Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 3 A 1207/08
Rechtsgebiete: BauGB, HBO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 14
BauGB § 16
BauGB § 17
HBO § 58
HBO § 64
HBO § 66
Die Gemeinde darf anlässlich eines Bauantrags für ein Vorhaben auf einer industriellen Konversionsfläche planerisch tätig werden mit dem Ziel, das Vorhaben zu verhindern, wenn sie aus städtebaulichen Gründen der Konversionsfläche eine andere städtebauliche Struktur verleihen will.

Ist eine industrielle Konversionsfläche bisher mit einem einfachen Bebauungsplan ohne Festsetzung von Erschließungsanlagen und ohne Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen überplant gewesen, drängt sich bei Öffnung der vormals in einer Hand befindlichen Konversionsfläche für unterschiedliche Nutzer und unterschiedliche Nutzungsarten ein bauleitplanerisches Tätigwerden der Gebietskörperschaft auf.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 A 1207/08

Verkündet am: 03.02.2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann, ehrenamtliche Richterin Lipschik, ehrenamtliche Richterin Rahusen-Marsch

aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 22. Januar 2009 und 3. Februar 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2007 - 4 E 3298/06 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Zwischenlager schwachradioaktiver Abfälle.

Die Klägerin, Eigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten gelegenen Grundstücks Hanau-Wolfgang, xxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Flur ..., Flurstück .../7, ist ein internationales Logistikunternehmen, das sich auf den Transport radioaktiver Stoffe spezialisiert hat, für die sie auch über Lagereinrichtungen verfügt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" vom 18. November 1976.

Für die auf dem streitgegenständlichen Flurstück .../7 befindliche Halle (genannt Gebäude 15) wurde der Voreigentümerin (Firma xxxxxxxxxx) am 26. Juni 1984 die Genehmigung zum Neubau eines Produktions-, Büro- und Lagergebäudes und einer Reststoffhalle (NUKEM II) erteilt (Bl. 151 GA).

Nach Aufgabe der Brennelementeproduktion in Hanau erhielt die Klägerin auf Antrag vom 7. Mai 2003 unter dem 5. August 2003 eine Baugenehmigung zum Umbau und zur Umnutzung des Gebäudes 15 in ein Lagergebäude mit gelegentlichen Wartungsarbeiten.

Am 27. April 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zum Umbau und Umnutzung des NCS-Gebäudes 15, xxxxxxxxxxxxxxxxxx, Flur ..., Flurstück .../7. Ausweislich der Baubeschreibung beabsichtigt sie, auf dem eingezäunten Industriegelände in der bereits bestehenden Halle (Gebäude 15) radioaktive Abfälle zu lagern, ein Antrag auf Genehmigung nach § 7 Strahlenschutzverordnung sei gestellt. Dabei sollen Abfälle gelagert werden, die auf der Basis der "Endlagerungsbedingungen Konrad" konditioniert worden sind, und zwar Abfälle aus Kernkraftwerken sowie uran- und thoriumhaltige Abfälle. Die radioaktiven Stoffe seien als Kernbrennstoffe im Sinne des § 2 Abs. 3 Atomgesetz zu betrachten, wobei der Kernbrennstoffanteil weniger als 15 g je 100 kg Abfall betrage. Die Lagerung soll zeitlich unbefristet erfolgen, längstens jedoch bis zum Abtransport in ein Endlager, ein anderes Zwischenlager oder eine Behandlungs- oder Konditionierungseinrichtung. Für die Umnutzung der Lagerhalle ist laut Baubeschreibung der Austausch der Bodenplatten in Teilbereichen, die Installation von zwei Krananlagen, die Entfernung von Störkanten und Trennwänden, der Einbau eines Abschirmtores sowie das Aufstellen von Abschirmelementen erforderlich.

Nachdem die Bauaufsicht der Beklagten am 2. Mai 2006 den Eingang des Bauantrags bestätigt hatte, forderte das im Baugenehmigungsverfahren beteiligte Regierungspräsidium Darmstadt sowohl unter dem 30. Mai 2006 als auch unter dem 6. Juli 2006 Unterlagen zur immissionsschutzrechtlichen Beurteilung nach, die die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2006 (Bl. 133 der Behördenakte - BA -) vorlegte. Unter dem 14. August 2006 kam das Regierungspräsidium Darmstadt daraufhin zu dem Ergebnis, dass das Bauvorhaben aus immissionsschutzrechtlicher Sicht mit entsprechenden Auflagen genehmigt werden könne (Bl. 135 BA).

Bereits am 10. Juli 2006 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten, den Bebauungsplan Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" vom 18. November 1976 zu ändern und für den Geltungsbereich dieses Bebauungsplans eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB zu erlassen. Sowohl der Aufstellungsbeschluss als auch der Beschluss über den Erlass einer Veränderungssperre wurden von der Beklagten im "Hanauer Anzeiger" vom 22. Juli 2006 jeweils mit Übersichtsplan veröffentlicht, der zu der Veränderungssperre gehörende Lageplan lag in der Zeit vom 31. Juli 2006 bis 1. September 2006 in der Auslegungsstelle der Beklagten öffentlich aus. Beide Beschlüsse wurden am 23. Dezember 2006 erneut im "Hanauer Anzeiger" öffentlich bekannt gemacht, wobei auf die öffentliche Auslegung vom 28. Dezember 2006 bis zum 29. Januar 2007 hingewiesen wurde.

Mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 3. Dezember 2007 erließ die Beklagte erneut eine Veränderungssperre, mit der die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" generell ausgeschlossen werden sollte und hob zugleich die Veränderungssperre vom 10. Juli 2006 auf.

Unter dem 18. August 2008 stimmte die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten dem "Masterplan Industriestandort Wolfgang" des mittlerweile beauftragten Planungsinstituts "Angewandte Stadtforschung Steinebach GmbH" - AST - und unter dem 27. Oktober 2008 dem von dieser entwickelten Rahmenkonzeption für den Bereich Siemens-Technologiepark zu (Bl. 880 ff., 957 GA).

Am 15. Dezember 2008 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagte eine weitere Veränderungssperre, änderte den Aufstellungsbeschluss vom 10. Juli 2006 auch hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs - beplant werden soll nunmehr ausschließlich das Gebiet "Siemens-Technologiepark", nunmehr bezeichnet als Bebauungsplan Nr. 1102.1 "Nord/Ost-Technologiepark" - und hob die Satzung über eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des aufzustellenden Bebauungsplanes Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" vom 04.12.2007 auf. Laut amtlicher Bekanntmachung vom 16. Dezember 2008 konnte der Lageplan für den Bebauungsplanentwurf und die Veränderungssperre in der Zeit vom 22. Dezember 2008 bis einschließlich 28. Januar 2009 beim Magistrat der Beklagten zu den üblichen Dienststunden eingesehen werden (Bl. 997, 998 GA).

Am 2. Februar 2009 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten, den Bebauungsplanentwurf Nr. 1102.1 "Nord/Ost-Technologiepark" nochmals mit vertiefender Begründung aufzustellen, ihn offen zu legen und die Öffentlichkeit, Behörden und Träger öffentlicher Belange zu beteiligen.

Bereits am 9. August 2006 wies die Beklagte die Klägerin auf die veränderte planungsrechtliche Situation hin und fragte an, ob der Bauantrag aufrecht erhalten werden solle (Bl. 134 BA). Unter dem 21. August 2006 (Bl. 245 BA) teilte die Klägerin mit, der Bauantrag werde nicht zurückgenommen, vielmehr werde hilfsweise beantragt, einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zu erteilen.

Mit Bescheid vom 7. September 2006 (Bl. 249 BA) versagte die Beklagte unter Hinweis auf die erlassene Veränderungssperre die beantragte Baugenehmigung.

Der hiergegen von Seiten der Klägerin erhobene Widerspruch vom 13. September 2006 (Bl. 254 BA) wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 (Bl. 306 BA), zugestellt am 16. Januar 2007, zurückgewiesen.

Bereits am 21. August 2006 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, die nach Erlass des ablehnenden Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides als Verpflichtungsklage fortgeführt worden ist. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, eine atomrechtliche Genehmigung nach § 6 Atomgesetz sei für das beantragte Zwischenlager nicht erforderlich. Der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 BauGB habe es nicht bedurft, da das Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liege und die Lagerung radioaktiver Abfälle in ein Industriegebiet passe. Die von der Beklagten erlassene Veränderungssperre sei unwirksam, da weder der Aufstellungsbeschluss noch die Veränderungssperre ordnungsgemäß im Sinne von § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung bekannt gemacht worden seien, eine öffentliche Auslegung der Pläne habe nicht stattgefunden. Die Wiederholung der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses am 20. Dezember 2006 sei lediglich auf der Homepage der Beklagten erfolgt und somit ebenfalls fehlerhaft (Bl. 113 GA).

Die von der Beklagten erlassene Veränderungssperre sei im Übrigen auch deshalb unwirksam, da es an der erforderlichen Konkretisierung der Planung fehle. Bei ihrem Vorhaben handele es sich um einen Hightech-Betrieb, ebenso handele es sich um einen klassischen Industriebetrieb, so dass das Vorhaben bei GI-Ausweisung zulässig sei. Die von der Beklagten in dem Planungsverfahren verwandten Begriffe seien Leerformeln und dienten ausschließlich dazu, ihren Bauwunsch zu durchkreuzen. Damit handele es sich um eine unzulässige Verhinderungsplanung. Die vorgesehene Planung sei auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die von der Beklagten vorgenommenen Differenzierungen einer Rechtsgrundlage entbehrten, städtebauliche Gründe seien hierfür nicht genannt worden. Im Übrigen würden in der Halle 6 bereits radioaktive Stoffe unabhängig von ihrer Zuordnung als Wertstoff oder Abfall und ungeachtet ihrer Herkunft gelagert. Auch sei die Halle 15 bestandsgeschützt, die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit sei gegeben, insbesondere sei die Erschließung gesichert, es seien breite Straßen vorhanden, die Zufahrtssituation habe sich nicht geändert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 7. September 2006 sowie ihres Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 zu verpflichten, die von der Klägerin am 27. April 2006 beantragte Baugenehmigung zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxx, 63457 Hanau zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 7. September 2006 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 zu verpflichten, einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxxxx, 63547 Hanau zu erteilen,

höchsthilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre am 2. September 2006 verpflichtet war, die von der Klägerin beantragte Baugenehmigung - hilfsweise den bauplanungsrechtlichen Vorbescheid - zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxx, 63457 Hanau zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, das Bauvorhaben sei bereits bauordnungsrechtlich unzulässig, da die Erschließung nicht gesichert sei. Es liege nicht an einer öffentlichen Erschließungsanlage, die Voraussetzungen des § 4 HBO seien nicht erfüllt, es fehle an einer öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt.

Das Vorhaben sei auch bauplanungsrechtlich unzulässig. Dies gelte zunächst auch unter Berücksichtigung des bisher noch bestehenden Bebauungsplans. Tatsächlich handele es sich bei der beantragten Baumaßnahme nicht um ein Lagerhaus im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, sondern letztendlich um eine Deponie. Zudem widerspreche die beantragte Baugenehmigung den Vorgaben des Ministeriums hinsichtlich der Genehmigung für die Lagerhalle 12. Eine neue Betriebsanlage, die nichts mit den vor Ort vorhanden gewesenen Altanlagen zu tun habe, vielmehr Gefährdungspotential aus überörtlichen Anlagen auf das Betriebsgelände schaffe, verstoße gegen die Grundüberlegungen der Genehmigung des Ministeriums für die Lagerhalle 12. Der beantragten Genehmigung stehe auch § 15 BauNVO entgegen, da von der selbständigen Lagerung radioaktiver Stoffe, die außerhalb des Betriebsgeländes anfielen, Störungen ausgingen, die nach der Eigenart des Baugebietes unzumutbar seien.

Im Übrigen sei die Veränderungssperre bzw. der Aufstellungsbeschluss nicht aus formellen Gründen unwirksam, die Nichtbekanntmachung der "Karte" bei dem Aufstellungsbeschluss sei unerheblich, § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung sei insoweit nicht anwendbar (Bl. 212 GA). Es handele sich auch nicht um eine unzulässige Verhinderungsplanung. Die Gemeinde dürfe einen Bauantrag zum Anlass nehmen, um bauleitplanerische Maßnahmen zu ergreifen, die sie für erforderlich halte, um die geordnete städtebauliche Entwicklung ihres Gemeindegebietes zu sichern.

Mit Urteil vom 14. November 2007 - 4 E 3298/06 - hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 verpflichtet, die von der Klägerin am 27. April 2006 beantragte Baugenehmigung zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxxx, 63457 Hanau zu erteilen.

Gegen das am 3. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 31. Dezember 2007 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Mai 2008 - 3 A 49/08.Z - (Bl. 771 GA), zugestellt am 4. Juni 2008, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main wegen besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten zugelassen.

Zur Berufungsbegründung trägt die Beklagte über ihren Bevollmächtigten im Wesentlichen vor, bei der mit der Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 gesicherten Planung handele es sich nicht um eine unzulässige Verhinderungsplanung. Eine Gemeinde dürfe ein bestimmtes, ihr bekannt gewordenes Bauvorhaben zum Anlass nehmen, eine davon abweichende planerische Konzeption für den betroffenen Bereich zu entwickeln. Ihr gehe es darum, die Attraktivität des Gebietes für "klassische" Industriebetriebe, Hightech-Betriebe und Gewerbebetriebe zu erhalten bzw. aufzubauen. Bei der am 15. Dezember 2008 beschlossenen Veränderungssperre und dem ihr zugrunde liegenden - veränderten - Aufstellungsbeschluss vom gleichen Tag seien ihre planerischen Absichten konkretisiert worden. Der räumliche Geltungsbereich des am 15. Dezember 2008 beschlossenen Aufstellungsbeschlusses umfasse nunmehr nur noch die Flächen des Siemens-Technologie-Parks mit einer Gesamtfläche von 21 ha (jetzt: Bebauungsplanentwurf Nr. 1102.1 "Nord-Ost/Technologie-Park"). Es solle die Art der zulässigen Nutzung anhand der vorhandenen Bestände und der künftigen Nutzungspotentiale überprüft und daran orientiert weiterentwickelt und neu geordnet werden. So sei eine Binnendifferenzierung zwischen gewerbegebiets- und Industriegebietsausweisungen beabsichtigt. Ferner diene die verbindliche Bauleitplanung der Herstellung einer den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen genügenden straßen- und leitungsmäßigen Erschließung. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Situation solle die freie Zugänglichkeit aller Grundstücke im "Nord-Ost/Technologiepark" gewährleistet sein. Weiterhin solle eine städtebauliche Ordnung der Baustrukturen und Baukubaturen erzielt werden.

Die Ziele des Aufstellungsbeschlusses würden beeinträchtigt, wenn es im Plangebiet zur Ansiedlung eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle komme, da sich kein moderner Industrie-, Hightech- oder Gewerbe-Betrieb, der die Wahl zwischen mehreren Standorten habe, in unmittelbarer Nachbarschaft einer gefährlichen und nach der Wertentscheidung des Bundesgesetzgebers dem Außenbereich zugewiesenen atomaren Entsorgungsanlage ansiedeln werde. Auch wohne dem Vorhaben ein ganz erhebliches Konfliktpotential inne, da radioaktive Abfälle "aus aller Herren Länder" aufgenommen und auf unbestimmte Zeit gelagert werden sollten. Der bestimmungsgemäße Anlagenbetrieb erfordere ständige Atommülltransporte in das Gemeindegebiet und wieder hinaus. Auch sei zu befürchten, dass im Falle der Zulassung des Vorhabens andere Anlagenbetreiber und/oder Grundeigentümer im Gebiet ähnliche Bauanträge stellen würden, die dann aus Gründen der Gleichbehandlung nicht abgelehnt werden könnten. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das mehr als 3 ha große, dem streitgegenständlichen Vorhaben unmittelbar benachbarte Flurstück .../10, das im Eigentum der Reaktorbrennelemente Union GmbH stehe und das derzeit vollständig frei von baulichen Anlagen sei. Mittelfristig werde dadurch die von ihr gewünschte Gestaltung und Neugliederung des Gebietes in ein Industrie- und Gewerbegebiet, wie es das von ihr beschlossene städtebauliche Rahmenkonzept vorsehe, beeinträchtigt und ein "faktisches Sondergebiet" für Atommülllager entstehen.

Ihren Planungsabsichten stehe auch nicht entgegen, dass das Plangebiet nahezu vollständig bebaut sei, wie die Klägerin behauptet, vielmehr lägen 65 % der Flächen brach. Der Siemens-Technologie-Park sei einem tiefgreifenden Wandel unterworfen, nach Abschluss der Brennelementefertigung, dem Rückbau und der Sanierung dieser Anlagen sei das ehemals geschlossene Werksgelände teils geöffnet worden, und neue Betriebsansiedlungen seien zu verzeichnen.

Im Übrigen sei die Erschließung des Baugrundstücks nicht gesichert, insbesondere seien die Anforderungen des § 4 HBO nicht erfüllt. Der Bebauungsplan Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" sehe in dem fraglichen Bereich des Siemens-Technologie-Parkes keine Erschließungsanlagen vor, die "innere" Erschließung sei nicht festgelegt. Eine Neuplanung sei geboten, da mehrfach Teilungen von Grundstücken stattgefunden hätten, die Eigentumsverhältnisse sich geändert hätten, keine Baulasten bestellt worden seien, Grunddienstbarkeiten nicht existierten und die öffentlich-rechtliche Erschließung daher nicht gewährleistet sei (Bl. 664 GA).

Schließlich habe die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis an der Baugenehmigung, da für das Bauvorhaben eine Genehmigung nach § 6 Atomgesetz erforderlich sei und hierfür keine Zusage vorliege.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2007 - 4 E 3298/06 (1) - abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Ihr Bauvorhaben bedürfe keiner Genehmigung nach § 6 Atomgesetz, für die gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 Atomgesetz das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig sei. Von der Genehmigungspflicht des § 6 Abs. 1 Atomgesetz seien Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 3 Atomgesetz ausgenommen, worunter die zu lagernden Substanzen fielen. Im Übrigen sei die Genehmigungspflicht nach der Strahlenschutzverordnung für das vorliegende Baugenehmigungsverfahren unbeachtlich, da sich die Prüfung gemäß § 58 Satz 1 HBO auf bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Fragen zu beschränken habe.

Das Bauvorhaben sei auch bauordnungsrechtlich zulässig, insbesondere sei den Anforderungen des § 4 Abs. 1 HBO genügt. Die Zufahrtsstraße zu dem Grundstück werde seit jeher durch den öffentlichen Verkehr genutzt, ohne dass es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen sei. Damit diene die Straße dem öffentlichen Verkehr und sei diesem - zumindest konkludent - gewidmet (Bl. 854 GA).

Das Vorhaben sei auch bauplanungsrechtlich zulässig. Bei der Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 handele es sich um eine unzulässige Verhinderungsplanung, gleiches habe für das planerische Rahmenkonzept zu gelten, das ausschließlich den Zweck erfülle, ihr Bauvorhaben zu verhindern. Beide dienten ebenso wie die Veränderungssperren vom 10. Juli 2006 und 3. Dezember 2007 lediglich der Sicherung einer angeblichen Planung, die jedoch nicht dem wirklichen planerischen Willen der Beklagten entspreche, sondern nur vorgeschoben sei, um das beantragte Vorhaben zu verhindern. Auch wenn die Beklagte zwischenzeitlich einen "Masterplan" und ein "Rahmenkonzept" von einem externen Sachverständigen habe anfertigen lassen und so den Anschein einer zielgerichteten Planung erwecken wolle, ändere dies nichts daran, dass ihr Ziel nach wie vor - wie in ihrem Vermerk vom 1. Juni 2006 (Bl. 116 ff. BA) explizit dargelegt - einzig die Verhinderung des ansonsten genehmigungsfähigen Bauvorhabens der Klägerin sei. Die angestrebte Planung sei nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, sie sei auch nicht praktisch verwirklichungsfähig, da sie weder den tatsächlichen Gegebenheiten noch den zukünftigen Anforderungen des Baugebiets gerecht werde. Die beabsichtigte Aufteilung des Plangebiets in ein Gewerbe- und ein Industriegebiet könne aufgrund der vorhandenen bestandsgeschützten Nutzungen nicht wirksam und sinnvoll durchgeführt werden. Auch die Reduzierung des vormals den gesamten Bereich des Bebauungsplans Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" umfassenden Bebauungsplanentwurfs auf das Gebiet des "Nord-Ost/Technologie-Park" zeige, dass es der Beklagten vornehmlich um die Verhinderung des streitgegenständlichen Bauvorhabens gehe. Obwohl das Gebiet des "Nord-Ost/Technologie-Park" eine geordnete Nutzungs- und Erschließungsstruktur aufweise und keineswegs einem "tiefgreifenden städtebaulichen Wandel" unterworfen sei, solle gerade hier im ersten Schritt eine Neuplanung und damit eine Blockade mittels Veränderungssperre erfolgen. Durch die willkürliche Teilung des bisher einheitlich genutzten Industriegebiets solle versucht werden, ihr Grundstück ungeachtet der in unmittelbarer Nähe bereits vorhandenen Nutzungen in ein Gewerbegebietsgrundstück umzudeuten, um das beantragte Bauvorhaben verhindern zu können. Die von der Beklagten benannten Planungsziele ließen bei näherer Betrachtung unschwer erkennen, dass eine konkretisierte und zielgerichtete Planung oder gar ein ernsthafter Planungswille nicht vorliege. Eine "Überprüfung der Art der Nutzung anhand der vorhandenen Bestände und der zukünftigen Nutzungspotentiale" rechtfertige den Erlass einer Veränderungssperre ebenso wenig wie die Herstellung einer bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen genügenden Erschließung, zumal ihr Vorhaben der Herstellung von Erschließungsanlagen nicht entgegenstehe. Die Beklagte könne auch nicht ernsthaft beabsichtigen, in einem Industriegebiet mit Unternehmen der Chemie- und Nuklearindustrie eine freie Zugänglichkeit der Grundstücke anzustreben. Bei der beabsichtigten Ordnung der Baustrukturen und Baukubaturen handele es sich um Leerformeln, denen es an Konkretisierung fehle. Auch sie, die Klägerin, betreibe hochwertige und arbeitsplatzschaffende Nutzungen, so dass ihr Betrieb nicht mit den Planungsabsichten der Beklagten kollidiere.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB stehe der Baugenehmigung entgegen, treffe dies nicht zu. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB lediglich eine Klarstellung gegenüber dem BauGB 1987 bezweckt, wonach kerntechnische Anlagen dem Außenbereich zugeordnet werden sollten. Die streitgegenständliche Lagerhalle unterfalle zudem nicht dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB, da dort radioaktive Abfälle nicht "entsorgt" würden.

Durch die beabsichtigte Zwischenlagerung ändere sich auch nicht der Charakter des Plangebiets Nr. 1102, insbesondere sei kein "Umkippen in ein Sondergebiet" zu befürchten. Auch die nähere Umgebung des geplanten Bauvorhabens zeige, dass eine Veränderung des Gebietscharakters nicht drohe. In den benachbarten Hallen 6 und 12 würden ebenfalls radioaktive Abfälle gelagert, wobei in der Lagerhalle 6 ausweislich der Genehmigung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 17. Mai 2000 nicht nur Abfälle, die im Plangebiet anfielen, sondern auch Abfälle aus den Forschungszentren Karlsruhe und Jülich sowie aus dem Atomkraftwerk Biblis gelagert würden (Bl. 858 GA). Die Genehmigung für die Halle 6 berechtige die Klägerin sogar zur Lagerung radioaktiver Stoffe und sei damit nicht auf radioaktive Abfälle beschränkt, sofern ein gewisses Maß an Radioaktivität nicht überschritten werde (Bl. 858 GA). Der Hinweis, es sollten verstärkt "Hightechbetriebe" angesiedelt werden, reiche für eine positive Planungsaussage nicht. Sie selbst stelle einen derartigen Hightechbetrieb dar. Soweit die Beklagte unter Hightechbetrieben saubere und nicht störende Betriebe verstehe, müsse sie den Gebietstypus des Plangebiets - etwa in ein Gewerbegebiet - ändern, was jedoch aufgrund der vorhandenen Bebauung nicht durchführbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Gerichtsakten befindlichen Schriftstücke, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (5 Aktenbände sowie 4 Leitz-Ordner), den Bebauungsplan Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" sowie die von der Klägerin als Anlage eingereichten Grundbuchauszüge (1 Band) verwiesen. Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das verwaltungsgerichtliche Urteil kann keinen Bestand haben. Die Ablehnung des Bauantrags sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zum Umbau und Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 in Hanau-Wolfgang, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Flur ..., Flurstück .../7 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Baugenehmigung ist gemäß § 64 Abs. 1 der Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274) in der Fassung vom 6. September 2007 (GVBl. I S. 548) - HBO - zu versagen, da dem Vorhaben nach den gemäß § 58 HBO zu prüfenden Anforderungen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Allerdings steht der Erteilung der Baugenehmigung nicht bereits ein mangelndes Sachbescheidungsinteresse der Klägerin entgegen. Unabhängig davon, ob für das von der Klägerin beantragte Zwischenlager für radioaktive Abfälle eine Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung oder nach dem Atomgesetz erforderlich ist, bedarf die Errichtung eines derartigen Zwischenlagers in beiden Fällen einer Baugenehmigung durch die zuständige Landesbehörde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008 - 1 BvR 2456/06 - in juris-online), so dass sich hinsichtlich der Zuständigkeit der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung keine weiteren Fragen stellen. Da eine entsprechende Konzentrationsregelung fehlt, wird weder die Baugenehmigung durch eine strahlenschutz- oder atomrechtliche Genehmigung, noch die atom- bzw. strahlenschutzrechtliche durch die Baugenehmigung ersetzt. Gehören die atom- bzw. strahlenschutzrechtlichen Aspekte nicht zum Prüfprogramm der Baugenehmigung, können sie nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem Bauantragsteller auch nicht im Rahmen des Sachbescheidungsinteresses entgegen gehalten werden (vgl. HessVGH, Beschluss vom 28.11.205 - 3 TG 2774/05 -). Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung der Beklagten auch inhaltlich nicht, an dem Sachbescheidungsinteresse der Klägerin bestünden bereits deshalb Bedenken, weil die Erteilung einer strahlenschutzrechtlichen bzw. atomrechtlichen Genehmigung von vorneherein ausgeschlossen werden könne. Nach der von dem Verwaltungsgericht in seinem Urteil zitierten Auskunft des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (Schreiben vom 26. 10.2007) zur strahlenschutzrechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Zwischenlagers teilt der Senat die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung nicht.

Das Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat jedoch keinen Erfolg, da das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Dies folgt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus der von der Beklagten beschlossenen Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 in Verbindung mit dem Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans Nr. 1102.1 "Nord-Ost/Technologiepark" vom gleichen Tage.

Die Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 ist wirksam und steht der Erteilung der Baugenehmigung gemäß den §§ 58 Satz 1 Nr. 1, 64 HBO, §§ 14 ff. BauGB entgegen.

Zunächst bestehen gemäß § 17 BauGB an der Geltungsdauer der Veränderungssperre auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte bereits am 10. Juli 2006 gemeinsam mit dem Aufstellungsbeschluss zur Planänderung des Bebauungsplans Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" eine 1. Veränderungssperre beschlossen hat, keine Bedenken.

Gemäß § 17 Abs. 1 BauGB tritt die Veränderungssperre nach Ablauf von 2 Jahren außer Kraft. Auf die 2-Jahres-Frist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Die Gemeinde kann die Frist um ein Jahr verlängern.

Die am 10. Juli 2006 beschlossene Veränderungssperre ist nicht bereits mit der amtlichen Bekanntmachung in dem "Hanauer Anzeiger" am 22. Juni 2006 und der öffentlichen Auslegung vom 31. Juli 2006 bis zum 1. September 2006, sondern erst nach amtlicher Bekanntmachung in dem "Hanauer Anzeiger" vom 23. Dezember 2006 und öffentlicher Auslegung auch des ihr zu Grunde liegenden Aufstellungsbeschlusses vom 10. Juli 2006 vom 28. Dezember 2006 bis zum 29. Januar 2007 wirksam geworden. § 14 Abs. 1 BauGB bestimmt, dass, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen kann. Voraussetzung für die Anordnung einer Veränderungssperre ist, dass die Gemeinde beschlossen hat, einen Bebauungsplan aufzustellen oder zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben (Aufstellungsbeschluss), wobei die Gemeinde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB den Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt zu machen hat. Mangelt es an der ortsüblichen Bekanntmachung, so wird der Aufstellungsbeschluss nicht wirksam, mit der Folge, dass die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen nicht eintreten und somit eine Veränderungssperre nicht wirksam erlassen werden kann (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Auflage, München 2007 § 14 Rdnr. 6 unter Hinweis auf OVG Koblenz, BRS 36 Nr. 108). Sowohl bei der gemäß § 2 Abs. 1 BauGB hinsichtlich eines Aufstellungsbeschlusses als auch bei der gemäß § 16 Abs. 2 BauGB hinsichtlich einer Veränderungssperre vorgeschriebenen ortsüblichen Bekanntmachung ist das Satzungsrecht der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich.

Nach § 7 der Hauptsatzung der Beklagten vom 23. Mai 2005, veröffentlicht am 15. Juni 2005, erfolgen öffentliche Bekanntmachungen der Stadt Hanau vorbehaltlich des Abs. 2 - soweit gesetzlich keine andere Bekanntmachungsart vorgeschrieben bzw. ausdrücklich zugelassen ist - durch Abdruck ihres vollen Wortlauts einschließlich etwa erforderlicher Genehmigungsvermerke der Aufsichtsbehörde im "Hanauer Anzeiger". Als Tag der Bekanntmachung gilt der Ausgabetag der entsprechenden Nummer des "Hanauer Anzeigers". Pläne, Karten oder Zeichnungen und die dazugehörenden Texte, Begründungen oder Erläuterungen werden, vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung, durch öffentliche Auslegung bekannt gemacht. Die öffentliche Auslegung erfolgt auf die Dauer eines Monats während der allgemeinen Dienstzeit in der Auslegungsstelle der Stadt Hanau beim Stadtplanungsamt, Hanau, Technisches Rathaus, Hessen-Homburg-Platz 7. Vor Beginn der Auslegung sind Gegenstand, Ort und Zeit der Auslegung gemäß Abs. 1 öffentlich bekannt zu machen. Beginn und Ende der Auslegung sind auf den ausgelegten Unterlagen zu vermerken.

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Unterlagen erfolgte die öffentliche Bekanntmachung der am 10. Juli 2006 beschlossenen Veränderungssperre sowie des Aufstellungsbeschlusses zur Planänderung des Bebauungsplans Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" am 22. Juli 2006 durch Abdruck im "Hanauer Anzeiger", die gemäß § 7 Satz 2 der Hauptsatzung im Fall der Veröffentlichung von Plänen, Karten oder Zeichnungen vorgesehene zusätzliche öffentliche Auslegung erfolgte jedoch nur für die Veränderungssperre, nicht jedoch für den Aufstellungsbeschluss. Veröffentlichung und öffentliche Bekanntmachung beider Beschlüsse erfolgten erst nach der amtlichen Bekanntmachung im "Hanauer Anzeiger" vom 23. Dezember 2006, bei der sowohl der Satzungsbeschluss hinsichtlich der Veränderungssperre als auch der Aufstellungsbeschluss amtlich bekannt gemacht wurden und auf die Auslegung beider Übersichtspläne in der Zeit vom 28. Dezember 2006 bis zum 29. Januar 2007 hingewiesen wurde. Die Veränderungssperre vom 10. Juli 2006 ist mithin erst zum 30. Januar 2007 wirksam geworden. Dabei wird die Behauptung der Klägerin, die wiederholte Bekanntmachung am "20. Dezember 2006" sei nur auf der Homepage der Beklagten erfolgt, weder von den dem Senat vorliegenden Unterlagen der Beklagten bestätigt noch von der Klägerin weiter substantiiert.

Ist die Veränderungssperre vom 10. Juli 2006 daher erst zum 30. Januar 2007 wirksam geworden, bestehen hinsichtlich der zeitlichen Geltungsdauer der am 15. Dezember 2008 beschlossenen und nach ihrem eigenen Wortlaut bis zum 31. August 2009 Geltung entfaltenden Veränderungssperre keine rechtlichen Bedenken, da sie sich zumindest im zeitlichen Rahmen einer nach § 17 Abs. 2 BauGB zulässigen ersten Verlängerung bewegt.

Die von der Beklagten am 15. Dezember 2008 als Satzung beschlossene Veränderungssperre in Verbindung mit dem am selben Tag beschlossenen Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan Nr. 1102.1 "Nord-Ost/Technologiepark" ist auch materiell wirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist geklärt, welche Anforderungen an eine Veränderungssperre zu stellen sind und wann diese als Sicherungsmittel ausscheidet. Letzteres ist der Fall, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzungen nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2005 - 4 BN 61/05 - in juris-online unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 - NVwZ 1994, 685 m.w.N.). Ein nicht heilbarer Mangel liegt namentlich vor, wenn eindeutig ist, dass sich die Planungskonzeption nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2005, a.a.O. unter Hinweis auf Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 14 Rdnr. 57). Weiter ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Dazu gehören insbesondere Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Nicht erforderlich ist ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept (BVerwG, Beschluss vom 10.10.2007 - 4 BN 36.07 - in juris-online unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 10.09.1976 - 4 C 39.74 - in BVerwGE 51, 121 und vom 19.02.2004 - 4 CN 13.03 - NVwZ 2004, 984). Die Gültigkeit einer Veränderungssperre darf nicht von endgültigen Aussagen zur Lösung von Nutzungskonflikten abhängig gemacht werden, die erst im weiteren Verlauf des Planungsverfahrens im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung möglich sind. Änderungen einzelner Planungsvorstellungen nach Erlass der Veränderungssperre sind daher für deren Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung, solange die Planungskonzeption der Gemeinde im Zeitpunkt ihres Erlasses hinreichend konkretisiert und erkennbar ist, die darin zum Ausdruck kommende Grundkonzeption der Planung nicht aufgegeben worden ist und die mit der Veränderungssperre verfolgte Sicherungsfunktion fortbesteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2007 - 4 BN 36.07 - in juris-online). Dabei ist es der Zweck der Veränderungssperre, eine bestimmte Bauleitplanung zu sichern. Sie darf nicht eingesetzt werden, um lediglich die Planungszuständigkeit oder die Planungshoheit der Gemeinde zu sichern. Dies ist jedoch der Fall, wenn eine Gemeinde eine Veränderungssperre erlässt, um erst Zeit für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts zu gewinnen. Die "Absicht zu Planen" genügt nicht. Zwar kann der Wunsch, ein konkretes Bauvorhaben zu verhindern, das - legitime - Motiv für den Erlass einer Veränderungssperre sein. Eingesetzt werden darf dies Institut jedoch nur, wenn die Gemeinde ein bestimmtes Planungsziel, und zwar ein "positives" Planungsziel, besitzt oder aus Anlass eines Bauantrages entwickelt und deshalb das Entstehen vollendeter Tatsachen verhindern will (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16.03 - in juris-online).

Unter Beachtung und Anwendung dieser Vorgaben, denen der Senat folgt, stellt sich die von der Beklagten erlassene Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 im Zusammenwirken mit dem ihr zu Grunde liegenden Aufstellungsbeschluss vom gleichen Tage als rechtswirksam dar, insbesondere handelt es sich nicht um eine unzulässige Verhinderungsplanung.

Dabei hatte der Senat nicht - mehr - darüber zu befinden, ob auch die Veränderungssperren vom 10. Juli 2006 und vom 3. Dezember 2007 rechtlich Bestand haben konnten, da diese im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren für die Bescheidung des klägerischen Begehrens nicht - mehr - geltendes Satzungsrecht der Beklagten gewesen sind.

Ausgangspunkt der planerischen Tätigkeit der Beklagten ist der Bauantrag der Klägerin vom 27. April 2006 gewesen, mit dem sie in dem ehemals als "Atomdorf" bezeichneten Gebiet "Siemens-Technologie-Park" ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle unterschiedlicher Herkunft genehmigt erhalten will, wobei das Baugrundstück der Klägerin in dem mit Bebauungsplan Nr. 1102 vom 18. Dezember 1976 "Industriegebiet südöstlich der B 43" als Industriegebiet ausgewiesenen Gebiet liegt.

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Begründung zu dem Aufstellungsbeschluss vom 15. Dezember 2008 und der Veränderungssperre vom gleichen Tag beschränken sich die Planungsabsichten der Beklagten nun auf eine Teilfläche des ehemals als "Industriegebiet südöstlich der B 43", Bebauungsplan Nr. 1102 beplanten Gebiets, eine Neubeplanung soll nach Aufgabe der Brennelementeproduktion und teilweiser Öffnung des Gebiets für Neuansiedelungen zunächst ausschließlich für den Siemens-Technologie-Park, den vormaligen Standort der Brennelementeproduktion, in Angriff genommen werden. Ausweislich der Begründung zu dem Aufstellungsbeschluss und der Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 ist dieser Bereich einem tiefgreifenden städtebaulichen Wandel unterworfen. Nach Abschluss der Brennelementefertigung sei nach Rückbau und Sanierung das ehemals geschlossene Werksgelände teilweise geöffnet worden, und es seien kleinteilige Betriebsansiedlungen zu verzeichnen. Derzeit herrsche eine heterogene Nutzungs- und Eigentümerstruktur, wobei gewerbegebietstypische Betriebe und Anlagen überwögen. Etwa 65 % der Gebietsfläche lägen brach und seien derzeit ungenutzt. Der Beklagten lägen für die Brachflächen Nutzungsanfragen aus den Bereichen IT, Transportlogistik, Nutzfahrzeugumbau und Lagerung radioaktiver Abfälle vor. In dem Gebiet des Siemens-Technologie-Parks fehle es an einer öffentlich-rechtlich gesicherten Erschließung als zwingender Voraussetzung für die Erteilung von Baugenehmigungen, es bestehe städtebaulich dringender Handlungsbedarf. Ausweislich des Bebauungsplanentwurfs nebst Begründung, der laut Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten vom 2. Februar 2009 (Bl. 1028 ff.GA und Seite 2 der Verhandlungsniederschrift vom 3. Februar 2009) in der Zeit vom 16. Februar bis 17. März 2009 offen gelegt werden soll und der die von der Beklagten beschlossenen Differenzierungen des Masterplans (Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung am 18. August 2008) und der städtebaulichen Rahmenkonzeption (Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Oktober 2008) weiter differenziert entwickelt hat, beabsichtigt die Beklagte im Plangebiet eine ringförmige Erschließung sowie eine Untergliederung in Industrie- und Gewerbegebietsflächen. Dabei sind die GI-Festsetzung im inneren Planbereich vorgesehen, also demjenigen, der an das ebenfalls als Industriegebiet ausgewiesene Degussa-Gelände angrenzt, und die GE-Ausweisung im äußeren Gürtel des Plangebiets, wobei auch für das Grundstück der Klägerin eine GE-Festsetzung geplant ist.

Der Senat folgt insoweit nicht der Argumentation der Klägerin, das Plangebiet unterliege keinem "tiefgreifenden städtebaulichen Wandel", zudem weise es eine "geordnete Erschließungs- und Nutzungsstruktur" auf (Bl. 1002 GA).

Vielmehr handelt es sich bei dem Plangebiet um eine industrielle Konversionsfläche, die nach Beendigung der Brennelementeproduktion, der damit zusammenhängenden Aufgabe einer nahezu einheitlichen Nutzung des 21 ha großen Gebietes und der Aufsplitterung in unterschiedliche Folgenutzer mit Öffnung des Plangebiets für eine größere Anzahl von Gewerbetreibenden ein planerisches Tätigwerden der Beklagten geradezu herausfordert.

Das Gebiet des Siemens-Technologie-Parks ist durch den Bebauungsplan Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" mit einem einfachen Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB) überplant. Ausweislich des Bebauungsplans Nr. 1102 "Industriegebiet südöstlich der B 43" vom 18. November 1976 nimmt der Plan für den fraglichen Bereich weder Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen noch zu den örtlichen Verkehrsflächen vor, vielmehr erschöpft sich der Plan in der Festsetzung eines Industriegebiets mit einer GRZ von 0,7 und einer BMZ von 7,0. Diese einfachen Festsetzungen erklären sich für den Senat daraus, dass das ca. 21 ha große Plangebiet vormals unter der Adresse xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx von einer einheitlichen Nutzergruppe in Anspruch genommen und das Gelände von dieser Nutzergruppe mit eigenen Werksstraßen und Versorgungsleitungen ausgestattet wurde, wobei öffentlich-rechtliche Festsetzungen für die Erschließungsanlagen bei dieser Konstellation nicht erforderlich schienen. Nach Aufgabe der Brennelementeproduktion und Öffnung des Siemens-Technologie-Parks für verschiede Gewerbe- und Industrieanlagen war und ist die Beklagte aufgefordert, planerisch tätig zu werden, zumal die ordnungsgemäße Erschließung im Sinne der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften derzeit nicht gewährleistet sein dürfte. Die jeweiligen Grundstückseigentümer und -nutzer mögen sich zwar gegenseitig wegerechtliche Grunddienstbarkeiten eingetragen haben, eine in vollem Umfang planungsrechtlichen Ansprüchen genügende Erschließung stellt dies jedoch nicht ohne Weiteres dar. So liegt auf der Hand, dass das vormals mit privaten Werksstraßen ausgebildete Straßensystem bei Öffnung des Plangebiets für diverse Folgenutzer und gar die allgemeine Öffentlichkeit einer öffentlich-rechtlichen Regelung unterworfen werden sollte, zumal die Straßenflächen im Eigentum unterschiedlicher Grundstückseigentümer stehen.

Die Beklagte hat die Konversion des Geländes zum Anlass genommen, nicht nur die Erschließung, sondern auch die innere Struktur des Plangebiets planerisch zu überdenken und hat dies in ihrem städtebaulichen Rahmenkonzept, dem Masterplan sowie der Begründung zu dem Aufstellungsbeschluss und der Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 dargelegt.

Dabei haben sich dem Senat anlässlich des Ortstermins am 22. Januar 2009 die von der Beklagten angeführten unterschiedlichen Nutzungsstrukturen im Plangebiet bestätigt, insbesondere haben sich im nord-östlichen äußeren Planbereich - in dem auch das Grundstück der Klägerin liegt - mehrere Gewerbebetriebe angesiedelt, die der Annahme einer einheitlichen industriellen Nutzung des Plangebiets entgegen stehen. Die Beklagte beabsichtigt ausgehend von der von ihr am 18. August 2008 beschlossenen Rahmen-/Masterplanung für den Industriestandort Wolfgang auf die unterschiedlichen Nutzungen mit entsprechenden Binnengliederungen planerisch zu reagieren, wobei die zur öffentlichen Auslegung am 2. Februar 2009 vorgesehenen Differenzierungen der Stadtverordnetenversammlung seit Vorlage der Rahmenplanung bekannt gewesen sind.

Die Planungsüberlegungen der Beklagten stellen sich nicht als rein vorgeschobene, eine unzulässige Verhinderungsplanung kaschierende Planungskonzeption dar.

Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass allein Begriffe wie "Überprüfung der Art der Nutzung anhand der vorhandenen Bestände und der künftigen Nutzungspotentiale" sowie "städtebauliche Ordnung der Baustrukturen und Baukubaturen" allein den Erlass einer Veränderungssperre nicht rechtfertigen können. Dies hat jedoch nicht für die auch aus Sicht des Senats vernünftigerweise eine Beplanung gebietenden Bereiche der Erschließung, sowie nach dem planerischen Willen der Beklagten, der Binnenstrukturierung des Plangebiets zu gelten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt sich die Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 auch nicht deshalb als rechtswidrig dar, weil einer Binnendifferenzierung des Plangebiets nach Gewerbe- und Industriegebietsflächen deren mangelnde Realisierbarkeit wegen vorhandener bestandsgeschützter Nutzungen entgegen stünde. Zum einen ist es der Gebietskörperschaft nicht versagt, auch bereits überbaute Bereiche zu beplanen und die Art der Nutzung lenkend zu verändern und diese einer differenzierteren Planung zu unterwerfen. Zum anderen stellt sich das Plangebiet tatsächlich als unterschiedlich genutztes Gebiet dar, wobei nach der Durchführung des Ortstermins am 22. Januar 2009 feststeht, dass sich im nordöstlichen Bereich des Plangebiets mittlerweile bereits verschiedene gewerbegebietstypische Nutzer angesiedelt haben, bei denen die Ausweisung als Gewerbegebiet gerade diese Nutzung aufgreift. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht auch in relevantem Umfang Leerstand im Plangebiet. So liegt in der Mitte des Plangebiets auf dem Flurstück .../10 eine ca. 3 ha große Brachfläche, die derzeit ungenutzt ist, aber einer neuen Nutzung planerisch zugeführt werden soll. Dem steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen, dass neben der dort bereits abgeschlossenen Bodensanierung noch Grundwassersanierungsmaßnahmen fortgeführt werden müssen, worauf das Regierungspräsidiums Darmstadt in seinem Schreiben vom 16. Dezember 2008 (Bl. 1013 GA) hinweist. Die Erforderlichkeit von Grundwassersanierungsmaßnahmen steht grundsätzlich einer gewerblichen oder industriellen Nutzung nicht entgegen, vielmehr bedarf es bei Neuansiedlung eines Folgenutzers entsprechender Abstimmungen mit den Fachbehörden.

Zwar ist auch nach Auffassung des Senats der Wille, das Bauvorhaben der Klägerin zu verhindern, tatsächlich zunächst maßgeblicher Impuls der Beklagten zum planerischen Tätigwerden gewesen. Dies lässt die nunmehr zur Überprüfung anstehenden planerischen Absichten der Beklagten, die ihren Ausdruck in der allein zur Überprüfung anstehenden Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 nebst Aufstellungsbeschluss vom gleichen Tage gefunden haben, jedoch nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, nicht als unzulässige Verhinderungsplanung erscheinen. Vielmehr darf die Gebietskörperschaft anlässlich eines Bauvorhabens und zum Zwecke der Verhinderung von diesem planerisch tätig werden. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind als "Negativplanung" nicht schon dann wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB unwirksam, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Sie sind nur dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990, 4 NB 8.90, in juris online). Dabei darf die Gemeinde ihre Bauleitpläne immer dann aufstellen, wenn es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB), wobei es in erster Linie auf die Sicht der Gemeinde selbst ankommt. Sie darf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet bestimmen und sich dabei grundsätzlich von "gemeindepolitischen" Motiven, die sich jederzeit ändern können, leiten lassen. Auf der Respektierung des Rechts der Gemeinde, ihre Bauleitplanung - unter Beachtung der gesetzlichen Regeln - jederzeit nach ihren eigenen Vorstellungen zu betreiben, beruht auch die Rechtsprechung, nach der die Gemeinde sogar der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil mit einem nachträglich geänderten Bauleitplan entgegentreten kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2004, - 4 CN 16.03 - in juris-online m.w.N.; BVerwG Urteil vom 13.12.2007 - 4 C 9.07 - in juris-online).

Der Beklagten kann daher weder zum Vorwurf gemacht werden, dass sie anlässlich des Bauvorhabens der Klägerin planerisch tätig geworden ist, noch dass sie die bauleitplanerische Vorstellung verfolgt, dem vormals von der Brennelementeproduktion geprägten geschlossenen Industriegebiet nunmehr einen anderen, auch für Gewerbebetriebe geöffneten Charakter geben zu wollen. Nicht zu beanstanden ist dabei auch, dass sie die mit der Errichtung von Zwischenlagern radioaktiver Abfälle aus dem Bundesgebiet und/oder dem Ausland, gleich welcher Herkunft, verbundenen Probleme bauleitplanerisch auch unter dem Gesichtspunkt sicherheitsrelevanter Aspekte betrachtet und mit in ihre Erwägungen einstellt, welche Chancen eine Neuorientierung des Plangebiets bei weiterer Zulassung derartiger Zwischenlager hätte. Damit schwingt sich die Beklagte noch nicht - unzulässig - als Fachbehörde auf, da sie auch im Rahmen der Bauleitplanung mit in ihren Abwägungsprozess einzustellen hat, welche Auswirkungen bestimmte Nutzungen auf andere im Plangebiet vorgesehene Nutzungsarten oder außerhalb des Plangebiets vorgesehene Nutzungen haben bzw. haben werden. Welches Gewicht diesen Erwägungen zukommen wird und in welchem Umfang die von der Beklagten in dem am 2. Februar 2009 zur Offenlage beschlossenen Bebauungsplanentwurf vorgesehenen Feindifferenzierungen nach § 1 Abs. 4 BauNVO zulässig sind, sind jedoch keine Fragen, die im Rahmen der Veränderungssperre, sondern allenfalls bei Überprüfung des Bebauungsplans zu entscheiden sind.

Zumindest stellen sich die geplanten Binnendifferenzierungen nicht von vornherein als nicht durchführbar und damit unzulässig dar, sodass sie der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre nicht entgegengehalten werden können.

Hat der Hauptantrag der Klägerin keinen Erfolg, ist über den erstinstanzlich hilfsweise gestellten Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 7. September 2006 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 zu verpflichten, einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxxx, 63457 Hanau zu erteilen, zu entscheiden.

Auch hiermit dringt die Klägerin jedoch nicht durch, da sie keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides gemäß § 66 HBO hat. Danach kann vor Einreichen des Bauantrages auf Antrag (Bauvoranfrage) zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, ein schriftlicher Bescheid (Bauvorbescheid) erteilt werden.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 21. August 2006 (Bl. 245 ff. BA) hilfsweise die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheides beantragt, über den bislang jedoch nicht entschieden worden ist, so dass es an der Durchführung eines Vorverfahrens mangelt. Es kann hier dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 75 VwGO erfüllt sind, da hinsichtlich der Erteilung eines - bauplanungsrechtlichen - Vorbescheides nichts anderes zu gelten hat als in Bezug auf die streitige Baugenehmigung. Auch der Erteilung des Bauvorbescheides steht die wirksame Veränderungssperre vom 15. Dezember 2008 mit dem ihr zugrunde liegenden Aufstellungsbeschluss Nr. 1102.1 "Nord-Ost/Technologiepark" entgegen, insoweit kann auf die oben genannten Ausführungen verwiesen werden.

Soweit die Klägerin mit ihrem zweiten Hilfsantrag erstinstanzlich beantragt hat, festzustellen, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre am 2. September 2006 verpflichtet war, die von ihr beantragte Baugenehmigung - hilfsweise den bauplanungsrechtlichen Vorbescheid - zum Umbau und zur Umnutzung des NCS-Gebäudes 15 zu einem Zwischenlager für radioaktive Abfälle bis zur Abgabe in ein Endlager auf dem Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxxxxx, 63457 Hanau zu erteilen, hat ihre Klage ebenfalls keinen Erfolg.

Der Sache nach handelt es sich bei dem zweiten Hilfsantrag der Klägerin um eine Fortsetzungsfeststellungsklage, die nach ganz herrschender Meinung nicht nur in dem Fall, in dem sich ein Verwaltungsakt nach Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat, zur Anwendung kommt, sondern analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann, wenn die Erledigung bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, München 2007, § 113 Rdnr. 99) und in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rdnr. 109; Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 2. Auflage, Berlin/Speyer 2005, § 113 Rdnr. 304).

Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hat bezogen auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die beantragte Baugenehmigung bis zum 2. September 2006 zu erteilen, jedoch deshalb keinen Erfolg, weil es der Klägerin an dem berechtigten Interesse einer derartigen Feststellung fehlt. Für das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Position des Klägers in einem der genannten Bereiche zu verbessern, wobei Hauptfälle, in denen ein Feststellungsinteresse als gegeben anzusehen ist, die Präjudizialität für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, Wiederholungsgefahr und ein schützenswertes Rehabilitationsinteresse sind (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rdnr. 129 ff., 136 ff.; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rdnr. 309 ff., 267 ff.). Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, aufgrund welchen besonderen Feststellungsinteresses sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zum 2. September 2006 verpflicht gewesen ist, die beantragte Baugenehmigung, hilfsweise den bauplanungsrechtlichen Vorbescheid, zu erteilen. Unterstellt man zu ihren Gunsten, dass sie dies wegen eines beabsichtigten Amtshaftungsprozesses begehrt, fehlt es an der Darlegung der Erfolgsaussichten eines derartigen Prozesses. Ist nämlich offensichtlich, dass ein künftiger Amtshaftungsprozess ohne Erfolgsaussichten ist, ist das besondere Feststellungsinteresse zu verneinen. Vorliegend hat ein eventueller Amtshaftungsprozess keine Erfolgsaussicht, weil die Beklagte zum 2. September 2006 bereits deshalb nicht verpflichtet war, die beantragte Baugenehmigung, hilfsweise den Bauvorbescheid zu erteilen, da ihr bis zu dem genannten Zeitpunkt kein hinreichender, namhafter Zeitraum für die Bearbeitung der genannten Anträge zur Verfügung stand und ihr daher nicht vorgeworfen werden kann, nicht bereits zu diesem Zeitpunkt über diese entschieden zu haben.

Die Klägerin hat unter dem 27. April 2006 den streitgegenständlichen Bauantrag gestellt, woraufhin ihr unter dem 2. Mai 2006 von der Beklagten mitgeteilt wurde, das Verfahren werde im "Normalverfahren", mithin nicht im vereinfachten Genehmigungsverfahren durchgeführt. Nach Beteiligung auch des Regierungspräsidiums Darmstadt unter dem 5. Mai 2006 teilte dieses der Beklagten am 30. Mai 2006 mit, dass der Bauantrag unvollständig sei und forderte die Klägerin zur Abgabe weiterer Angaben zur Beurteilung des Vorhabens auf. Daraufhin nahm die Klägerin unter dem 28. Juni 2006 Stellung, gleichwohl mahnte das Regierungspräsidium Darmstadt unter dem 6. Juli 2006 erneut die Unvollständigkeit der Unterlagen an und forderte weiterhin differenzierte Angaben zur Menge (Masse) an radioaktiven Abfällen und der Einstufung der eingelagerten Stoffmengen. Diese Anfrage wurde von der Klägerin unter dem 28. Juli 2006 beantwortet, was dazu führte, dass das Regierungspräsidium Darmstadt unter dem 14. August 2006 zu dem Ergebnis kam, das Vorhaben sei aus seiner Sicht nunmehr mit Auflagen genehmigungsfähig.

Sind mithin die Bauantragsunterlagen der Klägerin erst mit Eingang der Unterlagen am 28. Juli 2006 (Bl. 133 BA) vollständig und prüffähig gewesen, liegt auf der Hand, dass bezogen auf den erst am 21. August 2006 gestellten Hilfsantrag auf Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheides eine Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung dieses Antrags bis zum 2. September 2006 nicht bestanden hat.

Gleiches hat jedoch bezogen auf den Bauantrag vom 27. April 2006, vollständig eingereicht mit der Stellungnahme der Klägerin vom 28. Juli 2006, zu gelten, da der Beklagten ab Eingang der vollständigen Antragsunterlagen ein namhafter Bearbeitungszeitraum eingeräumt werden muss, um die Antragsunterlagen vollständig zu prüfen und deren Genehmigungsfähigkeit festzustellen. Der Landesgesetzgeber hat in § 57 HBO für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren zum Ausdruck gebracht, dass er bei diesen Verfahren einen Bearbeitungszeitraum ab vollständigem Eingang der Antragsunterlagen von drei Monaten für ausreichend und angemessen hält. Es ist nicht ersichtlich, dass für ein Baugenehmigungsverfahren, das nicht im vereinfachten, sondern im "normalen" Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist, verkürzte Fristen zu gelten haben. Bei einer Bearbeitungsfrist von etwa fünf Wochen für eine Baugenehmigung der vorliegenden Art kann nicht von einer (schuldhaften) Verfahrensverzögerung ausgegangen werden. Wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit eines künftigen Amtshaftungsprozesses ist daher auch der zweite Hilfsantrag abzuweisen.

Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Vermerk: Streitwert

1. Rechtszug: 200.000,00 €

2. Rechtszug: 100.000,00 €

Ende der Entscheidung

Zurück