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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 3 A 1523/08.Z
Rechtsgebiete: BauGB, GG, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 35
BauGB § 36
GG Art. 28 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
1. Nach systematischer und teleologischer Auslegung von § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist die Verweisung auf die §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB - einschränkend - dahin zu konkretisieren, dass die Gebietskörperschaft ihr gemeindliches Einvernehmen nur dann versagen darf, wenn die dort genannten Belange - auch - dem Schutz ihrer subjektiven, die Einvernehmensregelung begründenden Planungsrechte dienen und diese tatsächlich verletzt sind.

2. Der Umstand, dass weder das BauGB noch die Fachgesetze "Konfliktregelungen" dafür enthalten, wie im Fall einer Divergenz zwischen Fachbehörde und Gemeinde zu verfahren wäre, belegt, dass die Gemeinde im Rahmen der Einvernehmensregelung nicht berechtigt sein soll, fachbehördlich geregelte öffentliche Interessen aufzurufen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 A 1523/08.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hier: Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richterin am Hess. VGH Lehmann, Richter am VG Darmstadt Griebeling (abgeordneter Richter)

am 7. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 26. Mai 2008 - 1 E 3799/07 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin wendet sich gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens durch den Bescheid des Beklagten vom 21. September 2007 im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens zur Errichtung einer Putenzuchtfarm im Außenbereich, bestehend aus vier Putenställen mit Wirtschaftsgebäude, auf dem Grundstück Flur ..., Flurstück ... in der Gemarkung xxxxxxxx.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte verwaltungsgerichtliche Urteil hat keinen Erfolg. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 124 Rdnr. 7 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dabei müssen die ernstlichen Zweifel am Ergebnis der Entscheidung bestehen; an der Zulassung einer Berufung, die aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, kann kein Interesse bestehen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 124 Rdnr. 7a mit Rechtsprechungsnachweisen).

Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nimmt, ausgeführt, dass die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens hier rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die von der Klägerin in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung dargelegten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung in der Sache.

Zunächst rügt die Klägerin ohne Erfolg, bei dem Vorhaben des Beigeladenen handele es sich nicht um ein landwirtschaftliches Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wie von dem Verwaltungsgericht angenommen. Konkret fehle es an der von der Rechtsprechung geforderten "Dauerhaftigkeit" des Betriebes, der Beigeladene verfüge zwar über 500 ha landwirtschaftlich genutzter Flächen, allerdings stünden davon lediglich 40 ha in seinem Eigentum, die restlichen Flächen seien gepachtet. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, Grundlage der Futtererzeugung könnten nur Eigentumsflächen sein. Hiergegen verstoße die Annahme des Verwaltungsgerichts, an dem Nachweis der ausreichenden Futtergrundlage bestünden keine Zweifel.

Der Argumentation der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichem Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, wobei § 201 BauGB den Begriff der Landwirtschaft näher bestimmt. Danach ist Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwei begriffliche Merkmale jeder Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB herausgearbeitet. Danach muss sich die Landwirtschaft - erstens - durch eine "unmittelbare Bodenertragsnutzung" auszeichnen, und - zweitens - "muss der Boden zum Zwecke des Ertrages planmäßig eigenverantwortlich bewirtschaftet werden". Aus diesen begrifflichen Merkmalen hat das Bundesverwaltungsgericht abgeleitet, dass Landwirtschaft im Sinne des Gesetzes nur auf Flächen betrieben werden kann, die überwiegend, d. h. zu mehr als 50 %, im Eigentum des Landwirtes stehen oder zumindest langfristig gepachtet sind (vgl. Schrödter, BauGB, Kommentar, 7. Auflage, München 2006, § 201 Rdnr. 4 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Dem schließt sich der Senat an. Der Auffassung der Klägerin, dass ausschließlich im Eigentum des Landwirtes stehende Flächen die "Dauerhaftigkeit" der landwirtschaftlichen Nutzung belegen können, ist demnach nicht zu folgen. Im Übrigen kann auf die von dem Verwaltungsgericht auf Seite 12 des Urteilsabdrucks gemachten Berechnungen verwiesen werden, denen der Senat folgt.

Auf die Frage, ob das Vorhaben zusätzlich auch den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB erfüllt, was von der Klägerin bestritten wird, kommt es daher entscheidungserheblich nicht mehr an. Auch insoweit folgt der Senat jedoch den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seite 13 und 14 UA).

Auch soweit die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das Vorhaben des Beigeladen sowohl den Darstellungen ihres Flächennutzungsplanes als auch ihren in dem Entwurf des Teilflächennutzungsplans liegenden Planungsabsichten - mittlerweile ist der Teilflächennutzungsplan "Tierhaltung, Mobilfunk, Tourismus/Erholung" mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 2. Oktober 2008 festgestellt und unter dem 17. Februar 2009 durch das Regierungspräsidium Giessen genehmigt worden - , die als öffentliche Belange zu berücksichtigen seien, widerspreche, kann dem nicht gefolgt werden.

Zwar kann die Klägerin die ihre Planungshoheit betreffenden Darstellungen ihres Flächennutzungsplans bzw. ihre neuerlichen Planungsabsichten als subjektive Belange im Rahmen eines Ersetzungsaktes gem. § 36 BauGB aufrufen, eine Verletzung ihrer subjektiven Planungsrechte liegt allerdings im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung am 21. September 2007 nicht vor.

Dabei ist in der Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, geklärt, dass sich die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht beurteilt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.07.2006, 5 B 90/05 in juris-online unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 31.03.2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246; Beschluss vom 20.01.1999 - 8 B 232.98 - Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 10), wobei dies bei der Anfechtungsklage im allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.07.2006, a. a. O.; BVerwG, Beschluss vom 27.12.1994 - 11 B 152.94 - in juris-online). Das Bauplanungsrecht gebietet in dem hier interessierenden Bereich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 BauGB keine Abweichung von diesem Grundsatz, die Planungsrechte der Gemeinde sind im Übrigen durch die ihr bauplanungsrechtlich zur Verfügung stehenden Sicherungsinstrumente (§§ 14 ff. BauGB) ausreichend geschützt.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 21. September 2007 standen die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Darstellungen des am 14. März 1991 beschlossenen, am 14. Juni 1991 genehmigten und am 29. Juni 1991 öffentlich bekannt gemachten Flächennutzungsplans dem Vorhaben des Beigeladenen als öffentliche Belange nicht entgegen. Der Flächennutzungsplan der Klägerin enthält nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen für das maßgebliche Gebiet eine Darstellung für die Landwirtschaft, mit dem Hinweis "Für Ackerbau sehr gut geeignete Standorte". Aus der zuletzt genannten textlichen Darstellung kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlussfolgert werden, in den mit diesem Planzeichen versehenen Flächen solle ausschließlich Ackerbau als zulässige Nutzungsart dargestellt werden. Vielmehr handelt es sich, wovon wohl auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, um einen lediglich als Hinweis und nicht als zusätzliche Darstellung zu qualifizierenden Zusatz zu der allgemeinen Darstellung "Landwirtschaft", dem weder darstellender noch gar ausschließender Charakter beigemessen werden kann.

Da es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt, der sich zudem an dem ehemaligen Standort eines Aussiedlerhofes befindet, widerspricht das Vorhaben im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht den Darstellungen des Flächennutzungsplans.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch aus dem Planaufstellungsverfahren des mittlerweile unter dem 2. Oktober 2008 festgestellten und am 17. Februar 2009 genehmigten Teilflächennutzungsplans "Tierhaltung, Mobilfunk, Tourismus/Erholung" eine Beeinträchtigung der auch ihre subjektiven Rechte sichernden öffentlichen Belange durch das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht erkannt werden.

Ob sich die Darstellungen im Entwurf eines Flächennutzungsplans als öffentliche Belange auswirken können, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher offen geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings mehrfach entschieden, dass eine förmliche öffentliche Fachplanung dann im Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 und 3 BauGB als öffentlicher Belang anerkannt werden müsse, wenn sie ein Stadium erreicht habe, das hinreichend verlässliche Schlüsse auf ihre Verwirklichung gestatte. Sofern der in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan dieses Stadium erreicht hat, bestehen danach keine Bedenken, auch die darin enthaltenen Darstellungen im Rahmen des § 35 BauGB für beachtlich zu halten. Dafür ist nach der Rechtsprechung allerdings zumindest Voraussetzung, dass der Entwurf des Flächennutzungsplans im Sinne von § 33 BauGB "Planreife" erlangt hat. Flächennutzungsplanentwürfe können danach einem Außenbereichsvorhaben nur dann als die Zulässigkeit hindernder öffentlicher Belang entgegengehalten werden, wenn das Auslegungsverfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB bereits durchgeführt worden ist (vgl. Schrödter, a. a. O., § 35 Rdnr. 68 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 - 4 C 3.02 - und Beschluss vom 09.08.1976 - 4 B 153.75 - beide juris-online).

Die Stadtverordnetenversammlung der Klägerin hat am 22. März 2007 beschlossen, den Flächennutzungsplan um einen Teilflächennutzungsplan "Tierhaltungsanlagen, Mobilfunkanlagen, Vorrangflächen Tourismus/Erholung" zu ergänzen, die Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 BauGB fand mit Auslegung vom 23. Juni 2008 bis zum 25. Juli 2008 statt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 21. September 2007 (Entscheidung über die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens) hatte der Flächennutzungsplanentwurf noch nicht die Planreife erlangt, die es rechtfertigen könnte, auch die dort formulierten Planungsabsichten als zu berücksichtigende öffentliche Belange anzusehen. Auch insoweit kann den Ausführungen der Klägerin in dem Zulassungsschriftsatz nicht gefolgt werden.

Soweit die Klägerin schließlich ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung deshalb rügt, weil das Verwaltungsgericht § 36 Abs. 2 BauGB - rechtsfehlerhaft - dahingehend - einengend - ausgelegt habe, den Gemeinden würden durch § 36 Abs. 2 BauGB keine neuen Rechtskreise eröffnet, die sie jenseits der Verletzung eigener Rechte geltend machen könnten (Seite 10 UA), und in diesem Zusammenhang meint, § 36 BauGB eröffne den Gemeinden gerade die Möglichkeit, sich auch auf entgegenstehende öffentliche Belange zu berufen, die nicht von der gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie umfasst seien, kann dem nicht gefolgt werden.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 15. November 2006 (3 UZ 634/06) ausgeführt, dass die Gemeinde Rechtsschutz gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 BauGB nur erreichen kann, wenn sie geltend machen kann, durch den Ersetzungsakt gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt voraus, dass sie in einer durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Rechtsposition, vornehmlich der kommunalen Planungshoheit, verletzt ist, wobei die Anforderungen an die eigene Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nicht weiter zu fassen sind als bei der Anfechtung eines einen Dritten begünstigenden Verwaltungsaktes (Hess. VGH, Beschluss vom 15.11.2006 - 3 UZ 634/06 - in juris-online). Auch nach nochmaliger Befassung mit den Entscheidungen des OVG Berlin-Brandenburg vom 29. November 2005 (Beschluss vom 29.11.2005 - 2 S 115.05 - in juris-online), des VGH Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1997 (Urteil vom 19.12.1997 - 5 S 2735/95 - in juris-online) sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der genannten Thematik (u. a. Urteil vom 24.06.2004 - 4 C 11.03 -; Beschluss vom 10.01.2006 - 4 B 48.05 -, Beschluss vom 08.11.2008 - 4 B 25.08 - alle juris-online) hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass eine Aufhebung der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Sinne des § 36 BauGB nur dann in Betracht kommt, wenn die klagende Gemeinde eine subjektive Rechtsverletzung bezogen auf eines der gemäß Art. 28 Abs. 2 GG besonders geschützten Selbstverwaltungsrechte geltend machen kann.

Dabei ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass der Wortlaut von § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wonach das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden kann, scheinbar ihre Auffassung stützt, sie könne sich jenseits der ihr gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie auch auf weitere Beeinträchtigungen öffentlicher Belange berufen. So nennt § 35 Abs. 3 BauGB, auf den sich § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB von seinem Wortlaut ohne Beschränkung bezieht, eine ganze Reihe von Belangen, die nicht dem Selbstverwaltungsrecht der Gebietskörperschaften zuzuordnen sind, wie wasser-, abfall- , immissionsschutzrechtliche Belange, schädliche Umwelteinwirkungen, Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes etc.. Gleichwohl folgt der Senat dem Ansatz des OVG Berlin-Brandenburg, soweit die Gemeinde unter Berufung auf einen der in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange ihr Einvernehmen versagen dürfe, müsse es ihr auch möglich sein, sich unter Berufung auf diesen Grund gegen eine Baugenehmigung zu wehren, die unter Ersetzung ihres Einvernehmens erteilt worden ist (Beschluss vom 29. November 2005, a. a. O.), nicht.

Nach systematischer und nach teleologischer Auslegung von § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist die Verweisung auf die §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB - einschränkend - dahingehend zu konkretisieren, dass die Gebietskörperschaft ihr gemeindliches Einvernehmen nur aus den sich aus §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen und nur dann versagen darf, wenn die dort genannten Belange dem Schutz ihrer subjektiven, die Einvernehmensregelung begründenden (Planungs-)Rechte dienen und diese tatsächlich verletzt sind.

In Rechtsprechung und Literatur dürfte unstreitig sein, dass § 36 BauGB dem Schutz und der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit dient (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.2006 - 4 B 48.05 - in juris-online; BVerwG, Beschluss vom 11.08.2008 - 4 B 25.08 - in juris-online; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Stand Dezember 2006, § 36 Rdnr. 9 m. w. N.; Schrödter, BauGB, a. a. O., § 36 Rdnr. 1; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Auflage, München 2007, § 36 Rdnr. 1). Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, dass Gemeinden, die sich gegen sie belastende Maßnahmen zur Wehr setzen, nicht unter Hinweis auf ihre Planungshoheit oder ihre sonstigen Belange eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung fordern können. Auch Art. 62 Satz 1 Hess. Verfassung, wonach u.a. die Landschaft den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden genießt, vermittelt den Gemeinden keine so weitgehenden Befugnisse. Ihnen ist es verwehrt, etwa als gesamtverantwortlicher Wächter des Natur- und des sonstigen Umweltschutzes aufzutreten und als solcher Belange der Allgemeinheit zu wahren, die nicht speziell ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind (BVerwG, Urteil vom 24.06.2004 - 4 C 11.03 - in juris-online, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in seiner Entscheidung vom 11. August 2008 (- 4 B 25.08 - in juris-online) darauf hingewiesen, dass sich seine Feststellung, § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB begründe hinsichtlich der materiellen Planungshoheit keine Rechte, sondern setze sie vielmehr voraus, auf die dort entschiedene Verfahrenskonstellation eines planfeststellungsbedürftigen Vorhabens und die in diesem Zusammenhang relevanten Beteiligungsrechte der Gemeinde beziehe und daher keine Rückschlüsse auf die Rechtsposition der Gemeinde im Fall der Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erlaube. Sei der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet, entfalte sich dessen planungsrechtliche Schutzfunktion: Die vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde diene der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit, wobei die Frage, ob sich eine Gemeinde nur auf Belange berufen könne, die ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet seien, nicht entscheidungserheblich sei (BVerwG, Beschluss vom 11.08.2008 - 4 B 25.08 - a. a. O.). Auch unter Berücksichtigung dieser Aussagen ist gleichwohl davon auszugehen, dass ein subjektives Betroffensein der Gemeinde hinsichtlich der von ihr im Rahmen der Beteiligung nach § 36 BauGB aufgerufenen Belange zu fordern ist. Stellt man auf den Sinn und Zweck von § 36 BauGB, nämlich die Sicherung der Planungshoheit der Gemeinde ab, gebietet auch die teleologische Auslegung, der Gemeinde nur dann ein durchsetzbares Beteiligungsrecht zuzugestehen, soweit sie Belange aufrufen kann, die ihrer Planungshoheit zuzurechnen sind (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 36 Rdnr. 31; Schrödter, BauGB, Kommentar, a. a. O., § 36 Rdnr. 13). Würde der Gemeinde aufgrund des Wortlauts des § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ein umfassendes Prüfungsrecht hinsichtlich sämtlicher der in § 35 Abs. 3 BauGB genannten öffentlichen Belange zugesprochen, würde dies zu nachfolgenden Kompetenzkonflikten bei der Durchsetzung dieser vorgeblichen Rechtspositionen führen und der Einheit der Rechtsordnung widersprechen. Dem deutschen Rechtssystem ist das Institut der Popularklage fremd, was sich insbesondere aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt. Danach kann die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur dann begehrt werden, wenn der Kläger durch diesen in seinen Rechten verletzt ist. Insoweit gewährt § 36 Abs. 2 BauGB den Gebietskörperschaften tatsächlich keine - neuen - Rechte, sondern sichert deren Planungshoheit bei Verfahren gemäß den §§ 31, 34 und 35 BauGB. Die Gemeinden sollen in diesen Verfahren beteiligt und ihr Einvernehmen eingeholt werden, um sicherzustellen, dass sie ihren planungshoheitlichen Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen können. Darüber hinausgehende Rechte, etwa Prüfungsrechte hinsichtlich fachbehördlich zugeordneter öffentlicher Belange, können damit schon deshalb nicht gemeint sein, weil weder das BauGB noch die Fachgesetze "Konfliktregelungen" dafür enthalten, wie im Fall einer Divergenz zwischen Fachbehörde und Gemeinde zu verfahren wäre.

Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne sich lediglich auf Belange berufen, die ihrer Planungshoheit zuzuordnen sind, so dass die von der Klägerin beanstandete, angeblich materiell fehlerhafte Beurteilung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Belange Artenschutz, Naturschutz, Denkmalschutz nicht entscheidungserheblich ist.

Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt.

Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob es für die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausreichend ist, dass mehr als 90 % des Futters auf Pachtland erzeugt werden, ist bereits deshalb nicht - mehr - grundsätzlich klärungsbedürftig, da hierzu obergerichtliche Rechtsprechung bereits vorliegt. Nach der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es ausreichend, dass die Flächen zur Bodenertragsnutzung, in diesem Fall zur Futterherstellung, zu mehr als 50 % im Eigentum des Landwirtes stehen oder zumindest langfristig gepachtet sein müssen (vgl. Schrödter, BauGB, Kommentar, a. a. O., § 201 Rdnr. 4 mit Rechtsprechungsnachweisen). Weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf hat die Klägerin nicht dargelegt.

Soweit die Klägerin die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob sich eine Gemeinde im Rahmen der Versagung des Einvernehmens nach § 36 BauGB auf Belange des Naturschutzes berufen kann und ob dieser öffentliche Belang im Rahmen der Ersetzung des Einvernehmens wehrfähig ist, besteht ebenfalls kein grundsätzlicher Klärungsbedarf (mehr), da der Senat sich in mehreren Entscheidungen mit dieser Rechtsfrage befasst hat und auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Berufungsverfahren keine weitere Klärung der von der Klägerin formulierten Frage erwarten lässt.

Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt bereits an der Gegenüberstellung der abstrakten Rechtssätze, die die Divergenz begründen sollen. Soweit sich die Klägerin auf Divergenz zu der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte beruft, kann dies eine Divergenz zu der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Übrigen nicht begründen. Hinsichtlich einer vermeintlichen Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Auslegung des Begriffs der Landwirtschaft vergisst die Klägerin, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht nur das Eigentum des Landwirts an den Futterflächen für ausreichend hält, sondern ebenso langfristige Pachtverträge, die im Fall des Beigeladenen gegeben sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind aus Billigkeitsgründen nicht erstattungsfähig, zumal er einen Antrag nicht gestellt hat (Bl. 238 GA) und sich damit nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Bei der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Vorinstanz (§§ 52 Abs. 1, 47 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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