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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 23.01.2001
Aktenzeichen: 2 UE 2899/96
Rechtsgebiete: BImSchG, 12. BImSchV (StörfallVO)


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1
BImSchG § 6 Abs. 1
BImSchG § 15
BImSchG § 16 Abs. 4
12. BImSchV (StörfallVO) § 3 Abs. 1
12. BImSchV (StörfallVO) § 3 Abs. 3
12. BImSchV (StörfallVO) § 5
Zur immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung für ein Flüssiggas-Tanklager (Umschlag- und Verteillager).

Die Forderung nach Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes ist sowohl zur Verhinderung eines Störfalls auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV (StörfallVO) als auch nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV als vorbeugende Maßnahme zur Begrenzung von Störfallauswirkungen grundsätzlich zulässig.

Auch als vorbeugende Maßnahme zur Begrenzung von Störfallauswirkungen dient die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes gemäß § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV dem "vorbeugenden Gefahrenschutz" gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Maßnahmen für eine störfallbezogene Risikovorsorge können darüber hinaus auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV nicht verlangt werden.

Mangels einer normativen Festlegung ist die Reichweite von Sicherheitsabständen zur Begrenzung von Störfallauswirkungen nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von der Behörde danach zu bestimmen, mit welchen Auswirkungen bei Störfällen aufgrund der konkreten Beschaffenheit und Lage der zu genehmigenden Anlage zu rechnen ist. Die danach erforderliche Risikoermittlung und Risikobewertung der Behörde ist anlagenbezogen und nicht anhand einer abstrakt-statistischen Betrachtung vorzunehmen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes! Urteil

2 UE 2899/96

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Immissionsschutzrecht;

hier: Änderungsgenehmigung für ein Flüssiggas-Tanklager

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Hassenpflug, Richter am Hess. VGH Pabst, ehrenamtliche Richterin Dr. Brenneis, ehrenamtlichen Richter Dal

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 22. Mai 1996 wie folgt geändert.

Unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Gießen vom 1. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 2. Oktober 1995 wird der Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Genehmigung zur Änderung eines Flüssiggas-Lagers (Umschlag- und Verteillagers) auf dem Grundstück in der Gemarkung S., Flur ..., Flurstücke ... bis ... (Am H., ..... S.), unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu einem Viertel und der Beklagte zu drei Vierteln zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks in der Gemarkung S., Flur ..., Flurstücke-Nr. ..., ..., ..., ... und ... (Am H., ..... S.), auf dem ein Flüssiggas-Tanklager (Umschlag- und Verteillager) errichtet ist. Angrenzend an dieses Grundstück liegt in nördlicher und westlicher Richtung der öffentliche Weg "Am H." bzw. das höher gelegene Betriebsgelände der Firma H. und H., in südlicher Richtung ein Gelände der D. AG und in östlicher Richtung wiederum der Weg "Am H." sowie daran anschließend die Gleisanlagen der Bahnstrecke Frankfurt am Main-Dortmund.

Auf dem Betriebsgelände der Klägerin wurde bereits seit dem Jahr 1959 eine Propangas-Abfüllanlage betrieben, die jedoch später durch neue Anlagen ersetzt wurde. So erteilte der Beklagte erstmals mit Bescheid vom 26. Juli 1974 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Flüssiggas-Tanklagers an eine Rechtsvorgängerin der Klägerin. In den folgenden Jahren, zuletzt mit Bescheid vom 25. März 1982, wurden insgesamt sieben weitere immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zur Änderung des Tanklagers von dem Beklagten erteilt, auf deren Grundlage die Anlage bis auf eine Lagerkapazität von ca. 943 t ausgebaut wurde.

Nach dem geplanten Umbau des Flüssiggas-Tanklagers soll die kürzeste Entfernung zwischen einer der Betriebseinrichtungen und betriebsfremden Gebäuden auf benachbarten Grundstücken in nördlicher bzw. westlicher Richtung ca. 45 m betragen. Ebenfalls in westlicher Richtung liegt in einer Entfernung von ca. 65 m ein Rastplatz der Bundesautobahn A 45 - Gießen/Dortmund. In nördöstlicher Richtung befindet sich eine Fußgängerunterführung zum Bahnhof von S. in einer nächstgelegenen Entfernung zu den geplanten Betriebseinrichtungen des Tanklagers von ca. 55 m (Flaschenabfüllung) bis ca. 160 m (Kesselwagen-Entladestationen). Zwischen den neu zu errichtenden Betriebseinrichtungen des Lagers und den Gleisanlagen der Bahnstrecke soll ein mittlerer Abstand von ca. 32 m (Kesselwagen-Entladestationen) bzw. ca. 43 m (Tankwagen-Befüllstationen, Flaschenabfüllung, nächstgelegener Domschacht eines Lagerbehälters) eingehalten werden.

Mit Antrag vom 3. September 1993 - beim Beklagten eingegangen am 6. September 1993 - beantragte die Rechsvorgängerin der Klägerin eine weitere Genehmigung zur Änderung des bestehenden Tanklagers, mit der u. a. die Anlage dem aktuellen Stand der Sicherheitstechnik angepasst und die Lagerkapazität auf insgesamt 405,6 t reduziert werden soll. Gegenstand der beantragten Änderung ist u. a. der Verzicht auf die bisher teilweise praktizierte Lagerung in oberirdisch aufgestellten Tankbehältern zugunsten neuer, erdgedeckter Behälter, die Erneuerung der Sicherheitstechnik zur Steuerung und Überwachung des Anlagenbetriebs und die Anlegung eines Löschwasserteichs mit Berieselungsanlage.

Im Zuge des Genehmigungsverfahrens wurde auf der Grundlage eines Vertrags zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dem Beklagten und der Technischen Überwachung Hessen ein Gutachten zur Sicherheitsanalyse für das Flüssiggas-Tanklager in Gestalt der beantragten Änderung erstellt. Nach Anlage 1 Ziff. 4 dieses Vertrages sollte das anzufertigende Gutachten zu der Frage Stellung nehmen, ob unter Berücksichtigung sämtlicher getroffener Schutzmaßnahmen bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs sichergestellt sei, dass der über die Ausbreitungsrechnung für schwere Gase nach den Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure zur Ausbreitung von störfallbedingten Freisetzungen schwerer Gase - Sicherheitsanalyse - (VDI 3783 Bl. 2) ermittelte Sicherheitsabstand um die gesamte Anlage nicht über das Betriebsgelände hinausgeht. In seinem danach erstellten Gutachten zur Sicherheitsanalyse für die beantragte Änderung des Flüssiggas-Tanklagers vom 28. Januar 1994 führte die TÜ Hessen - Abteilung Energietechnik und Umweltschutz (Darmstadt) - auf der Grundlage u. a. der Technischen Regeln zur Druckbehälterverordnung Anlage zu TRB 801 Nr. 25 "Flüssiggasbehälter" (BArbBl. 12/91, S. 53) und des Gemeinsamen Erlasses des Hessischen Ministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit und des Hessischen Sozialministeriums vom 30. August 1990 über "Sicherheitstechnische Anforderungen an Flüssiggasanlagen" (StAnz. 1991, S. 74) sowie unter Zugrundelegung "beispielhafter Sicherheitsanalysen und Forschungsergebnisse" unter Ziff. 4.3.1 (Aufstellung der Anlage - S. 29 f.) aus: Die nach Nr. 7.1.24 der Anlage zu TRB 801 Nr. 25 durchgeführten Ausbreitungsrechnungen für schwere Gase nach VDI 3783 Bl. 2 für die beantragte Anlage zeigten, dass unter Berücksichtigung der an der südlichen und östlichen Grundstücksgrenze geplanten, 2,5 m hohen Schutzwand, der gasdichten Einfahrtstore und des nach Westen stark ansteigenden Geländes bei "... vernünftigerweise nicht auszuschließenden Störungen nicht mit der Bildung explosionsfähiger Gas-Luft-Gemische außerhalb des Betriebsgeländes zu rechnen ist."

Mit Schreiben vom 5. Mai 1994 forderte der Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter Hinweis auf einen Erlassentwurf vom 30. März 1994 über "Sicherheitstechnische Anforderungen und Sicherheitsabstände bei Flüssiggasanlagen" auf, ein (weiteres) Sachverständigengutachten über den für die zu ändernde Anlage erforderlichen Sicherheitsabstand unter Berücksichtigung der die Ausbreitung einer explosionsfähigen Gaswolke und damit die Schadensreichweite einschränkenden, geplanten baulichen Maßnahmen vorzulegen. Der erforderliche Sicherheitsabstand solle ebenfalls nach VDI 3783 Bl. 2, aber unter Zugrundelegung einer Freisetzungsrate aus der Flüssiggasphase von 2,5 kg/s (= Stutzenabriss mit einem Freisetzungsquerschnitt von 180 mm² = Abriss eines DN 15-Rohres) berechnet werden.

Ein dementsprechendes Gutachten wurde von der TÜV Umwelttechnik GmbH (München) - Abteilung Sicherheit und Störfallvorsorge - erstellt. Dieses Gutachten vom 23. August 1994 kommt dabei zu dem Ergebnis, dass bei der vom Beklagten vorgegebenen Freisetzungsrate eine Ausbreitung einer explosionsfähigen Gaswolke außerhalb des Betriebsgeländes östlich und westlich der geplanten Kesselwagen-Entladestationen und der geplanten Tankwagen-Befüllstationen möglich sei; innerhalb des möglichen Ausbreitungsgebiets liege in westlicher Richtung ein Lagerplatz des Nachbarbetriebes und östlich zwei Zufahrten zu landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie die Gleisanlagen des Bahnhofs von S.. Zu diesen Objekten könne ein Sicherheitsabstand nach den vorgegebenen Voraussetzungen nicht eingehalten werden. Die Schutzmauer auf der Ostseite des Grundstücks könne allerdings "in begrenztem Umfang" einen Schutz gegen Wärmestrahlung für diejenigen Personen bieten, die sich außerhalb des Werksgeländes auf dem angrenzenden Weg befinden. Die Auswirkungen eines Explosionsdrucks seien nach den Berechnungen im Wesentlichen auf das Betriebsgelände und die östlich angrenzenden Bereiche, d. h. auf den an der Grundstücksgrenze des Tanklagers vorbeiführenden Weg "Am H." und das unmittelbar östlich der Kesselwagen-Entladestationen befindliche "betriebsfremde" Gebäude beschränkt.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1994 lehnte der Beklagte die beantragte Änderungsgenehmigung ab. Zur Begründung führte er aus, bei einer Untersuchung von Flüssiggasanlagen im Rahmen des Sonder-Programms-Anlagen-Sicherheit (SPAS) habe sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass die bisherige Praxis bei der Bewertung von Sicherheitsabständen zu revidieren sei. An den Anforderungen sowohl des Erlasses "Sicherheitstechnische Anforderungen an Flüssiggasanlagen" vom 30. August 1990 als auch an den Vorgaben der Anlage zu TRB 801 Nr. 25 "Flüssiggasbehälteranlagen", die bei Durchführung bestimmter, weitergehender sicherheitstechnischer Maßnahmen eine Verringerung des Sicherheitsabstandes je nach Größe der Anlage (30, 50, 80 bzw. 120 m) um bis zur Hälfte zuließen, könne nicht mehr festgehalten werden. Aufgrund neuerer naturwissenschaftlicher Erkenntnis des "TÜV-Nord" über die "Propangasausbreitung im Freien ohne Hindernisse" und der Firma B. Ingenieurtechnik über "Ablauf und Auswirkungen von Gasexplosionen in industriellen Szenarien" dürften Mindestsicherheitsabstände nicht unterschritten werden. Für die Berechnung des Mindestsicherheitsabstandes werde als "Konvention" das Ausströmen von Gas aus einem DN 15-Loch (ca. 180 mm²) zu Grunde gelegt, was dem kleinsten üblichen Rohrleitungsquerschnitt entspreche. Danach ergebe sich bei einer Freisetzung aus der Flüssigphase als Driftweite einer explosionsfähigen Gaswolke und für die Auswirkungen bei einer Zündung ein Sicherheitsabstand von 120 m und für die Freisetzung aus der Gasphase ein solcher von 30 m. Nach dem Gutachten der TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) vom 23. August 1994 könne trotz der getroffenen technischen Maßnahmen der danach zu fordernde Sicherheitsabstand zu dem Lagerplatz des Nachbarbetriebes, zu zwei Zufahrten zu landwirtschaftlichen Nutzflächen und zu den Gleisanlagen des Bahnhofs S. nicht eingehalten werden.

Der gegen diesen Bescheid fristgemäß erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1995 zurückgewiesen. In der Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass der Festlegung des Freisetzungsquerschnitts auf 180 mm² (DN 15-Leck) keine neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Grunde lägen. Die Festlegung erweise sich aber auf der Basis der seit Jahren bekannten Versuche und Ausbreitungsberechnungen als am besten geeignet, ein Störfallszenario mittleren Ausmaßes zu beschreiben, das eine Reihe von möglichen Freisetzungsquerschnitten, wie z. B. Abrisse von Messstutzen, Bruch eines DN 15-Rohres, Anrisse größerer Rohrquerschnitte, Undichtigkeiten an statischen und dynamischen Dichtungen und auch entsprechende Werkstofftrennungen an Einzelkomponenten abdecke. Hierbei handele es sich daher um eine "Konvention", die nach Versuchen des TÜV-Nord zur praxisgerechten Bestimmung der Zündgrenzen bei der Freisetzung schwerer Gase bestätigt worden sei, "... wenn auch diese Versuche nicht explizit zur Festlegung von Freisetzungsmengen zur Berechnung von Sicherheitsabständen dienten und damit auch nicht die <Richtigkeit> einer Leckrate belegen." Hiervon ausgehend seien jedoch unter Einbeziehung der Ausbreitungsrechnungen nach der VDI-Richtlinie 3783 Bl. 2 und der Umstände des Einzelfalles, wie z. B. Topographie, Baulichkeiten in der Nähe der Anlage und anderes mehr, Einzelfallprüfungen durchzuführen, bis zu welcher Entfernung die noch nicht gezündete Gaswolke in welcher Richtung reiche, ob und welche Schutzobjekte sich dort befinden oder befinden könnten und welche Maßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 3 der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung - 12. BImSchV) ggfs. geeignet seien, die Ausbreitung der noch nicht gezündeten Gaswolke so zu begrenzen, dass eine ernste Gefahr bei den Schutzobjekten im Fall der Zündung nicht mehr eintreten könne. Auf dieser Grundlage habe im vorliegenden Fall der TÜV Bayern in seinem Gutachten vom 23. August 1994 festgestellt, dass eine Ausbreitung eines zündfähigen Gasgemisches und Auswirkungen bei einer Explosion außerhalb des Werksgeländes möglich seien.

Ihr zunächst mit am 14. Juli 1995 beim Verwaltungsgericht Gießen erhobener Untätigkeitsklage verfolgtes Begehren, den Beklagten zu verpflichten, die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Änderung des Flüssiggas-Tanklagers zu erteilen, hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch nach Erlass des Widerspruchsbescheids weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die 12. BImSchV enthielten ausdrücklich keine Verpflichtung zur Einhaltung von Sicherheitsabständen für genehmigungspflichtige Anlagen. Weder werde in diesen Vorschriften der Begriff des "Sicherheitsabstandes" erwähnt noch würden bestimmte Abstandsgrößen festgelegt. Eine derartige unverzichtbare Pflicht könne auch nicht aus § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV bzw. aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm oder der Systematik des Gesetzes abgeleitet werden. Gleiches gelte für die Vorschrift des § 5 der 12. BImSchV. Soweit in Ziff. 1.2.1.1 und 1.2.1.2 des Anhangs zur "Zweiten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung" (2. StörfallVwV) die Begriffe "Einhalten ausreichender Abstände" bzw. "Sicherheitsabstände" verwendet würden, geschehe dies im Hinblick auf § 4 Nr. 2 der 12. BImSchV und diene der Erfüllung der Pflicht, Störfälle zu verhindern. Danach seien Sicherheitsabstände lediglich eine Möglichkeit, die neben einer Vielzahl anderer an gleicher Stelle aufgeführter Maßnahmen zur Erfüllung der durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und durch die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) ganz allgemein begründeten Sicherheitspflichten in Betracht komme. Zuverlässige technische oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die eine vom Beklagten aufgestellte Forderung nach Beachtung von zwingend einzuhaltenden Sicherheitsabständen rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die Versuche des TÜV-Nord zum Ausbreitungsverhalten von freigesetztem Propan-Gas, auf die der Beklagte abstelle, seien im Jahr 1984 durchgeführt worden. Zu jener Zeit habe die heute einschlägige VDI-Norm über das Ausbreitungsverhalten von schweren Gasen (VDI 3783 Bl. 2) noch nicht existiert. Die Versuche seien nicht zu der - hier zu entscheidenden - Frage erfolgt, mit welchen Freisetzungsmengen richtigerweise zu rechnen sei und könnten daher nicht als Beleg für die Richtigkeit der der Forderung des Beklagten zu Grunde liegenden Annahme einer Leckgröße mit einem Querschnitt von 180 mm² (sog. DN 15-Loch) dienen. Auch könne keinesfalls von einer entsprechenden "Konvention" ausgegangen werden. Zum einen gehe die Verwaltungspraxis anderer Bundesländer gerade nicht von einer solchen Konvention aus. Zum anderen sei eine solche Konvention auch nicht im einschlägigen fachtechnischen Schrifttum festzustellen. Dementsprechend gehe auch der Fachausschuss Druckbehälter (FAD) als Regel setzendes Fachgremium in seinen Vorschlägen für eine Festlegung von Sicherheitsabständen für den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber von erheblich geringeren Leckraten aus. Gleiches gelte auch für die Sachverständigen der Technischen Überwachung Hessen und der TÜV Umwelttechnik GmbH (München) in ihren Gutachten vom 28. Januar und 23. August 1994.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beantragte,

den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 1.12.1994 (Az.: 32 - IS/53 e 621 Shellgas 1/93), die bereits mit Schreiben vom 3.9.1993 beantragte Genehmigung nach § 15 BImSchG zur wesentlichen Änderung der von ihr auf dem Grundstück in ..... S., Flur ..., Flurstücke ... - ... betriebenen Anlage zur Lagerung von Flüssiggas zu erteilen.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen

und nahm zur Begründung auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 1995 Bezug.

Mit Urteil vom 22. Mai 1996 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. In den Gründen seiner Entscheidung führte das Gericht aus, die Voraussetzungen zur Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung nach § 15 i.V.m. § 5 BImSchG sowie § 3 der 12. BImSchV lägen entgegen der Auffassung des Beklagten vor. Die Einhaltung eines bestimmten Sicherheitsabstandes könne rechtlich nicht verlangt werden, da auch aus § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV ein unverzichtbares Erfordernis zur Einhaltung eines bestimmten Sicherheitsabstandes als Maßnahme zur Begrenzung von Störfallfolgen weder nach dem Wortlaut noch aufgrund einer historischen oder systematischen Auslegung des Gesetzes hergeleitet werden könne. Ebenso ließe sich aus der die Vorsorgepflicht nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV konkretisierenden Vorschrift des § 5 der 12. BImSchV die Forderung zur Einhaltung von Sicherheitsabständen nicht ableiten, da die in dieser Vorschrift beispielhaft aufgezählten Maßnahmen vor allem auf eine organisatorische Vorsorge in Ergänzung zur behördlichen Katastrophenschutzplanung abzielten. Neuere naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die zu einer anderen rechtlichen Betrachtung führen könnten, lägen nicht vor; insbesondere könne nicht die Behauptung des Beklagten belegt werden, für die Berechnung von Sicherheitsabständen werde als Konvention, d. h. als technische Übereinkunft, das Ausströmen von Gas aus einem sog. DN 15-Leck zu Grunde gelegt. Im Übrigen verlangten auch Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften der 12. BImSchV keine Prävention von Störfällen, die nach den Regeln der praktischen Vernunft gerade ausgeschlossen seien.

Gegen dieses am 24. Juni 1996 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. Juli 1996 Berufung eingelegt. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1999 hat die jetzige Klägerin das Eigentum an dem streitbefangenen Betriebsgrundstück erworben und mit Schriftsatz vom 11. August 2000 erklärt, dass sie das Verwaltungsstreitverfahren fortführen wolle. Seine Berufung begründet der Beklagte wie folgt:

Er sei nicht zur Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung verpflichtet, da die zu ändernde Anlage der Klägerin den Genehmigungsvoraussetzungen nicht entspreche; insbesondere werde der auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV zu fordernde Sicherheitsabstand zu den östlich gelegenen Gleisanlagen und dem Wirtschaftsweg sowie zu dem Lagerplatz des benachbarten Betriebes im Westen nicht eingehalten. Mangels einschlägiger gesetzlicher Vorgaben sei es Aufgabe der Genehmigungsbehörde, die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und in § 3 der 12. BImSchV verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren und "vorsorgende Sicherheitsabstände quantitativ" zu bestimmen, wobei es nicht auf eine ausschließlich "ingenieurmäßig verengte Sichtweise" ankommen könne. Die Genehmigungsbehörde sei vielmehr berechtigt, bei Beurteilung der Gefahren von Flüssiggas eine typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen; dies sei bereits unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung geboten. Im Grundsatz könne ein Sicherheitsabstand gefordert werden, der bis zur Grenze des praktischen Ausschlusses von Störfall-Auswirkungen reiche. Im Laufe der Zeit habe sich der Erkenntnisstand im Hinblick auf die Erforderlichkeit von Sicherheitsmaßnahmen bei Flüssiggas-Lagern stetig fortentwickelt: Auch bei Abfassung der zunächst als Unfallverhütungsvorschrift konzipierten TRB habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Sicherheitsabstände ein erforderliches Mittel der Gefahrenabwehr darstellten. Auch diese Sicherheitsabstände seien bereits politische Kompromisse und nicht ingenieurmäßig begründbar gewesen. Untersuchungen über Unfälle in Flüssiggas-Anlagen zeigten, dass es hier häufig zu schwerwiegenden Auswirkungen (Tote und Verletzte) komme, wobei nicht selten sog. Ereignisketten die Ursache der Unfälle seien und die Größe eines Lecks als auslösendes Ereignis zunächst keine zentrale Rolle spiele. Die Notwendigkeit von Sicherheitsabständen sei daher sowohl von der Störfall-Kommission (SFK) als auch von sämtlichen anderen Bundesländern im Grundsatz anerkannt. Uneinigkeit bestehe allein bei der Frage der konkreten Reichweite. Als Grundlage für die Ermittlung der auf § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV gestützten Sicherheitsabstände werde in Hessen eine Freisetzungsrate auf der Annahme eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² (sog. DN 15-Leck) anstelle eines bisherigen Freisetzungsquerschnitts von 8,8 mm² (DN 100-Leck, sog. "Strohmeier-Loch"), festgelegt. Dabei handele es sich um eine mehr oder weniger begründbare "Setzung" oder "Konvention", die auf inzidenten Wahrscheinlichkeitsannahmen über den Eintritt derartiger Ereignisse beruhe und letztlich nicht "ingenieurmäßig begründbar" sei. Dies sei eine Folge der seit Ende der achtziger Jahre andauernden Diskussion über Versuche und Berechnungen zur Ausbreitung schwerer Gase und der Auswertung der Überprüfungen hessischer Anlagen im Zuge des Sonder-Programms-Anlagen-Sicherheit (SPAS). Die Annahme eines DN 15-Lecks sei insbesondere als Grundlage für die Bemessung von Sicherheitsabständen vor dem Hintergrund der häufig auftretenden Ereignisketten als geeignet anzusehen. Die Größe eines auslösenden Lecks beschreibe die Gefahren von Ereignisketten nicht hinreichend. Letztlich sei stets die von der Gesamtanlage ausgehende Gefährdung abzuwehren, wobei das einzelne auslösende Ereignis keine rechtserhebliche Bedeutung habe. Zur Berücksichtigung denkbarer Ereignisketten sei deshalb von einem fiktiven "Äquivalentleck" auszugehen, das aufgrund der Erfahrungen aus Schadensfällen auf jeden Fall deutlich größer als das wenige Quadratmillimeter große "Anfangsleck" anzusetzen sei. Die Annahme eines DN 15-Lecks habe sich auf der Basis der in den letzten Jahren durchgeführten Versuche und Ausbreitungsrechnungen als am besten geeignet erwiesen, ein Störfallszenario mittleren Ausmaßes zu beschreiben. Es gehe also nicht darum, ob tatsächlich ein Leck der Größe DN 15 zu erwarten sei. Es handele sich hierbei um nichts anderes als um eine "rechnerische Hilfsgröße (Äquivalentleck)", mit der eine "realistischerweise zu erwartende Freisetzungsrate" bestimmt werden könne. Freisetzungen dieser Größenordnung seien in der Vergangenheit durchaus vorgekommen. Es handele sich auch keineswegs um die Betrachtung eines "größten anzunehmenden Unfalls." Der Beklagte verlange aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch nicht die Ausschaltung jeden Risikos. So sei an einem Abstand von 120 m festgehalten worden, obwohl die Einbeziehung von Druck- und Hitzeauswirkungen bei einer Explosion und die weitere Fortentwicklung des Erkenntnisstandes im Hinblick auf die Annahme der Zündgrenzen zu einer weiteren Erhöhung des Abstandes bei Zugrundelegung der oben genannten Freisetzungsrate führen müssten. Während bislang nämlich davon ausgegangen worden sei, dass die Zündgrenze bei 2,1 Vol% liege, werde nunmehr davon ausgegangen, dass die Zündgrenze bereits bei 1,7 Vol% als unterer Explosionsgrenze (UEG) anzusetzen sei, was einer Ausweitung des Zündbereichs um ca. 20 m entspreche.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 22. Mai 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, der Beklagte könne seine Ansicht, durch neue Erkenntnisse würden die Gefahren im Zusammenhang mit Flüssiggasanlagen und die Notwendigkeit von Sicherheitsabständen heute anders beantwortet, nicht konkret belegen. Das vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten der Firma L. International ("Durchführung der Störfallverordnung bei Flüssiggasanlagen") sei nicht geeignet, den Beweis dafür zu erbringen, dass sowohl das geltende Recht als auch die darauf aufbauende Genehmigungspraxis der übrigen Bundesländer unzureichend seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Behördenakten des Beklagten (2 Hefter) sowie die Antragsunterlagen der Klägerin (3 Leitzordner) und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Gießen (Az.: 8 G 1445/96 <2>) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann sie von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der früheren Grundstückseigentümerin und Antragstellerin fortgeführt werden, da der Beklagte - sofern man bei der rechtsgeschäftlichen Nachfolge in die durch einen dinglichen Verwaltungsakt betroffene Rechtsstellung überhaupt eine Klageänderung sieht (siehe hierzu: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 13 zu § 91) - seine Einwilligung hierzu erteilt hat (§ 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Auch besteht nach der für die Entscheidung in diesem Berufungsverfahren maßgeblichen, derzeit gültigen Fassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (siehe hierzu: BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1965 - IV C 45.65 -, DVBl. 1966, 469) weiterhin ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der beantragten Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung.

Der Umbau des Flüssiggas-Tanklagers erfüllt aufgrund des beabsichtigten Umfangs, insbesondere durch die Neuerrichtung der Flaschenfüllanlage, der Neuerrichtung der Kesselwagen-Entladestationen sowie der Tankwagen-Befüllstationen bei gleichzeitiger Erweiterung dieser Anlagenteile sowie aufgrund des Abbaus der oberirdischen Flüssiggas-Tanks unstreitig die gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 15 und 16 BImSchG (geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9. Oktober 1996 - BGBl. I S. 1498), d.h. es handelt sich um eine Änderung der Lage, der Beschaffenheit und des Betriebes einer gemäß Ziffer 9.1 Spalte 1 des Anhangs der Verordnung über genehmigungspflichtige Anlagen (4. BImSchV) genehmigungsbedürftigen Anlage. Damit ist der von der Klägerin beabsichtigte Umbau der Anlage zumindest gemäß § 15 Abs. 1 BImSchG anzeigepflichtig, da sich die Änderung offensichtlich auch auf die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter auswirken kann, wobei es für die Anwendung dieser gesetzlichen Vorschrift ohne Bedeutung ist, ob diese Auswirkungen positiv oder negativ zu beurteilen sind (vgl.: Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Loseblatt-Stand: Mai 2000, Rdnr. 15 zu § 15 BImSchG; Rebentisch in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Loseblatt-Stand: November 1999, Rdnr. 49 f. zu § 15; Scheuing in: Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz <GK-BImSchG>, Loseblatt-Stand: Juni 2000, Rdnr. n 28 zu § 15 n.F., jeweils m.w.N.). Der Umfang der beabsichtigten Umbaumaßnahmen geht auch eindeutig über eine reine Ersetzung bzw. einen Austausch von Anlagenteilen im Sinne von § 16 Abs. 5 BImSchG hinaus, so dass die Frage, ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift lediglich von einer Genehmigungsfreiheit (so: Führ in: GK-BImSchG, a.a.O., Rdnr. n 25 zu § 16 n.F.) oder sogar von einer Anzeigenfreiheit einer derartigen Änderung (so: Czajka in: Feldhaus, a.a.O., Rdnr. 46 zu § 16) auszugehen ist mit der Folge, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für das Begehren der Klägerin entfiele, hier keiner Entscheidung bedarf. Dies gilt gleichermaßen für die rechtliche Bewertung, ob die beabsichtigten Umbaumaßnahmen der Klägerin eine wesentliche Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinne von § 16 Abs. 1 BImSchG und damit - über die Anzeigepflicht hinaus - bereits von Gesetzes wegen als genehmigungsbedürftig zu betrachten sind. Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung besteht nämlich auch unabhängig von der Klärung dieser Frage deshalb, weil gemäß § 16 Abs. 4 BImSchG der Betreiber einer Anlage auch für ein grundsätzlich lediglich anzeigepflichtiges Vorhaben durch einen entsprechenden Antrag ein Genehmigungsverfahren einleiten kann und die Klägerin von dieser Möglichkeit hier (konkludent) Gebrauch gemacht hat.

Dabei ist es aus verfahrensökonomischen Gründen sachgerecht, im Fall der Klägerin keine allzu strengen formalen Anforderungen an eine Antragstellung nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zu stellen, da die Vorschriften der §§ 15 und 16 BImSchG erst während des anhängigen Berufungsverfahrens geändert wurden. Eine ausdrückliche Antragstellung bei dem Beklagten ist deshalb bei dieser Sachlage nicht erforderlich, vielmehr ist die Fortführung des Rechtsstreits nach der Gesetzesänderung als konkludente Erklärung der Klägerin auf Inanspruchnahme der Option gemäß § 16 Abs. 4 BImSchG hier ausreichend. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Erklärung eines Anlagenbetreibers nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BImSchG für die Behörde bindend ist, da ihr in verfahrensrechtlicher Hinsicht kein Ermessen zur Durchführung eines Genehmigungsverfahrens eingeräumt ist (§ 16 Abs. 4 Satz 2 BImSchG) und sie die Durchführung eines solchen Verfahrens nicht verweigern kann (Feldhaus, a.a.O., Rdnr. 51 zu § 16; GK-BImSchG, Rdnr. n 52 zu § 16 n.F.; Mohrmann, UPR 1996, 408 ff. <416>; Fluck, VerwArch. 1997, 265 ff. <292>).

Die Berufung ist auch zum Teil begründet, denn die Klägerin kann nur beanspruchen, dass ihr Antrag auf Änderung des Flüssiggas-Tanklagers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu beschieden wird. Der Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 1. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 2. Oktober 1995 ist zwar rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte kann jedoch nicht verpflichtet werden, die beantragte Genehmigung zu erteilen, da der Rechtssache die Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO fehlt.

Für die Erteilung der Änderungsgenehmigung gelten grundsätzlich die gleichen materiellen Voraussetzungen wie für die Erteilung einer Grund- bzw. Erstgenehmigung: Auf die Genehmigung besteht ein Anspruch (nur dann), wenn die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG gegeben sind, insbesondere die Erfüllung der in § 5 BImSchG normierten sog. Grundpflichten gewährleistet ist. Danach dürfen u. a. durch die Änderung einer Anlage keine Gefahren, erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorgerufen werden. Bei der Beurteilung dieser Genehmigungsvoraussetzungen ist auf die Lage, die Beschaffenheit und den Betrieb der geänderten Anlage sowie auf die Auswirkungen der Änderung abzustellen. Etwaige Auswirkungen einer Änderung von Anlagenteilen können dabei auch den unveränderten Bestand einer (Gesamt-)Anlage erfassen (Czajka, a.a.O., Rdnr. 87 zu § 16; Sellner in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Rdnr. 150 ff. zu § 16; Scheuing, a.a.O., Rdnr. 117 ff. zu § 15).

Der Regelungsgegenstand der von der Klägerin beantragten Änderungsgenehmigung und damit der Prüfungsumfang des Beklagten wird daher bestimmt durch den Umfang der geplanten Umbaumaßnahmen, die nicht nur quantitativ und qualitativ wesentliche Bereiche der Anlage unmittelbar zum Gegenstand haben, sondern sich auch (zumindest) auf den Betrieb der von dem Vorhaben nicht betroffenen Anlagenteile mittelbar auswirken können. Bereits aufgrund der von der Klägerin geplanten umfänglichen Veränderung des gegenwärtig vorhandenen Bestandes der Anlage scheidet eine Anwendung der Grundsätze des sog. "überwirkenden Bestandsschutzes" hier aus (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1975 - IV C 71.73 -, BVerwGE 50, 49 <58 f.>; Urteil vom 11. Februar 1977 - IV C 8/75 -, NJW 1977, 1932), so dass die Prüfung des Beklagten daher auch die Auswirkungen der Änderung sowohl auf die Gesamtanlage als auch auf die Umgebung der Anlage umfasst (Czajka, a.a.O., Rdnr. 87 zu § 16; Sellner, a.a.O., Rdnr. 150 zu § 16; Scheuing, a.a.O., Rdnr. 119 ff.; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - IV C 9.75 -, GewArch. 1977, 168).

Nach § 16 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist die Änderungsgenehmigung zu erteilen, wenn u. a. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden. Genehmigungsbedürftige Anlagen sind u. a. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umweltauswirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese sog. Grund-Schutzpflicht des Anlagenbetreibers wird von der aufgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 BImSchG erlassenen 12. BImSchV näher konkretisiert. Diese Verordnung (i.d.F. der Verordnung vom 26. April 2000 - BGBl. I S. 603) normiert in § 3 allgemeine Betreiberpflichten. Danach hat der Betreiber die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern (§ 3 Abs. 1 der 12. BImSchV). Darüber hinaus sind vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten (§ 3 Abs. 3 der 12. BImSchV). Nach § 17 der 12. BImSchV gelten diese Grundpflichten auch für das geplante Flüssiggas-Lager der Klägerin (vgl.: Anhang VII Teil 1 Spalte 5 zur 12. BImSchV).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Forderung des Beklagten nach Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zur Erfüllung der Betreiberpflicht des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV dem Grunde nach rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch: Czajka, a.a.O., Rdnr. 87 zu § 16).

Dabei ist jedoch zwischen einem (engeren) Schutzbereich einerseits sowie einem Sicherheitsabstand zur Erfüllung der Gefahrenabwehrpflicht des § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV und einem Sicherheitsabstand zur Begrenzung der Auswirkungen eines Störfalls nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV andererseits zu unterscheiden.

Der - hier nicht streitige - (engere) Schutzbereich (etwa nach Nr. 3.2.1.1.3 - Schutzzonen - der Zweiten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung (GMBl. 1993, 582 - 2. StörfallVwV -) bzw. nach Nr. 7.1.1 der Anlage zu TRB 801 Nr. 25 dient nicht dem Schutz Dritter, sondern dem Schutz der Anlage selbst, etwa vor Explosionen oder Brände auslösenden Handlungen Dritter (vgl.: VGH Mannheim, Beschluss vom 10. März 2000 - 10 S 2762/99 -, NVwZ-RR 2000, 674).

Hiervon zu unterscheiden sind die (schutzobjektbezogenen) Sicherheitsabstände zum Schutz Dritter. Die Forderung zur Einhaltung derartiger Sicherheitsabstände folgt - wie auch die Festlegung von Schutzbereichen bzw. Schutzzonen - ebenfalls aus der grundlegenden Norm des § 3 der 12. BImSchV.

Diese Vorschrift beruht auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und soll sicherstellen, dass durch Errichtung und Betrieb einer Anlage keine Gefahren hervorgerufen werden können (Hansmann in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 3 der 12. BImSchV). Hierzu werden durch § 3 der 12. BImSchV dem Betreiber einer Anlage Vermeidungs- und Vorsorgemaßnahmen auferlegt, jedoch nur soweit sie in seinen Verantwortungsbereich fallen. Dieser Verantwortungsbereich ist in § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV abschließend umschrieben. Damit ist zugleich festgelegt, welche Risikoursachen überhaupt in Störfallbetrachtungen aufzunehmen sind und Betreiberpflichten auslösen können. Ausgangspunkt jeder sicherheitstechnischen Beurteilung einer Anlage ist daher die Feststellung, welche Gefahren durch die Störung des Betriebs eben dieser Anlage hervorgerufen werden können. Dabei sind jedoch nur Gefahren zu berücksichtigen, die bei Anlegung praktischer Maßstäbe überhaupt in Betracht zu ziehen sind (siehe: § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV). Hiernach ist ein Störfall allerdings nicht schon deshalb auszuschließen, weil er sich "erfahrungsgemäß" nicht ereignet. Zu berücksichtigen sind vielmehr auch solche Ursachen, die von der allgemeinen Erfahrung abweichen, sofern sie praktisch zu einem Störfall führen können. Maßgebend sind weiterhin auch Art und Ausmaß der möglichen Störfallfolgen; je schwerer die möglichen Auswirkungen sind, desto geringere Anforderungen sind an die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls zu stellen, gegen den der Anlagenbetreiber Vorkehrungen zu treffen hat (siehe hierzu: amtl. Begründung zur 12. BImSchV vom 27. Juni 1980, BR-Drucks. 108/80, S. 29 ff.; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1970 - IV C 99/67 -, NJW 1970, 1890; Urteil vom 16. November 1973 - IV C 44/69 -, NJW 1974, 815).

Unabhängig davon, welche Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen als "vernünftigerweise ausgeschlossen" im Sinne von § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV angesehen werden können (siehe hierzu: BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89 <143>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83 -, DVBl. 1984, 890; Roßnagel in: GK-BImSchG, a.a.O., Rdnr. 253 ff., m.w.N.; Wietfeldt/Czajka in: Feldhaus, a.a.O., Rdnr. 24 ff., 36 f. zu § 3 12. BImSchV; Hansmann, a.a.O., Rdnr. 21 zu § 3 12. BImSchV), ist der Anlagenbetreiber zunächst gemäß § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV verpflichtet, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle durch Gefahrenquellen und Eingriffe, die vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden können, zu verhindern. Bei dieser Störfallverhinderungspflicht sind die in § 4 der 12. BImSchV nicht abschließend aufgezählten (technischen) Vorkehrungen von wichtiger und vorrangiger, aber nicht von ausschließlicher Bedeutung. Aus § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV ist nicht zu entnehmen, dass die Pflicht zur Verhinderung von Störfällen allein durch technische Vorkehrungen zu erfüllen ist. Wo etwa derartige Vorkehrungen nach dem Stand der Sicherheitstechnik (§ 3 Abs. 4 der 12. BImSchV) nicht ausreichen, kann eine Verhinderung von Störfällen auch durch Einhaltung eines Sicherheitsabstandes geboten sein (vgl.: OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83, a.a.O.).

Demgegenüber setzen auswirkungsbegrenzende Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV gedanklich voraus, dass in einer (genehmigungspflichtigen) Anlage bereits trotz entsprechender Vorkehrungen ein Störfall eingetreten ist. Die Vorschrift verpflichtet den Anlagenbetreiber deshalb zu ergänzenden Vorkehrungen. Entsprechend den (Betreiber-)Grundpflichten, wonach sicherzustellen ist, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage u.a. keine Gefahren hervorgerufen werden können, umfassen diese ergänzenden Vorkehrungen aber nicht nur die Reaktion auf bereits eingetretene Gefahren, sondern dienen auch der Verpflichtung, vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um Risiken, die als solche erkannt sind, mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV geht dabei von der Möglichkeit aus, dass die nach Abs. 1 zu ergreifenden Maßnahmen zur Verhinderung eines Störfalles aus irgendwelchen Gründen nicht greifen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an in der Praxis immer wieder auftretende und nicht auszuschließende Ursachen, wie z. B. menschliches Versagen, unerkannte (aber erkennbare) Mängel bei Errichtung und Betrieb der Anlage, Funktionsstörungen oder Ausfall der technischen Sicherheitsvorkehrungen nach § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV. Die Auswirkungen derartiger sog. "Dennoch-Störfälle" sollen durch vorbeugende Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden. Diese Verpflichtung ist jedoch nicht unbegrenzt. Abs. 3 ist eine Ergänzung zu § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV.

Auch die vorbeugenden Maßnahmen zur Begrenzung von Störfallauswirkungen dienen im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage der Verhinderung von als möglich erkannten Gefahren und erfüllen nicht den Zweck der Minimierung eines - grundsätzlich tolerierbaren - Restrisikos im Sinne einer Vorsorgepflicht, die schon im Vorfeld von Gefahren Rechtspflichten begründet (siehe hierzu: Feldhaus, DVBl. 1980, 133; ders., NVwZ 2001, 1; Hansmann, NVwZ 1981, 898). § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV betrifft Maßnahmen des schadensbegrenzenden "vorbeugenden Gefahrenschutzes" und dient in dieser Funktion - ebenso wie Abs. 1 - der Abwehr einer ernsten Gefahr (§ 2 Nrn. 3 und 4 der 12. BImSchV). Die Ermächtigungsgrundlage für § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV ist - ebenso wie für Abs. 1 - § 7 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und knüpft - wie sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut ergibt - nicht an die Pflicht zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG an, die schon dann besteht, wenn für einen (vorbeugenden) Gefahrenschutz noch kein Anlass besteht. Maßnahmen für eine störfallbezogene Risikovorsorge können daher im Rahmen von § 3 der 12. BImSchV nicht gefordert werden (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 7 C 8.82 -, BVerwGE 69, 37 <42>; Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 40 f. zu § 3 der 12. BImSchV; Hansmann, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 3 der 12. BImSchV; Schäfer, Störfall-Verordnung, Kommentar, Rdnr. 29 zu § 3; Breuer, NVwZ 1991, 211; a.A.: Roßnagel in: GK-BImSchG, a.a.O., Rdnr. 338 zu § 5). Entsprechend seiner Ermächtigungsgrundlage ist § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV deshalb dahin auszulegen, dass danach keine vorbeugenden Vorkehrungen gegen Gefahren verlangt werden (können), die auch im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage nicht berücksichtigt werden müssen, weil sie sich nach dem Stand der Wissenschaft jeder Erfahrung und Berechenbarkeit entziehen und deshalb nach dem Maßstab der praktischen Vernunft (siehe hierzu: BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, a.a.O.) auszuschließen sind. Ferner können nur solche Gefahren auswirkungsbegrenzende Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV rechtfertigen, die immerhin noch möglich sind; nur denkbare, aber praktisch nicht vorstellbare bzw. ausgeschlossene Gefahren erfordern keinen derartigen Gefahrenschutz (OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83 -, a.a.O.; Schäfer, a.a.O., Rdnr. 31 zu § 3).

Die Störfallbegrenzungspflicht des Betreibers nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV ist andererseits nicht davon abhängig, dass den Anforderungen des Abs. 1 im konkreten Fall nicht genügt ist. Sofern Maßnahmen nicht ausreichen, um einen Störfall mit der erforderlichen Sicherheit zu verhindern, liegt kein Fall des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV, sondern eine ungenügende Abwehrpflicht des Abs. 1 vor. Auswirkungsbegrenzende Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV sind kein Ersatz für störfallverhindernde Vorkehrungen nach § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV (OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83 -, a.a.O.; Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 42 zu § 3 12. BImSchV; Hansmann, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 3 der 12. BImSchV; Roßnagel, a.a.O., Rdnr. 339 zu § 5). Durch § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV wird eine eigenständige, neben Abs. 1 zu erfüllende Verpflichtung des Anlagenbetreibers begründet. Dies folgt einerseits bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ("Über Absatz 1 hinaus...") sowie aus ihrer Systematik. Im Hinblick auf das hohe Störfall-Gefährdungspotential bzw. die abstrakte Gefahrgeneigtheit der unter den Anwendungsbereich der 12. BImSchV fallenden Anlagen (siehe hierzu auch: amtl. Begründung, BR-Drucks. 108/80, S. 27 f.) erfordert die Erfüllung der Grund-Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vorbeugende, über die Pflicht zur Störfallverhinderung nach § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV hinausgehende, ergänzende Maßnahmen, um die Auswirkungen eines trotz störfallverhindernder Vorkehrungen eingetretenen Störfalls zu minimieren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83 -, a.a.O.; Hansmann, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 3 der 12. BImSchV).

Die Pflicht zur Begrenzung der Störfallauswirkungen selbst wird wiederum in § 5 der 12. BImSchV näher konkretisiert. Die darin enthaltene Aufzählung der Anforderungen ist jedoch nicht abschließend. Die Forderung nach Einhaltung eines ausreichenden Abstandes zu Schutzobjekten (Sicherheitsabstand) kann grundsätzlich neben den in § 5 der 12. BImSchV beispielhaft aufgezählten Vorkehrungen als eine weitere, praktisch inhärent sichere Maßnahme zur Begrenzung der Auswirkungen von Störfällen geboten sein. Auch wenn weder § 3 Abs. 3 noch § 5 der 12. BImSchV die Möglichkeit der Festlegung von Sicherheitsabständen expressis verbis vorsehen, ist die Forderung nach einer derartigen vorbeugenden Maßnahme wegen der nicht abschließenden Aufzählung in § 5 der 12. BImSchV von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als Ermächtigungsgrundlage hinreichend abgedeckt (vgl.: Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 41 zu § 3 und Rdnr. 17 f. zu § 5 der 12. BImSchV).

Die Einhaltung von Sicherheitsabständen ist auch als immissionsschutzrechtliche Maßnahme zur Begrenzung von Störfallauswirkungen in der Rechtspraxis bereits anerkannt. So sind etwa in Nr. 1.2.1.2 des Anhangs zur 2. StörfallVwV Sicherheitsabstände als "Maßnahmen zur Begrenzung von Explosionen und ihrer Auswirkungen" ausdrücklich erwähnt. Auch wenn diese Bestimmung im Hinblick auf § 4 der 12. BImSchV erlassen wurde, der wiederum allein die Störfall verhindernden Maßnahmen erfasst und die sich auf § 5 der 12. BImSchV beziehende Nr. 2 des Anhangs der 2. StörfallVwV Sicherheitsabstände als Maßnahme zur Begrenzung von Störfallauswirkungen nicht erwähnt, wird dadurch nur deutlich, dass eine Unterscheidung zwischen störfallverhindernden und auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabständen in der Praxis nicht stets möglich und die Übergänge hier fließend sein können (vgl.: Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 46 zu § 3, Rdnr. 33 zu § 4 und Rdnr. 17 zu § 5 der 12. BImSchV). Die Erwähnung von Sicherheitsabständen ausschließlich im Zusammenhang mit § 4 der 12. BImSchV durch die 2. StörfallVwV steht der Annahme einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Einhaltung von auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabständen allerdings keineswegs entgegen.

Daneben erfordert § 3 Abs. 4 der 12. BImSchV, dass die Beschaffenheit und der Betrieb der Anlage dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Diese Vorschrift gilt sowohl für störfallverhindernde Maßnahmen gemäß § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV als auch für Maßnahmen nach Abs. 3 zur Begrenzung von Störfallauswirkungen (Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 49 zu § 3; Hansmann, a.a.O., Rdnr. 27 f. zu § 3; Roßnagel, a.a.O., Rdnr. 231 zu § 7). Dies folgt eindeutig bereits aus der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 5 der 12. BImSchV. Danach ist der Standard "Stand der Sicherheitstechnik" definiert als der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Verhinderung von Störfällen oder zur Begrenzung ihrer Auswirkungen gesichert erscheinen lässt.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen sind Sicherheitsabstände grundsätzlich als geeignete Maßnahmen zur Begrenzung von Störfallauswirkungen zu beachten, wie durch die - bereits erwähnte - Aufnahme einer solchen baulichen Maßnahme in Nr. 1.2.1.2 des Anhangs zur 2. StörfallVwV und durch die technische Richtlinie gemäß Nrn. 2.4 und 7.1.22 und 7.1.23 der Anlage zu TRB 801 Nr. 25 deutlich wird. Dabei entspricht die Einhaltung von Sicherheitsabständen grundsätzlich auch dem Stand der (Sicherheits-)Technik. So gehören etwa nach Art. 2 Nr. 1.1 der EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Richtlinie 96/61 vom 24. September 1996, ABlEG Nr. L 257, S. 26 - IVU-Richtlinie -) nicht nur die eigentliche Fertigungs- und Bearbeitungstechnik, sondern u.a. auch die Planung und der Bau von Anlagen zur Technik. In diesem weiten Sinn sind - wie bisher - auch die Begriffe "Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen" in der deutschen Definition des Standes der (Sicherheits-)Technik zu verstehen (vgl.: Feldhaus, NVwZ 2001, 1). Dementsprechend hat auch bereits der Bundesrat in seinem Zustimmungsbeschluss zur 12. BImSchV aus dem Jahr 1991 die Bundesregierung gebeten, in Verwaltungsvorschriften zur 12. BImSchV baldmöglichst zu regeln, in welchen Fällen die Anlagenbetreiber bei der Errichtung neuer und bei wesentlicher Änderung bestehender Anlagen Sicherheitsabstände zu Wohngebäuden, öffentlichen Verkehrswegen und ggfs. anderen besonders schutzwürdigen Objekten einhalten müssen. Dabei sollen auch Kriterien zur Bemessung der Sicherheitsabstände genannt und vorgegeben werden, ob und nach welchen Gesichtspunkten derartige Anforderungen auch bei Altanlagen zu stellen sind (BR-Drucks. 213/91 <Beschluss>, Teil B Entschließung Nr. 3, S. 78). Schließlich ist auch die Störfallkommission (SFK) nach § 51 a BImSchG in ihrem Abschlussbericht "Sicherheitsabstände als Schadensvorsorge" zu dem Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich bei allen dem Anwendungsbereich der 12. BImSchV unterliegenden Anlagen Sicherheitsabstände einzuhalten sind (SFK-GS-04 - Stand: 2. Mai 1994).

Die Überlegungen bezüglich der konkreten Reichweite von auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabständen für bestimmte Anlagen sind hingegen - soweit ersichtlich - noch nicht abgeschlossen. Insbesondere sind einschlägige schriftliche Regelwerke nach § 31 a Abs. 4 BImSchG bezüglich des Standes der Sicherheitstechnik zur Zeit noch nicht vorhanden. Die Technischen Ausschüsse sind derzeit damit befasst, die Regelwerke bezüglich der überwachungsbedürftigen Anlagen dem Standard "Stand der Sicherheitstechnik" anzupassen und mit dem Technischen Ausschuss für Anlagensicherheit (TAA - § 31 a BImSchG) abzustimmen. Die Entscheidung, ob und ggfs. wie groß ein von einer genehmigungspflichtigen Anlage einzuhaltender Sicherheitsabstand gemäß § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV zu bemessen ist, muss daher jeweils im konkreten Einzelfall allein von der Genehmigungsbehörde nach wie vor anlagenbezogen entschieden werden.

Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Begriff "Stand der Sicherheitstechnik" um einen wertausfüllungsbedürftigen Begriff handelt, der wegen der Fortentwicklung der Technik Änderungen unterworfen und in diesem Sinn als dynamisch zu bezeichnen ist (vgl.: Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 51 und 59 zu § 2; Roßnagel, a.a.O., Rdnr. 231 zu § 7; Hess. VGH, Beschluss vom 10. März 2000 - 2 TZ 2369/99 -). Andererseits ist zu bedenken, dass der Begriff "Stand der Sicherheitstechnik" nicht unbedingt die wirksamsten Sicherheitsmaßnahmen wiedergibt, sondern die der wirksamsten Sicherheitsmaßnahme angenäherte, optimale (technisch) vernünftigste Lösung (vgl. hierzu: Feldhaus; DVBl. 1981, 165; ders., NVwZ 2001, 1; Dolde, NVwZ 1997, 313). Daher ist in jedem Fall auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der Standard "Stand der Sicherheitstechnik" ist nicht absolut und nicht für jede zu genehmigende Anlage gleichsam schematisch anwendbar, sondern jeweils im Einzelfall vom Grad der mit der Anlage verbundenen Gefahren und von der Schwere der daraus resultierenden möglichen Auswirkungen im Störfall abhängig. Daraus folgt, dass - ebenso wie bei § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV (siehe hierzu: OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 1984 - 7 OVG B 16/83 - a.a.O.) - auch bei der Anwendung von § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV nicht eine abstrakt statistische, sondern eine konkret anlagenbezogene Beurteilung zu erfolgen hat (vgl.: BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 33.- 35.83 -, BVerwGE 77, 285). Die Reichweite von Sicherheitsabständen zur Begrenzung von Störfallauswirkungen ist deshalb in erster Linie danach zu bestimmen, mit welchen Auswirkungen bei Störfällen nach der konkreten Beschaffenheit und Lage der zu genehmigenden Anlage zu rechnen ist und nicht danach, welche Störfallauswirkungen bei anderen Anlagen bereits aufgetreten sind bzw. mit welchen Störfallfolgen nach einer abstrakt-statistischen Betrachtung gerechnet werden kann.

Die Verantwortung für die in diesem Zusammenhang erforderliche Risikoermittlung und Risikobewertung liegt allein bei der Exekutive. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dabei grundsätzlich darauf, ob die Überzeugung der Genehmigungsbehörde, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV schadensbegrenzende Gefahrenvorsorge sei gewährleistet bzw. nicht gewährleistet, rechtlich einwandfrei gewonnen wurde. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob die Genehmigungsbehörde die Entscheidungsgrundlagen als ausreichend ansehen durfte und die darauf beruhenden Bewertungen sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen halten. Defizite bei der Ermittlung und Bewertung führen, sofern sie nicht behoben werden können, zu einer Aufhebung der angefochtenen behördlichen Entscheidung (OVG Münster, Beschluss vom 18. Juli 1988 - 21 B 1092/88 -, NVwZ 1989, 172, m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben können die dem Ablehnungsbescheid vom 1. Dezember 1994 und dem Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1995 zugrunde liegenden Überlegungen des Beklagten zur Reichweite auswirkungsbegrenzender Sicherheitsabstände keinen Bestand haben.

Der Beklagte hat sich bei der Beurteilung der von der Anlage der Klägerin einzuhaltenden Sicherheitsabstände im Wesentlichen auf die Vorgaben des Entwurfs für einen Gemeinsamen Erlass über "Sicherheitstechnische Anforderungen und Sicherheitsabstände bei Flüssiggasanlagen" vom 30. März 1994 (- II A 8 - 53 e 613 SPAS - Flüssiggas) gestützt, an denen er nach wie vor festhält. Es ist jedoch weder ersichtlich, dass dieser Entwurf dem Stand der Sicherheitstechnik noch den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Soweit in dem Erlassentwurf des Beklagten festgelegte, pauschale Reichweiten von auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabständen bzw. als Störfallursache zur Bewertung solcher Sicherheitsabstände im Einzelfall vorausgesetzte Quellterme bestimmter Größe als "Konvention" bezeichnet werden, ist dies - wenn überhaupt - nur für den darin festgesetzten "Regelsicherheitsabstand" im Fall einer ungehinderten Ausbreitung einer explosionsfähigen Gaswolke nachvollziehbar. Einen derartigen pauschalen Sicherheitsabstand von 120 m sehen nämlich z. B. der Erlass des Landes Baden-Württemberg vom 11. September 1994 über "Sicherheitstechnische Anforderungen an Flüssiggasläger" (24 - 8820 10/12. VO -) und die Anlage zu TRB 801 Nr. 25 (vgl. hier: Nr. 7.1.22) vor. Demgegenüber legt aber der nach Auswertung der einschlägigen technischen Regelwerke vorliegende Entwurf der Bundesregierung für eine auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 BImSchG zu erlassende Flüssiggaslager-Verordnung vom 20. Januar 1998 lediglich einen maximalen, auswirkungsbegrenzenden Abstand von 60 m bei horizontalem Gelände ohne Ausbreitungshindernisse fest. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit eines auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabstandes von 120 m für den Fall einer ungehinderten Ausbreitung einer explosionsfähigen Gaswolke ist hier jedoch nicht entscheidend, da bei der von der Klägerin geplanten Anlage eine Reduzierung dieses pauschalen Regelsicherheitsabstandes unter Berücksichtigung der vorhandenen natürlichen und beabsichtigten künstlichen Ausbreitungshindernisse (Schutzzäune und -wände) auf der Grundlage einer Ausbreitungsrechnung nach VDI-Richtlinie 3783 Blatt 2 vom Beklagten grundsätzlich zugelassen worden ist. Dies ist im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Forderung des Beklagten, der so für den konkreten Einzelfall durchzuführenden Berechnung sei stets ein (pauschaler) Quellterm mit einem Querschnitt von 180 mm² (DN 15-Leck) als feste Größe zu Grunde zu legen.

Die Berechnung der Schadensreichweiten und damit die Bewertung von Störfallfolgen auf der Annahme eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² ist aus rechtlichen Gründen bereits deshalb nicht frei von Bedenken, weil nach dem bereits erwähnten Erlassentwurf vom 30. März 1994 selbst bei einer so angenommenen Gasfreisetzung aus der Flüssigphase die Driftweite für eine explosionsfähige Wolke - ohne ein Ausbreitungshindernis - mit ca. 120 m und ein Auswirkungsbereich von Explosionsschäden von ca. 150 m sowie ein Bereich von Hitzeauswirkungen von 125 m angenommen wird. Soweit der Erlassentwurf trotz dieser festgestellten Schadensreichweiten lediglich einen "Regelsicherheitsabstand" von 120 m festlegt, bestehen ernsthafte Zweifel, ob dies dem Ziel des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV genügt, die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten. Nach allgemeiner Auffassung ist diese Tatbestandsvoraussetzung dahin zu verstehen, dass die geschützten Rechtsgüter nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden (vgl.: Schäfer, a.a.O., Rdnr. 29 zu § 3). Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden, wenn der festgelegte Sicherheitsabstand um 20 % geringer ist als die Reichweite einer als möglich erkannten Schadensauswirkung. Im Übrigen hat die TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) in ihrem Gutachten vom 23. August 1994 (hier: Bl. 9) ausgeführt, bei einem angenommenen Freisetzungsquerschnitt von 180 mm² (Abriss eines DN 15-Rohres) ergebe sich nach einer Berechnung auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 3783 (Bl. 2) für "ebenes Gelände", ungünstigste Ausbreitungssituation, UEG = 1,7 VOL%, Freisetzungsrate 2,5 kg/s, eine Reichweite eines zündfähigen Gas-Luft-Gemisches von ca. 170 m. Diese Angaben werden bestätigt durch das vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Gutachten der TÜ-Hessen - Abteilung Energietechnik und Umweltschutz (Darmstadt) - vom 27. Februar 1995 ("Störfall-Auswirkungsbetrachtungen für Flüssiggaslager-Anlagen auf Grundlage von Ausbreitungsrechnungen nach VDI 3783 Bl. 2"): Danach ergeben sich untere Zünddistanzen für ebenes Gelände von 169 m im ungünstigsten Fall und 114 m im Mittel (die unteren Zünddistanzen bei Vorhandensein eines Ausbreitungshindernisses und ungünstigsten Windverhältnissen betragen 151 bis 194 m). Der Hinweis des Beklagten, auch die Regelungen in der Anlage zur TRB 801 Nr. 25 über einzuhaltende Sicherheitsabstände seien politische Kompromisse und nicht ingenieurmäßig begründbar, ist als Begründung für eine solche Abweichung des im Erlassentwurf festgesetzten 120 m-Regelsicherheitsabstandes von diesen Berechnungen der Sachverständigen unter rechtlichen Aspekten nicht tragfähig. Sofern nämlich technische Normen bzw. Regelwerke politische Festlegungen im Sinne von Bewertungen entgegengesetzter Interessen einschließen, bedürfen sie an sich auch einer demokratisch legitimierten, politischen Entscheidung in der Form einer Rechtssetzung (BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 33. bis 35.83 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, wenn dadurch Betreibergrundrechte oder Rechte Dritter aus Art. 12 und 14 sowie Art. 2 des Grundgesetzes (GG) eingeschränkt bzw. berührt werden.

Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die von dem Beklagten zwingend vorausgesetzte Annahme eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² bei einer Freisetzungsrate von 2 - 3 kg/s als Grundlage für die Berechnung auswirkungsbegrenzender Sicherheitsabstände als Stand der Sicherheitstechnik im Sinne einer "Konvention" zu gelten hat. So geht der bereits erwähnte Erlass des Landes Baden-Württemberg vom 11. September 1994 ausdrücklich davon aus, dass es "derzeit nicht möglich" sei, einen pauschalen Quellterm - z. B. eine DN 15-Leckage - bei der Ermittlung der Reichweite von Sicherheitsabständen vorzugeben. Auch die Vorschläge des Bund-Länder-Arbeitskreises "Flüssiggaslagerung" aus dem Jahr 1995 sehen einen (pauschalen) Quellterm dieser Größe nicht vor. Dies gilt auch für den Alternativvorschlag der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Ebenso ist in dem diese Vorschläge berücksichtigenden Entwurf der Bundesregierung für eine Flüssiggaslager-Verordnung nach § 7 Abs. 1 BImSchG die Berechnung des Ausflussmassenstromes in Abhängigkeit von der Rohr-Anschlussnennweite nach der sog. Bernoulli-Gleichung vorgesehen. Schließlich lässt sich auch aus den einschlägigen technischen Regelwerken nicht herleiten, dass für die Berechnung eines auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabstandes zumindest nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (zum Unterschied zum Standard des Standes der Technik, siehe: Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 52 ff. zu § 2) zwingend auf einen Freisetzungsquerschnitt von 180 mm² abzustellen ist.

Soweit der Beklagte eine solche Berechnungsgrundlage mit dem Hinweis auf Ereignisketten (sog. Dominoeffekte) als Störfallursachen für erforderlich hält, ist auch diese Überlegung nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon, dass die Berücksichtigung von Dominoeffekten im Zusammenhang mit Störfällen in immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen im Ansatz durchaus zutreffend ist (vgl.: § 15 der 12. BImSchV), hat der Beklagte nichts dafür dargelegt, dass die Auswirkungen derartiger Störfälle bei Flüssiggas-Anlagen durch die Festlegung einer Freisetzungsrate gerade auf der Grundlage eines bestimmten Freisetzungsquerschnitts - hier 180 mm² = DN 15-Leck - dem Zweck des § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV entsprechend generell ausreichend begrenzt werden können. Im Gegenteil bestehen an einer derartigen Vorgehensweise erhebliche Zweifel, ohne dass es hierzu der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1987 - 7 C 4.85 -, BVerwGE 78, 177). Es ist nämlich nicht nachvollziehbar begründet, weshalb gerade ein Freisetzungsquerschnitt in der Größe von 180 mm² als zutreffendes "fiktives Äquivalentleck" zur Berechnung von auswirkungsbegrenzenden Sicherheitsabständen bei Störfällen mit Dominoeffekten geeignet ist. Eine Begründung hierzu lässt sich weder dem Gutachten der TÜ-Hessen - Abteilung Energietechnik und Umweltschutz (Darmstadt) - vom 27. Februar 1995 noch dem im Berufungsverfahren vorgelegten Abschlussbericht der Firma L. International vom Dezember 1997 ("Durchführung der Störfallverordnung bei Flüssiggasanlagen") entnehmen.

Das Gutachten der TÜ-Hessen ist dazu bereits deshalb ungeeignet, weil es auf der durch den Erlassentwurf des Beklagten vom 30. März 1994 vorgegebenen Freisetzungsrate bzw. Freisetzungsquerschnitt basiert und sich nur mit den Störfallauswirkungen auf der Grundlage dieser Vorgaben befasst. Der Abschlussbericht der Firma L. International enthält neben einer Zusammenstellung in- und ausländischer Stör- bzw. Unfälle in Flüssiggas-Anlagen und bei Flüssiggas-Transporten im Wesentlichen nur Ausführungen über die Zuverlässigkeit sicherheitstechnischer Einrichtungen und über die Zündwahrscheinlichkeiten von Gaswolken. Zur Frage, auf welche Leckgröße zur Festlegung von Sicherheitsabständen in Flüssiggas-Anlagen abzustellen ist, wird lediglich ausgeführt:

"Um dem Vorsorgeaspekt (§ 3 Abs. 3 Störfall-VO) im Rahmen der Festlegung von Sicherheitsabständen in Flüssiggasanlagen Rechnung zu tragen, kann für die Festlegung der Leckgröße (als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung derartiger Abstände) vernünftigerweise nicht nur die Leckgröße zugrunde gelegt werden, die die Auswirkungen des auslösenden Ereignisses abdecken soll. Zur Berücksichtigung denkbarer Ereignisketten muss eine Art integraler Wert für die Leckgröße angesetzt werden. Die Fläche dieses fiktiven "Äquivalentlecks" ist aufgrund der Erfahrung aus Schadensfällen auf jeden Fall deutlich größer anzusetzen, als das wenige Quadratmillimeter große "Anfangsleck". Eine sinnvolle Annahme könnte z. B. die seit langem diskutierte DN 15 Leckageöffnung sein."

Eine nähere Begründung für diese Aussage wird jedoch nicht gegeben. Eine solche Begründung war den Gutachtern aufgrund der ausgewerteten Stör- bzw. Unfalldaten offensichtlich auch nicht möglich, da sie auf S. 17 ihres Abschlussberichts zu dem Ergebnis der Datenauswertung ausführen:

"Die Auswertung des verfügbaren Datenmaterials hat gezeigt, dass es Referenzereignisse, die eine direkte Festlegung typischer Leckgrößen für die Diskussion von Sicherheitsabständen im Vorsorgefall zulassen, offensichtlich nicht gibt."

So kann es nur als eine nicht näher begründete Empfehlung und nicht als ein auf belegbaren, wissenschaftlich zuverlässigen Erkenntnisquellen beruhendes, gutachterliches Ergebnis betrachtet werden, wenn es in dem Abschlussbericht weiterhin heißt:

"Im Hinblick auf die kontroverse Diskussion zur Festlegung von Sicherheitsabständen für den Vorsorgefall (§ 3 Abs. 3 Störfall-VO) genügt es nach unserer Auffassung nicht, nur die Kleinleckagen am Anfang der Ereigniskette zu berücksichtigen, da mit einem solchen Ansatz dem Gesamtgeschehen im Verlauf einer Ereigniskette nicht hinreichend Rechnung getragen wird."

Auch aus den übrigen vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisquellen wird nicht nachvollziehbar ersichtlich, dass gerade die Annahme eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² (DN 15-Leck) als "rechnerische Hilfsgröße" nach dem Stand der Sicherheitstechnik als Grundlage für die Berechnung eines Sicherheitsabstandes auch unter Berücksichtigung von Ereignisketten bzw. Dominoeffekten am besten geeignet ist, die Auswirkungen eines Störfalls im Sinne von § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV so gering wie möglich zu halten. So wird etwa in der Untersuchung von Droste/Mallon ("Eine gezielte Auswertung von Unfällen bei Umgang mit Flüssiggas <LPG>" - schadenprisma 1990, 41 ff.) ausdrücklich betont, dass eine repräsentative Datenbasis für das Unfall- bzw. Störfallgeschehen im Bereich der Flüssiggas-Vertriebslager gerade nicht vorliegt. Insgesamt ist somit nicht ersichtlich, dass die Annahme des Beklagten, die Freisetzungsrate auf der Basis eines Querschnitts von 180 mm² (DN 15-Leck) sei als standardisierte Grundlage für die Bestimmung der Reichweite auswirkungsbegrenzender Sicherheitsabstände für Flüssiggas-Anlagen generell geeignet, auf der Grundlage zuverlässiger technischer und wissenschaftlicher Erkenntnisquellen in einer methodisch nachvollziehbaren Weise erarbeitet worden ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 -, BVerwGE 75, 214 <234>, m.w.N.). Hiervon geht auch der Beklagte selbst aus, wenn er in der Begründung seines Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 1995 ausführt, die Versuche des TÜV-Nord auf der Basis eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² (DN 15-Leck) seien lediglich durchgeführt worden, um die Auswirkungen eines Gasaustritts experimentell zu untersuchen. Die "Richtigkeit" einer Leckrate zur Bestimmung eines Sicherheitsabstandes könnten diese Versuche nicht belegen. Wenn aber trotz dieser Feststellung ein solcher Freisetzungsquerschnitt als "geeignet" bezeichnet wird, die Reichweite auswirkungsbegrenzender Sicherheitsabstände verbindlich festzulegen, ist dies nicht nachvollziehbar und mit den gesetzlichen Anforderungen nicht vereinbar.

Ein ohne ausreichend zuverlässige Erkenntnisbasis, mehr oder weniger dezisiv festgelegter Freisetzungsquerschnitt ist - unabhängig von der Frage, ob der Beklagte die rechtliche Kompetenz zu einer solchen Verfahrensweise überhaupt besitzt - wegen der Eingriffe in die Rechte der Anlagenbetreiber, die durch eine Bestimmung von Sicherheitsabständen - wie hier der Klägerin - verursacht werden, im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar (vgl.: OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. Dezember 1993 - 6 M 4691/93 -, UPR 1994, 157). Solange konkrete Reichweiten von (auswirkungsbegrenzenden) Sicherheitsabständen nicht in einer Norm mit Allgemeinverbindlichkeit festgelegt worden sind (etwa durch eine Flüssiggaslager-Verordnung gemäß § 7 Abs. 1 BImSchG), ist ein ausreichender Sicherheitsabstand anhand des jeweiligen Risikopotentials der konkreten genehmigungspflichtigen Anlage nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem vom Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten der TÜ-Hessen vom 27. Februar 1995 ausdrücklich hervorgehoben, eine Übertragung der Ergebnisse des Gutachtens auf konkrete Anlagen sei nur zur generellen Gefahrenabschätzung möglich. Ergänzende Einzelfallbetrachtungen seien hingegen unumgänglich, sofern eine Reduzierung des Sicherheitsabstandes über den im Gutachten errechneten Wert beabsichtigt sei. Insbesondere die Situation bei einer Freisetzung des Gases aus der Flüssigphase sei - im Vergleich mit einer Freisetzung aus der Gasphase - stärker einzelfallabhängig und daher auch die Wirkung der Ausbreitungshindernisse.

Eine solche anlagenbezogene, die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Risikoermittlung und Risikoabschätzung ist für die geplante Anlage der Klägerin bisher nicht vollständig erfolgt. Ebenso wie eine derartige Beurteilung anhand des Erlassentwurfs des Beklagten vom 30. März 1994 unter Zugrundelegung einer pauschalen Freisetzungsrate auf der Grundlage eines Querschnitts von 180 mm² (DN 15-Leck) den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht, sind weder die von der Klägerin für die geplante Anlage vorgelegte Sicherheitsanalyse noch das Gutachten der TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) vom 23. August 1994 hierzu geeignet. Das Gutachten der TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) enthält - auftragsgemäß - konkrete Aussagen nur zur Ausbreitung und Auswirkung explosionsfähiger Gaswolken auf der Basis eines Freisetzungsquerschnitts von 180 mm² (DN 15-Leck). Darüber hinaus wird nur ausgeführt, die Abschätzung einer Leckgröße, die vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden könne, sei "abhängig von den Maßnahmen, die getroffen werden, um einen Stoffaustritt zu verhindern". Ohne sich auf eine bestimmte Freisetzungsrate bzw. einen bestimmten Freisetzungsquerschnitt für die Beurteilung von möglichen Störfallauswirkungen festzulegen, ist die TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) nach ihrem Gutachten der Auffassung, zur Bestimmung des Sicherheitsabstandes sei eine Leckgrößenbestimmung auf der Basis "technisch möglicher Szenarien" zu Grunde zu legen. Die Beschreibung der "technisch möglichen Szenarien" müsse dabei abhängig von den sicherheitstechnischen Maßnahmen in der Anlage erfolgen. Eine solche Beschreibung hat die TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) aber ausdrücklich nicht vorgenommen und auch nicht überprüft.

Die von der Klägerin angefertigte und im Genehmigungsverfahren vorgelegte Sicherheitsanalyse hinsichtlich der geplanten Anlage weist nach dem dazu vorgelegten Gutachten der TÜ-Hessen vom 28. Januar 1994 hingegen Defizite gerade bei den Fragen auf, die für die Risikoermittlung und -bewertung zur Festlegung schadensbegrenzender Sicherheitsabstände von entscheidender Bedeutung sind. Danach wird in der Sicherheitsanalyse der Klägerin nicht nachvollziehbar dargestellt, welche Explosionsüberdrücke sich für die geplante Anlage aufgrund welcher Annahmen (freigesetzte bzw. explosionsfähige Gasmenge) ergeben. Weiterhin wird bemängelt, dass die von der Sicherheitsanalyse zu Grunde gelegten Lecks, die z.B. durch das Anwachsen unbemerkt gebliebener Materialfehler entstehen könnten, nicht "vernünftigerweise auszuschließen" seien. Ebenso sei die Beschreibung einer Störung im Behälterdomschacht (Anlage 9 der Sicherheitsanalyse) unvollständig, da die Ergebnisse der Ausbreitungsrechnung hierzu fehlten. Schließlich beschreibe die Sicherheitsanalyse nicht die Auswirkungen eines Störfalls, dessen Analyse für die Katastrophenschutzplanung notwendig sei. Somit ist festzustellen, dass eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende vollständige, anlagenbezogene Risikoermittlung und -bewertung für das geplante Flüssiggas-Tanklager der Klägerin bisher nicht vorliegt. Zur Beurteilung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen für die Änderung der Anlage vorliegen, ist daher eine erneute Beurteilung seitens des Beklagten durchzuführen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den beantragten Umbau des Flüssiggas-Tanklagers der Klägerin bis zu dem Erlassentwurf vom 30. März 1994 für genehmigungsfähig hielt und ein entsprechender Genehmigungsbescheid bereits entworfen war. Der erkennende Senat ist an diese frühere Rechtsauffassung des Beklagten nicht gebunden, zumal eine vollständige Risikobewertung nach den vorstehenden Feststellungen zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls noch nicht vorlag und somit eine Genehmigungsfähigkeit objektiv nicht gegeben war.

Bei einer somit vorzunehmenden, anlagenbezogenen Einzelfallbewertung ist zur Ermittlung der Reichweite von Sicherheitsabständen von einer Freisetzungsrate auszugehen, die unter Berücksichtigung sämtlicher getroffener Schutzmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 der 12. BImSchV) bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden kann. Dabei werden insbesondere folgende Kriterien zu beachten sein: Anlagenspezifische Quelltermfestlegung (Gasfreisetzungsmenge und Gasfreisetzungsart - impulsbehaftet oder impulslos) unter Berücksichtigung der konkreten bzw. konkret geplanten Ausstattung der Anlage wie Rohrleitungsdurchschnitt (Nennweite), Werkstoff, Ausführung der Flansche und Armaturen, Redundanz und Diversität von sicherheitstechnischen Bauteilen und so weiter. Weiterhin sind zu berücksichtigen die Topographie des Geländes sowie der Untergrund, die Auswirkungen von Ausbreitungshindernissen und Schutzmaßnahmen, wie z. B. Schutzwälle, Schutzringe und Schutzmauern usw., jedoch nur, soweit dadurch keine zusätzliche Gefahr verursacht wird (Verdämmung). Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV, der jeweils gefährdeten Rechtsgüter und des Auftrags des Verordnungsgebers, sicherzustellen, dass diese Rechtsgüter nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden, ist dabei von der jeweils ungünstigsten Ausbreitungssituation auszugehen.

Andererseits ist eine derartige Bewertung jedoch auch standortabhängig in dem Sinne, dass bestimmten Schutzobjekten ein jeweils unterschiedlicher Grad der Schutzwürdigkeit mit der Folge einer notwendigen Differenzierung zukommen kann. So enthält z. B. der Entwurf für eine Flüssiggaslager-Verordnung der Bundesregierung (Stand: 20. Januar 1998) eine abschließende Aufzählung von Schutzobjekten: Danach ist beabsichtigt, einen auswirkungsbegrenzenden Abstand zu Einrichtungen, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, wie Wohnhäuser, Altenheime und Versammlungsstätten, vorzuschreiben; zu Straßen und Eisenbahnstrecken jedoch nur, wenn im Jahresmittel eine Verkehrsbelastung von mehr als 5.000 Fahrzeugen am Tag bzw. mehr als 24 Reisezügen am Tag besteht (vgl.: § 2 Abs. 4 des Verordnungsentwurfs vom 20. Januar 1998). In dieser Hinsicht wird der Beklagte daher auch die Art der von der Anlage der Klägerin gefährdeten Schutzobjekte im Hinblick auf die Schwere der daraus resultierenden Gefahren im Störfall zu berücksichtigen haben (vgl.: Wietfeldt/Czajka, a.a.O., Rdnr. 57 und 61 zu § 2). Dabei wird nicht unberücksichtigt bleiben können, dass nach den Ausführungen des Vertreters der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung das im Gutachten der TÜV-Umwelttechnik GmbH (München) vom 23. August 1994 als "betriebsfremdes" Schutzobjekt bezeichnete, 12,90 m x 18,25 m große Gebäude (Lagerschuppen) südöstlich des Betriebsgrundstücks der Klägerin abgerissen und die östlich angrenzenden Bahngleise mit dem geplanten Umbau des Tanklagers ebenfalls teilweise abgebaut bzw. verlegt werden sollen.

Nach alledem kann deshalb der Ablehnungsbescheid vom 1. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 1995 des Beklagten keinen Bestand haben. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Beklagte zur Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung verpflichtet ist. Für einen derartigen Verpflichtungsausspruch fehlt die Spruchreife nach § 113 Abs. 5 VwGO. Unabhängig davon, dass eine Ermittlung und Bewertung des von der zu ändernden Anlage der Klägerin vernünftigerweise nicht auszuschließenden Störfall- und Schadensrisikos nach den vorstehend dargelegten Maßstäben noch nicht erfolgt ist, wird der Beklagte vor einer Neubescheidung der Klägerin des Weiteren zu prüfen haben, ob die vorliegende Sicherheitsanalyse den Anforderungen der sog. erweiterten Sicherheitspflichten der Klägerin nach § 18 der 12. BImSchV entspricht, da die geplante Anlage die Mengenschwelle nach Anhang VII Teil 1 Spalte 5 der 12. BImSchV (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 der 12. BImSchV) überschreitet.

Der Beklagte ist deshalb unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1995 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Änderung eines Flüssiggaslagers (Umschlag- und Verteillager) auf dem Grundstück in der Gemarkung S., Flur ..., Flurstücke ... - ... (Am H., ..... S.), unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu einem Viertel und der Beklagte zu drei Vierteln zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 125.000,00 DM festgesetzt.

Gründe: Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt dabei der Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren, nachdem die Beteiligten gegen eine Festsetzung in dieser Höhe Einwände nicht vorgebracht haben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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