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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.2009
Aktenzeichen: 28 A 1655/08.D
Rechtsgebiete: HDG, HDO


Vorschriften:

HDG § 90 Abs. 1 S. 1
HDO § 69
HDO § 101 Abs. 2
1. Ist ein förmliches Disziplinarverfahren während der Geltungsdauer der Hessischen Disziplinarordnung (HDO) eingeleitet worden, so richtet sich die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags auch nach Inkrafttreten des Hessischen Disziplinargesetzes nach den Vorschriften der HDO.

2. Die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach § 69 HDO ist auf eine Höchstdauer von fünf Jahren beschränkt (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2008 - 1 DB 2.08 -).


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF SENAT FÜR DISZIPLINARSACHEN (LAND) BESCHLUSS

28 A 1655/08.D

In dem Antragsverfahren nach § 101 Abs. 2 HDO

wegen Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags

hat der Senat für Disziplinarsachen (Land) bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richter am Hess. VGH Kohde

am 6. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 11. Juli 2008 - 28 L 480/08.WI.D. - abgeändert.

Dem Antragsteller wird ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 v. H. des erdienten Ruhegehalts ab 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2009 bewilligt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist nach §§ 101 Abs. 6, 71 Abs. 1 und 2 Hessische Disziplinarordnung (HDO) zulässig und in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Der Antragsteller hat einen zeitlich und der Höhe nach begrenzten Anspruch auf Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach § 101 Abs. 2 i. V. m. § 69 HDO.

Die Vorschriften der HDO sind entgegen der Auffassung der Disziplinarkammer im vorliegenden Verfahren uneingeschränkt anzuwenden.

Zwar trifft es zu, dass nach der Beendigung des förmlichen Disziplinarverfahrens durch das unanfechtbare Urteil des Disziplinarhofs vom 1. Juli 2003 - 24 DH 3182/01 - und nach Ablauf der im Beschluss der Disziplinarkammer vom 7. August 2007 - 20 DK 5530/05 (V) - gesetzten Bewilligungsfrist im Januar 2008 kein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren mehr "anhängig" ist (§ 90 Abs. 6 Satz 2 HDG), das nach dem bisherigen Recht der HDO fortgeführt werden könnte. Die hier zu treffende Entscheidung über die Neu- bzw. Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags ist aus formaler Sicht keine Fortführung des abgeschlossenen förmlichen Disziplinarverfahrens. Die Entscheidung ergeht vielmehr in einem eigenen Verfahren, das erst durch die Antragstellung des früheren Beamten nachträglich eingeleitet wird. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat bisher ohne nähere Begründung angeschlossen hat, in dem Neubewilligungsverfahren nach § 110 Abs. 2 BDO (entsprechend § 101 Abs. 2 HDO) ein Annexverfahren zu sehen, das in gewissem Umfang eine Fortsetzung des früheren förmlichen Verfahrens darstellt, und zwar beschränkt auf den Teil der Urteilsformel, der sich außerhalb der eigentlichen Disziplinarentscheidung mit der Verwaltungsmaßnahme des Unterhaltsbeitrags befasst. Stellt aber das Neubewilligungsverfahren in diesem Sinne ein Annexverfahren dar, so fällt es unter die Fortführungsklausel des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG (entsprechend § 90 Abs. 1 Satz 1 HDG; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Januar 2002 - 1 DB 34.01 - ZBR 2002, 436; vom 15. November 2004 - 1 DB 6.04 - Juris; vom 1. Februar 2006 - 1 DB 1.05 - IÖD 2006, 118 sowie vom 16. Juni 2008 - 1 DB 2.08 - DÖV 2008, 923; Hess. VGH, Beschluss vom 22. Oktober 2007 - 24 DH 1826/07 -). Diese Rechtsprechung überzeugt den Senat vor allem deshalb, weil sie der Tatsache Rechnung trägt, dass der Bewilligung des Unterhaltsbeitrags ein entsprechender Urteilsausspruch zu Grunde liegt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 HDO), so dass eine enge Verbindung zwischen dem (früheren) förmlichen Disziplinarverfahren und dem Unterhaltsbeitrag besteht.

Die hiergegen ins Feld geführte Argumentation der Disziplinarkammer vermag den Senat nicht zu überzeugen.

Die Disziplinarkammer stützt ihre Auffassung im Wesentlichen auf die geänderte Ausgestaltung des Unterhaltsbeitrags nach dem seit 1. Oktober 2006 geltenden Recht des Hessischen Disziplinargesetzes (HDG). Danach bestehe ein Anspruch auf Bewilligung des Unterhaltsbeitrags nicht mehr nur auf Antrag des Beamten (§ 69 Abs. 1 Satz 1 HDO), sondern unmittelbar kraft Gesetzes gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 HDG als Rechtsfolge der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Demzufolge sei die Bewilligung auch nicht mehr konstitutiver Bestandteil des Urteils. Eine Verlängerung über die gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten hinaus könne "in der Entscheidung" zur Vermeidung einer unbilligen Härte ausgesprochen werden, § 13 Abs. 3 Satz 3 HDG. Daraus folge, dass eine Neu- bzw. Weiterbewilligung gesetzlich nicht mehr vorgesehen sei.

Aus diesen Änderungen der gesetzlichen Ausgestaltung des Unterhaltsbeitrags kann jedoch nach Auffassung des Senats jedenfalls für die Auslegung und Anwendung von Übergangsbestimmungen wie der Fortführungsklausel des § 90 Abs. 1 Satz 1 HDG nichts Zwingendes hergeleitet werden. Insbesondere bleibt der das Recht des Unterhaltsbeitrags tragende Grundsatz der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn unberührt. Im übrigen enthält die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 3 HDG keine absolute Befristung des Unterhaltsbeitrags, so dass sich aus der nach dem HDG bestehenden Rechtslage nicht zwingend auf eine vom Gesetzgeber gewollte Befristung schließen lässt. Ein dahin gehender Wille des Gesetzgebers ergibt sich entgegen der Darstellung der Disziplinarkammer auch nicht aus den Motiven (vgl. LT-Drucksache 16/5106, S. 9 zu § 13 HDG).

Zutreffend weist der Antragsteller nunmehr darauf hin, dass die Disziplinarkammer bei Zugrundelegung der Vorschriften der HDO in der Besetzung mit dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter und zwei nichtrichterlichen Beisitzern hätte entscheiden müssen (§ 42 Satz 1 HDO). Die fehlerhafte Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts ist jedoch durch die in vorschriftsmäßiger Besetzung ergehende Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren als geheilt anzusehen. Deshalb ist für eine Zurückverweisung an die erste Instanz ebenso wie in anderen Fällen einer fehlerhaften Rechtsanwendung kein Raum. Der Antragsteller kann nicht verlangen, dass die Disziplinarkammer erneut entscheidet. Dadurch wird ihm keine Instanz genommen, sondern es liegt eine unrichtige Entscheidung vor, deren Korrektur in zweiter Instanz erfolgen kann. Die Rechtsweggarantie bleibt hiervon unberührt; denn es besteht kein grundrechtlich geschütztes Recht auf die Verfolgung von Rechtsansprüchen in mehreren Instanzen.

Die Neugestaltung der Bestimmungen zum Unterhaltsbeitrag und der darin zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers bleibt gleichwohl nicht ohne Folgen für die nach der HDO zu entscheidenden Altverfahren. Auch nach bisherigem Recht diente der Unterhaltsbeitrag allein dazu, dem aus dem Dienst entfernten Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung, z. B. eine gesetzliche Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsvorsorge, zu erleichtern und ihn ebenso wie seine finanziell von ihm abhängigen Familienangehörigen während eines vorübergehenden Zeitraums nicht in Not geraten zu lassen. Dieser begrenzte Zweck des Unterhaltsbeitrags kommt auch im Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 1 HDO zum Ausdruck, wonach die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nur "auf bestimmte Zeit" zulässig ist. Wie lange im Einzelfall dieser Zeitraum währen darf, hat der Gesetzgeber in der hier noch anwendbaren HDO nicht geregelt. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sollte die zeitliche Begrenzung der Unterhaltsbeitragsleistung ausschließlich durch die erfolgte Wiedereingliederung des früheren Beamten in das Erwerbsleben oder durch Erschließung einer anderen Einkommensquelle, nicht aber durch den hiervon unabhängigen Zeitablauf seit dem Disziplinarurteil bestimmt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 DB 16.97 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 4).

Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 16. Juni 2008 - 1 DB 2.08 - a. a. O.) geht von der Erwägung aus, dass der Unterhaltsbeitrag keine lebenslange Alimentierung des früheren Beamten darstellt, sondern ihm in Gestalt einer nachwirkenden Fürsorgepflicht des Dienstherren die berufliche Neuorientierung erleichtern soll. Deshalb ist der Bewilligungszeitraum auf die absolute Grenze von fünf Jahren seit der erstmaligen Gewährung beschränkt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Bereits in der Entscheidung vom 22. Oktober 2007 - 24 DH 1826/07 - hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Bewilligungsvoraussetzungen desto strenger sind, je mehr Zeit seit dem Abschluss des Disziplinarverfahrens vergangen ist. Hierin klingt bereits an, dass die Festlegung einer zeitlichen Grenze der Bewilligung sich folgerichtig aus dem begrenzten Zweck des Unterhaltsbeitrags als Überbrückungshilfe ergibt.

Der Senat gewährt einen Unterhaltsbeitrag aus den fortbestehenden Gründen der zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ergangenen Entscheidung vom 22. Oktober 2007 - 24 DH 1826/07 - nur in Höhe von 70 v. H. des von Antragsteller erdienten Ruhegehalts und damit nicht den im Gesetz (§ 69 Abs. 1 Satz 2 HDO) vorgesehenen Höchstsatz. Unter Berücksichtigung der bisherigen Bewilligungszeiträume (6 Monate ab Februar 2004, 6 Monate ab August 2004, 5 Monate ab Februar 2005, 25 Monate ab Dezember 2005) ergibt sich ein Zeitraum von 18 Monaten, für den ein Unterhaltsbeitrag nach den dargelegten Grundsätzen zu bewilligen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 107 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 2 HDO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit der Beschwerde die unbefristete Weitergewährung des Unterhaltsbeitrags begehrt hat, so dass das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg gehabt hat. Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 192 Abs. 1 HDO.

Die Entscheidung ist mit der Zustellung rechtskräftig (§ 82 HDO).

Ende der Entscheidung

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