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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2009
Aktenzeichen: 3 A 1584/08
Rechtsgebiete: Stellplatz- und Ablösesatzung der Stadt Pohlheim, GG, HBO


Vorschriften:

Stellplatz- und Ablösesatzung der Stadt Pohlheim § 5
GG Art. 3
GG Art. 20 Abs. 3
HBO § 44
1. Die Regelung einer Stellplatz- und Ablösesatzung, nach der 100 % der Herstellungskosten sowie der Kosten der mittleren Bodenrichtwerte als Ablösebetrag veranlagt werden, verstößt weder gegen das Übermaßverbot noch gegen das Gleichbehandlungsgebot.

2. Weder die 60 %-Regelung, die auf die Fassung der HBO 1977 zurückgeht und die mit der HBO-Novellierung 1993 aufgehoben wurde, noch die in der Kommentarliteratur bevorzugte 80 %-Regelung der Höhe der Ablösebeträge sind wegen höherrangigen Rechts, insbesondere wegen des Übermaßverbotes, geboten.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 A 1584/08

Verkündet am 14.07.2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts (Stellplatzablösebeträge)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume Richterin am Hess. VGH Lehmann Richter am VG Darmstadt Griebeling (abgeordneter Richter) ehrenamtlicher Richter Fischer ehrenamtliche Richterin Lipschik

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3. September 2007 - 1 E 3950/06 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Entscheidung ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten geltend gemachten Stellplatzablösebeträge.

Die Kläger beantragten bei der unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Gießen eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Textilmarktes im Erdgeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück in Pohlheim Flur ..., Flurstück .../1 (xxxxxxxxxx) in der Gemarkung Holzheim mit einer Verkaufsfläche von 116,69 qm in einen Drogeriemarkt. Die Beklagte erteilte hierzu unter dem 14. Oktober 2003 ihr gemeindliches Einvernehmen und forderte von den Klägern mit Bescheid vom gleichen Tag einen Stellplatzablösebetrag nach den Regelungen ihrer Stellplatzsatzung für 6 Stellplätze von zusammen 24.810,73 € (6 x 5.135,12 € = 8.100,00 DM), da auf dem Baugrundstück keine Stellplätze errichtet werden können. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 3. November 2003 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründeten, die Beklagte habe auf Grund der ländlichen Struktur von Holzheim keine Stellplatzsatzung erlassen dürfen, da dort kein besonderer Stellplatzbedarf bestehe, auch sei die festgelegte Höhe der Ablösebeträge unangemessen, wodurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt werde. Die dem Bescheid zugrunde liegende Stellplatzsatzung der Beklagten sei unwirksam, so dass der Bescheid nicht auf sie gestützt werden könne.

Bereits mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 reduzierte die Beklagte im Rahmen des Abhilfeverfahrens die geforderte Ablösung auf 12.405,36 € (4.135,12 € x 3) und wies darauf hin, dass dem Widerspruch im Übrigen nicht abgeholfen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2006 setzte die Beklagte den Ablösebetrag erneut auf 12.405,36 € (4.135,12 € x 3) fest und wies den darüber hinausgehenden Widerspruch zurück.

Am 27. November 2006 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, der Bescheid sei ohne Rechtsgrundlage ergangen, da die Stellplatz- und Ablösesatzung der Beklagten vom 19. Mai 1995 in der Fassung vom 1. Januar 2002 gemäß § 79 Abs. 2 HBO 2002 insgesamt nicht fortgelte. Die Stellplatzsatzung widerspreche § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO. Dies ergebe sich daraus, dass Stellplatzsatzungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 6 (gemeint wohl: Nr. 8) HBO bei einer Änderung oder Nutzungsänderung bereits bestehender Anlagen nur die Herstellungs- bzw. Ablösepflicht für den Mehrbedarf bestimmen dürften. Die Stellplatzsatzung der Beklagten gehe darüber hinaus, da sie in § 1 Nr. 3 wesentliche Änderungen oder wesentliche Nutzungsänderungen der Errichtung von Anlagen gleichstelle, und ein Rückgriff auf § 1 Nr. 4 , der nur den Mehrbedarf erfasse, nicht zulässig sei. Darüber hinaus sei eine Stellplatzherstellungs- und eine damit verbundene Ablösepflicht in dem ländlich geprägten Stadtteil Holzheim nicht erforderlich und verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, es sei ausreichend Parkraum vorhanden. Zudem verstoße die Festsetzung von 100 % der Herstellungskosten eines Stellplatzes als Ablösebetrag in § 5 der Stellplatzsatzung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Schließlich sei ein Mehrbedarf von 3 Stellplätzen nicht erkennbar und nicht nachgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 3. September 2007 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides dahingehend abgeändert, dass sie nur noch für 2 Stellplätze eine Ablösung in Höhe von zusammen 8.270,24 € (4.135,12 € x 2) von den Klägern begehrt. Hinsichtlich des nicht mehr geforderten Ablösebetrags für einen 3. Stellplatz haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das daraufhin abgetrennte Verfahren ist mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2007 eingestellt worden (1 E 1957/07, Bl. 132 Gerichtsakte - GA - ).

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. Oktober 2006 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Kläger im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie räumt ein, dass § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung anders als § 1 Nr. 4 der Stellplatzsatzung, auf den der Bescheid gestützt sei, nicht mit § 44 HBO in Einklang stehe. Ihr stehe hinsichtlich des Erlasses einer Stellplatzsatzung ein weiter Ermessensspielraum zu; im Widerspruchsbescheid sei die Erforderlichkeit der Schaffung von Stellplätzen dargelegt. § 5 der Stellplatzsatzung mit der Festsetzung von 100 % der Herstellungskosten sei rechtmäßig, da § 44 HBO keine Begrenzung des Ablösungsbetrages (mehr) vorschreibe.

Mit Urteil vom 3. September 2007 hat das Verwaltungsgericht Gießen den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des (abgeänderten) Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne die Ablösebeträge von den Klägern nicht verlangen, da die maßgeblichen Bestimmungen der Stellplatzsatzung nichtig seien. § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung gelte gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 HBO nicht fort, da er § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO widerspreche. Ein Rückgriff auf § 1 Nr. 4 der Stellplatzsatzung sei nicht zulässig, da es sich dabei um einen Auffangtatbestand handele, auf den, wenn - wie hier - § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung dem Grunde nach einschlägig sei, nicht zurückgegriffen werden dürfe. Auch § 5 der Stellplatzsatzung gelte nicht fort und sei unwirksam. Zwar treffe § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 HBO keine Aussage zu der Höhe des Ablösebetrages, womit den Gemeinden ein weiter Handlungsspielraum eröffnet sei, der nur durch verfassungsrechtliche Grundsätze und durch Sinn und Zweck der Stellplatzablöseregelung eingeschränkt werde. Eine ausdrückliche Begrenzung, wie sie bis 1990 noch § 67 Abs. 7 Satz 5 der HBO vom 16.12.1977 (GVBl. 1978 I S. 1) mit 60 % der durchschnittlichen Herstellungskosten und des Grundstücksbodenwerts enthalten habe, bestehe nicht mehr. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Übermaßver- und Gleichbehandlungsgebotes dürfe eine Bauherrschaft durch die Verpflichtung, eine Ablösung zu zahlen, finanziell nicht schlechter gestellt werden, als sie es im Falle der Herstellung der Stellfläche durch die durchschnittlich anfallenden Kosten wäre. Prozentuale Abschläge in Höhe von 40 % der durchschnittlichen Herstellungskosten seien in der Praxis üblich, die Obergrenze dürfte ein Abschlag in Höhe von 20 % der durchschnittlichen Herstellungskosten bilden. Die Veranlagung zu 100 % der Herstellungskosten sowie des Bodenwertes als Ablösebetrag stelle eine Verletzung des Übermaßver- sowie des Gleichbehandlungsgebots dar.

Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juli 2008 - 3 UZ 2160/07 - die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (Bl. 193 GA).

Zur Berufungsbegründung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei sie aufgrund der von ihr nicht in Abrede gestellten Unwirksamkeit von § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung nicht gehindert, bei Nutzungsänderungen auf die allgemeine Vorschrift des § 1 Nr. 4 der Stellplatzsatzung zurückzugreifen, der mit § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO in Einklang stehe. Da die von den Klägern durchgeführte Nutzungsänderung dem Begriff der "sonstigen" Änderungen unterfalle, könne sie ihr Ablöseverlangen auf § 1 Nr. 4 der Stellplatzsatzung stützen. Dabei sei die Ablösung für die jetzt noch geforderten zwei Stellplätze wie folgt errechnet worden: Zunächst sei fiktiv der Stellplatzbedarf für das mit Bauschein Nr. 1763/64 vom 28. April 1965 genehmigte Textilhandelsgeschäft berechnet worden. Das Textilhandelsgeschäft sei in die Kategorie "Geschäftshäuser mit geringem Besucher/innen-Verkehr" eingeordnet worden und gemäß Ziffer 3.2 der Anlage 1 zur Stellplatz- und Ablösesatzung mit zwei Stellplätzen veranlagt worden. Die beantragte Nutzungsänderung in einen Drogeriemarkt sei unter Nr. 3 "Verkaufsstätten" eingeordnet worden, wobei es sich nunmehr nicht mehr um ein Geschäftshaus mit "geringem Besucherverkehr" handele, sondern in die allgemeine Kategorie der Nr. 3.1 "Läden, Geschäftshäuser" einzuordnen sei, was zu dem geforderten Mehrbedarf von zwei Stellplätzen führe.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei § 5 der Stellplatzsatzung mit höherrangigem Recht vereinbar. Die mit der HBO-Novelle 1993 aufgehobene Begrenzung des Ablösebetrags auf 60 % der Herstellungskosten zeige, dass der Gesetzgeber keine Obergrenze mehr habe setzen wollen. Die Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen verfassungsrechtlichem Übermaßverbot und Gleichbehandlungsgebot finde nicht auf der Ebene der Höhe des Ablösebetrages statt, sondern im Rahmen der Verwendung von eingenommenen Ablösebeträgen. Denn nach § 44 Abs. 2 Satz 2 HBO müsse die Verwendung des Geldbetrages für die Erreichbarkeit des Bauvorhabens, das die Zahlungspflicht auslöse, einen Vorteil bewirken, wodurch sichergestellt sei, dass die Bauherrschaft zwar keinen individuellen Vorteil wie bei eigener Herstellung der Stellplätze erlange, aber einen abstrakten für die Erreichbarkeit des Bauvorhabens. Dieser Sachverhalt zwinge nicht dazu, bei der Höhe des Ablösebetrages hinter den tatsächlich anfallenden Herstellungskosten zu bleiben, da der durch das Bauvorhaben ausgelöste Verkehr mangels eigener Stellplätze zwingend Parkeinrichtungen bzw. Straßen der Berufungsklägerin nutzen müsse. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würde die Anordnung eines Abschlags sogar gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, da der Bauherr mit der Ablösung nicht nur die Kosten für die Herstellung eigener Stellplätze erspare, sondern die betroffenen Flächen für die eigentlichen Zwecke seines Bauvorhabens nutzen könne und daher einen Vorteil erlange, der in der Regel selbst die 100-prozentigen Herstellungskosten übersteige. Tatsächlich bestehe gerade bei Ladengeschäften nicht zwingend ein individuelles Nutzungsinteresse an Stellplätzen, da es dem Ladeninhaber lediglich darauf ankomme, dass Kunden ihren PKW möglichst nah und problemlos abstellen könnten. Durch die Vorhaltung von eigenen Stellplätzen würden nicht nur Vorteile geschaffen, sondern auch rechtliche Nachteile entstehen, da den Eigentümer bzw. Mieter Instandhaltungs-, Säuberungs- und Verkehrssicherungspflichten träfen, die auch ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko beinhalteten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3. September 2007 - 1 E 3950/06 - abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, es sei aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen mit der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz unvereinbar, wenn sich die Beklagte auf den Standpunkt stelle, der unstreitig nichtige Teil der Stellplatzsatzung, der von dem Satzungsgeber jedoch so gewollt gewesen sei, sei ohne jede rechtliche Relevanz. Bei Unwirksamkeit des § 1 Nr. 3 der Stellplatz- und Ablösesatzung sei ein Rückgriff auf § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und Ablösesatzung unzulässig. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, eine unwirksame Regelung könne keine Geltung mehr haben und daher auch nicht zur Auslegung einer fortgeltenden anderen Vorschrift herangezogen werden, sei rechtsfehlerhaft. Der Wille des Satzungsgebers, der bei dem Erlass der Satzung bestanden habe und für das Zusammenspiel der einzelnen Vorschriften maßgeblich gewesen sei, könne nicht durch die Unwirksamkeit einzelner Satzungsteile in sein Gegenteil verkehrt werden. Dies widerspreche bereits dem Bestimmtheitsgebot.

Hinsichtlich der Berechnung des angeblichen Mehrbedarf sei darauf hinzuweisen, dass bei Erwerb der Immobilie durch die Kläger der Drogeriemarkt seit langem betrieben worden sei. Der Bauantrag, mit dem die Kläger die vorhandene Nutzung hätten legalisieren wollen, habe daher nicht zu einem tatsächlichen Mehrbedarf an Stellplätzen geführt. Nachdem die Beklagte eingeräumt habe, ihr lägen keine Erkenntnisse über die ursprüngliche Nutzung des Textilmarktes vor, könne sie auch keinen Vergleich zwischen der ursprünglichen Nutzung des Textilmarktes und der Nutzung als Drogeriemarkt angestellt haben, der die Nachforderung rechtfertigen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten (7 Aktenhefte) Bezug genommen, die insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Klage ist unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3. September 2007 - 1 E 3950/06 - abzuweisen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gießen am 3. September 2007 abgeänderten Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides vom 14. Oktober 2003 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung am 3. September 2007 geänderten Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 sind die §§ 44, 79 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274) - HBO - in der Fassung vom 06.09.2007 (GVBl. I S. 548) i.V.m. den §§ 1 Nr. 4, 5 der Satzung der Stadt Pohlheim über die Stellplatzpflicht sowie die Gestaltung, Größe, Zahl der Stellplätze und der Garagen und die Ablösung der Stellplätze für Kraftfahrzeuge vom 19. Mai 1995, geändert am 2. Februar 2001 und 22. Juni 2001 - Stellplatz- und Ablösesatzung -.

Gemäß § 44 Abs. 1 HBO legen die Gemeinden unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse fest, ob und in welchem Umfang bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen oder sonstigen Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, geeignete Garagen oder Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellplätze für Fahrräder errichtet werden müssen, um den Erfordernissen des ruhenden Verkehrs zu genügen (notwendige Garagen, Stellplätze und Abstellplätze). Sie können insoweit durch Satzung regeln

1. die Herstellungspflicht bei Errichtung der Anlagen,

2. die Herstellungspflicht des Mehrbedarfs bei Änderungen oder Nutzungsänderungen der Anlagen, ....

8. die Ablösung der Herstellungspflicht in den Fällen der Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 durch Zahlung eines in der Satzung festzulegenden Geldbetrages an die Gemeinde.

Macht die Gemeinde von der Satzungsermäßigung nach Satz 2 Nr. 1 bis 4 Gebrauch, hat sie in der Satzung Standort sowie Größe, Zahl und Beschaffenheit der notwendigen Garagen, Stellplätze und Abstellplätze unter Berücksichtigung von Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Fahrzeuge und Personen zu bestimmen, die die Anlagen ständig benutzen oder sie besuchen. ...

In einer Satzung nach Satz 2 Nr. 8 kann die Gemeinde die Voraussetzungen der Ablösung näher bestimmen.

Gemäß der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 HBO gelten Rechtsverordnungen, die aufgrund einer früher geltenden Hessischen Bauordnung erlassen sind, soweit sie diesem Gesetz nicht widersprechen, als aufgrund dieses Gesetzes erlassen, wobei nach Satz 2 das gleiche für Satzungen und Anordnungen gilt, die aufgrund einer früher geltenden Hessischen Bauordnung ergangen sind. Danach gilt § 1 Nr. 3 der Stellplatz- und Ablösesatzung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO nicht fort, da er bei Nutzungsänderungen nicht, wie § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO vorgibt, lediglich den durch die Nutzungsänderung verursachten Mehrbedarf veranlagt, sondern diese der erstmaligen Errichtung gleichstellt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sowie der Kläger hat dies jedoch nicht zur Folge, dass der Beklagten ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und Ablösesatzung verwehrt ist. Der Grundsatz lex speziales derogat legi generali greift nicht, da § 1 Nr. 3 der Stellplatz- und Ablösesatzung aufgrund der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 HBO als rechtlich nicht existent zu behandeln ist und einem Rückgriff auf § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und Ablösesatzung rechtlich nicht - mehr - im Wege steht. Dabei kommt dem ursprünglichen Willen des Satzungsgebers nicht die Bedeutung zu, die ihm die Kläger zukommen lassen wollen. Der Satzungsgeber hat ursprünglich eine Spezialregelung für Nutzungsänderungen durch § 1 Nr. 3 der Stellplatz- und Ablösesatzung schaffen wollen und gerade auch diesen Lebenssachverhalt der Stellplatz- und Ablösepflicht unterwerfen wollen. Es entspräche daher gerade nicht dem ursprünglichen Willen des Satzungsgebers, bei Unwirksamwerden der Spezialregelung einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und Ablösesatzung für unzulässig zu erachten. Im Übrigen würde dies auch Sinn und Zweck der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 HBO zuwiderlaufen, die gewährleisten soll, dass durch neue Regelungen in der Bauordnung hierauf fußende Rechtsverordnungen und Satzungen Bestand haben, soweit sie den neueren Vorschriften der HBO nicht widersprechen.

Die Heranziehung zu dem Ablösebetrag ist auch im Übrigen, insbesondere der Höhe nach, gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sowie der Kläger verstößt die in § 5 der Stellplatz- und Ablösesatzung vorgesehene Veranlagung zu 100 % der Herstellungskosten sowie der Kosten der mittleren Bodenrichtwerte weder gegen das Übermaßver- noch gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Zwar vertreten Allgeier/von Lutzau, Hornmann sowie Schröer in ihren Kommentierungen zur Hessischen Bauordnung, es handele sich, soweit dem Ablösepflichtigen kein unmittelbares Nutzungsrecht eingeräumt werde, bei einem Anteil von 80 % der Herstellungs- und Grundstückskosten um die verfassungsrechtlich gebotene Obergrenze (vgl. Allgeier/von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, 7. Auflage, B-Stadt 2003, § 44 S. 326; Hornmann, Hessische Bauordnung, Kommentar, Frankfurt am Main 2004, § 44 Rdnr. 148; wohl auch Schröer in Rasch/Schaetzell, Hessische Bauordnung, Stand Februar 2009, § 44 Rdnr. 2.1.2.8), da Gemeinden nicht einen erheblichen Teil ihrer Kosten für Parkeinrichtungen, die sie selbst errichten oder deren Bau sie finanziell fördern, auf die zur Ablösezahlung verpflichtete Bauherrschaft abwälzen dürften (Hornmann, a.a.O., § 44 Rdnr. 148;).

Dem folgt der Senat nicht.

Weder die 60-Prozent-Regelung, die auf die Fassung der HBO 1977 zurückgeht und die mit der HBO-Novellierung 1993 aufgehoben wurde, noch die von Hornmann und Allgeier/von Lutzau als Obergrenze bezeichnete 80-Prozent-Regelung, der Schröer als der kommunalen Praxis entsprechende Obergrenze zugestimmt hat, sind wegen höherrangigen Rechts, insbesondere wegen des Übermaßverbotes, geboten. Dabei ergeben sich zunächst weder aus der amtlichen Begründung zur Hessischen Bauordnung in der Fassung vom 16. Dezember 1977 (GVBl. 1978 I S. 1) noch zu der vom 20. Dezember 1993 (GVBl. I S. 655) die für den Gesetzgeber maßgeblichen Beweggründe für eine derartige Begrenzung des Ablösebetrages.

Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 16.09.2004 - 4 C 5/03 - in juris online) hat zu einer zwar nicht identischen, im maßgeblichen Bereich jedoch vergleichbaren Regelung der Hamburger Bauordnung (HBauO) zur Ausgleichsabgabe für Stellplätze und Fahrradplätze im Wesentlichen ausgeführt:

"Das Grundgesetz schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nicht von vornherein aus, da es keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen enthält. Trotz dieser Offenheit lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die grundgesetzliche Finanzverfassung ihren Sinn und ihre Funktion verlöre, wenn unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln beliebig nichtsteuerliche Abgaben begründet werden könnten. Besonders strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterwirft das Bundesverfassungsgericht Sonderabgaben, die ähnlich belastend wie Steuern wirken. Hierzu gehören Sonderabgaben, die Finanzierungszwecken dienen. Von Abgaben dieses Typs darf der Gesetzgeber nur zur Erreichung eines Sachzwecks Gebrauch machen, der über die Mittelbeschaffung als solche hinausgeht. Zu den weiteren Erfordernissen gehört, unabhängig davon, ob die Finanzierung als Haupt- oder Nebenzweck eine Rolle spielt, dass mit der Abgabe nur eine homogene Gruppe belegt werden darf, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht. Hinzu kommen muss ferner, dass das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 - BVerfGE 55, 274 <305>; Beschlüsse vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82 u.a. - BVerfGE 75, 108 <147 f.>, vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. - BVerfGE 82, 159 <178 ff.>, vom 11. Oktober 1994 - 2 BvR 633/86 - BVerfGE 91, 186 <201 ff.> und vom 9. November 1999 - 2 BvL 5/95 - BVerfGE 101, 141 <147 f.>). Sonderabgaben, die nicht zur Finanzierung einer bestimmten Aufgabe erhoben werden, unterliegen dagegen weniger strengen Anforderungen. Unbedenklich sind sie, unabhängig davon, ob sie im Einzelnen durch ein Gegenleistungsverhältnis gekennzeichnet sind (vgl. BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 u.a. - BVerfGE 81, 156 <186 ff.> und vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <17>; Beschlüsse vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <226>, vom 8. Juni 1988 - 2 BvL 9/85 u.a. - BVerfGE 78, 249 <267> und vom 12. Oktober 1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207 <223>), eine Lenkungsfunktion erfüllen (vgl. BVerfG, Urteile vom 26. Mai 1981 - 1 BvL 56/78 u.a. - BVerfGE 57, 139 <167 f.> und vom 6. November 1984 - 2 BvL 19/83 u.a. - BVerfGE 67, 256 <277 f.>; Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - BVerfGE 92, 91 <117 f.>) oder einem Ausgleichszweck dienen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. November 1984 - 2 BvL 19/83 u.a. - a.a.O. <277>; Beschlüsse vom 17. Oktober 1961 - 1 BvL 5/61 - BVerfGE 13, 167 <170> und vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - a.a.O. 116 ff.), jedenfalls dann, wenn sie drei finanzverfassungsrechtlichen Grundprinzipien entsprechen, durch die der Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben allgemein Grenzen gesetzt werden: (1.) Zur Wahrung der Geltungskraft der Finanzverfassung bedürfen solche Abgaben einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden. (2.) Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerschuldner. Schon als solcher wird er zur Finanzierung der Lasten herangezogen, die die Gemeinschaft treffen. (3.) Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets organisiert (BVerfG, Beschlüsse vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <342 ff.> und vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <215 ff.>).

Der Senat hat den Ausgleichsbetrag nach § 65 Abs. 4 HBauO a.F., der unter den gleichen Voraussetzungen wie der Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HBauO erhoben wurde, an den Anforderungen gemessen, die an eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion zu stellen sind und nach dem seinerzeitigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als zulässige nichtsteuerliche Sonderabgabe qualifiziert. Er hat die zur Zahlung verpflichteten Bauherrn als homogene gesellschaftliche Gruppe gekennzeichnet, die für die Erreichung des mit der Abgabe verfolgten Zwecks aufgrund ihrer größeren Sachnähe besondere Verantwortung trägt. Außerdem hat er dem hamburgischen Gesetzgeber bescheinigt, Vorsorge dafür getroffen zu haben, dass das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 1985 - BVerwG 4 C 10.81 - a.a.O.). Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung abgerückt. Nach seiner Auffassung bedarf es nicht des Nachweises, dass die strengen Anforderungen erfüllt sind, denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion unterliegen. Insbesondere kommt es nach seiner Einschätzung nicht darauf an, ob die Bauherren als homogene gesellschaftliche Gruppe eine besondere Verantwortung für die Erfüllung des Abgabenzwecks tragen und die Ausgleichsbeträge gruppennützig verwendet werden. Auf der Grundlage seiner Auslegung des hier maßgebenden Landesrechts erweist sich diese rechtliche Sicht als zutreffend.

Das Berufungsgericht kennzeichnet die Geldleistung, die nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HBauO zu erbringen ist, als eine Abgabe, bei der die Finanzierung der vom Gesetzgeber genannten Maßnahmen weder Haupt- noch Nebenzweck ist. Die Abgabenerhebung diene nicht der Erzielung von Einnahmen zur Deckung des Finanzbedarfs, der nach der Zweckbindungsklausel des § 49 Abs. 2 HBauO durch den Erwerb von Flächen sowie zur Herstellung, Unterhaltung, Grundinstandsetzung und Modernisierung von baulichen Anlagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb öffentlicher Straßen und von Fahrrädern, Verbindungen zwischen Parkeinrichtungen und Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs, Parkleitsystemen und anderen Einrichtungen zur Verringerung des Parksuchverkehrs sowie für sonstige Maßnahmen zugunsten des ruhenden Verkehrs sowie Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs und von öffentlichen Radverkehrsanlagen ausgelöst wird. Vielmehr vereine der Ausgleichsbetrag in sich Elemente, die es rechtfertigen, ihm neben seinem Surrogatcharakter eine Ausgleichsfunktion zuzuerkennen. Auch eine Gegenleistungskomponente sei ihm nicht fremd.

Der so gekennzeichnete Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 HBauO ist aus Sachgründen gerechtfertigt. Die Zahlungsverpflichtung tritt an die Stelle der durch § 48 Abs. 1 HBauO begründeten Naturalverpflichtung, Stellplätze herzustellen. Nur wenn der Bauherr außer Stande ist, Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch den seinem Bauvorhaben zurechenbaren ruhenden Kraftfahrzeugverkehr außerhalb des öffentlichen Straßenraums durch Vorkehrungen auf dem Baugrundstück oder auf einem Grundstück in der Nähe vorzubeugen, darf er zu einem Ausgleichsbetrag herangezogen werden. Die Geldleistungspflicht dient indes nicht lediglich dazu, die Primärpflicht abzulösen. Sie hat auch eine Ausgleichsfunktion, die sie in die Nähe herkömmlicher Ersatzgeldregelungen rückt (vgl. insoweit zur Feuerwehrabgabe: BVerfG, Urteil vom 6. November 1984 - 2 BvL 19/83 u.a. - a.a.O. <277>; Beschluss vom 17. Oktober 1961 - 1 BvL 5/61 - a.a.O. <172>; zur naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe: BVerwG, Urteile vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 50.83 - BVerwGE 74, 308 <309 ff.> und vom 20. Januar 1989 - BVerwG 4 C 15.87 - BVerwGE 81, 220 <225 f.>). Sie verhindert nämlich, dass ein Bauherr, der nicht in der Lage ist, seiner Naturalpflicht zu genügen, wirtschaftlich besser dasteht als derjenige, der die für das Vorhaben notwendigen Stellplätze mit entsprechendem Kostenaufwand herstellt. Der Bauherr hat lediglich das finanzielle Opfer zu erbringen, das ihm aufgrund der gesetzlichen Stellplatzpflicht ohnehin abverlangt wird. Um den sonst unvermeidlichen Kostenverzerrungen vorzubeugen, wird mit dem Ausgleichsbetrag gleichsam die Kostenersparnis abgeschöpft. Die Abgabenhöhe orientiert sich an den Aufwendungen, die für die nicht herstellbaren Stellplätze zu leisten gewesen wären. Der Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HBauO enthält zudem, wenn auch nur mittelbar, ein Element der Gegenleistung. Wie der Bauherr plant, bleibt seine Sache. Von seiner Entscheidung hängt es ab, ob sein Bauvorhaben einen Stellplatzbedarf auslöst oder nicht. Kann er dem gesetzlichen Zulässigkeitserfordernis der Herstellung notwendiger Stellplätze nicht genügen, so liefe er Gefahr, mit seinen Bauplänen zu scheitern. Mit dem Mittel der Ablösung eröffnet der Gesetzgeber ihm die Möglichkeit, ein Bauvorhaben zu verwirklichen, das sonst allenfalls unter den engen Voraussetzungen der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung zulassungsfähig wäre.

§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HBauO genügt auch dem Grundsatz der Belastungsgleichheit. Die Zahlungspflicht tritt an die Stelle der nicht erfüllbaren Stellplatzpflicht. Diese Pflicht aber trifft den Bauherrn, der in § 54 Abs. 1 HBauO als diejenige Person definiert wird, die auf eigene Verantwortung eine bauliche Anlage vorbereitet oder ausführt oder vorbereiten oder ausführen lässt. Der innere Zusammenhang, den der Gesetzgeber durch das Surrogatverhältnis zwischen Primär- und Sekundärpflicht herstellt, würde es nicht bloß unzweckmäßig, sondern geradezu rechtlich bedenklich erscheinen lassen, den Adressatenkreis unterschiedlich zu bestimmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann es nicht darauf ankommen, von wem die bauliche Anlage finanziert, verwertet oder genutzt werden soll. Hierbei handelt es sich weithin um Vorgänge, in die die Bauordnungsbehörde keinen Einblick hat. Ebenso wenig ist darauf abzustellen, ob der Bauherr Eigentümer, sonstiger dinglich Berechtigter, Pächter oder Mieter des Baugrundstücks ist. Der Gesetzgeber misst diesen Unterscheidungen augenscheinlich nicht die Bedeutung eines Abgrenzungsmerkmals bei. Ein "bloß" obligatorisch Berechtigter, der der Bauordnungsbehörde gegenüber als Bauherr auftritt, dokumentiert durch sein Verhalten in einer einem Eigentümer vergleichbaren Weise, dass er ein eigenes Interesse an der Verwirklichung des Bauvorhabens hat, auch wenn ihm hierfür nur fremder Grund und Boden zur Verfügung steht. Wieso dem nicht die gleiche Pflichtenstellung sollte korrespondieren dürfen, ist nicht ersichtlich. Für den durch das Bauvorhaben erzeugten ruhenden Verkehr trägt ein Bauherr nicht deshalb geringere Verantwortung, weil er bloß Mieter ist.

Unschädlich ist, dass die Geldmittel, die der Beklagten in Gestalt der Ausgleichsbeträge zufließen, nicht zum unmittelbaren Nutzen des jeweiligen Bauherrn verwendet werden. § 49 Abs. 2 HBauO sieht zwar eine Zweckbindung vor. Die Maßnahmen, die in dieser Bestimmung aufgezählt werden, dienen aber nicht ausschließlich dazu, den vom Bauherrn nicht befriedigten Stellplatzbedarf an anderer Stelle, gar in der Nähe des Baugrundstücks, zu decken. Der Erhebung von Ausgleichsbeträgen mag ursprünglich die Konzeption zugrunde gelegen haben, in der Nachbarschaft des Baugrundstücks Stellplätze herzustellen und dem Bauherrn zur Nutzung zu überlassen. Schon unter der Geltung des § 65 Abs. 4 HBauO a.F. hatte der Gesetzgeber sich indes von dieser Sichtweise gelöst. Wie aus den Gründen der Senatsentscheidung vom 30. August 1985 - BVerwG 4 C 10.81 - (a.a.O.) zu ersehen ist, wurde der Ausgleichsbetrag "zur Schaffung von Stellplätzen 'irgendwo' im Stadtgebiet" verwendet. Nach der Neuregelung kann vollends keine Rede mehr davon sein, dass der Bauherr statt des Stellplatzes auf seinem Grundstück ein Stellplatzäquivalent an einer anderen Stelle erhält. Denn im Rahmen der in § 49 Abs. 2 HBauO genannten Verwendungszwecke spielt der Gesichtspunkt des gleichartigen Ersatzes an anderem Ort nunmehr eine untergeordnete Rolle. Die in dieser Vorschrift enthaltene Aufzählung hat nach der Darstellung des Berufungsgerichts lediglich den Sinn, "einen hinreichenden Bezug zu dem Grund zu wahren", aus dem die Beträge eingenommen werden (UA S. 26). Mit dem Maßnahmenkatalog des § 49 Abs. 2 HBauO zielt der Gesetzgeber in Weiterführung des Gedankens, der der Stellplatzpflicht zugrunde liegt, darauf ab, das öffentliche Straßenverkehrsnetz aufs Ganze betrachtet zu entlasten. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei diesem Konzept offen bleibt, ob die Entlastungswirkung auch auf die Verkehrsverhältnisse in der Nähe des Baugrundstücks durchschlägt. Da der Gesetzgeber mit dem Ausgleichsbetrag keinen Finanzierungszweck verfolgt, kommt es nicht darauf an, dass die Mittel für Maßnahmen verwendet werden, die durch das Merkmal der Gruppennützigkeit gekennzeichnet sind."

Unter Anlegung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, ist vorliegend weder ein Verstoß gegen das aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Übermaßverbot noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) zu erkennen.

Die Stellplatzablöseverpflichtung stellt auch nach den Regelungen der Hessischen Bauordnung Surrogat und Ausgleich für die eigentlich zu erbringende Stellplatzherstellung dar. Dabei ist unter Zugrundelegung der Ausführungen des BVerwG in seiner Entscheidung vom 16. September 2004 (4 C 5/03) unerheblich, ob den herstellungs- bzw. ablösepflichtigen Eigentümern oder Nutzungsberechtigten ein individuelles Nutzungsrecht eingeräumt wird, dies zum einen, weil die Ablöseverpflichtung lediglich den Ausgleich für die ohnehin von ihnen zu erfüllende Herstellungspflicht ist, zum anderen § 44 Abs. 2 HBO auch anderen Maßnahmen dient, die die individuelle Nutzbarkeit eines Stellplatzes nicht voraussetzen und schließlich, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, den Ablöseverpflichteten ein Vorteil ausreichend dadurch eingeräumt ist, dass nach § 44 Abs. 2 Satz 2 HBO die Verwendung des Geldbetrages für die Erreichbarkeit des Bauvorhabens, das die Zahlungspflicht auslöst, einen Vorteil bewirken muss. Im Übrigen verkürzen die Kläger die Frage einer unzulässigen Ungleichbehandlung unzulässig auf die Frage der individuellen Nutzbarkeit der Stellplätze, ohne ebenfalls die durch Zahlung des Ablösebetrages und Nicht- Herstellung der Stellplätze ihnen zufließenden Vorteile mit einzustellen, die jedoch im Ergebnis die Höhe des Ablösebetrages rechtfertigen. So werden die Kläger bei Zahlung - nur - des Ablösebetrages von den Unterhaltungskosten für die Stellplätze und Zufahrtsflächen wie Winterdienst, Straßenreinigung, Instandhaltung, Entwässerung entbunden, auch müssen sie auf ihrem Grundstück nicht die für die Erfüllung der Stellplatzpflicht erforderlichen Flächen bereit halten, sondern können auch diese Flächen anderweitig, im Fall der Kläger als Verkaufsflächen nutzen. Auch sind die Ablöseverpflichteten davon befreit, soweit auf ihrem Grundstück keine Stellplätze erstellt werden können, für deren Errichtung weiteren Grunderwerb mit den sich daran anschließenden Folgekosten zu tätigen. Im Fall der Kläger, auf deren Grundstück ein Ladengeschäft mit nur 116,69 qm betrieben wird, liegt es auf der Hand, das das Bereitstellen von zwei Stellplätzen mit Zufahrten von jeweils 18 qm zu einer prozentual drastischen Verringerung der Verkaufserlöse und damit einhergehenden Umsatzeinbußen führen würde. Der Senat vermag daher einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bzw. das Übermaßverbot nicht zu erkennen.

Im Übrigen bestehen nach Auffassung des Senats keine Bedenken an der Erforderlichkeit der Stellplatz- und Ablösesatzung, insoweit wird auf die Stellungnahme des Ordnungsamtes der Beklagten vom 15. März 2007 (Bl. 100 GA) Bezug genommen.

Die Berechnung des Stellplatzmehrbedarfs von zwei Stellplätzen durch die genehmigte Nutzungsänderung ist unter Berücksichtigung der Angaben der Beklagten in dem Berufungsschriftsatz vom 26. August 2008 ordnungsgemäß berechnet worden (Bl. 201 GA), auch insoweit hat der Senat keine Bedenken an der ordnungsgemäßen Veranlagung der Kläger. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es sei zunächst fiktiv der Stellplatzbedarf für das mit Bauschein Nr. 1763/64 vom 28. April 1965 genehmigte Textilhandelsgeschäft berechnet worden. Das Textilhandelsgeschäft sei in die Kategorie "Geschäftshäuser mit geringem Besucher/-innen-Verkehr" eingeordnet worden. Nach heutiger Rechtslage hätten dafür zwei Stellplätze gemäß Nr. 3.2 der Anlage 1 zur Stellplatz- und Ablösesatzung hergestellt werden müssen. Danach sei die beantragte Nutzungsänderung in einem Drogeriemarkt in die Kategorie der Nr. 3 "Verkaufsstätten" eingeordnet worden, wobei es sich nunmehr nicht mehr um ein Geschäftshaus mit geringem Besucherverkehr gehandelt habe, sondern die Drogerie in die (allgemeine) Kategorie der Nr. 3.1 "Läden, Geschäftshäuser" eingeordnet worden sei. Erforderlich seien dafür gemäß Nr. 3.1 vier Stellplätze, was die Differenz zwischen der erforderlichen Stellplatzanzahl für die Nutzung als Textilgeschäft und der Nutzung als Drogeriemarkt von zwei Stellplätzen ergebe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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