretisiert, dass der Verkehr durch Flugzeuge als Gefahrenquelle außer Betracht bleiben kann, wenn die Anlage - wie hier - in einer bestimmten Entfernung von Flughäfen und Landeplätzen oder deren Anflugsektoren errichtet wird, soweit nicht besondere gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Anhaltspunkt für das Vorliegen gefahrerhöhender Umstände sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird auch von den Antragstellern nicht in Abrede gestellt; sie sind vielmehr der Auffassung, dass sich aus § 12 UVPG strengere Anforderungen ergeben würden. Das trifft nicht zu.

Auch bei der Bewertung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des Vorhabens im Sinne des § 12 UVPG, die durch einen Störfall verursacht werden können, stellt sich die Frage nach dem Maßstab, an dem die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Störfalles gemessen werden soll. Die Beurteilung dieser Frage betrifft nicht spezifische Belange des Umweltschutzes, sondern richtet sich nach allgemeinen Maßstäben, zumal nach § 12 UVPG die Umweltauswirkungen "nach Maßgabe der geltenden Gesetze" berücksichtigt werden sollen. Insoweit stellen die oben zitierten Vorschriften eine Konkretisierung des beachtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs dar, so dass die Beigeladene mit der Anwendung dieser Vorschriften dem Sicherheitsrisiko durch den Luftverkehr in ausreichendem Maße Rechnung getragen hat.

Nach allem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 und 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 und 20 Abs. 3 GKG. Der Senat bewertet Immissionsabwehrklagen je nach der Bedeutung der Angelegenheit und dem Maß der Betroffenheit im Hauptsacheverfahren mit 20.000,00 bis 50.000,00 DM. Hier erscheint es angemessen, von einem Betrag von 50.000,00 DM auszugehen, der im vorliegenden Eilverfahren wegen der Vorläufigkeit der begehrten Entscheidung zu halbieren und mit der Zahl der Antragsteller zu multiplizieren ist. Im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung hat der Senat von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG Gebrauch gemacht, und die erstinstanzliche Wertfestsetzung von Amts wegen abgeändert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück