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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 3 A 2382/08
Rechtsgebiete: BauGB, HBO, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 36
HBO § 66
VwGO § 43
VwGO § 44
VwGO § 121
VwGO § 161
1. Die Bezeichnungen "Hartwaren", "Gesundheit" und "Textil" sind hinreichend auslegungsfähige Begriffe, die den beabsichtigten Handelsgegenstand eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs oder Einkaufszentrums ausreichend umreißen und deren Verwendung nicht zur Nichtigkeit eines hierauf bezogenen Bauvorbescheids wegen Unbestimmtheit führt.

2. Hat sich die ursprüngliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Bauvorbescheids aufgrund einseitiger Erledigungserklärung der Klägerin in eine Klage auf Feststellung der Erledigung geändert, kann der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, der ursprünglich streitgegenständlich gewesene Bauvorbescheid sei nicht nichtig gewesen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

3 A 2382/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 18. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Berufungen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2007 - 8 E 810/07 (5) - abgeändert.

Die Klage der Klägerin auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass der Bauvorbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 nicht nichtig und die von der Klägerin erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage unbegründet gewesen ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklage gegen den Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 unzulässig gewesen ist.

4. Der Antrag des Beklagten auf Feststellung, dass der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 rechtmäßig ist und die hiergegen hilfsweise erhobene Anfechtungsklage unbegründet gewesen ist, wird abgelehnt.

5. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat die Klägerin zu 3/4, der Beklagte zu 1/4 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. im ersten Rechtszug sind erstattungsfähig, die der Beigeladenen zu 2. in beiden Rechtszügen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

7. Die Revision wird nicht zugelassen.

8. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 30.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Erweiterung eines an die Gemarkung der Klägerin unmittelbar angrenzenden, auf dem Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2. gelegenen Einkaufszentrums um etwa 12.000 qm Verkaufsfläche bzw. inzwischen auch um die Frage der Erledigung dieses Rechtsstreites.

Unter dem 22. Dezember 2005 stellte die Beigeladene zu 1. bei dem Beklagten eine Bauvoranfrage wegen der beabsichtigten Erweiterung des in der Gemarkung der Beigeladenen zu 2. gelegenen Main-Taunus-Zentrums um zwei Parkebenen, den Neubau eines Parkhauses und die Erweiterung der Verkaufsfläche um ca. 12.000 qm mit etwa 70 neuen Geschäften. Dabei stellte die Beigeladene zu 1. die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz, die planungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Stellplätze, die Frage der Notwendigkeit zusätzlicher Verkehrsmaßnahmen im öffentlichen Straßenraum sowie die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB zur Überprüfung.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2006 (Bl. 303 der Behördenakte - BA -) stellte der Beklagte gemäß § 66 der Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274 ff.) in der Fassung der Änderung vom 20. Juni 2005 (GVBl. I S.434 ff.) - HBO - eine Baugenehmigung auf der Grundlage der geprüften Bauvorlagen und mit den auf dem Beiblatt genannten Auflagen, Bedingungen und Hinweisen grundsätzlich in Aussicht. Dabei wurde in dem Bauvorbescheid im Einzelnen ausgeführt, dass erstens die Erweiterung des Einkaufszentrums mit ca. 12.000 qm Verkaufsfläche gemäß § 34 Abs. 1 und 3 BauGB genehmigungsfähig ist, zweitens eine Ausnahmegenehmigung für die Überschreitung der 20 m Bauverbotszone gemäß § 9 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz nicht erteilt werden kann, drittens die Anzahl der überschlägig ermittelten Stellplätze von ca. 1910 Stellplätzen grundsätzlich zulässig ist und viertens aufgrund des Gutachtens von DC Verkehr - Dorsch Consult Verkehr + Infrastruktur GmbH - die verkehrliche Erschließung des Main-Taunus-Zentrums auch nach der Erweiterung gesichert ist.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2006 (Bl. 335 BA) stellte der Beklagte der Klägerin den Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 zu, das Empfangsbekenntnis datiert vom 11. Juli 2006 (Bl. 341 BA).

Unter dem 12. Dezember 2006 (Bl. 514 BA) legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 ein, der mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8. Februar 2007 (Bl. 552 BA) als unzulässig verworfen wurde.

Am 13. März 2007 hat die Klägerin Klage gegen den Bauvorbescheid erhoben.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Vorbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 betreffend die Erweiterung des xxxxxxxxxxxxxxxxx und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8. Februar 2007 nichtig ist,

hilfsweise, den betreffenden Bauvorbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 14. Dezember 2007 festgestellt, dass der Bauvorbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 nichtig ist.

Die Beigeladene zu 2. hat mit Schriftsatz vom 25. Februar 2008, der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Februar 2008 die Zulassung der Berufung beantragt. In dem Verfahren auf Zulassung der Berufung hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 2008 die Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 580 GA), der Erledigungserklärung ist der Beklagte nicht beigetreten (Bl. 590 GA).

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2008 - 3 A 558/08.Z - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung machen der Beklagte sowie die Beigeladene zu 2. zunächst geltend, der Rechtsstreit habe sich tatsächlich nicht erledigt, so dass die verbleibende Klage mit der als Erledigungsfeststellungsantrag zu wertenden einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin abzuweisen sei. Im Übrigen erheben sie Widerklagen mit unterschiedlicher Reichweite.

Der Beklagte beantragt sinngemäß (Bl. 702 GA),

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2007 - 8 E 810/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen,

festzustellen, dass der streitgegenständliche Bauvorbescheid vom 23. Mai 206 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 nicht nichtig, sondern rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt und

dass die Nichtigkeitsfeststellungsklage unbegründet sowie die hilfsweise geltend gemachte Anfechtungsklage unzulässig bzw. unbegründet war.

Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag.

Die Beigeladene zu 2. beantragt sinngemäß (Bl. 645, 764 GA),

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main - 8 E 810/07 - die Klage abzuweisen,

festzustellen, dass der streitgegenständliche Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 nicht nichtig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt und dass die Nichtigkeitsfeststellungsklage unbegründet sowie die hilfsweise geltend gemachte Anfechtungsklage unzulässig war.

Die Klägerin beantragt sinngemäß (Bl. 744 GA),

die Berufung zurückzuweisen sowie

1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat und

2. die Widerklagen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. abzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten zur Möglichkeit einer Berufungsstattgabe sowie der teilweisen Stattgabe der Widerklage durch Beschluss gemäß § 130 a VwGO (Bl. 755 GA) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke sowie den Behördenvorgang des Beklagten (3 Aktenhefter) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung sowie die Widerklagen gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss, da er die Berufungen einstimmig für begründet und die Widerklagen einstimmig für teilweise begründet und teilweise unzulässig und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Vorgehensweise gehört worden (Bl. 755 GA).

Die zulässigen Berufungen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. sind begründet. Allerdings ist Streitgegenstand des klägerischen Verfahrens nicht mehr die im erstinstanzlichen Verfahren mit Hauptantrag verfolgte Nichtigkeitsfeststellungs- und mit Hilfsantrag verfolgte Anfechtungsklage, da die Klägerin durch ihre einseitig gebliebene Hauptsacheerledigungserklärung den Streitgegenstand geändert hat und nunmehr nur noch darum gestritten wird, ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, München 2008, § 161 Rdnr. 28). Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung, der der Senat folgt, davon aus, dass in den Fällen der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen ist. Mit der einseitig bleibenden Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und begehrt stattdessen die gerichtliche Feststellung, dass die Hauptsache erledigt sei. An die Stelle des durch ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Dieser Austausch des Klagebegehrens führt zu einer Änderung des Streitgegenstandes und stellt damit der Sache nach eine Klageänderung dar, die jedoch als Klageänderung eigener Art nicht den Einschränkungen der §§ 91, 141 VwGO unterworfen ist und insbesondere nicht der Einwilligung des Beklagten bedarf (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. § 161 Rdnr. 28 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 14.1.1965, 1 C 68.61; BVerwG, Urteil vom 27.2.1969, VIII C 37.67 und VIII C 38.67; BVerwG, Beschluss vom 30.10.1969, VIII C 219.67; BVerwG, Urteil vom 25.4.1989, 9 C 61.88; BVerwG, Urteil vom 22.1.1993, 8 C 40.91, jeweils in juris online). Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. ist unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2007 - 8 E 810/07 - die nunmehr fortgeführte Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtstreits abzuweisen, da sich der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht erledigt hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht bereits dadurch Erledigung eingetreten, dass die Beigeladene zu 1. kein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt hat. Die Klägerin meint, da die Beigeladene zu 1. gegen das erstinstanzliche Urteil keine Rechtsmittel eingelegt habe, sei ihr gegenüber Rechtskraft eingetreten, zudem verfolge die Beigeladene zu 1. ihren Antrag auf Erlass des Vorbescheides offensichtlich nicht weiter, da sie sich in Abstimmung mit der Bauaufsicht über den Umfang des Bauantrages befinde. Zwar trifft zu, dass die Beigeladene zu 1. keine Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat. Gleichwohl führt dies bereits deshalb nicht zur Erledigung des Rechtsstreits, da Gestaltungsurteilen nach ganz herrschender Meinung Wirkung nicht nur zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits, sondern für und gegen jedermann ("inter omnes") zukommt. Sie sind deshalb in allen weiteren Rechtsbeziehungen, auch zwischen und mit Dritten, zu beachten. So bewirkt die Kassation eines Verwaltungsaktes, dass es jedermann verwehrt ist, sich im Verhältnis zum Kläger auf die Geltung des aufgehobenen Verwaltungsaktes zu berufen. Insofern ist es gerechtfertigt, von einer inter omnes Wirkung des aufhebenden Urteils zu sprechen, mag auch derselbe Verwaltungsakt im Verhältnis zu anderen Betroffenen, die ihn nicht oder ohne Erfolg angefochten haben, formal weiterhin wirksam sein (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 121 Rdnr. 37 mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes hat für Feststellungsklagen auf Nichtigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes zu gelten. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene zu 1. keine Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat, ist ihr gegenüber nicht Rechtskraft mit der Folge eingetreten, dass sie aus dem von dem Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. betriebenen Rechtsmittelverfahren keine Rechtswirkungen - mehr - für sich ableiten könnte.

Im Übrigen ist auch nicht etwa deshalb Erledigung eingetreten, weil die Beigeladene zu 1., wie die Klägerin meint, ihren Antrag auf Erlass eines Vorbescheides nicht weiter aufrecht erhält und kein Interesse mehr an dessen Bestand hat (Bl. 609 der Gerichtsakte - GA -). Nach der ausdrücklichen Erklärung des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. hält diese an dem Bauvorbescheid fest und will das dort zur Verwirklichung vorgesehene Vorhaben weiterhin realisieren (Bl. 620 GA).

Gehen von dem Bauvorbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 weiterhin Rechtswirkungen auch gegenüber der Beigeladenen zu 1. aus, ist eine Erledigung des Rechtsstreits entgegen der Auffassung der Klägerin nicht eingetreten. Ihre Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits ist daher abzuweisen.

Die von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2. erhobenen Widerklagen sind, soweit sie damit die Feststellung begehren, der streitgegenständliche Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 sei nicht nichtig und die Nichtigkeitsfeststellungsklage daher unbegründet gewesen, zulässig und begründet.

Zunächst haben der Beklagte und der Beigeladene zu 2. ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung dargelegt, der streitgegenständliche Bauvorbescheid sei nicht nichtig und die auf diese Feststellung gerichtete Klage unbegründet gewesen. Würde eine derartige Feststellung nicht getroffen, wäre nämlich zu besorgen, dass ihnen in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren oder sonst im Rechtsverkehr erneut die Nichtigkeit dieses Bauvorbescheides entgegengehalten würde.

Dabei ist bereits im Rahmen des Streits um die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits anerkannt, dass die Prüfung sowohl der Zulässigkeit als auch der Begründetheit der ursprünglich erhobenen Klage in die Entscheidung des Erledigungsfeststellungsstreits immer dann einzubeziehen ist, wenn der Beklagte (oder ein sonst am Verfahren Beteiligter) ein darauf gerichtetes schutzwürdiges Interesse geltend machen kann (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 161 Rdnr 28 unter Hinweis auf u.a. BVerwG, Urteil vom 14.1.1965, 1 C 68.61; BVerwG, Urteil vom 27.2.1969, VIII C 37.67 und VIII C 38.67; BVerwG, Urteil vom 23.10.1979, 1 C 63.77, jeweils juris online). Keine anderen Anforderungen können jedoch bei der Prüfung des besonderen Feststellungsinteresses im Rahmen einer selbständig erhobenen Widerklage auf Feststellung der Zulässigkeit und/oder Begründetheit der ursprünglich erhobenen Klage gelten. Hergeleitet wird dabei die Befugnis des Beklagten, unter bestimmten Voraussetzungen eine Sachprüfung (trotz einseitiger Erledigungserklärung des Klägers und den sich daraus ergebenden prozessualen Folgen) zu erwirken, aus einer analogen Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Dementsprechend bestimmt sich auch das schutzwürdige Interesse des Beklagten (bzw. sein Feststellungsinteresse im Rahmen einer als Widerklage erhobenen Feststellungsklage) nach den gleichen Grundsätzen wie dasjenige des Klägers, der nach Erledigung eines Verwaltungsaktes zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergeht. Ein allgemeines Interesse an der Klärung offener Rechtsfragen reicht nicht aus. Vielmehr muss die vom Beklagten begehrte Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage geeignet sein, die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits für die Zukunft zu klären und so zur Vermeidung weiterer Streitverfahren beizutragen (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 161 Rdnr 29 mit weiteren Nachweisen).

Das Feststellungsinteresse des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. ist zu bejahen, da bei Abweisung der Klage der Klägerin auf Feststellung der Erledigung des Rechtstreits, wie geschehen, eine rechtskräftige Entscheidung über die von ihr behauptete Nichtigkeit des streitgegenständlichen Bescheids nicht getroffen wird und bei Beantragung einer mit dem Prüfprogramm des Bauvorbescheides teilweise deckungsgleichen Baugenehmigung von der Klägerin die Nichtigkeit des Bauvorbescheides erneut aufgerufen werden könnte mit der Folge erneuter Klärungsbedürftigkeit hinsichtlich dessen Bindungswirkung (§ 66 Abs. 1 Satz 4 HBO). Trägt die Feststellungsklage mithin dazu bei, weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen.

Die Feststellungsklage hat auch in der Sache Erfolg, da der Bauvorbescheid nicht nichtig im Sinne des § 44 HVwVfG ist.

Gemäß § 44 Abs. 1 HVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Dabei umfasst die Generalklausel des § 44 Abs. 1 HVwVfG besonders schwere Fehler, die mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sind (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 7. Auflage, München 2008, § 44 Rdnr. 103). Der Verstoß muss schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung sein, die die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzen, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 44 Rdnr. 104), wobei ein besonders schwerer Fehler angenommen wird bei absoluter rechtlicher Unmöglichkeit oder völliger Unbestimmtheit (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 44 Rdnr. 113). Ein Verwaltungsakt, der lediglich gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 HVwVfG verstößt, ohne in sich unverständlich zu werden, ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Keinesfalls genügt eine Unbestimmtheit, die durch Auslegung zu beheben ist, oder eine Unklarheit in einem Punkt von zweitrangiger Bedeutung (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 44 Rdnr. 116).

Unter Anlegung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, ist der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 nicht nichtig, insbesondere ist er nicht so unbestimmt, dass er schlechthin unverständlich ist. Das Verwaltungsgericht führt in dem angefochtenen Urteil aus, ein Bauantrag ohne Angabe des Handelsgegenstandes sei nicht prüffähig gemäß § 34 Abs. 3 BauGB, auch seien die Angaben der Beigeladenen zu 1. in ihrer Bauvoranfrage so unbestimmt, dass sie keinem konkreten Handelsgegenstand zugeordnet werden könnten.

Dem folgt der Senat im Ergebnis nicht. Zwar ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass eine Prüfung nach § 34 Abs. 3 BauGB auch im Rahmen eines Bauvorbescheidsverfahrens zur Erweiterung eines Einkaufszentrums oder großflächigen Einzelhandelsunternehmens die Benennung der Handelsgegenstände erforderlich macht, damit die Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche beurteilt werden können.

Diesen Anforderungen genügt der Antrag der Beigeladene zu 1. noch. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Bezeichnungen "Hartwaren", "Gesundheit" und "Textil" hinreichend auslegungsfähige Begriffe, die den beabsichtigten Handelsgegenstand umreißen und ausreichend erkennen lassen.

Bei dem Begriff der "Hartwaren" handelt es sich um einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von Waren und Warengruppen. In dem Zentralverband für Hartwarenhandel e.V. (ZHH) sind mehrere Verbände und Arbeitskreise zusammengeschlossen, die u.a. folgende Sortimente repräsentieren: Eisenwaren, Hausrat, Glas, Porzellan, Keramik, Sicherungstechnik, Heimwerkerbedarf, Einbauküchen und Haushaltsgeräte, Sanitärartikel, Werkzeug (vgl. http://www.handelswissen.de/data/handelslexikon/Buchstabe_h/Hartwaren.php). Damit ist hinreichend konkret umrissen, um welche Branchen es sich handelt, so dass deren Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche beurteilt werden können.

Auch die von der Beigeladenen zu 1. genannten Warengruppen "Textil" und "Gesundheit" können durch Auslegung hinreichend bestimmt werden, wobei bei offenen Begriffen, die sich ggfs. in verschiedene Untersparten aufgliedern können, im Zweifelsfall die gesamte Warengruppe als beantragt anzusehen ist.

Bei dem Begriff "Gesundheit" folgt der Senat den Ausführungen des Beklagten, es handele sich um einen durchaus gängigen Fachbegriff, der in dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 20. Januar 2003 (Staatsanzeiger 2003, S. 453 ff., 462) in der Spalte "Gesundheitsartikel, Kosmetik, Apotheken- und Sanitätswaren" enthalten sei und die Bereiche Apotheke, Drogerie, Reformhaus, eventuell Parfümerie, Sanitätshaus, Optik, Hörgeräte etc. umfasse. Der Begriff "Gesundheit" umreißt hinreichend deutlich, welche Warensortimente betroffen sein sollen und versetzt die Baugenehmigungsbehörde in die Lage, das Vorhaben bauplanungsrechtlich auch hinsichtlich seiner Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche beurteilen zu können.

Gleiches hat im Ergebnis für den Begriff "Textil" zu gelten. Auch insoweit neigt der Senat dazu, der Argumentation des Beklagten zu folgen, unter diesem Begriff seien nicht Teppiche und ähnliches zu verstehen, die als Bodenbeläge der Branche "Möbel" zuzuordnen seien, sondern Damen-, Herren-, Kinder- und Babybekleidung, sonstige Textilien und Bekleidung sowie Heim- und Haustextilen (Bl. 713 GA). Doch selbst wenn man den Begriff "Textil" als weiten Begriff auffassen wollte, der auch Teppiche und ähnliches umfasst, rechtfertigt dies bezogen auf den streitgegenständlichen Bescheid nicht eine Nichtigkeitsfeststellung, da in diesem Fall allenfalls der gesamte unter der Warengruppe "Textil" denkbare Branchenmix hinsichtlich seiner Auswirkungen zu prüfen wäre, was unproblematisch möglich ist. Dabei kann zur Bestimmung der einzelnen Branchenbezeichnungen bzw. des beabsichtigten Umfangs der Ansiedlungen auch auf die Angaben des "Gutachtens zu den prospektiven Auswirkungen eines Erweiterungsvorhabens auf das Kerneinzugsgebiet" des Dr. Lademann und Partner vom März 2006 (Bl. 269 ff. BA) zurückgegriffen werden. Zwar ist das Gutachten, worauf das Verwaltungsgericht hinweist, nicht mit Grünstempel versehen und nicht bereits hierdurch zum Gegenstand des Bauvorbescheides gemacht worden, das Gutachten ist jedoch unter Nr. 1 "Genehmigungsfähigkeit nach § 34 BauGB" des Beiblattes zum Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 (Bl. 305 der Verwaltungsakte - VA -) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden, so dass auf die dort gemachten Aussagen hinsichtlich der Handelsgruppen sowie der Aufteilung der Verkaufsflächen zurückgegriffen werden kann.

Dabei ist unter dem hier allein interessierenden Gesichtspunkt des Nichtigkeitsvorwurfs die allgemeine Bezeichnung von Warengruppen und Sortimenten ausreichend, um die auch in einem Bauvorbescheidsverfahren zu klärende Frage zu beurteilen, ob von einem Vorhaben schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB ausgehen. Der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 leidet unter Berücksichtigung der in dem Gutachten Lademann gemachten Angaben nicht an einem derartig schwerwiegenden Bestimmtheitsfehler, dass die Feststellung seiner Nichtigkeit gerechtfertigt sein könnte.

Die im Wege der Widerklage von Seiten des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. erhobene Klage auf Feststellung, dass der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 nicht nichtig und die von der Klägerin erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage unbegründet gewesen ist, hat daher in der Sache Erfolg.

Allerdings fehlt dem Beklagten für die ebenfalls im Wege der Widerklage erhobene Klage auf Feststellung der Rechtmäßigkeit des Bauvorbescheides vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 unter Anlegung der oben aufgestellten Kriterien das Feststellungsinteresse, so dass sie als unzulässig abzuweisen ist.

Der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 ist nämlich bestandskräftig geworden und nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar, so dass die Feststellung seiner Rechtmäßigkeit - in einem gerichtlichen Verfahren - zu keiner Verbesserung der Rechtsposition des Beklagten führt. Dies gilt auch im Verhältnis der Beteiligten zueinander bei einem noch durchzuführenden Baugenehmigungsverfahren der Beigeladenen zu 1..

Der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 ist bestandskräftig, da der Widerspruch der Klägerin vom 12. Dezember 2006, eingegangen am 13. Dezember 2006 (Bl. 514 BA), verfristet eingelegt worden ist. Dabei gilt entgegen der Auffassung der Klägerin die 1-monatige Widerspruchsfrist, da ihr mit Schreiben vom 6. Juli 2006 mit Rechtsbehelfsbelehrung der Bauvorbescheid in seinem verfügenden Teil gegen Rückschein zugestellt worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihr der Bauvorbescheid auch ordnungsgemäß im Sinne des § 41 Abs. 1 HVwVfG bekannt gegeben worden. Gegenstand der Bekanntgabe ist nach § 41 HVwVfG nur der Verwaltungsakt. Gemeint ist damit die Bekanntgabe des verfügenden Teils des Verwaltungsaktes, also die Regelung im Sinne des § 35 HVwVfG. Hierzu gehören auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung und - in der Rechtsprechung wohl unterschiedlich beurteilt - alle Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 HVwVfG, selbst wenn sie sehr umfangreich sind (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 41 Rdnr. 15). Zu dem verfügenden Teil des Bauvorbescheides vom 23. Mai 2006 gehören die auf Bl. 303 bis 306 BA befindlichen Verfügungen, nicht jedoch, wie die Klägerin meint, sämtliche in Bezug genommenen Anlagen, insbesondere nicht Baupläne, Gutachten etc.. Unter Anlegung dieser Kriterien ist der Bauvorbescheid vom 23. Mai 2006 der Klägerin ordnungsgemäß mit Rechtsbehelfsbelehrung mit Schreiben vom 06. Juli 2006 am 11. Juli 2006 zugestellt worden, so dass ihr Widerspruch vom 12. Dezember 2006 verfristet und der Bauvorbescheid bestandskräftig geworden ist. Dies bedeutet, dass bestandskräftig und mit Bindungswirkung für das Baugenehmigungsverfahren (§ 66 Abs. 1 Satz 4 HBO) die dort getroffenen Feststellungen verbindlich sind, so dass die Rechtsposition des Beklagten durch eine darüber hinausgehende gerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung nicht verbessert werden kann.

Schließlich ist auf die von dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2. erhobene Widerklage hin festzustellen, dass die hilfsweise von der Klägerin anhängig gemachte Anfechtungsklage gegen den Bauvorbescheid unzulässig gewesen ist. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen zur Verfristung des Widerspruchs verwiesen werden.

An einer weitergehenden Prüfung der Unbegründetheit der Anfechtungsklage fehlt dem Beklagten aus den bereits dargelegten Gründen das Feststellungsinteresse, da der bestandskräftig gewordene Bauvorbescheid Bindungswirkung auch zwischen den Beteiligten, insbesondere hinsichtlich eines noch durchzuführenden Baugenehmigungsverfahrens entfaltet (§ 66 Abs.1 Satz 4 HBO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. sind nur im ersten Rechtszug zu erstatten, da sie sich dort am Verfahren beteiligt hat und sich insbesondere durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Demgegenüber sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. in beiden Rechtszügen zu erstatten, da sie sich jeweils am Verfahren beteiligt und durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 45 und 47 Abs. 1 GKG. Sie berücksichtigt das geschätzte Erfolgsinteresse der Berufungskläger und die Begrenzung durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszugs gemäß § 47 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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