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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 22 TL 2905/02
Rechtsgebiete: HPVG


Vorschriften:

HPVG § 34 Abs. 3 S. 1
Persönliche Interessen eines Personalratsmitglieds sind dann unmittelbar berührt im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG, wenn es um eine Maßnahme geht, die individualisiert auf die Person des Personalratsmitglieds bezogen ist.

Eine gruppenbezogene Kollektivmaßnahme führt auch dann nicht zum Ausschluss des Personalratsmitglieds von der Beratung und Beschlussfassung, wenn das Personalratsmitglied Teil der betroffenen Gruppe ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

22 TL 2905/02

In dem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren

wegen Personalratstätigkeit,

hier: Interessenwiderstreits,

hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) des Hessischen Verwaltungsgerichtshof durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtlichen Richter Knappik, ehrenamtlichen Richter Hessler

auf Grund der mündlichen Anhörung am 19. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 2. September 2002 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob eine Arbeitszeitregelung die persönlichen Interessen eines Personalratsmitglieds "unmittelbar berührt" im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG, wenn sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Personalrats auch auf dieses Personalratsmitglied, nicht aber auf die anderen Personalratsmitglieder anwendbar ist.

Der Antragsteller ist bei dem Landkreis A-Stadt als Hausmeister beschäftigt; er ist gleichzeitig Mitglied des Beteiligten zu 2.. Er war in dem Oberstufenzentrum in R.......... tätig, das von der H.................-Schule und der He..................-Schule gebildet wird. Das Oberstufenzentrum verfügt über drei Hausmeister-Stellen, zwei in der H.............-Schule und eine Stelle in der He.....................-Schule.

Mit Aktenvermerk vom 2. Mai 2001 unterrichtete der Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. darüber, dass in Bezug auf die Hausmeistertätigkeit ein "Einsatz-Schichtplan" eingeführt werden solle. Durch die Neubesetzung der beiden anderen Hausmeister-Stellen habe dahingehend eine arbeitsvertragliche Regelung getroffen werden können. Für den Antragsteller werde die Änderung der täglichen Arbeitszeit im Rahmen des Direktionsrechts angeordnet. Auf den entsprechenden Antrag des Beteiligten zu 1. vom 13. September 2001 stimmte der Beteiligte zu 2. in seiner Sitzung vom 20. September 2001 der Einführung des "Einsatz-Schichtplans" im Oberstufenzentrum zu, nachdem er den Antragsteller aufgefordert hatte, an der Beschlussfassung nicht mitzuwirken und der Antragsteller dieser Aufforderung unter Vorbehalt seiner Rechte nachgekommen war.

Am 14. November 2001 hat der Antragsteller das Beschlussverfahren eingeleitet und vorgetragen, eine kollektive mitbestimmungspflichtige Arbeitszeitregelung sei keine Angelegenheit im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG. Mitbestimmungspflichtige Arbeitszeitregelungen würden nicht um der Person der einzelnen Arbeitnehmer willen getroffen, sondern seien generelle Maßnahmen.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, dass eine Arbeitszeitregelung die persönlichen Interessen des nicht "unmittelbar berührt" im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG, wenn sie, obwohl allgemein gehalten, im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Beteiligten zu 2. auch auf den Antragsteller anwendbar ist.

Der Beteiligte zu 1. hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat vorgetragen, ein Feststellungsinteresse sei nicht mehr gegeben, weil der Antragsteller mit Wirkung vom 1. Januar 2002 von dem Oberstufenzentrum an die N...........schule-S..........schule versetzt worden sei. Es werde die Beurteilung einer abgeschlossenen Rechtsfrage verlangt. Das sei unzulässig. Ein Vorfall wie der bereits erledigte werde sich erfahrungsgemäß nicht wiederholen. Die Besonderheiten, die am Oberstufenzentrum vorgelegen hätten, seien an der N..........schule-S................schule nicht gegeben. Im Übrigen könnte der Antrag auch keinen Erfolg haben. Es reiche nach § 34 HPVG aus, dass die Interessen des Personalratsmitglieds "berührt" würden. Durch die Vorschrift solle ausgeschlossen werden, dass auch nur der Anschein bestehe, ein Mitglied könne private Sonderinteressen durchsetzen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 2. September 2002 dem Antrag stattgegeben und festgestellt, dass eine Arbeitszeitregelung die persönlichen Interessen des Antragstellers nicht unmittelbar berühre im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG, wenn sie, obwohl allgemein gehalten, im Zeitpunkt der Beschlussfassung auch auf den Antragsteller anwendbar sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben. Zwar sei inzwischen seitens des Beteiligten zu 2. der Einführung des Schichtdienstes zugestimmt und der Schichtdienst eingeführt worden, so dass sich der vom Antragsteller gerügte Ausschluss erledigt habe, zumal der Antragsteller von der Schichtdienstregelung nach seiner Versetzung an eine andere Schule nicht mehr betroffen sei. Für die nunmehr vom Antragsteller begehrte allgemein gehaltene Feststellung bestehe aber das Rechtsschutzbedürfnis, weil auch in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden sei, dass der Beteiligte zu 2. insoweit von seiner bisher vertretenen Rechtsauffassung nicht abgerückt und es durchaus zu befürchten sei, dass sich vergleichbare Konflikte erneut einstellten, wenn auch den Antragsteller betreffende Arbeitszeitregelungen dem Beteiligten zu 2. zur Mitbestimmung vorgelegt würden.

Der Antrag sei begründet, denn eine Arbeitszeitregelung, die nicht allein den Antragsteller, sondern weitere Beschäftigte der Dienststelle betreffe, berühre nicht unmittelbar (nur) die persönlichen Interessen des Antragstellers. Sinn der Vorschrift sei es, ein Personalratsmitglied von Beratung und Beschlussfassung etwa bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen das Personalratsmitglied, bei Personalangelegenheiten des Personalratsmitglieds oder bei Übernahme einer Nebentätigkeit durch das Personalratsmitglied auszuschließen. Betreffe die Angelegenheit jedoch eine Maßnahme nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG, die immer nur vorliege, wenn sie gleichzeitig für mehrere derzeitige und künftige Beschäftigte gelte, berühre eine solche Arbeitszeitregelung nicht "unmittelbar" im Sinne von § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG die persönlichen Interessen des Antragstellers. Denn bei anderer Auslegung wären etwa bei Arbeitszeitregelungen für sämtliche Beschäftigten einer Dienststelle alle Mitglieder des Personalrats von Beratung und Beschlussfassung mit der Folge ausgeschlossen, dass das Zustimmungserfordernis des § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG leer liefe. Etwas anderes könne nicht gelten, wenn eine Arbeitszeitregelung nur für einen bestimmten, möglicherweise kleinen Kreis von Beschäftigten getroffen werde und zum Kreis der Betroffenen ein bestimmtes Personalratsmitglied oder mehrere bestimmte Personalratsmitglieder gehörten.

Gegen den am 23. September 2002 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2. am 23. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt, die er am 21. November 2002 begründet hat.

Er trägt vor, sein Beschluss habe nur den Antragsteller betroffen, weil die beiden anderen Hausmeister-Stellen durch Einstellung von neuen Hausmeistern besetzt gewesen seien, mit denen in einzelvertraglichen Regelungen der Schichtdienst vereinbart worden sei. Nur dann, wenn der Antragsteller an der Hausmeistertätigkeit durch Urlaub oder Krankheit verhindert gewesen wäre, hätte der Beschluss auch andere Arbeitnehmer, nämlich seinen oder seine Stellvertreter, betroffen. Das Personalratsmitglied müsse sich auch enthalten, wenn es um die Wahrnehmung von Aufgaben gehe, die mit seinen persönlichen Interessen in enger Verbindung stünden. § 34 Abs. 3 HPVG sei Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des öffentlichen Dienstrechts. Die Personalvertretung habe als Organ die Interessen der von ihr repräsentierten Belegschaft zu artikulieren. Diese Funktion sei nicht mehr gesichert, wenn bei der Beschlussfassung die eigenen Interessen der Personalratsmitglieder so stark seien, dass diese gegenüber den Interessen der Belegschaft in den Vordergrund träten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, es treffe nicht zu, dass ein Mitglied in seinen persönlichen Interessen nur dann unmittelbar berührt sei, wenn es durch den Beschlussgegenstand selbst betroffen sei (Hess. VGH, PersR 1993, 275 ff.).

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 2. September 2002 abzuändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, die rechtlichen Erwägungen der Beschwerde seien nicht geeignet, die überzeugende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Es treffe auch nicht zu, dass er allein durch den Beschluss des Personalrats betroffen sei, weil mit den beiden anderen Hausmeistern arbeitsvertraglich bereits Schichtdienst geregelt worden sei. Eine einzelvertragliche Schichtregelung sei nur dann umsetzbar, wenn die kollektivrechtliche Voraussetzung bestehe, dass das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in Arbeitszeitfragen individualvertraglich nicht ausgehebelt werde. Insofern habe die zu beschließende Schichtplanregelung alle Hausmeister und nicht nur den Antragsteller betroffen.

Der Beteiligte zu 1. stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers zu Recht stattgegeben und festgestellt, dass eine Arbeitszeitregelung die persönlichen Interessen des Antragstellers nicht unmittelbar berühre im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG, wenn sie, obwohl allgemein gehalten, im Zeitpunkt der Beschlussfassung auch auf den Antragsteller anwendbar sei.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Insbesondere liegen das Feststellungsinteresse und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis vor. Zwar hat sich der dem vorliegenden gerichtlichen Beschlussverfahren zu Grunde liegende tatsächliche Vorgang - das ist der Ausschluss des Antragstellers von der Mitwirkung bei der Beschlussfassung über die Zustimmung zum Schichtdienst am Oberstufenzentrum in R................... - durch die vom Beteiligten zu 2. beschlossene Zustimmung erledigt. Es ist jedoch gerade im Zuge der allgemeinen Spar- und Umorganisationsmaßnahmen der hessischen Verwaltungsbehörden mit mehr als nur geringer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass in Bezug auf Schul-Hausmeister erneut eine Arbeitszeitregelung getroffen wird, die auf den Antragsteller anwendbar ist, so dass sich auch in einem derartigen Fall die Frage stellen wird, ob der Antragsteller nach § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG von der Mitwirkung bei der Beratung und Beschlussfassung des Beteiligten zu 2. ausgeschlossen ist.

Der Antrag ist auch begründet, denn eine eine Gruppe von Beschäftigten betreffende generelle Arbeitszeitregelung führt auch dann nicht gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG zum Ausschluss eines Personalratsmitglieds von den Sitzungen des Personalrats, wenn dieses Personalratsmitglied als Teil der Beschäftigtengruppe von der Arbeitszeitregelung betroffen ist.

Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG nimmt ein Mitglied des Personalrats an der Beratung und Beschlussfassung über Angelegenheiten, die die persönlichen Interessen dieses Mitglieds unmittelbar berühren, nicht teil. "Unmittelbar berührt" ist das Personalratsmitglied nach herrschender Auffassung dann, wenn es bei der Beratung und/oder Beschlussfassung um eine Maßnahme geht, die individualisiert und zielgerichtet auf die Person dieses Personalratsmitglieds bezogen ist. Mithin sind die persönlichen Interessen eines Mitglieds des Personalrats immer dann unmittelbar berührt, wenn es z.B. um personelle Einzelmaßnahmen geht, die das Personalratsmitglied direkt betreffen, etwa um eine Beförderung, eine Höhergruppierung oder eine Versetzung (vgl. Rothländer, in: von Roetteken/Rothländer, HBR, Hessisches Bedienstetenrecht, Stand: 30. Ergänzungslieferung, November 2003, Rdnr. 50 zu § 34, m.w.N.). Demgegenüber liegt eine Interessenkollision im Sinne der genannten Vorschrift nicht vor, wenn die zur Beratung und/oder Entscheidung anstehenden Fragen die gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Beschäftigtengruppe berühren, wie dies bei Gruppenangelegenheiten im Sinne des § 35 HPVG (vgl. Rothländer, a.a.O., Rdnr. 53 zu § 34 HPVG), aber auch bei Angelegenheiten anderer Berufs- oder Beschäftigtengruppen der Fall ist. Dies gilt ebenfalls, wenn es zwar um eine Gruppenangelegenheit geht, aber nur ein Mitglied des Personalrats zu der betroffenen Gruppe gehört. Auch dieses Mitglied wird durch die Gruppenangelegenheit nicht "unmittelbar" im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 HPVG in seinen persönlichen Interessen berührt.

Die sich aus dem Gesagten ergebenden Unterscheidungskriterien - auf der einen Seite die individualisierte personenbezogene Einzelmaßnahme, auf der anderen Seite die gruppenbezogene Kollektivmaßnahme - gelten nach wie vor ungeachtet des Beschlusses des 1. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 1992 (- 1 TG 1634/92 - PersR 1993, 275 f.), denn jener Beschluss betrifft eine andere Fallkonstellation. Dort ging es darum, ob ein Gremiumsmitglied von der Mitwirkung an einer Entscheidung über die Zustimmung zur Besetzung einer Stelle mit einem bestimmten Stellenbewerber ausgeschlossen ist, wenn dieser Stellenbewerber und das Gremiumsmitglied sich auch auf eine andere Beförderungsstelle beworben haben, mithin durch die seitens des Gremiums erteilte Zustimmung der Stellenbewerber in dem anderen Bewerbungsverfahren als Konkurrent für das Gremiumsmitglied ausscheidet. In dem vom 1. Senat entschiedenen Fall war entscheidungserheblich, ob das Gremiumsmitglied durch die Zustimmungsentscheidung des Gremiums "unmittelbar" oder nur "mittelbar" in seinen Interessen berührt wird. Diese Maßnahme war aber in jedem Fall eine Individual- und keine Kollektivmaßnahme und daher mit der Maßnahme, die den Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens bildet, nicht zu vergleichen.

Denn die hier zu beurteilende Maßnahme, über die der Beteiligte zu 2. zu entscheiden hatte, ist eine Kollektivmaßnahme und keine auf die Person des Antragstellers bezogene Einzelmaßnahme. Sie betrifft alle Schul-Hausmeister des Oberstufenzentrums, was schon daran deutlich wird, dass sie nicht nur für die derzeitigen Stelleninhaber, sondern auch für deren Nachfolger Geltung hat, solange sie aufrechterhalten bleibt. Insofern ist es unbeachtlich, dass mit zwei Hausmeistern entsprechende arbeitsvertragliche Regelungen getroffen wurden. Dementsprechend musste der Beteiligte zu 2. in seiner Sitzung vom 20. September 2001 auch zur Frage einer generellen Einführung des "Einsatz-Schichtplanes" im Oberstufenzentrum und nicht zu einer Anordnung Stellung nehmen, mit der allein gegenüber dem Antragsteller die Einführung des "Einsatz-Schicht-plans" angeordnet wurde.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 111 Abs. 3 HPVG i.V.m. § 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.f

Ende der Entscheidung

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