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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.08.2000
Aktenzeichen: 24 DH 764/96
Rechtsgebiete: HDO


Vorschriften:

HDO § 7 Abs. 2
§ 7 Abs. 2 HDO betrifft lediglich Ehrenbeamte sowie Anwärter, nicht aber Beamte, die Sonderurlaub unter Wegfall der Dienstbezüge haben.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

24 DH 764/96

Verkündet am: 18. August 2000

In dem Disziplinarverfahren

wegen unzureichender Wahrnehmung von Dienstaufgaben

hat der Disziplinarhof des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in der Hauptverhandlung vom 18. August 2000 durch

Präsident des Hess. VGH Dr. Heitsch als Vorsitzenden, Richter am Hess. VGH Kohlstädt } als richterliche Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann } Beisitzer, Amtfrau Christa Wiese } als weitere Hauptlehrer Karl-Heinz Schäfer } Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Gießen vom 29. November 1995 - 2 DK 986/94 - wird zurückgewiesen.

Der Beamte hat auch die Kosten des gerichtsgebührenfreien Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der am in geborene Beamte steht als Amtmann im Dienste des Landes Hessen. Seine Dienststelle ist das Regierungspräsidium . Er erlangte im Jahr 1962 den Hauptschulabschluss und erlernte anschließend den Beruf des Gärtners. Nach einer entsprechenden weiteren Lehre war er von 1966 bis 1972 als Verlagskaufmann in tätig.

Seit 01.10.1972 war er Verwaltungsangestellter beim damaligen Landkreis , seit 01.11.1972 in der Vergütungsgruppe BAT VII. In der Zeit von 1974 bis 1976 absolvierte er den Verwaltungslehrgang I, schloss diese Ausbildung mit der Note befriedigend ab und erlangte die Befähigung für den mittleren Dienst. Nachdem er zunächst seit 01.10.1976 in der Vergütungsgruppe BAT VI tätig war, wurde er zum 01.01.1978 zum Beamten auf Lebenszeit (Assistent) ernannt, absolvierte sodann von 1978 bis 1980 den Verwaltungslehrgang II mit der Note befriedigend und erlangte so die Befähigung für den gehobenen Dienst (Diplom-Verwaltungswirt). Mit Wirkung zum 01.06.1980 wurde er zum Inspektor ernannt und zum Regierungspräsidium versetzt. Ab 01.10.1980 wurde er der Außenstelle zugewiesen und auf seinen Wunsch zum 01.01.1981 zum neu gegründeten Regierungspräsidium versetzt, wo er zunächst im Dezernat 2 - Beihilfe eingesetzt war. Am 01.10.1982 wurde er zum Oberinspektor ernannt, am 01.10.1984 zum Amtmann. Er wurde mit Wirkung zum 18.08.1986 in das Dezernat 38 umgesetzt, mit Wirkung zum 22.09.1986 in das Dezernat 37, mit Wirkung zum 18.09.1987 in das Dezernat 4 - Haushalt. Zum 24.07.1990 wurde er in das Dezernat 2 - Besoldung - und zum 28.10.1991 in das Dezernat 21 umgesetzt.

Der Beamte wurde vom 01.09.1992 bis zum 01.01.1997 ohne Bezüge beurlaubt und beschäftigte sich mit der Verwaltung seiner Immobilien. Aus der Vermietung erzielte er ein Netto-Einkommen von ca. 2.000,-- DM monatlich. Vom 01.01.1997 bis zum 04.11.1999 hatte der Beamte Erziehungsurlaub. Im Anschluss daran wurde der Beamte bis zum 04.11.2002 gemäß § 85 a Abs. 4 Nr. 2 lit. a HBG beurlaubt. Der Beamte ist in zweiter Ehe verheiratet. Er hat aus erster und aus zweiter Ehe je ein Kind.

Mit vom Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums persönlich mit vollem Namenszug unterzeichneter Verfügung vom 11.11.1992 wurde gegen den Beamten, der bis dahin weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten war, das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet, eine Untersuchung angeordnet sowie ein Untersuchungsführer und der Vertreter der Einleitungsbehörde bestellt.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde legte der Disziplinarkammer am 17.06.1994 die Anschuldigungsschrift vom 21.03.1994 vor. Darin wird der Beamte angeschuldigt, ein Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er in der Zeit vom 03.06.1991 bis zum 27.10.1991 als Anordnungsbefugter und Sachbearbeiter im Dezernat 2 - Besoldung die ihm übertragenen Sachbearbeiterfunktionen nicht oder nur völlig unzureichend wahrgenommen hat und damit schuldhaft seine Pflicht verletzt hat, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und schuldhaft der dienstlichen Anordnung seines Vorgesetzten nicht nachgekommen ist.

In der Hauptverhandlung hat der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt, den Beamten in das Amt eines Oberinspektors zurückzuversetzen.

Der Beamte hat Freispruch beantragt.

Durch Urteil vom 29.11.1995, zugestellt am 02.01.1996 hat die Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Gießen gegen den Beamten wegen eines Dienstvergehens eine Geldbuße von 3.000,-- DM verhängt.

Die Disziplinarkammer führte aus, der Beamte sei aufgrund der Verfügung des Regierungsvizepräsidenten vom 26.04.1991 verpflichtet gewesen, ab 01.05.1991, faktisch ab seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 03.06.1991 mit der Hälfte seiner Arbeitszeit Sachbearbeitung im Bereich Besoldung, und zwar für das Buchstabengebiet Wec bis Z zu erledigen. Dieser Verpflichtung sei er jedoch bis auf die Bearbeitung einiger weniger Vorgänge und damit ganz überwiegend nicht nachgekommen, obwohl er im Hinblick auf die durch den Zeugen erfahrene Einarbeitung in der Zeit vom 28.07. bis 15.10.1990 und von seiner Vorbildung her zumindest leichte und mittelschwere Vorgänge hätte bearbeiten können. Bei den ca. 500 Rückständen habe es sich etwa zur Hälfte um leichte (10 %) bis mittelschwere (40 %) Fälle gehandelt. Diese Vorgänge hätte der Beamte aufgrund der ihm durch den Zeugen erteilten Einarbeitung und seiner langjährigen Erfahrung im Bereich des Regierungspräsidiums und hier teilweise im Besoldungswesen (9 Monate) wie auch aufgrund seiner Intelligenz, die ihm in den dienstlichen Beurteilungen bescheinigt werde, bearbeiten können und müssen. Dass der Zeuge in seiner Vernehmung ausgeführt habe, dass der Beamte mit etwas gutem Willen die einfachen Fälle hätte bearbeiten können, beruhe auf einer erheblichen Unterschätzung der Anforderungen, die an einen Amtmann mit langjähriger Berufserfahrung zu stellen seien. Bei bestehenden Zweifelsfragen habe der Beamte andere Mitarbeiter und Vorgesetzte um Rat fragen können und müssen, was er jedoch unterlassen habe, weil er es von vornherein abgelehnt habe, neben der Anordnungsbefugnis im verlangten Umfang auch Sachbearbeitung vorzunehmen. Gerade in der Feststellung des Beamten, der zu seiner Rechtfertigung selbst immer wieder vorgetragen habe, er sei zur Sachbearbeitung weder in der Lage noch verpflichtet gewesen, und in der Umsetzung dieser Feststellung liege die dem Beamten zur Last zu legende Dienstpflichtverletzung. Darüber hinaus sei es schon eine verfehlte Einstellung des Beamten, wenn er meine, für die angestrebte Tätigkeit als Anordnungsbefugter bedürfe es keiner Kenntnis in der Sachbearbeitung, da nicht nachvollziehbar sei, wie ein Beamter, der von den Dingen, die er überprüfen solle, nichts verstehe, zu dieser Prüfung befähigt sein solle. Diese Einstellung des Beamten gebe seiner Dienstpflichtverletzung ein besonderes Gewicht, weil er möglichst schnell die dann auch aufgrund seines Insistierens alsbald erhaltene Anordnungsbefugnis erstrebt habe, ohne sich die noch fehlenden Grundkenntnisse für die Tätigkeit aneignen zu wollen und die Möglichkeit ihrer weiteren Einarbeitung, die gerade auch in der Anordnung vom 26.04.1991 zu sehen sei, dann noch weitgehend ausgeschlagen habe.

Bei Dienstvergehen der hier gegebenen Art sei es wichtig, dass der Beamte durch die Disziplinarmaßnahme umgehend zu einer ordnungsgemäßen Dienstausübung angehalten werde. Daher würden bei Dienstvergehen der vorliegenden Art in der Regel ohnehin zunächst Verweis und Geldbuße in Betracht zu ziehen sein, die schnell und damit besonders wirkungsvoll verhängt werden könnten. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass das Disziplinarverfahren im Bereich des Dienstherrn nicht mit der notwendigen Beschleunigung betrieben worden sei. Während das Dienstvergehen 1991 begangen worden sei, sei die Anschuldigungsschrift der Disziplinarkammer erst Mitte 1994 vorgelegt worden, ohne dass Gründe ersichtlich seien, die eine solche Vorgehensweise rechtfertigten. Nicht zuletzt auch die Tatsache, dass zwischen der Dienstpflichtverletzung und der Entscheidung der Disziplinarkammer in einem relativ einfach gelagerten Fall mehr als 4 Jahre vergangen seien, habe es verboten, eine förmliche Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Diese Feststellung werde auf den Umstand gestützt, dass der Dienstherr dem Beamten keinerlei rechtzeitige und klare Hinweise auf seine objektiv und subjektiv unzureichenden Leistungen gegeben habe und auch nicht mit Führungsmaßnahmen gegengesteuert habe, wie etwa der Verpflichtung des Beamten, durch schriftliche Aufzeichnungen zu belegen, wieviel Zeit er mit welchen einzelnen Vorgängen zugebracht habe. Im Hinblick darauf, dass der Beamte derzeit keine Dienstbezüge erhalte und im Hinblick auf sein sonstiges von ihm angegebenes Einkommen halte die Disziplinarkammer den Betrag von 3.000,-- DM für angemessen, aber auch für notwendig, um ihm vor Augen zu führen, dass es seine Pflicht als Beamter ist, sich voll seinem Beruf hinzugeben.

Mit Schriftsatz vom 29.01.1996, eingegangen am 31.01.1996 hat der Beamte gegen das Urteil der Disziplinarkammer Berufung eingelegt und diese mit am 04.03.1996 (Montag) eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Beamte macht im Wesentlichen geltend, die Disziplinarkammer habe wesentliche Tatsachen bzw. Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. Es stehe nicht fest, aus welchem Zeitraum die am 05.09.1991 vorgefundenen unerledigten Vorgänge stammten und es sei unklar, ab wann die Rückstände aufgelaufen seien. Außerdem habe die Disziplinarkammer nicht beachtet, dass er, der Beamte, bereits im Geschäftsverteilungsplan vom Stand 01.08.1991 nur noch als Anordnungsbefugter und nicht mehr als Sachbearbeiter aufgeführt worden sei. Die Kammer benenne keine nachvollziehbaren Kriterien für die Einteilung der Rückstände in drei Schwierigkeitsgrade und deren Abgrenzung zueinander. Es könne nicht genügen, dass die Kammer sich allein darauf berufe, dass die Zeugen als Kenner der Materie in der Lage gewesen seien, den Schwierigkeitsgrad der Verfahren einzustufen. Entsprechendes gelte hinsichtlich des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Einarbeitungszeit und Einordnung in die Schwierigkeitsgrade. Die tragende Begründung für den Vorwurf, er, der Beamte, habe wenigstens leichte und mittlere Fälle bearbeiten können, beruhe somit auf unzureichenden Tatsachenfeststellungen. Die Kammer würdige auch nicht, dass außer dem Zeugen auch der Zeuge ihn, den Beamten, lediglich in der Lage gesehen habe, ausschließlich leichte Fälle zu bearbeiten. Auch habe sich die Kammer nicht hinreichend mit den Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen auseinandergesetzt. So habe der Zeuge gegenüber dem ersten Vorermittlungsführer ausgesagt, Aufzeichnungen seien zum Teil vorhanden und gegenüber dem zweiten Vorermittlungsführer, Aufzeichnungen seien bis zum 04.09.1991 vorhanden. Den Aussagen des Zeugen bei der Vernehmung vom 22.02.1993 vor dem Untersuchungsführer sowie den hierbei überreichten handschriftlichen Unterlagen sei jedoch zu entnehmen, dass die Aufzeichnungen auch den Zeitraum vom 05.09. bis zum 28.10.1991 betroffen hätten. Diese Widersprüche hätten den Verteidiger des Beamten zu der Vermutung veranlasst, die über den 04.09.1991 hinausgehenden Aufzeichnungen seien nachträglich gefertigt worden und unvollständig. Hierauf habe der Zeuge in der Vernehmung vor dem Untersuchungsführer entgegnet, er habe nach dem 04.09.1991 keinen Auftrag zu weiteren Aufzeichnungen gehabt. Die Aussage, Aufzeichnungen seien zum Teil vorhanden, habe er unter dem Eindruck gemacht, dass der Vorermittlungsführer seine Aufzeichnungen habe beschlagnahmen wollen und mit der Polizei gedroht habe. Dies alles erscheine sehr merkwürdig. Das Verhalten des Zeugen könne nur bedeuten, dass dieser seine Aufzeichnungen zumindest teilweise - möglicherweise ab dem 05.09.1991 - für unkorrekt gehalten habe und daher deren Herausgabe habe vermeiden wollen. Überdies habe der Zeuge vor dem zweiten Ermittlungsführer klar und deutlich ausgesagt, nach dem 04.09.1991 keine Aufzeichnungen mehr gefertigt zu haben. Es komme hinzu, dass in den Aufzeichnungen des Zeugen zum 08.10.1991 die Bemerkung wiedergegeben sei: "Gespräch mit RP". An diesem Tag habe aber nicht der Beamte, sondern der Zeuge ein Gespräch mit dem Regierungspräsidenten gehabt. Dies lege die Vermutung nahe, dass entgegen der Auffassung der Kammer die in den Aufzeichnungen des Zeugen wiedergegebenen Fehlzeiten ("Urlaub", "krank") eigene Fehlanzeigen des Zeugen meinten und dessen Angaben daher auch aus diesem Grund unbrauchbar seien.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass eine ordnungsgemäße Einarbeitung nicht stattgefunden habe. Unter Berücksichtigung der Urlaubszeiten habe die Einarbeitung nur 9 Wochen gedauert, was nach Einschätzung der übrigen Sachbearbeiter bei weitem nicht ausreichend gewesen sei. Hinsichtlich der Umstände, die zum Abbruch der Einarbeitung durch den Zeugen geführt hätten, fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Merkwürdig erscheine beispielsweise, dass sich der Zeuge nicht mehr daran erinnern könne, wie er, der Beamte, reagiert habe, als der Zeuge die Einarbeitung niedergelegt habe. Die Kammer unterstelle daher vorschnell, dass er, der Beamte, kein Interesse gehabt habe. Dass die unvollkommene Einarbeitung es ihm ermöglicht haben solle, Vorgänge leichten und mittleren Schwierigkeitsgrades zu bearbeiten, werde nicht näher dargelegt. Soweit die Kammer die Auffassung vertrete, die Tätigkeit als Anordnungsbefugter setze genaue Kenntnisse in der Sachbearbeitung voraus, berücksichtige sie nicht, dass ihm, dem Beamten, in Kenntnis der unzureichenden Einarbeitung in die Sachbearbeitertätigkeit dennoch die Anordnungsbefugnis im Dezember 1990 erteilt worden sei. Dies könne nur bedeuten, dass seitens der Vorgesetzten durchaus zwischen Anordnungsbefugnis und Sachbearbeitertätigkeit wesentliche Unterschiede gesehen worden seien. Die von der Kammer vertretene Auffassung, die Übertragung der Anordnungsbefugnis falle aufgrund Insistieren in den Verantwortungsbereich des Beamten, übersehe, dass letztlich der Dienstherr für die Übertragung einer Aufgabe verantwortlich sei. Werde von Seiten des Vorgesetzten bezweifelt, dass ein Beamter für eine neue Aufgabenstellung geeignet sei, so dürfe ihm die Aufgabe nicht allein deswegen übertragen werden, weil er sich selbst dafür geeignet halte. Aufgrund der ihm gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht müsse sich der Beamte darauf verlassen können, dass ihm keine Aufgabe übertragen werde, an deren Erfüllung er aus Sicht seiner Vorgesetzten scheitern müsse. Weiterhin habe die Kammer nicht berücksichtigt, dass der Beamte selbst mehrfach darauf aufmerksam gemacht habe, er sei nicht ausreichend eingearbeitet worden. Dennoch seien seitens der Behördenleitung keine Gegenmaßnahmen ergriffen worden. Es seien auch keinerlei Maßnahmen erörtert, geschweige denn durchgesetzt worden, um die fehlende Einarbeitung nachzuholen. Dies lege die Vermutung nahe, dass die Behördenleitung die Situation nicht als so dramatisch empfunden habe, wie dies im Nachhinein dargestellt werde. Das Unterlassen jeglicher Gegensteuerung müsse sich in ganz erheblicher Weise auf den Schuldvorwurf auswirken. Das Mitverschulden des Dienstherrn bzw. der hierdurch bei dem Beamten hervorgerufene Eindruck hätten von der Kammer stärker berücksichtigt werden müssen. Er, der Beamte, habe annehmen müssen und dürfen, dass die fehlende Reaktion seiner Vorgesetzten von der Behördenleitung abgesegnet worden sei.

Zutreffend habe die Kammer festgestellt, dass das Disziplinarverfahren im Bereich des Dienstherrn nicht mit der notwendigen Beschleunigung betrieben worden sei. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen müsse dies im vorliegenden Fall zum Verbrauch des Disziplinaranspruchs führen. Danach stehe fest, dass ihm, dem Beamten ein Dienstvergehen nicht nachgewiesen werden könne. Hilfsweise vertrete er die Auffassung, dass angesichts der von ihm dargelegten Tatsachen und Gesichtspunkte allenfalls ein Verweis gegen ihn hätte verhängt werden dürfen.

Der Beamte beantragt,

das Urteil der Disziplinarkammer vom 29.11.1995 abzuändern und gegen den Beamten eine mildere Maßnahme auszusprechen.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, es komme nicht darauf an, aus welcher Zeit die Vorgänge stammten, mit denen der Beamte betraut worden sei. Er sei nach seinem faktischen Dienstantritt am 03.06.1991 verpflichtet gewesen, auch die aufgelaufenen Eingänge zu bearbeiten. Der Beamte selbst habe gar nicht bestritten, die Aufgaben nicht erledigt zu haben. Anlässlich ihrer Befragung im Vorermittlungsverfahren hätten die Zeugen übereinstimmend und nachvollziehbar ausgesagt, dass es sich mindestens bei der Hälfte der Vorgänge um allenfalls mittelschwere Fälle gehandelt habe. Diese hätte der Beamte zumindest bearbeiten können und müssen, schon allein aufgrund seiner Erfahrung und Routine sowie infolge seiner Tätigkeit im Dezernat 2 - Beihilfe. Bei dem Beamten handele es sich um einen erfahrenen Mitarbeiter, dem in seinen Beurteilungen bislang hohe Intelligenz und gute Arbeitsergebnisse bescheinigt worden seien. Er sei zum Zeitpunkt des Dienstvergehens nahezu seit 20 Jahren im Verwaltungsdienst beschäftigt worden und habe dabei eine durchaus beachtliche Karriere aufzuweisen, in der er es vom Verwaltungsangestellten zum Amtmann gebracht habe. Aufgrund seiner Ausbildung und der im Lauf der Zeit erworbenen praktischen Fertigkeiten habe von dem Beamten erwartet werden können, einerseits der Einarbeitung durch den Zeugen flexibler zu folgen als auch durch Eigeninitiative einen Beitrag zur Bewältigung des neuen Sachgebiets zu leisten. Zu beachten sei zudem, dass der Beamte selbst seine Ernennung zum Anordnungsbefugten betrieben habe. Von diesem werde erwartet, dass er selbst schwierigste Aufgaben seines Sachgebietes bearbeiten könne und seine Mitarbeiter entsprechend anleite. Vorliegend habe der Beamte aber jegliche Hilfe seiner Kolleginnen und Kollegen abgelehnt und sei diesen seinerseits keine Hilfe gewesen. Soweit der Beamte die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen in Zweifel ziehe, sei von entscheidender Bedeutung, dass die Zahl der vom Beamten erledigten Anträge hiervon unberührt sei und unstreitig feststehe.

Auch mit der Frage der Einarbeitung habe sich die Disziplinarkammer in hinreichendem Maß auseinandergesetzt. Der Dienstherr habe seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten dahingehend ausgeübt, dass er den Wünschen des Beamten soweit wie möglich entgegengekommen sei. Was den Vorwurf der fehlenden Gegensteuerung durch ein frühzeitigeres Eingreifen von Führungsmaßnahmen betreffe, so habe die Kammer diesen Umstand bei ihrer Erwägung zur Schwere der Schuld des Beamten bei der Begehung des Dienstvergehens berücksichtigt und in der Bemessung des Strafmaßes angemessen einfließen lassen. Eine noch stärkere Berücksichtigung des "Mitverschuldens" des Dienstherrn wäre unangemessen gewesen. Der Dienstherr habe sich gezwungen gesehen, aufgrund von Unstimmigkeiten, die immer wieder aufgetreten seien, wenn der Beamte einen neuen Dienstposten bekleidet habe, diesen erneut umzusetzen, um den Beamten Gelegenheit zu geben, auf einem anderen Arbeitsplatz seine Arbeitsvorstellungen besser verwirklichen zu können, aber auch, um das Betriebsklima im jeweiligen Dezernat wieder herzustellen. Die mit den Umsetzungen auch für den Beamten verbundenen Unannehmlichkeiten hätten es eigentlich erwarten lassen, dass der Beamte bereits hierdurch zu einem kooperativeren Verhalten veranlasst worden wäre. Es möge sein, dass im vorliegenden Fall zunächst die Verhängung einer Geldbuße oder eines Verweises in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Der Beamte habe aber durch sein Gesamtverhalten hinreichenden Anlass geboten, ein förmliches Disziplinarverfahren gegen ihn durchzuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und folgende Beiakten, die zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind:

a) die Personalakten des Beamten in Kopie (2 Hefter); b) die Vorermittlungsakten (2 Hefte); c) 1 Hefter das Untersuchungsverfahren betreffend mit sämtlichen Niederschriften über die Zeugenvernehmungen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beamten bleibt ohne Erfolg.

Sie ist allerdings zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 72 Abs. 1 Satz 1, 73, 74 Abs. 1 und 2 HDO). Hierbei legt der Disziplinarhof zugunsten des Beamten hinsichtlich der Anforderungen an die Begründung nach § 74 Abs. 2 HDO keinen besonders strengen Maßstab an.

Die Berufung ist aber nicht begründet, weil die Disziplinarkammer gegen den Beamten zu Recht eine Geldbuße in Höhe von 3.000,-- DM verhängt hat.

Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt, da der Beamte geltend macht, die Disziplinarkammer habe Tatsachen, die für die Beurteilung des fraglichen Geschehens wesentlich seien, nicht beachtet. Eine Würdigung dieser Tatsachen ergebe, dass er, der Beamte, kein Dienstvergehen begangen habe. Der Disziplinarhof hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen, soweit keine gesetzliche Bindung an anderweitige Feststellungen besteht und soweit nicht aus anderen Gründen von eigenen Feststellungen abgesehen werden kann. Die unbeschränkte Berufungseinlegung verpflichtet den Disziplinarhof ferner dazu, von Gerichts wegen zu prüfen, ob und inwieweit schwere Verfahrensmängel vorliegen (BVerwG, Urteil vom 04.09.1991 - 1 D 35.90 - BVerwGE 93, 151).

Gründe, die eine Einstellung des Verfahrens nach § 80 Abs. 1 i.V.m. §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 57 Abs. 1 Satz 1 HDO rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Vor allem ist das förmliche Disziplinarverfahren rechtswirksam eingeleitet worden und auch sonst zulässig (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HDO). Die Einleitungsverfügung ist vom Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums persönlich mit vollem Namenszug unterzeichnet worden. Das förmliche Disziplinarverfahren leidet auch nicht an einem sonstigen wesentlichen Mangel im Sinne der §§ 58 a Abs. 4, 80 Abs. 1 Satz 1 HDO, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Disziplinarkammer nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 HDO führen könnte.

Das förmliche Disziplinarverfahren ist auch nicht wegen seiner langen Dauer unzulässig geworden (vgl. Disziplinarhof des Hess. VGH, Ue. v. 23.05.1997 - DH 1472/95 -, v. 24.04.1998 - 24 DH 3311/95 -, v. 02.10.1998 - 24 DH 1821/95 - und v. 06.11.1998 - 24 DH 1855/96 -). Aus dem in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK enthaltenen Beschleunigungsgebot, das im Strafverfahren von der Milderung der Strafbemessung bis hin zum Absehen von Strafe führen kann (vgl. Köhler/Ratz, Bundesdisziplinarordnung 2. Aufl. 1994, A. V, Rdnr. 128), lässt sich eine Unzulässigkeit des Disziplinarverfahrens schon deshalb nicht herleiten, weil die betreffende Vorschrift im Disziplinarverfahren nicht anwendbar ist (BVerwG, U. v. 19.09.1989 - 1 D 69.88 - DVBl. 1990, 259). Auch die Verletzung der sich aus § 61 HDO ergebenden Verpflichtung, Disziplinarverfahren mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen (vgl. BVerfG, B. v. 04.10.1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46,17, und Claussen/Janzen, a.a.O. vor § 15 Rdnr. 13 c) kann nicht zur Folge haben, dass ein Verfahren wegen zu langer Dauer gänzlich unzulässig wird und einzustellen ist; ein solcher Verstoß rechtfertigt entgegen der Auffassung des Beamten grundsätzlich nicht einmal die Anwendung einer der Art nach geringeren als der gebotenen Maßnahme (BVerwG, Ue. v. 23.02.1979 - 1 D 24.78 - BVerwGE 63, 195, U. v. 18.04.1979 - 1D 60.78 - BVerwGE 63, 222; Claussen/Janzen, a.a.O., Einl. D, Rdnr. 26), sondern kann allenfalls zu einer Milderung der zeitlichen oder betragsmäßigen Bemessung im Bereich mittlerer Disziplinarmaßnahmen führen (BVerwG, Ue. v. 09.05.1973 - I D 8.73 - BVerwGE 46, 122, U. v. 19.09.1989 - 1 D 69.88 - a.a.O.).

Bei den angesichts der unbeschränkten Berufungseinlegung zu treffenden eigenen Feststellungen darf der Disziplinarhof gemäß § 67 Abs. 1 HDO nur das als Dienstvergehen angeschuldigte Verhalten des Beamten berücksichtigen. Die Anschuldigung geht hier, wie der Anschuldigungsschrift mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dahin, dass der Beamte in der Zeit vom 03.06.1991 bis zum 27.10.1991 als Anordnungsbefugter und Sachbearbeiter im Dezernat 2 - Besoldung die ihm übertragenen Sachbearbeiterfunktionen nicht oder nur völlig unzureichend wahrgenommen hat. Der Disziplinarhof kann hierbei von den Feststellungen der Disziplinarkammer ausgehen, soweit diese von den Beteiligten nicht bestritten worden sind und soweit gegen sie auch sonst keine Bedenken bestehen (BVerwG, U. v. 14.02.1995 - 1 D 77/93 - U. v. 15.03.1995 - 1 D 37.93 - NVwZ 1996, 1220).

Danach steht fest, dass der Beamte aufgrund der Verfügung des Regierungsvizepräsidenten vom 26.04.1991 verpflichtet war, nach Rückkehr aus dem Urlaub, also vom 03.06.1991 an, die Hälfte seiner Arbeitskraft der Sachbearbeitung im Bereich Besoldung für das Buchstabengebiet Wec bis Z zu widmen. Diese Verpflichtung bestand bis zur erneuten Umsetzung des Beamten in das Dezernat 21, also bis zum 27.10.1991. Die Zuweisung von Sachbearbeitertätigkeit für die Anordnungsbefugten ist erst mit Verfügung vom 27.01.1992 wieder aufgehoben worden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom Beamten vorgelegten Kopien einer Übersicht zum Geschäftsverteilungsplan beim Regierungspräsidium Stand: 01.08.1991, in der der Beamte lediglich als Anordnungsbefugter, nicht aber als Sachbearbeiter aufgeführt ist. Für das Buchstabengebiet Stu bis Z, in dem das dem Beamten anvertraute Buchstabengebiet Wec bis Z enthalten ist, ist in dem Übersichtsplan nämlich kein namentlich genannter Sachbearbeiter gesondert aufgeführt. Auch der Beamte ist nach dem 01.08.1991 selbst davon ausgegangen, nach wie vor für die Sachbearbeitung in seinem Buchstabengebiet zuständig zu sein, da er diesen Bereich, wenn auch nur in geringem Umfang bearbeitete und da er bei der Untersuchung am 04.09.1991 ca. 500 Vorgänge aus diesem Arbeitsfeld in seinem Zimmer hatte. Aufgrund der sehr detaillierten und konkreten Zeugenaussagen steht zur Überzeugung des Disziplinarhofs fest, dass mindestens die Hälfte der dem Beamten vorliegenden Vorgänge einen leichten oder mittleren Schwierigkeitsgrad aufgewiesen haben.

So hat die Inspektorin z.A. am 15.02.1993 dargelegt, dass für Kindergeldverlängerungen eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 5 Minuten und eine Einarbeitungszeit von 1 Woche ausreiche. Für Beurlaubungen und Teilzeitermäßigungen hielt sie 5 bis 10 Minuten Bearbeitungszeit bei einer Woche Einarbeitung für angemessen. Bei Anschriften-, Konto- oder Planstellenänderungen veranschlagte sie 5 Minuten Bearbeitungszeit und 1 Tag Einarbeitung, für Vergleichsmitteilungen 15 Minuten Arbeitszeit und 1 bis 3 Monate Einarbeitung. Für Beförderungen und Zulagengewährung hielt sie 15 bis 60 Minuten Arbeitszeit und eine Einarbeitung von 1 Woche bis 3 Monaten für erforderlich.

Der Verwaltungsangestellte führte aus, leichte Fälle machten 10 bis 20 % der anfallenden Vorgänge aus. Hierunter verstand er Anschriften-, Konto- und Planstellenänderungen, für die eine Arbeitszeit von jeweils 10 bis 15 Minuten und zur Einarbeitung eine kurze Einweisung erforderlich sei. Nach seiner Einschätzung machen mittelschwere Fälle ungefähr 50 % aus. Hierunter verstand er insbesondere Beurlaubungen und Teilzeitermäßigungen, Vergleichsmitteilungen sowie Beförderungen und Zulagengewährung. Hierfür veranschlagte er jeweils eine Bearbeitungszeit von 15 bis 30 Minuten und eine Einarbeitung von 3 bis 6 Monaten.

Der Amtmann führte aus, 10 % der Fälle seien leicht, 40 % mittelschwer und 50 % schwer. Als leicht bezeichnete der Zeuge Beurlaubungen, Anschriften-, Konto- und Planstellenänderungen sowie Kindergeldverlängerungen. Als Bearbeitungszeit brachte er 10 bis 30 Minuten und eine Einarbeitungszeit von 1 bis 3 Monaten in Ansatz. Zu den mittelschweren Fällen zählte der Zeuge Kindergeldverlängerungen (teils auch als leicht), Teilzeitermäßigungen, Beförderungen und Zulagengewährungen. Als Bearbeitungszeit nannte der Zeuge 30 bis 45 Minuten und Einarbeitungszeiten von bis zu 3 Monaten.

Der Verwaltungsangestellte schätzte die Verteilung zwischen leichten, mittelschweren und schwierigeren Vorgängen ebenso wie der Zeuge ein. Als einfach bezeichnete der Zeuge Kindergeldveränderungen sowie Anschriften-, Konto- und Planstellenänderungen. Den Bearbeitungsaufwand schätzte er mit 10 bis 20 Minuten. Beförderungen und Zulagengewährungen stufte der Zeuge als mittelschwer, Vergleichsmitteilungen als mittelschwer bis schwierig ein. Als Bearbeitungszeit hielt er jeweils ca. 20 Minuten und als Einarbeitung die zwei- bis dreimalige Erklärung für ausreichend.

Die Oberinspektorin hielt lediglich Anschriften-, Konto- und Planstellenänderungen für durchweg einfach. Sie veranschlagte hierfür eine Bearbeitungszeit von 5 bis 10 Minuten und eine Einarbeitungszeit von bis zu 1 Woche. Kindergeldverlängerungen stufte sie als einfach bis mittelschwer ein, bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von einer halben Stunde und einer Einarbeitungszeit von 2 Wochen bis 1 Monat. Vergleichsmitteilungen veranschlagte sie als mittelschwer bei einer Bearbeitungszeit von 15 bis 30 Minuten und einer Einarbeitungszeit von 3 Monaten. Kindergeldverlängerungen hielt die Zeugin für mittelschwer bis schwierig bei 1 Stunde Bearbeitungszeit und einer Einarbeitungszeit von 3 bis 6 Monaten. Auch Beförderungen und Zulagengewährungen stufte die Zeugin als mittelschwer bis schwer ein, hielt allerdings lediglich eine Bearbeitungszeit von 15 Minuten und eine Einarbeitungszeit von 1 bis 2 Monaten für erforderlich.

Diese Zeugenaussagen sind in sich stimmig und zeichnen ein relativ einheitliches Bild; sie machen deutlich, dass bei einer durch individuelle Leistungs-, Arbeitsgeschwindigkeits- und Qualifikationsunterschiede bedingten Abstufung, insgesamt ein großer Anteil der dem Beamten aufgegebenen Sachbearbeitertätigkeit gemessen an seinem Amt und unter Berücksichtigung der jeweils erforderlichen Einarbeitungs- und Bearbeitungszeiten mit Recht als einfach oder mittelschwer gelagert angesehen werden kann. Dabei ist insbesondere festzuhalten, dass die von allen Zeugen übereinstimmend als einfach bezeichneten Fälle für einen Amtmann als geradezu banal angesehen werden müssen, zumal sie nach wenigen Tagen Einarbeitung in wenigen Minuten zu erledigen sind. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, etwa die Hälfte der vom Beamten zu bearbeitenden Vorgänge habe einen einfachen oder mittleren Schwierigkeitsgrad aufgewiesen, deckt sich insbesondere mit den konkret und detailliert begründeten Einschätzungen der Zeugen und . Nach Meinung des Zeugen liegt er Anteil sogar bei bis zu 70 %. Soweit die Zeugin , die keine allgemeine Einschätzung der Schwierigkeitsgrade der Gesamtheit der Vorgänge abgegeben hat, abweichend von allen anderen Zeugen Beförderungen und Zulagengewährungen als mittelschwere bis schwere Fälle bezeichnet hat, passt diese hochgegriffene Einschätzung nicht zu der von ihr für erforderlich gehaltenen Einarbeitungszeit von lediglich 1 bis 2 Monaten und einem Arbeitsaufwand von jeweils 15 Minuten. Danach steht fest, dass die Einschätzung, die Hälfte der dem Beamten zugewiesenen Vorgänge habe einen einfachen oder mittleren Schwierigkeitsgrad gehabt, für den Beamten eher günstig, insgesamt aber nachvollziehbar und plausibel ist. Demgegenüber sind die vom Beamten im Berufungsverfahren angemeldeten Bedenken völlig pauschal und unsubstantiiert.

Der Disziplinarhof brauchte nicht der Frage nachzugehen, aus welcher Zeit die am 05.09.1991 beim Beamten aufgefundenen Vorgänge stammten, denn dem Beamten wird nicht ein Arbeitsrückstand oder die Zahl der unerledigten Fälle vorgeworfen, sondern die Tatsache, dass er, obwohl genügend zu bearbeitende Fälle zur Verfügung standen und dringend bearbeitet werden mussten, nur wenige Vorgänge erledigt hat. Die Gesamtzahl der vom Beamten erledigten Fälle ist allerdings nicht konkret ermittelt worden. Der Zeuge hat lediglich die Fälle notiert, in denen der Beamte ihm Kassenanweisungen als dem insoweit Anordnungsbefugten vorgelegt hat. Danach hat der Beamte in der Zeit vom 03.06. bis 05.09.1991 16 Vorgänge zur Unterzeichnung vorgelegt. Geht man zugunsten des Beamten davon aus, dass lediglich 80 % der Vorgänge zu Kassenanweisungen führen, so hat er in dem genannten Zeitraum von 59 Arbeitstagen nur 20 Fälle bearbeitet. Geht man weiter zugunsten des Beamten davon aus, dass es sich bei diesen 20 Vorgängen jeweils um mittelschwere Fälle mit einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 45 Minuten gehandelt hat, so waren diese insgesamt in 15 Stunden, also ca. 2 Arbeitstagen zu erledigen, obwohl dem Beamten im Zeitraum bis zum 05.09.1991 rechnerisch 29,5 Arbeitstage für Sachbearbeitertätigkeit zur Verfügung gestanden haben. Unter den am 05.09.1991 erfassten Rückständen befanden sich allein 20 Fälle einfachster Art, die Anschriften-, Konto- oder Planstellenänderungen betrafen. Soweit der Beamte Zweifel an der Zuverlässigkeit der vom Zeugen gefertigten Aufzeichnungen und an dessen Glaubwürdigkeit näher dargelegt hat, vermögen diese Gesichtspunkte die oben getroffenen Feststellungen im Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen betreffen diese Zweifel in erster Linie die Aufzeichnungen des Zeugen nach dem 05.09.1991. Entscheidend ist, dass der Beamte selbst keine höhere Zahl als die festgestellten 16 Kassenanweisungen geltend macht. In einem Gespräch mit den Zeugen und am 13.08.1991 hat der Beamte überdies eingeräumt, erst ca. 10 Vorgänge bearbeitet zu haben. Insgesamt steht danach fest, dass der Beamte in der Zeit vom 03.06. bis zum 05.09.1991 die ihm übertragene Sachbearbeitertätigkeit völlig unzureichend wahrgenommen hat. Aufgrund der vorliegenden Zeugenaussagen steht weiterhin fest, dass der Beamte wegen der ihm gewährten Einarbeitungszeit und seiner Erfahrungen als Verwaltungsbeamter in der Lage war, die leichten und mittelschweren Fälle, also etwa die Hälfte der ihm zur Sachbearbeitung übertragenen Vorgänge zu bearbeiten. Soweit der Beamte darauf verweist, dass seine Einarbeitung unzureichend gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Nichtbearbeitung der schwierigeren Hälfte der Vorgänge gar nicht angeschuldigt ist. Weiterhin ist zu beachten, dass anders als bei einem Lehrgang, bis zu dessen Abschluss gar keine praktischen Vorgänge bearbeitet werden, bei einer Einarbeitung der Erwerb der erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse gerade durch die Ausübung praktischer Tätigkeit erfolgt. Dementsprechend ist es im Zuge der erfolgreichen Einarbeitung möglich, nach und nach immer mehr und immer schwierigere Vorgänge selbständig zu bearbeiten. Dementsprechend konnte der Beamte nach der auch von ihm nicht bestrittenen neunwöchigen Einarbeitungszeit mindestens einen Teil der mittelschweren Vorgänge bearbeiten. Es kommt hinzu, dass der Beamte kein Berufsanfänger war, sondern im Oktober 1990 bereits auf eine 18jährige Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung zurückblicken konnte. Daher durfte erwartet werden, dass der Beamte nach der neunwöchigen Einarbeitung durch den Zeugen in der Lage war, eine Vielzahl von Vorgängen selbständig zu bearbeiten. Überdies hat der Beamte bereits am 19.12.1990 die Anordnungsbefugnis und damit die Aufgabe erhalten, die ihm vorgelegten Fälle der Sachbearbeiter zu überprüfen. Vor der Übertragung der Anordnungsbefugnis hat der Beamte selbst darauf hingewiesen, dass er sich gerade durch die Wahrnehmung der Anordnungsbefugnis selbst weiter einarbeiten könne durch Nachvollziehen der von ihm anzuordnenden Fälle. Diese Einschätzung des Beamten wurde von seinem Dienstvorgesetzten geteilt und ist zutreffend. Daher ist davon auszugehen, dass der Beamte nach beinahe 6-monatiger Tätigkeit als Anordnungsbefugter in der Lage war, sämtliche Fälle mittleren Schwierigkeitsgrades völlig selbständig zu bearbeiten. Soweit der Beamte hierzu im Einzelfall nicht auf Anhieb in der Lage gewesen sein sollte, wäre es seine Aufgabe gewesen, sich durch Heranziehen eines von seinen Sachbearbeitern erledigten ähnlich gelagerten Falles entweder selbständig einzuarbeiten oder einen seiner Sachbearbeiter bzw. den dem Beamten bezüglich dessen Sachbearbeitertätigkeit als Anordnungsbefugten zugeordneten Zeugen um Rat zu fragen.

Aus den Aussagen der Zeugen und ergibt sich entgegen der Meinung des Beamten nicht, dass diese der Auffassung waren, der Beamte sei nur zur Bearbeitung leichter Fälle im Sinne der Darlegungen der übrigen Zeugen in der Lage gewesen. Der Zeuge hat angegeben, er habe den Beamten bei der Unterredung am 13.08.1991 gebeten, "doch wenigstens die leichten Fälle zu bearbeiten". Aus der Formulierung "wenigstens" ist zu entnehmen, dass der Zeuge in der Bearbeitung der leichten Fälle ein unaufgebbares Minimum sah. Dass er den Beamten bei der Bearbeitung mittelschwerer Fälle bereits für überfordert gehalten hätte, ist daraus nicht zu entnehmen. Überdies ist zu beachten, dass der Zeuge mit leichten Fällen nicht nur Anschriften-, Konto- und Planstellenänderungen, sondern auch Beurlaubungen und Teilzeitermäßigungen, 95 % der Kindergeldverlängerungen und einen Teil der Personenstandsänderungen meinte. Der Zeuge führte aus, aufgrund der guten Erfahrungen im Dezernat 2 - Beihilfe hätten keine Bedenken gegen die Übertragung von Sachbearbeitung an Anordnungsbefugte bestanden. Er sei davon ausgegangen, dass der Beamte für einen nicht unerheblichen Teil an Routinefällen die notwendigen Kenntnisse besessen habe. Bei dem Gespräch am 13.08.1991 habe er den Beamten darauf hingewiesen, dass er wenigstens die einfachen Fälle lösen müsse. Der Beamte sei aufgefordert worden, einen Beitrag zum Abbau der Rückstände selbst zu leisten. Er, der Zeuge, gehe davon aus, dass der Beamte nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage habe sein müssen, die einfachen und mittleren Fälle zu lösen. Danach steht fest, dass auch der Zeuge nicht der Meinung war, der Beamte sei nur zur Bearbeitung leichter Fälle in der Lage gewesen.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beamte in der Zeit vom 03.06. bis 05.09.1991 bewusst auch solche Vorgänge nicht als Sachbearbeiter bearbeitet hat, die er nach seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen hätte bearbeiten können. Soweit die Zeit nach dem 05.09.1991 in Rede steht, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen ein weiteres Fehlverhalten des Beamten nicht hinreichend konkret feststellen. Der Beamte war in dieser Zeit mehrmals erkrankt und hatte an einigen Tagen Urlaub. Es lässt sich auch nicht mit Sicherheit feststellen, ob die bezüglich des Zeitraums vom 06.09.1991 bis zum 27.10.1991 teilweise lückenhaft wirkenden Aufzeichnungen des Zeugen die Arbeitsergebnisse des Beamten korrekt wiedergeben. Diese Fragen können auf sich beruhen, denn bereits das festgestellte Verhalten des Beamten in der Zeit vom 03.06. bis zum 05.09.1991 erfordert die gegen ihn verhängte Geldbuße.

Durch das festgestellte Verhalten hat der Beamte ein Dienstvergehen im Sinne des § 90 Abs. 1 HBG begangen. Durch die völlig unzureichende Wahrnehmung der ihm übertragenen Sachbearbeiterfunktion hat der Beamte schuldhaft seine Pflicht verletzt, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 69 Satz 1 HBG); weiterhin ist der Beamte schuldhaft der dienstlichen Anordnung seines Vorgesetzten nicht nachgekommen (§ 70 Satz 2 HBG).

Die von der Disziplinarkammer wegen Dienstvergehens gegen den Beamten verhängte Geldbuße in Höhe von 3.000,-- DM ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. § 7 Abs. 2 HDO steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf die Geldbuße den Betrag von 500,-- DM nicht übersteigen, wenn der Beamte keine Dienstbezüge hat. Diese Regelung betrifft lediglich Ehrenbeamte sowie Anwärter, nicht aber Beamte, die - wie hier - Sonderurlaub unter Wegfall der Dienstbezüge haben. Andernfalls hätte der Beamte es in der Hand, durch Antrag auf Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge den Höchstbetrag der Geldbuße zu steuern (Weiß, GKÖD Band II Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, K § 7 Rdnrn. 8 und 11; Borchmann in HWR IV § 7 HDO Rdnrn. 8 und 10; Zängl, Bayerische Disziplinarordnung, Art. 8 Rdnr. 3). Entscheidend ist, dass dem Beamten grundsätzlich seinem Amt nach Dienstbezüge zukommen.

Die von der Disziplinarkammer verhängte Geldbuße ist nicht zu hoch; gemäß § 331 Abs. 1 StPO, § 21 HDO scheidet eine Schlechterstellung des Beamten aus. Die über Wochen andauernde völlig unzulängliche Wahrnehmung wesentlicher Teilbereiche seiner dienstlichen Aufgaben betrifft den Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten und wiegt daher schwer.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall partieller Arbeitsverweigerung über einen langen Zeitraum nach Neubemessung des Dienstpostens eines Beamten bei Vorliegen erheblicher Milderungsgründe eine Gehaltskürzung im höchstzulässigen Rahmen ausgesprochen und zur Begründung u. a. ausgeführt, ein Beamter, der die Ausführung der ihm obliegenden Dienstpflichten verweigere, verhalte sich im Ergebnis nicht anders als ein Beamter, der dem Dienst unentschuldigt fernbleibe. In derartigen Fällen habe der Senat je nach den Umständen des Einzelfalls auf Gehaltskürzung, Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt oder auf Dienstentfernung erkannt. Die Entfernung des Beamten aus dem Dienst scheide aus, da der Beamte keine totale Dienstverweigerung begangen, sondern einen Teil des ihm übertragenen Dienstes unbeanstandet fortgesetzt und lediglich die ihm zusätzlich übertragenen Aufgaben verweigert habe. Bei Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe sei eine Gehaltskürzung um 1/20 auf die Dauer von 5 Jahren schuldangemessen (BVerwG, U. v. 08.07.1987 - 1 D 140/86 -; vgl. ferner BVerwG, Ue. v. 16.11.1978 - 1 D 82.77 - BVerwGE 63, 159 - 162 u. v. 22.11.1979 - 1 D 84.78 - BVerwGE 63, 294 - 310 sowie U. v. 06.05.1992 - 1 D 12.91 -, DokBer B 1992, 203 - 208 und VGH BW, U. v. 28.05.1997 - D 17 S 3/97 -). Im vorliegenden Fall liegen so erhebliche Milderungsgründe vor, dass auch das Absehen von einer Gehaltskürzung gerechtfertigt ist. Der Senat berücksichtigt zugunsten des Beamten, dass er insgesamt nur unzureichend eingearbeitet worden ist, so dass von vornherein feststand, dass er durch den schwierigeren Teil der ihm übertragenen Aufgaben mit Sicherheit überfordert sein würde. So hat der Zeuge eingeräumt, er habe von vornherein damit gerechnet, dass der Beamte die Sachbearbeitertätigkeit nicht bewältigen würde. Weiterhin ist zugunsten des Beamten zu berücksichtigen, dass seine Dienstvorgesetzten auf die sich abzeichnende problematische Situation nicht zeitnah reagiert haben und insbesondere die am 13.08.1991 erfolgten Hinweise des Beamten, nicht genug eingearbeitet zu sein, nicht zum Anlass genommen haben, konkrete Weisungen oder Hilfen für eine weitere Einarbeitung zu geben. Der Senat hat allerdings keinen Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme durch Vernehmung des Regierungspräsidenten oder des Regierungsvizepräsidenten. Zum einen liegt die vom Disziplinarhof festgestellte Verletzung der Dienstpflicht des Beamten in der Zeit vom 03.06. bis 05.09.1991, also vor der Information des Regierungspräsidenten durch den Zeugen am 08.10.1991. Im Übrigen versprach der Regierungspräsident dem Zeugen, Abhilfe zu schaffen, nannte allerdings keine konkreten Maßnahmen. Ab Montag, dem 28.10.1991, wurde der Beamte jedoch im Dezernat 21 eingesetzt. Im Hinblick darauf, dass der Beamte in den 5 Jahren zuvor bereits viermal umgesetzt worden war, war vor seiner erneuten weiteren Umsetzung eine gründliche Überlegung und Vorbereitung geboten. Dementsprechend lässt sich die am 28.10.1991 erfolgte Umsetzung als unverzügliche Reaktion auf die Information durch den Zeugen werten. Danach steht fest, dass der Regierungspräsident entgegen der Darstellung des Beamten unmittelbar nach seiner Information durch den Zeugen Gegenmaßnahmen personalaufsichtlicher Natur ergriffen hat. Einer weiteren Aufklärung oder Beweisaufnahme bedarf es daher nicht.

Weiterhin berücksichtigt der Disziplinarhof - ebenso wie die Disziplinarkammer - zugunsten des Beamten die lange Laufzeit des Disziplinarverfahrens. Die Belastung des Beamten durch die Länge der Laufzeit des Disziplinarverfahrens erscheint trotz der von der Disziplinarkammer im Einzelnen dargelegten Umstände nicht als so schwerwiegend, dass allein aus diesem Grund eine weitere Milderung der Disziplinarmaßnahme geboten wäre. Insgesamt erscheint die von der Disziplinarkammer gegen den Beamten verhängte Geldbuße in Höhe von 3.000,-- DM jedenfalls nicht als zu hoch, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Dienstherr durch das Zulassen einer unzureichenden Einarbeitung des Beamten und durch das Unterlassen rechtzeitiger Führungsmaßnahmen die letztlich eingetretene Verweigerungshaltung des Beamten mitverursacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 102 Abs. 1, 105 Abs. 1 Satz 1 und 107 Abs. 1 HDO.

Dieses Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (§ 82 HDO).

Ende der Entscheidung

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