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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 2 UE 1691/04
Rechtsgebiete: ArbPlSchG


Vorschriften:

ArbPlSchG § 14b Abs. 2 Satz 2
1) Ob eine Versicherung i. S. des § 14b Abs. 2 Satz 2 ArbPlSchG bei Beginn des Wehr- oder des Zivildienstes "mindestens 12 Monate besteht", hängt weder von dem vereinbarten Versicherungsbeginn noch von dem Zeitpunkt der Antragstellung durch den (künftigen) Versicherungsnehmer, sondern davon ab, wann der Versicherungsvertrag zustandegekommen ist, nämlich (frühestens) durch Ausfertigung des Versicherungsscheins.

2) Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung sind nur dann als Aufwendungen für eine "sonstige Alters- und Hinterbliebenenversorgung" erstattungsfähig, wenn die Lebensversicherung frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Dienstleistenden fällig wird (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 30.05.1997- 8 C 50.95 -, Buchholz 448.4 § 14a ArbPlSchG Nr. 3 = NVwZ-RR 1998, 46).


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

2 UE 1691/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Erstattung von Lebensversicherungsbeiträgen eines Zivildienstleistenden

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Hassenpflug, Richter am Hess. VGH Pabst, ehrenamtliche Richterin Kempf, ehrenamtlichen Richter Lewandowski

ohne mündliche Verhandlung am 25. Januar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Dezember 2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar, jedoch darf der Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Lebensversicherungsbeiträgen, die er während der Dauer seines Zivildienstes vom 3. April 2000 bis zum 28. Februar 2001 aus eigenen Einkünften aufbrachte.

Nach seinen von der H. Versicherungs-AG unter dem 6. Oktober 2000 formularmäßig bestätigten Angaben hatte der Kläger am 14. März 1999 den Abschluss zweier Lebensversicherungen - mit Versicherungsbeginn jeweils am 1. April 1999 und einem Versicherungsende am 1. April 2043 (Vertragsnummer ............) bzw. am 1. April 2011 (Vertragsnummer ............) - beantragt, auf die monatlich je 100,00 DM einzuzahlen waren. Die beiden Versicherungsscheine wurden am 6. April 1999 ausgefertigt.

Unter dem 12. Oktober 2000 beantragte der Kläger, ihm die Lebensversicherungsbeiträge gemäß § 14b Abs. 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes (ArbPlSchG) zu erstatten. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für den Zivildienst durch Bescheid vom 2. Januar 2001 mit der Begründung ab, der Versicherungsvertrag habe nicht mindestens zwölf Monate vor Beginn des Zivildienstes bestanden; maßgeblich hierfür sei das Ausstellungsdatum des Versicherungsscheins (Policierung), hier also der 6. April 1999.

Der hiergegen unter Hinweis auf den Versicherungsbeginn am 1. April 1999 erhobene Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2001 zurückgewiesen.

Am 16. Februar 2001 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Gießen mit näherer Begründung Klage erhoben. Durch Urteil vom 19. Dezember 2003 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte entsprechend dem klägerischen Antrag verpflichtet, dem Kläger für die Zeit seines Zivildienstes die Beiträge zu seinen Lebensversicherungen bei der H. Versicherungs-AG Nr. ............ und ............ zu erstatten. Mit dem Abschluss beider Versicherungsverträge am 14. März 1999 und der Annahme dieser Verträge unmittelbar durch den zuständigen Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft habe der Kläger die gesetzliche Frist von zwölf Monaten eingehalten. Zweifelsfrei sei es der Wille beider Vertragsteile gewesen, den Versicherungsschutz des Klägers - ebenso wie dessen Zahlungsverpflichtung - schon am 1. April 1999 eintreten zu lassen; den erst am 6. April 1999 ausgestellten Policen lasse sich etwas anderes nicht entnehmen. Tatsächlich seien die vom Kläger geschuldeten Versicherungsbeiträge ausweislich seiner vorgelegten Kontoauszüge auch bereits ab dem 1. April 1999 gezahlt und sei ihm von diesem Zeitpunkt an Versicherungsschutz gewährt worden. Die Beklagte könne sich angesichts dieser konkreten Einzelfallumstände nicht darauf berufen, dass die Versicherungsurkunden spätestens am 2. April 1999 hätten ausgestellt werden müssen. Vielmehr könne der Umstand, dass dem Kläger die Versicherungspolicen - aus von ihm nicht beeinflussbaren Gründen - erst am 6. April 1999 zugegangen seien, nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.

Gegen dieses Urteil ist durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juni 2004 - 2 UZ 836/04 - die Berufung zugelassen worden. Mit am gleichen Tage per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom 1. Juli 2004 hat die Beklagte ihre Berufung im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der schon nach Vollendung des 32. Lebensjahres des Klägers fällig werdenden Versicherung Nr. ............ bereits nicht um eine "sonstige Alters- und Hinterbliebenenversorgung" im Sinne des § 14b Abs. 2 ArbPlSchG handele, im Übrigen aber auch die weitere gesetzliche Voraussetzung nicht erfüllt sei, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Versicherung bei Beginn des Zivildienstes (hier: am 3. April 2000) mindestens zwölf Monate bestehen müsse; für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages sei nämlich die Aushändigung des Versicherungsscheins an den Versicherungsnehmer (hier: frühestens am 6. April 1999) maßgeblich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Dezember 2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt er aus, die Beklagte berufe sich verspätet und im Übrigen auch ohne zureichenden Grund darauf, dass es sich bei der im Jahre 2011 fällig werdenden Lebensversicherung des Klägers um keine Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Sinne der gesetzlichen Erstattungsregelung handele. Mit diesem neuen Vortrag dürfe sie im Berufungsverfahren nicht mehr gehört werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heft, Bl. 1 bis 16) verwiesen, die zum Gegenstand der Beratung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassene Berufung der Beklagten, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 6 VwGO rechtzeitig begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Dies folgt im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 des Zivildienstgesetzes (ZDG) gilt für anerkannte Kriegsdienstverweigerer das Arbeitsplatzschutzgesetz mit hier nicht näher interessierenden Maßgaben entsprechend. Nach § 14b Abs. 2 ArbPlSchG werden deshalb einem Zivildienstleistenden, der nach § 14a nicht anspruchsberechtigt ist und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zu einer sonstigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung leistet, die Beiträge auf Antrag für die Zeit des Zivildienstes erstattet (Satz 1). Beiträge zu einer sonstigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung), die freiwillig entrichtet werden, werden nur in Höhe des Betrages erstattet, der für die letzten zwölf Monate vor Beginn des Zivildienstes durchschnittlich entrichtet worden ist, wenn die den Aufwendungen zugrunde liegende Versicherung bei Beginn des Zivildienstes mindestens zwölf Monate besteht (Satz 2). Diese durch Art. 25 Abs. 3b des Gesetzes vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532, 1562) in das Arbeitsplatzschutzrecht eingefügte Voraussetzung ist im Falle des Klägers entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht erfüllt. Während sein Zivildienst unstreitig am 3. April 2000 begann, bestanden nämlich seine bei der H. Versicherungs-AG abgeschlossenen Lebensversicherungen ungeachtet des für den 1. April 1999 vereinbarten Versicherungsbeginns erst ab dem 6. April 1999 und damit weniger als zwölf Monate.

Eine Versicherung "besteht" im Sinne des § 14b Abs. 2 Satz 2 ArbPlSchG, sobald der Versicherungsvertrag wirksam geschlossen ist, wobei die Versicherung in der Weise genommen werden kann, dass sie in einem vor der Schließung des Vertrages liegenden Zeitpunkt beginnt (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag - VVG -). Hieraus folgt bereits, dass der Zeitpunkt der Schließung des Versicherungsvertrages nicht, wie der Kläger meint, mit dem Versicherungsbeginn identisch sein muss, sondern diesem auch nachfolgen kann.

Nach allgemeinem Vertragsrecht kommt ein Vertrag durch Annahme eines Vertragsangebots zustande. Ein entsprechendes Angebot der H. Versicherungs-AG hat der Kläger nicht bereits am 14. März 1999 mit der Folge angenommen, dass bereits ab diesem Zeitpunkt Lebensversicherungen für ihn (mit einem Versicherungsbeginn am 1. April 1999) bestanden hätten. Vielmehr hat er an jenem Tage, als er die ihm von dem zuständigen Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft vorgelegten Unterlagen unterschrieb, seinerseits ein Angebot zum Abschluss zweier Lebensversicherungen abgegeben, das von der H. Versicherungs-AG noch angenommen werden musste und das - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich erst am 6. April 1999 durch Ausfertigung des Versicherungsscheins angenommen worden ist. Vorher hat eine Lebensversicherung des Klägers, deren Beiträge die Beklagte antragsgemäß erstatten müsste, nicht bestanden. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an, der in seinem Urteil vom 13. November 1995 - Az. 3 B 94.3769 - zu einer vergleichbaren Fallgestaltung Folgendes ausgeführt hat:

Für die Frage, wie lange die Versicherung bei Beginn des Wehrdienstes bestanden hat, kann, um eine Manipulation der Anspruchsvoraussetzungen auszuschließen, nicht auf den nach § 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zulässigerweise rückwirkend vereinbarten, d.h. den sog. technischen Versicherungsbeginn abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr der Zeitpunkt des rechtlichen Zustandekommens des Versicherungsvertrags durch Annahme des Versicherungsantrags (vgl. Palandt, BGB 54. Aufl./1995, RdNr. 4 der Einführung vor § 145). Diese Annahme erfolgt grundsätzlich durch die Aushändigung des Versicherungsscheines an den Versicherungsnehmer (Zugang), mit dem der Versicherer den Versicherungsvertrag beurkundet (§ 3 Abs. 1 VVG) und damit dessen Inhalt abschließend festlegt (arg. § 5 Abs. 1 VVG).

Hiervon ausgehend hat die Beklagte zu Recht darauf abgestellt, dass das Versicherungsverhältnis im Sinne des § 14a Abs. 4 bzw. des § 14b Abs. 2 ArbPlSchG jedenfalls nicht vor dem (der Aushändigung vorausliegenden) Ausstellungsdatum des Versicherungsscheines begonnen hat (vgl. ebenso Sahmer, Komm. zum ArbPlSchG, 3. Aufl./1971, Anm. 8 zu § 14b) und mithin die Zwölfmonatsfrist nicht eingehalten ist.

Nichts anderes gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - kein Anhaltspunkt für eine "Manipulation" der Anspruchsvoraussetzungen besteht oder der Versicherer ein Vertragsangebot aus von dem Versicherungsnehmer nicht zu beeinflussenden Gründen erst so spät, nämlich durch Ausfertigung des Versicherungsscheins, annimmt, dass die auf die Dauer des Bestehens der Versicherung abstellende Anspruchsvoraussetzung des § 14b Abs. 2 Satz 2 ArbPlSchG objektiv nicht erfüllt werden kann.

Angesichts dieser einem Ermessen der Beklagten keinen Raum gebenden Rechtslage kommt es letztlich nicht darauf an, ob dem von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch zusätzlich der Umstand entgegensteht, dass eine der beiden bei der H. Versicherungs-AG abgeschlossenen Lebensversicherungen bereits am 1. April 2011 - lange bevor der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet - fällig wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. Mai 1997 - 8 C 50.95 -, NVwZ-RR 1998, 46) sind jedenfalls Beiträge für eine Kapitallebensversicherung nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz nur dann als Aufwendungen für eine "sonstige Alters- und Hinterbliebenenversorgung" erstattungsfähig, wenn die Lebensversicherung frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Dienstleistenden fällig wird. Im Übrigen wäre der dort hervorgehobene Sinn und Zweck der gesetzlichen Erstattungsregelung im Falle der Entscheidungserheblichkeit unabhängig davon zu beachten, in welchem Zeitpunkt die Beklagte erstmals Veranlassung sieht, sich auf die vorliegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu berufen; eine formelle oder gar materielle Präklusion greift insoweit entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu Lasten der Beklagten ein.

Nach allem ist auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 2.200,00 DM (entsprechend 1.124,84 €) festgesetzt (§§ 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GKG in der hier noch anwendbaren, bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).



Ende der Entscheidung

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